Die Ereignisse des „Großen Terrors“ gelangten nur zu einem kleinen Teil an die Oberfläche des gesellschaftlichen Lebens: in der sowjetischen Presse tauchten Informationen lediglich über große – und auf lokaler Ebene – über kleinere Schauprozesse auf, die von Hetzpropaganda begleitet waren. Die persönliche Erfahrung des Menschen, der zwischen die Mahlsteine der Repressionen geraten war, konnte ebenfalls kein allgemeines Bild des Geschehenen enthüllen. Eben deshalb blieben Umfang, Struktur und Mechanismus der Verfolgungen für die Mehrheit der Zeitgenossen (natürlich mit Ausnahme der „Urheber“) sowie mehrere Generationen von Historikern im Geheimen verborgen. Jetzt gibt uns die Gesamtheit der historischen Quellen die Möglichkeit, die Feinheiten des „Großen Terrors“ mehr oder weniger klar zu betrachten. Allerdings waren wir in der hier vorliegenden Chronik nicht bestrebt, diese Feinheiten als einheitliches Ganzes vorzustellen – unsere Aufgabe war erheblich bescheidener: wir wollten eine Vorstellung von der Aufeinanderfolge der repressiven Ereignisse geben und dabei die wichtigsten von ihnen mit kleinen Kommentaren begleiten. Die Chronik basiert vorwiegend auf Dokumenten des Zentralkomitees der WKP (B) sowie des NKWD der UdSSR – vor allen Dingen auf Direktiven, in denen die Dynamik der Repressionen, ihre ideologischen und quantitativen Parameter und ihr Verlauf festgelegt waren. Den personenbezogenen Aspekt der Repressionen heben wir hier ganz bewußt nicht hervor: jede Familie, jede Gemeinschaft hat ihre eigene Chronik tragischer Daten, ihr Martyrologium, und es ist nicht unsere Angelegenheit darüber zu entscheiden, wer von den hunderttausenden unschuldigen Opfern eine Erwähnung verdient hat und wer nicht (wir erwähnen nur die Namen der „Urheber“ des Terrors und der Figuren bei den „Schauprozessen“ – Aktionen, die eine unverhüllte politische Bedeutung besaßen und die Rolle einer symbolischen Abschreckung spielten).
Hier muß man wohl anmerken, daß der Verlauf der Repressionen in dem zu beschreibenden Zeitraum nicht gleichförmig war – die Periode des „Großen Terrors“ läßt sich ganz grob in vier Zeitabschnitte einteilen:
Leider sind in der hier vorliegenden Chronik nicht allzu viele Hintergrund-Ereignisse aufgeführt, die den politischen und sozialen Zusammenhang der Repressionen aufdecken. Der Grund dafür ist der begrenzte Umfang, der für diese Publikation vorgesehen ist. Wir hoffen, daß wir zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage sind, diese kurzen historischen Daten zu ergänzen und ein wenig detaillierter zu behandeln.
9. März
Kollektivbeschluß des Politbüros des Zentral-Komitees der WKP (B) „Über
Maßnahmen zum
Schutz der UdSSR vor dem Eindringen terroristischer sowie von Spionage- und
Sabotage-Elementen“. Darin heißt es, daß sich in der UdSSR eine große Menge
Politemigranten angesammelt hat, von denen ein Teil als unmittelbare Agenten der
Aufklärungs- und Polizeiorgane der kapitalistischen Staaten in Erscheinung tritt“;
in
diesem Zusammenhang sind die Einreisevorschriften für ausländische Kommunisten
in die UdSSR zur verschärfen, „Übergangsstellen“ (Grenz-“Öffnungen“) der
Komintern zu schließen, eine vollständige Auflistung und Registrierung aller
Politemigranten durchzuführen und eine Kommission (unter dem Vorsitz des
Sekretärs des Zentral-Komitees N.I. Jeschow) zur „Säuberung“ der Apparate von
Profintern, MOPR (Internationale Rote Hilfe; Internationale Organisation zur
Unterstützung von Revolutionskämpfern) und anderen auf dem Terrtorium der UdSSR
operierenden internationalen Organisationen zu schaffen, die Spionage- und
antisowjetische Elemente beseitigen sollen.
25. März
Der Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR, G.G. Jagoda, bringt im
Politbüro des Zentral-Komitees der WKP (B) den Vorschlag ein, „alle Trotzkisten,
die sich in der Verbannung befinden und dort Aktiv-Arbeit leisten, zu verhaften
und in entfernte Lager zu verschicken, Trotzkisten, die bei der letzten
Überprüfung der Partei-Bücher aus der WKP (B) ausgeschlossen wurden, zu
entfernen und auf Beschluß des NKWD Sonder-Kollegiums für einen Zeitraum von 5
Jahren in entfernte Lager zu verschicken“, und die „der Mitgliedschaft in
terroristischen Vereinigungen überführten Personen“ zu erschießen. Am 31.03.
gibt der Staatsanwalt der UdSSR - A.J. Wischinskij – seine Zustimmung zu dieser
schriftlichen Mitteilung Jagodas.
28. April
Kollektivbeschluß des Rates der Volkskommissare „Über die Aussiedlung von 15 000
polnischen und deutschen Wirtschaften aus der Ukrainischen SSR und deren Unter-bringung im Gebiet Karaganda, Kasachische ASSR“. Grund für die Zwangsumsied-lung: Säuberung der grenznahen Bezirke von unzuverlässigen Elementen. Insgesamt
wurden 69 283 Personen umgesiedelt.
20. Mai
Kollektivbeschluß des Politbüros des Zentral-Komitees über die Repressierung von
Trotzkisten (gemäß schriftlicher Mitteilung von Jagoda vom 25.03. und
Bestätigung
Wischinskijs vom 31.03.).
19. Juni
Der Volkskommissar für innere Angelegenheiten der UdSSR - Jagoda, und der
Staatsanwalt
der UdSSR – Wischinskij, legten dem Politbüro des Zentral-Komitees der WKP (B)
eine Liste von 82 „Angehörigen konterrevolutionärer und trotzkistischer
Organisationen vor, die dem Terror zuzuordnen sind“, und beantragten, diese vor
Gericht zu stellen. Auf der Liste fanden sich u.a. die Namen Sinowjew, Kamenew
u.a.
29. Juli
Geheimer Brief des Zentral-Komitees der WKP (B) „Über terroristische Aktivitäten
des
konterrevolutionären Trotzkij-Sinowjew-Blocks“ (Anklage wegen des Mordes an
Kirow, Vorbereitung von Attentaten auf Mitglieder des Politbüros; Herstellung
einer
Verbindung trotzkistischer Agenten mit der „Gestapo“), jähe Verschärfung
breitgefächerter Propaganga-Kampanien gegen ehemalige Trotzkisten.
19. – 24. August
In Moskau findet ein offener Gerichtsprozeß (Sitzung des Militär-Kollegiums des
Obersten Gerichts der UdSSR) in Sachen des „antisowjetischen vereinigten
Trotzkij-Sinowjew-Zentrums“ statt. Der Gerichtsvorsitzende ist W.W. Ulrich, der Ankläger
–A.J. Wischinskij. Angeklagte: G.J. Sinowjew, L.B. Kemenjew, G.J. Jewdokimow,
I.N. Smirnow, S.W. Mratschkowskij und andere. Unter den Anklagepunkten: der
Mord an S.M. Kirow, die Vorbereitung von Attentaten auf Stalin, Woroschilow,
Schdanow, Kaganowitsch, Ordschonokidse. Alle 16 Angeklagten wurden zur
Höchststrafe verurteilt und am 25.08.1936 erschossen. In verschiedenen Regionen
des
Landes verliefen „Tochterprozese“, bei denen mehr als 160 Personen verurteilt
wurden.
14. September
Verhaftung J.L. Pjatakows und, zwei Tage später, K.B. Radeks, - der ehemaligen
Hauptbeschuldigten im Prozeß in Sachen „antisowjetisches trotzkistisches
Zentrum (Januar 1937).
25. September
Telegramm von Stalin und Schdanow aus Sotschi an das Politbüro: „Wir halten die
Ernennung des Genossen Jeschow zum Volkskommissar für innere Angelegenheiten für
absolut unerläßlich und dringend. Jagoda ist seinen Aufgaben im Hinblick auf die
Entlarvung des Trotzki-Sinowjew-Blocks in deutlich sichtbarer Weise nicht
gewachsen. Die OGPU liegt mit diesem Fall um vier Jahre zurück“.
26. September
G.G. Jagoda wird von seinem Amt als Volkskommissar für innere Angelegenheiten
der
UdSSR freigestellt und zum Volkskommissar für Verkehrsverbindungen der UdSSR
ernannt. N.I. Jeschow wird Volkskommissar für die inneren Belange der UdSSR,
behält jedoch gleichzeitig den Posten des Sekretärs des Zentral-Komitees der WKP
(B) und des Vorsitzenden der Partei-Kontrollkommission des Zentralkomitees der
WKP (B).
29. September
Das Politbüro verabschiedet die Anordnung des Zentralkomitees der WKP (B) „Über
die
Behandlung konterrevolutionärer trotzkistisch-sinowjewscher Elemente“, in der es
eine wichtige ideologische Neuerung gibt: „a) Bis vor kurzem hat das
Zentral-Komitee
der WKP (B) die trotzkistisch-sinowjewischen Schurken als vorderste politische
und organisatorische Einheit der internationalen Bourgeoisie eingeschätzt.
Allerneueste Tatsachen besagen, daß diese Herren noch viel tiefer gesunken sind
und daß man sie nunmehr als Aufklärer, Spione, Diversanten und Schädlinge
ansehen muß, die für die faschistische Bourgeoisie in Europa tätig sind“.
Aufgrund dieser Voraussetzung muß man den Schluß ziehen: „b) in diesem Zusammenhang ist eine Abrechnung mit den Trotzki-Sinowjew-Schurken unbedingt erforderlich sie soll nicht nur die unter Verdacht stehenden Personen erfassen <...>, deren Fall noch nicht abgeschlossen ist, sondern auch diejenigen, die bereits früher ausgesiedelt wurden“.
4. Oktober
Das Politbüro überprüft die Bitte Jeschows und Wyschinskijs, gegen die 585
verurteilten
Personen gemäß der erstellten Liste Sanktionen zu verhängen, und beschließt
(„durch Umfrage“) folgende Anordnung zu erteilen: „Dem Vorschlag der Genossen
Jeschow und Wyschinskij über Maßnahmen einer gerichtlichen Bestrafung der
aktiven Mitglieder der konterrevolutionären, terroristischen
Trotzkij-Sinowjew-Organisation gemäß der ersten Liste, in der 585 Personen
genannt sind, stattzugeben“ (Schaffung eines Präzedenzfalls von Verurteilungen
nach Listen).
19.- 22. Oktober
In Nowosibirsk findet der „Kemerowsker Prozeß“ in Sachen des
Sprengstoffanschlags vom
23.09.1936 im Kusbas-Schacht „Zentral“ statt. Bei der Verhandlung „stellte es
sich
heraus“, daß der Sabotageakt von einer trotzkistischen Untergrund-Gruppe, in
einem Komplott mit Ingenieuren aus den Reihen der alten „Spezialisten“
organisiert
worden war, daß die Fäden dieses Komplotts sich bis nach Moskau hinzogen. Alle 9
Beschuldigten wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt, einer ganzen Reihe der
Figuren dieses Falles wurde im Januar 1937 der Prozeß in Sachen „des
antisowjetischen trotzkistischen Zentrums“ gemacht.
13. November
Rundschreiben des NKWD der UdSSR über die Aufdeckung und Vernichtung des
„sozial-revolutionären Untergrundes“ (Beginn umfassender Verhaftungen ehemaliger, in
Freiheit und in der Verbannung lebender Sozialrevolutionäre im ganzen Land).
13. November
Befehl des NKWD „über die Verschärfung des Kampfes gegen Unglücksfälle bei
Eisenbahn-Transporten“ (jeder Unfall soll als möglicher Sabotageakt genau untersucht
werden).
29. November
Der Staatsanwalt der UdSSR gibt den Befehl zur Überprüfung aller bereits
abgeschlossenen Fälle der vergangenen Jahre, in denen Brände, Unfälle, der
Ausstoß von minderwertigen Produkten usw. verhandelt wurden, heraus, „mit dem
Ziel der
Aufdeckung der konterrevolutionären und diversiven Hintergründe dieser Fälle
sowie Heranführung der Schuldigen zu einer strengeren Verantwortlichkeit“.
4. und 7. Dezember
Plenum des Zentral-Komitees der WKP (B). Bericht Jeschows über aufgedeckte
trotzkistische Gruppierungen und die von ihnen begangenen Sabotageakte, über die
Anzahl der Verhaftungen aufgrund „trotzkistischer Fälle“ (mehrere tausend
Personen); insbesondere werden die Angeklagten des in Vorbereitung befindlichen
Prozesses benannt: Pjatakow, Radek u.a., es werden neue Beschuldigungen gegen
Bucharin und Rykow vorgebracht und eine offizielle Erklärung über die Existenz
eines „antisowjetischen rechten Zentrums“ abgegeben. Auf Grundlage von Jeschows
Ausführungen werden Fragen über Bucharins und Rykows Mittäterschaft an den
„Verbrechen der Trotzkisten“ sowie an Terrorakten erörtert (Resolution: „den
Antrag des Genossen Stalin anzunehmen, daß das Problem bezüglich Rykow und
Bucharin noch nicht abgeschlossen, die nachfolgende Überprüfung abzuwarten und
die entgültige Entscheidung bis zur nächsten Vollversammlung des
Zentral-Komitees auszusetzen ist“).
17. Dezember
Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR „Über die Aussiedlung
konterrevolutionärer Elemente aus Aserbeidschan in den Iran und entlegene
Gebiete
der UdSSR“. Grund: Säuberung der grenznahen sowie der unter Regime stehenden
Orte von unzuverlässigen Elementen.
6. Januar
Volkszählung in der gesamten Union. Die sich daraus ergebenden
Bevölkerungszahlen des
Landes waren viel niederiger als erwartet. Die Ergebnisse der Volkszählung
wurden
für unglaubwürdig (Sept. 1937) und vertraulich erklärt. Diejenigen, die an der
Volkszählung mitgearbeitet und sie organisiert hatten, wurden Opfer von
Repressionen.
8. Januar
Rundschreiben des Volkskommissariats für Justiz und der Staatsanwaltschaft der
UdSSR:
das Militärgericht wird angewiesen, die Fälle zu überprüfen, in denen ein
militärisches, diplomatisches oder staatliches Geheimnis verraten wurde“,
in der Regel ohne Mitwirkung von Anklage und Verteidigung. In diese Kategorie
fielen insbesondere, Strafakten wegen Vaterlandsverrat, Spionage, Sabotage und
Terrorakten.
9. Januar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Aussiedlung konterrevolutionärer Elemente
aus
Aserbeidschan in den Iran und entlegene Gebiete der UdSSR, gemäß Anordnung
des Rates der Volkskommissare vom 17.12.1936. Es wurde beabsichtigt, aus Baku
und den angrenzenden Bezirken der Aserbeidschanischen SSR 2500 iranische
Staatsangehörige (aus der Partei Ausgeschlossene, die keine, für die
Gesellschaft nützliche Tätigkeit ausübten, wegen strafrechtlicher oder
politischer
Verbrechen vorbestraft waren, ehemalige Überläufer und Grenzüberläufer), sowie
700
Familien „konterrevolutionärer Elemente“ (Kulaken, Begs, Mullahs, früher
Verurteilte
und Heimgekehrte) auszusiedeln.
23. - 30. Januar
Zweiter offener Prozeß in Moskau in Sachen „antisowjetisches trotzkistisches
Zentrum“.
Gerichtsvorsitzender: W.W. Ulrich, staatlicher Ankläger – A.J. Wyschinskij.
Die Angeklagten G.L. Pjatakow, K.B. Radek, L.P. Serebrjakow, G.J. Sokolnikow und
andere wurden beschuldigt, Sabotageakte organisiert sowie Spionage zugunsten
Deutschlands und Japans betrieben und einen Komplott geschmiedet zu haben - mit
dem Ziel der Aufteilung der UdSSR und der Wiederherstellung des Kapitalismus. 13
Personen wurden zur Todesstrafe verurteilt und am 1. Februar 1937 erschossen. In
den
Zeitungen wurde eine Propaganda-Kampanie ins Rollen gebracht, die den Massen-Enthusiasmus und den Haß gegenüber den „Volksfeinden“ deutlich machte.
27. Januar
Das Politbüro bestätigt den Gesetzesentwurf der Anordnung des Zentralen
Exekutiv-Komitees
über die Ernennung N.I. Jeschows zum Generalkommissar der Staatssicherheit
(gleichzeitig ergeht eine Anordnung des Zentralen Exekutiv-Komitees über die
Versetzung von G.G. Jagoda zum Reserve-Generalkommissar der Staatssicherheit.
9. Februar
Rundschreiben des NKWD über die Verstärkung der operativen Arbeit in Richtung
auf die
„sozialrevolutionäre Linie“.
18. Februar
Tod des Mitglieds des Politbüros des Zentralkomitees der WKP (B), des
Volkskommissars
für Schwerindustrie – G.K. Ordschonikidse. Es gibt Unterlagen darüber, daß
Ordschonikidse ab 1936 entschiedenen Widerstand gegen die Repressionspolitik
Stalins leistete; zumindest bemühte er sich, die Mitarbeiter seiner Behörde zu
schützen
und zu verteidigen. Nach einer offiziellen Mitteilung, verstarb er „plötzlich
und
unerwartet während des Mittagsschlafs an Herzstillstand“. Es gibt eine weitere,
recht
beharrliche Version, die davon ausgeht, daß der Tod Ordschonikidses durch
Selbstmord eintrat; einige Zeitgenossen vermuten, daß Ordschonikidse im Auftrag
Stalins getötet wurde.
21. Februar
Direktive der GUGB (Hauptverwaltung für Staatssicherheit) beim NKWD der UdSSR
über ein beschleunigtes Inkraftsetzen von Maßnahmen zur Vernichtung
trotzkistischer
Sabotage- und Spionage-Organisationen.
23. Februar – 5. März
Vollversammlung des Zentral-Komitees der WKP (B); sie ist fast gänzlich der
politischen
Begründung für die in Gang gesetzten Massenrepressionen gewidmet, vor
allen Dingen innerhalb der Partei- und Wirtschaftselite. Auch befaßte sich das
Plenum
(23.-27.02) mit der „Sache Bucharin – Rykow“ (Hauptreferent N.I. Jeschow); am
27. Februar wurden beide aus der Partei ausgeschlossen und verhaftet. Die
richtungs-weisenden Vorträge von W.M. Molotow und L.M. Kaganowitsch (28.02.)
betrafen „Lektionen zum Thema Schädlingstätigkeit, Sabotage und Spionage
japanisch-deutscher Trotzkisten-Agenten“ in der Industrie und beim
Transportwesen, der Bericht Jeschows (01.03.) – Schädlingstätigkeit innerhalb
des NKWD. In Stalins Rede „Über unzureichende Parteiarbeit und
Liquidationsmaßnahmen gegen Trotzkisten und andere doppelzüngige Personen“
(03.03.) wurde der unerbittliche Kampf gegen die Feinde als oberste Priorität
der Parteiarbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefordert. Stalins Logik zufolge
durfte man, da die Trotzkisten und andere politische Gegner sich „in eine
zügellose, prinzipienlose Bande von Schädlingen, Saboteuren, Spionen und Mördern
verwandelt hatten, die auf Befehl der Aufklärungsorgane ausländischer Staaten
handelten“, im Kampf gegen sie „weder althergebrachte Methoden anwenden, noch
den Weg klärender Diskussionen einschlagen, sondern vielmehr ganz neue Methoden
– Methoden zur Ausrottung und Vernichtung“. Auf der Plenarsitzung sprachen 73
Personen. 56 von ihnen wurden in den Jahren 1937-1940 erschossen. 2 setzten
ihrem Leben durch Selbstmord ein Ende.
27. Februar
Jeschow legt den Mitgliedern des Politbüros die „erste Liste mit Personen, denen
beim
Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR der Prozeß gemacht werden
soll“ zur Bestätigung vor, darunter die Nachnamen von 479 Personen, für die als
Strafmaß der Tod durch Erschießen festgesetzt war. Im Laufe der folgenden
einein-halb Jahre spielte das NKWD Stalin und seinen Mitkämpfern regelmäßig
derartige Listen zur Genehmigung zu – erst nachdem sie ihren Sichtvermerk
darunter gesetzt hatten, gingen die entsprechenden Akten zur gerichtlichen
Überprüfung an das Militärkollegium. Insgesamt waren in diesen 383 Listen mehr
als 40 000 Personen aufgeführt. Die Mehrzahl derer, die vor Gericht kam, wurde
zum Tod durch Erschießen verurteilt.
11. März
Direktive des NKWD der UdSSR über die Aufdeckung japanisch-trotzkistischer
Sabotage-Gruppen in der Erdöl-Industrie.
15. März
Befehl des NKWD der UdSSR, verschärftes Regime in den NKWD-Gefängnissen
besonderer Bestimmung. Endgültige Abschaffung des seit Anfang der 1920er Jahre
bestehenden Sonder-Regimes für Häftlinge, die von den Behörden als „Politische“
angesehen wurden.
17. März
Gesetz der UdSSR mit einem an die Bauern gerichteten Verbot, die Kolchosen ohne
Genehmigung der Administration und ohne Vorweisen eines Arbeitsvertrages mit dem
zukünftigen Arbeitgeber zu verlassen. Inkrafttreten eines Gesetzes, das den
Bauern das Recht auf Bewegungsfreiheit entzieht.
23. März
Verfügung des NKWD der UdSSR über die Beendigung von Freilassungen ehemaliger
Oppositioneller (Trotzkisten, Sinowjew-Anhänger, Rechte, Dezisten, Mjasnikow-
und
Schljapnikow-Anhänger) aus der Verbannung, deren Verbannungsfrist in Kürze
abläuft.
27. März
Rundschreiben des NKWD der UdSSR über die Verschärfung der operativen Arbeit bei
„Kirchenleuten und Sektierer“. Es wird bestätigt, daß „Kirchenleute und
Sektierer“ im
Zusammenhang mit der Annahme der neuen Verfassung aktiviert werden und vorbereitende Maßnahmen zu den Räte-Wahlen durchführen sollen, „die sich die Aufgabe
gestellt haben, die untersten sowjetischen Organe zu durchdringen“. Es werden
Maßnahmen angeordnet, die auf die Enthüllung und schnelle Vernichtung
organisierter Zentren illegaler Arbeit von Kirchenleuten und Sektierern
abzielen“:
Einführung der Glaubenszersplitterung in den Kirchengemeinden, Schwächung der
materiellen Grundlagen der Kirche, Erschwernisse bei der Teilnahme an Wahlen,
usw.
29. März
Das Politbüro beschließt, „dem Volkskommissariat für Verteidigung den Vorschlag
zu
unterbreiten, alle aus den Reihen der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee
stammenden
Personen, die sich im Personalbestand der Kommandeure und leitenden Angestellten
befinden, ausgenommen WKP (B)-Angehörige, aufgrund politischer Motive zu
entlassen“.
2. April
Richtungsweisender Brief der GUGB beim NKWD der UdSSR über zunehmende
Aktivitäten
der deutschen Aufklärungsorgane, über von ihnen in der UdSSR organisierte
Terror-und Sabotage-Akte, sowie umfangreiche faschistische Tätigkeiten inmitten der
deutschen Bevölkerung“, die dem Ziel dienen, eine „aufständische Basis“ zu
schaffen;
über die Verschärfung des Kampfes gegen Agenten der deutschen Spionage-Abwehr.
3. April
Rundschreiben der GUGB beim NKWD über die Aufdeckung antisowjetischer
Organisationen von Trotzkisten und Rechten in militärischen Chemiebetrieben und
die
Unabdingbarkeit der Säuberung des Industriezweiges von feindlichen Elementen.
7. April
Auf Antrag Wyschinskijs verabschiedet das Politbüro den Beschluß „das NKWD auf
die
fortgesetzten Selbstmordfälle von Häftlingen in den Untersuchungsgefängnissen
hinzuweisen“.
8. April
Das Politbüro bestätigt die neue Verordnung bezüglich des Sonder-Kollegiums
(OSO) beim
NKWD der UdSSR. Das OSO erhält das Recht, Personen für die Dauer von 5 bis 8
Jahren im Gefängnis zu inhaftieren, wenn diese sich der Spionage, Sabotage, des
Terrors oder der Schädlingstätigkeit verdächtig gemacht haben (früher konnte es
zu
Verbannung oder Lagerhaft von einer Dauer bis zu 5 Jahren verurteilen).
14. April
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verhaftung von Personen mit
terroristischen und
Sabotage-Absichten, Verschärfung der Agenten-Bespitzelung und Bewachung von
Angehörigen der Partei- und Räteleitung anläßlich der Feierlichkeiten zum 1.
Mai.
15. April
Leiter der GUGB beim NKWD der UdSSR wird M.P. Frinowskij (unter Beibehaltung
seines
Postens als stellvertretender Volkskommissar für innere Angelegenheiten),
gemeinsam mit J.S. Agranow.
21. April
Direktive des NKWD und der Staatsanwaltschaft der UdSSR über das Verbot der
Anrechnung von Arbeitstagen bei inhaftierten Trotzkisten (damit wurde diesen das
Recht auf die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung entzogen).
28. April
Beschluß des Politbüros „Über die Mißbilligung der Praxis unbegründeter Anklagen
gegen Wirtschaftsfunktionäre und Ingenieure in der Kohle-Industrie des Donez-Beckens“, der das Einstellen von Massen-Entlassungen von Arbeitern und
Angestellten in diesem Industriezweig vorsah.
29. April
Direktive der GUGB beim NKWD der UdSSR über ehemalige, hauptsächlich in der
Verbannung befindliche Menschewiken, gegen die der Verdacht vorlag, „illegale
Aktivitäten im Hinblick auf die Wiedergründung einer menschewistischen Partei
auszuüben“, Sabotage zu betreiben und terroristische Absichten zu hegen sowie
bestrebt zu sein, einen Block mit Sozialrevolutionären, Trotzkisten und Rechten
zu
bilden – mit dem Ziel, einen bewaffneten Umsturz gegen die Sowjetmacht
durchzuführen. Es wird der Befehl erteilt, unverzüglich die vollständige
Vernichtung
des menschewikischen Untergrundes in Angriff zu nehmen“.
7. Mai
Direktive der GUGB des NKWD der UdSSR über die Verschärfung der operativen
Agentenarbeit unter den Sportlern. Es wird die Liquidierung einer Reihe von
Gruppierungen unter den Sportlern verkündet, „die aktiv an der Vorbereitung von
Terror-akten gegen die Führer der WKP (B) arbeiten“.
14. - 29. Mai
Verhaftungen von Militärführern, die hauptsächlich wegen „militärisch-
faschistischer
Komplotte in der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee beschuldigt werden“.
23. Mai
Anordnung des Politbüros über die Ausweisung „aller aus der WKP (B) wegen ihrer
Zugehörigkeit zu Trotzkisten, Sinowjew-Anhängern, Rechten, Schljapnikow-Anhängern und anderen antisowjetischen Formierungen ausgeschlossenen Personen
aus Moskau, Leningrad und Kiew“. Es wird ebenfalls angeordnet, die Familien
aller
Oppositionellen, die zum Tod durch Erschießen oder einer Haftstrafe von mehr als
5
Jahren verurteilt wurden, auszuweisen.
8. Juni
Direktive der GUGB beim NKWD der UdSSR „Über operative Agentenarbeit
gegen antisowjetische türkisch-tatarische nationalistische Organisationen“.
Hervorgehoben wird die Aktivierung „nationalistischer Elemente“ in Aserbeidschan, auf der Krim, in Tatarstan, Usbekistan, Tadschikistan, Kasachstan, die von ihnen eingenommenen leitenden Posten, „Blockbildung mit Trotzkisten und Rechten und ihre direkte Orientierung am Faschismus“, „die Organisierung aufständischer Kader für einen bewaffneten Auftritt im Augenblick des Krieges gegen die UdSSR“, „die Vollendung lokaler Terrorakte und die Vorbereitung einer zentralen Terrorbasis“. Es wird der Befehl erteilt, „die Arbeit zur Vernichtung des nationalistischen Untergrunds in allen östlichen nationalen Republiken und Gegenden als einen Schritt von allergrößter Wichtigkeit zu betrachten“.
11. Juni
Die Sache bezüglich des militärisch-faschistischen Komplotts in der Roten Armee
wird von
einer Sonderbehörde des Obersten Gerichts der UdSSR unter Vorsitz von W.W.
Ulrich (Ankläger A.J. Wyschinskij) untersucht. Acht Heerführer – M.N.
Tuchatschewskij, I.E. Jakir, I.P. Uborewitsch, W.M. Primakow, W.K. Putna, A.I.Kork, P.P. Eideman, B.M. Feldman – werden zum Tode verurteilt (und in der Nacht
zum 12. Juni erschossen). Beginn von Massenverhaftungen in der Armee. Insgesamt
werden im Verlauf der Jahre 1937-1938 nicht weniger als 32.000 Militärangehörige
der Roten Arbeiter- und Bauernarmee repressiert – vom Marschall bis hin zum
gewöhnlichen Soldaten.
15. Juni
Anweisung des NKWD der UdSSR zur Durchführung (gemäß Beschluß des Politbüros vom
23.Mai) der Aussiedlungsmaßnahmen von aus der WKP (B) ausgeschlossenen
Personen sowie Familienmitgliedern von Repressierten aus den Städten Moskau,
Leningrad, Kiew, Rostow, Taganrog und Sotschi. Beginn der Operation – 25. Juni.
21. Juni
Gemeinsamer Befehl des Volkskomitees für Verteidigung und des Volkskomitees für
innere
Angelegenheiten mit der Zusicherung, Personen aus den Reihen der
Kommandierenden und der gewöhnlichen Soldaten der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee aus der strafrechtlichen Verantwortung zu entlassen, sofern sie an
konterrevolutionären Aktivitäten teilgenommen haben und sich dessen freiwillig
schuldig bekennen.
23. – 29.Juni
Vollversammlung des Zentralkomitees der WKP (B); Rede des Volkskommissars für
innere
Angelegenheiten der UdSSR – N.I. Jeschow, über die in allen Einheiten der Partei
und
des Staates existierende Verschwörung.
26. Juni
Rundschreiben des NKWD der UdSSR über die Verschärfung der operativen
Agentenarbeit
unter den aus der WKP (B) ausgeschlossenen Personen. Nach Angaben des
NKWD versuchen aus der WKP (B) ausgeschlossene Personen in einer ganzen Reihe
von Fällen, sich unmittelbar mit japanisch-deutschen, trotzkistischen Banden
zusammenzuschließen, wodurch die Zahl der Spione, Schädlinge, Saboteure und
Terroristen immer weiter zunimmt“.
28. Juni
Nach einer Aktennotiz des Sekretärs des West-Sibirischen Regionskomitees der WKP
(B),
R.I. Eiche, über die Aufdeckung von konterrevolutionären, aufständischen
Organisationen unter den ausgewiesenen Kulaken in der Region, verabschiedet das
Politbüro die Anweisung zur Schaffung einer „Trojka“ in der Region
West-Sibirien, „um die Überprüfung der Fälle zu beschleunigen“. Zu der „Trojka“
gehören der Leiter der NKWD-Verwaltung Mironow (Vorsitzender), der Sekretär des
Regionskomitees Eiche sowie Regionsstaatsanwalt Barkow. Die Trojka in der Region
West-Sibirien ist das erste außergerichtliche Organ in den Jahren 1937-1938, das
ermächtigt ist, Urteile zum Tod durch Erschießen zu verhängen.
2. Juli
Das Politbüro verabschiedet den Beschluß „Über antisowjetische Elemente“ und
schickt
ihn am 3. Juli per Telegramm an die Sekretäre der regionalen
Parteiorganisationen.
In der Direktive, die von Stalin und Molotow unterzeichnet ist, heißt es: „Das
Zentral-Komitee der WKP (B) weist alle Sekretäre der Gebiets- und Regionsorganisationen
sowie alle Gebiets-, Regions- und Republikvertreter des NKWD an, alle in die
Heimat
zurückgekehrten Kulaken und Kriminellen zu registrieren, damit die
allerschädlichsten von ihnen unverzüglich verhaftet und auf administrativem
Wege,
per Entscheid durch die Trojka, erschossen werden, und die verbleibenden,
weniger
aktiven, aber dennoch schädlichen Elemente, umgeschrieben und in die vom NKWD
angewiesenen Bezirke ausgewiesen werden. Das Zentral-Komitee der WKP (B) erteilt
die Anordnung, dem Zentral-Komitee binnen einer Frist von 5 Tagen die personelle
Zusammensetzung der Trojka, die Anzahl der zur Erschießung vorgesehenen
Personen sowie die Zahl derer, die in die Verbannung geschickt werden sollen,
mitzuteilen“. Mit diesem Telegramm begannen die Vorbereitungen zur sogenannten
„Kulaken-Operation“.
5. Juli
Beschluß des Politbüros „Über die Ehefrauen verurteilter Vaterlandsverräter“,
demgemäß
„alle Ehefrauen überführter Vaterlandsverräter, rechts-trotzkistischer Spione,
der
Inhaftierung in einem Lager für die Dauer von mindestens 5-8 Jahren
unterliegen“,
und deren Kinder in Kinderheimen und geschlossenen Internaten unterzubringen
sind.
7. Juli
Die Staatsanwaltschaft der UdSSR erteilt in einem gesonderten Rundschreiben den
Befehl,
„zu gewährleisten, daß Rowdytum, das in konterrevolutionären oder
chauvinistischen Angriffen zum Ausdruck kommt“ unter § 58-10 (antisowjetische
Propaganda) oder § 59-7 (Propaganda, die auf „das Aufwiegeln nationaler oder
religiöser Feinde abzielt“) des Strafgesetzes der RSFSR einzustufen ist (d.h.
sie
wurden den Staatsverbrechen gleichgestellt).
14. Juli
Eröffnung des 128 km langen Moskau-Wolga-Kanals (heute – Moskau-Kanal), der
durch
Häftlingsarbeit gebaut wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurden mehrere hundert
Gefangene und freie Arbeiter verhaftet, die am Bau mitgearbeitet hatten, 218 von
ihnen wurden angeklagt, ein Komplott geschmiedet zu haben, um auf Stalin und
Jeschow im Augenblick ihrer Ankunft zur feierlichen Kanal-Einweihung ein
Attentat
zu verüben – sie wurden aufgrund dieser Beschuldigung erschossen.
16.-20. Juli
Jeschow und Frinowskij halten eine Konferenz der führenden zentralen und
regionalen
NKWD-Organe ab, in der es um die Planung und Realisierung der „Kulaken-Operation“ geht.
20. Juli
Beschluß des Politbüros mit der Forderung, unverzüglich einen NKWD-Befehl
„über die Verhaftung aller Deutschen, die in Rüstungsbetrieben gearbeitet
haben und die Ausweisung eines Teils der Verhafteten ins Ausland“ herauszu-geben.
20.Juli
Das NKWD gibt die Anweisung „mit der Organisierung der ausführlichen
Registrierung aller
im Bereich des Eisenbahn-Transportwesens tätigen Polen, Grenzverletzer,
Politemigranten und politischen Austausch-Häftlinge aus Polen, Kriegsgefangenen
der
polnischen Armee, ehemaligen polnischen Legionären, ehemaligen Mitgliedern der
polnischen antisowjetischen Partei, wie zum Beispiel die PPS und andere, zu
beginnen, unabhängig davon, ob gegen sie kompromittierendes Material vorliegt
oder
nicht“. Beginn intensiver Vorbereitungen für die „polnische Operation“.
24. Juli
Direktive des NKWD der UdSSR über Maßnahmen zur Verhinderung bakteriologischer
Sabotageakte. „Außer auf Vorbereitungen zu einem bakteriologischen Krieg durch
den
Abwurf von bakterienverseuchten Bomben aus Flugzeugen, das Zerstäuben von
Bakterien mit Hilfe von Flugzeugen, die Verbreitung epidemischer Krankheiten
mittels spezieller todbringender Apparate und ähnliches, haben die Organe des
Generalstabs ihr Hauptaugenmerk auf organisierte bakteriologische Sabotageakte
und Massenterror gerichtet, die teilweise durch speziell für Spionagezwecke
entsandte Agenten und insbesondere durch Agenten, die vor Ort in der UdSSR
angeworben wurden, ausgeführt wurden. Es wird angeordnet, mit der Verhaftung
von Personen „aus den Reihen ausländischer Staatsangehöriger, ehemaliger
Ausländer, die die sowjetische Staatsbürgerschaft angenommen haben, Personen,
die
mit dem Ausland in Verbindung stehen und aktiver antisowjetischer Elemente, die
bei
der Wasserversorgung und an bakteriologischen Stationen, in wissenschaftlichen
Forschungsinstituten und Laboratorien arbeiten, welche sich mit Mikrobiologie
befassen, zu beginnen.
25. Juli
Operativer Befehl des NKWD der UdSSR N°. 00439 über die „Operation zur
Ergreifung
von Repressivmaßnahmen an deutschen Staatsangehörigen, die der Spionage gegen
die UdSSR verdächtig sind“ (in erster Linie ging es hier um Mitarbeiter in
Rüstungs-betrieben und beim Transportwesen). Die Verhaftungen begannen am 29. Juli. Ab
dem Herbst weitete sich die Operation nach und nach auf mehrere Kategorien von
Sowjet-Deutschen und anderen Staatsbürgern aus, die beschuldigt wurden,
Beziehungen zu Deutschland zu unterhalten und zu seinen Gunsten Spionage zu
betreiben. Damals bediente man sich bei der Verurteilung der „Album-Methode“(s. 11. August). Bei der „deutschen Operation“ wurden im Verlauf der beiden
Jahre
1937-1938 insgesamt 55 005 Personen verurteilt, 41 898 davon zum Tod durch
Erschießen.
27. Juli
Direktive der GUGB beim NKWD über die Aufdeckung und Verhaftung von Beteiligten
an einem militärischen Komplott bei den Spionagediensten der RKKA.
29. Juli
Anordnung der GURKM (Hauptverwaltung der Arbeiter- und Bauern-Miliz) beim NKWD
über die Säuberung der Eisenbahn-Betriebe von „sozial gefährlichen Elementen“.
31. Juli
Der operative Befehl des NKWD N°. 00447 „Über die Operation zur Repressierung
ehemaliger Kulaken, Straftäter und anderer antisowjetischer Elemente“ wird
vom Politbüro des Zentral-Komitees der WKP (B) bestätigt. Gleichzeitig werden
die Fristen für die „Kulaken-Operation“ festgelegt und die finanziellen Mittel
zu deren
Durchführung bewilligt. Ferner wird der Beschluß über die Einrichtung von sechs
neuen Arbeits- und Umerziehungslagern zur Holzbeschaffung verabschiedet, wohin
die im Rahmen dieser Operation Verurteilten verschickt werden sollen. Der Befehl
enthielt genaue Angaben über die Kontingente, die den Repressionsmaßnahmen
unterlagen: ehemalige Kulaken, die auf dem Lande geblieben waren oder sich in
Städten angesiedelt hatten, ehemalige Mitglieder der sozialistischen Parteien,
Geistliche, „ehemalige Weiße“ usw., sowie „Kriminelle“, d.h. Menschen, die
bereits
früher nach §§ des Strafgesetzes verurteilt worden und somit vorbestraft waren.
Im
Hinblick auf „besonders aktive antisowjetische Elemente“ sollte die Operation
auch in
Gefängnissen, Lagern und Arbeitssiedlungen durchgeführt werden. Der Befehl legte
für jede Region der UdSSR zahlenmäßige Höchstgrenzen(Limits) in der ersten
(Erschießung) und zweiten (Inhaftierung im Lager) Kategorie fest und bestimmte
ebenso den Personalbestand der „Trojkas“, die die Urteile fällen sollten (Leiter
der
NKWD-Verwaltung, Sekretär des Gebietskomitees, Gebietsstaatsanwalt). Die Urteile
fielen extern, d.h. ohne gerichtliche Vorladung des Angeklagten sowie ohne
Verteidigung und Anklage.Gegen die Urteile konnte keine Berufung eingelegt
werden.
Es wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß die Erschießungsurteile „unter
strikter
Geheimhaltung von Zeit und Ort vollstreckt“ werden sollten. Laut Befehl sollte
die
Operation sich über einen Zeitraum von einem Monat erstrecken; innerhalb dieser
Zeit
beabsichtigte man 75.950 Personen zum Tod durch Erschießen und 193.000 zur
Inhaftierung in Lagern (insgesamt 268 950) zu verurteilen. Die Fristen für diese
Operation wurden mehrmals verlängert und den einzelnen Regionen zusätzliche
„Limits“ (Höchstgrenzen) vorgeschrieben. Insgesamt wurden im Verlauf der
(Kulaken-Operation, die im wesentlichen im Frühjahr-Sommer 1938 durchgeführt
wurde, nicht weniger als 818 000 Menschen verurteilt, von denen mindestens 436
000
den Tod durch Erschießen fanden.
Juli
Instruktion des Politbüros, nach der die Erlaubnis erteilt wird, während der
Ermittlungsverfahren bei konterrevolutionären Verbrechern im Verlauf der Verhöre
physische Methoden anzuwenden. Offiziell ist eine Direktive zur Anwendung von
Folter-Methoden, allem Anschein nach, nicht versendet worden; auch in den
Archiven
hat man dazu nichts gefunden. Der Inhalt konnte aufgrund eines Telegramms des
Zentral-Komitees der WKP (B) vom 10.01.1939, demgemäß die Anwendung von
Foltermethoden einzuschränken ist, sowie bei einer Diskussion auf der Juni-Vollversammlung des Zentral-Komitees der KPdSU im Jahre 1957, wiederhergestellt
werden. Möglicherweise hat Stalin den Inhalt dieser Direktive Jeschow mündlich
mitgeteilt, der sie dann an das Führungspersonal von NKWD und NKWD-Verwaltungen im Rahmen der vom 16.-20. Juli stattgefundenen Konferenz
übermittelte (das praktisch alle betreffende Verprügeln während der Verhöre wird
Ende Juli – Anfang August 1937 festgelegt).
1. August
Anordnung des Rates der Volkskommissare und des Zentral-Komitees der WKP (B)
über
den Kampf gegen Schädlingstätigkeit im Bereich der Getreidebeschaffung.
3. August
Direktive des Zentral-Komitees der WKP (B) über die Organisierung „von 2-3
öffentlichen
Gerichtsprozessen pro Gebiet in den Bezirken gegen Volksfeinde – Saboteure in
der
Landwirtschaft. Es wird der Befehl erteilt, „über den Verlauf der
Gerichtsprozesse auf
breiter Ebene in der Lokalpresse zu berichten“.
5. August
Beginn der „Kulaken-Operation“. Massen-Verhaftungen derer, die nach der 1.
Kategorie
verurteilt werden sollten.
5. August
Direktive des NKWD über die Durchführung der Operation gemäß Befehl No. 00447 im
GULAG: Festlegung von Höchstgrenzen (nur nach der 1. Kategorie) für die Lager.
Die Verurteilung der Gefangenen sieht kein neues Untersuchungsverfahren vor,
die Urteile werden von Trojkas auf Grundlage von Auskünften der Lagerverwaltung gefällt.
7. August
Hinweis Wyschinskijs an die Staatsanwälte der Republiken, Regionen und Gebiete,
daß im
Verlauf der Realisierung des Befehls N°. 00447 vorausgehende Sanktionen des
Staatsanwaltes für eine Verhaftung nicht erforderlich sind.
11. August
Operativer Befehl des NKWD der UdSSR N°. 00485 „Über die Liquidierung polnischer
Sabotage- und Spionage-Gruppen und Organisationen der POW [Polnische Militär-Organisation]“ (der Plan dazu wurde vom Politbüro am 9. August bekräftigt). Den
Repressionsmaßnahmen unterlagen insbesondere „ehemalige Kriegsgefangene der
polnischen Armee, Grenzverletzer aus Polen, Politemigranten, politische
Austauschhäftlinge aus Polen, ehemaliger Mitglieder der PPS [Polnische
Sozialistische Partei] und anderer polnischer politischer Parteien“.
Gleichzeitig wird
die Einstellung der Freilassung aller Lagerhäftlinge, die ihre Haftzeit
abgesessen
haben, angeordnet, sofern diese der Spionage zum Nutzen Polens verdächtig sind.
Ihre
Akten sind an das Sonder-Kollegium zu übergeben. Den schlimmsten Repressionen
unterlagen die Vertreter der polnischen Diaspora, die in militärstrategischen
Bereichen
beschäftigt waren (Transportwesen, Telekommunikation, Verteidigungsindustrie,
Armee, Sicherheitsorgane, u. ä.), aber auch polnische Kulturgesellschaften. Der
Befehl veranlaßte die Schaffung eines außergerichtlichen Organs – einer „Dwoika“
(Kommission bestehend aus einem Volkskommissar für innere Angelegenheiten der
UdSSR und einem Staatsanwalt der UdSSR) sowie des „Albumverfahrens“, um die
Fälle rechtskräftig zu machen (Überprüfung der Fälle geschah extern, anhand von
Listen, die zu sogenannten „Alben“ zusammengefügt waren). Dieser Mechanismus
wurde bei der Durchführung aller „nationalen Operationen“ angewandt. Bei der
„polnischen Operation“ in den Jahren 1937-1938 wurden 139.815 Personen
verurteilt,
111 .071 von ihnen zum Tod durch Erschießen.
15. August
Operativer Befehl des NKWD der UdSSR N°. 00486 über „Repressionen der Ehefrauen
von
Vaterlandsverrätern und Mitgliedern rechtstrotzkistischer Spionage- und
Sabotage-Organisationen, die vom Militär-Kollegium und Kriegsgerichten nach der ersten
und
zweiten Kategorie verurteilt worden sind, beginnend mit dem 1. August 1936“.
Festgelegt wurden Haftart und Art der Verurteilung der Ehefrauen - Familienmit-glieder von Vaterlandsverrätern - durch eine NKWD Sonder-Beratung zu 5-8
Jahren, sowie die Unterbringung ihrer Kinder in Kinderheimen und Krippen.
Kinder über 15 Jahre, die für „sozial gefährlich“ gehalten wurden, unterlagen
der
Verhaftung. Insgesamt wurden bei dieser Operation mehr als 18.000 Ehefrauen
verhaftet und über 25.000 Kinder „weggenommen“.
16. August
Es entstehen neue Waldlager des NKWD-GULAG-Systems: die Iwdelsker, Kargopolsker,
Kulojsker, Loktschimsker, Tajschetsker, Tomsko-Asinsker und Ustwymsker
Arbeits- und Umerziehungslager. Dorthin sollen in erster Linie Häftlinge
geschickt
werden, die aufgrund des Befehls N°. 00447 (2. Kategorie) verurteilt wurden.
17. August
Direktive des NKWD über Ausweitung der Aktion im Rahmen des Befehls N°. 00485
vom
11. August über „polnische Spionage“ in der Moldawischen ASSR – in Verbindung
mit „rumänischen Spionen“. Der Verhaftung unterlagen in erster Linie Überläufer
und
Emigranten aus Rumänien. Kurze Zeit darauf wurde die „rumänische Operation“ auch
auf das gesamte Territorium der Ukraine ausgedehnt, und später auch auf andere
Regionen der UdSSR. Insgesamt wurden im Rahmen dieser Operation 8.292 Personen
verhaftet, von denen 5.439 zum Tode verurteilt wurden.
21. August
Anordnung des Zentral-Komitees der WKP (B) und des Rates der Volkskommissare
der UdSSR „Über die Aussiedlung der koreanischen Bevölkerung aus den an
die Region Fernost angrenzenden Bezirken“.
22. August
Rundschreiben des NKWD der UdSSR „Über Ausländer“. Ausgehend von der
Überzeugung, daß eine überwältigende Anzahl Ausländer, die in der UdSSR leben,
mit dem organisierten Anfang von Spionage und Diversion gleichzusetzen sind“,
ergeht der Befehl, das Verlängern von Aufenthaltsgenehmigungen für Staatsbürger
aus Deutschland, Polen, Japan und einer Reihe anderer Länder zu beenden.
29. August
Rundschreiben der GUGB beim NKWD der UdSSR „Über operative Maßnahmen im
Kampf gegen Vergiftungen und bakteriologische Spionage in den Einheiten der
RKKA“. Es wird befohlen, die Sache der Vergiftungen von Rotarmisten „mit
allergrößter Dringlichkeit zu behandeln, mit dem Ziel, die Organisatoren und
aktiven Teilnehmer an den Vergiftungen – Verschwörer, Spione, Saboteure,unbedingt zu entlarven“. Des weiteren ist das Aufklärungsnetz in allen
Bereichen des Nahrungsmittelblocks und des Sanitätsdienstes (Lebensmittellager,
Kantinen, Küchen, Bäckereien, Laboratorien, Apotheken, Pumpenhäuser und dergl.)“
mit Entschiedenheit zu säubern und zu festigen.
31. August
Telegramm des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des Zentral-Komitees der
WKP
(B) „Über die Bekämpfung von Getreide-Schädlingen und die Beseitigung der durch
das Ungeziefer entstandenen Schäden bei der Getreideaufbewahrung“.
4. September
In der Ukraine und einer Reihe anderer Regionen der UdSSR hat das zweite Stadium
der
„Kulaken-Operation“ begonnen – Verhaftungen nach der 2. Kategorie (derjenigen,
die in Lagerhaft kommen sollen).
5. September
Das Politbüro weitet das Recht der Sonder-Beratung beim NKWD der UdSSR aus,
indem
es ihr nun auch die Erlaubnis erteilt, Überläufer aus Polen, Mitglieder der
polnischen sozialistischen Partei und andere wegen antisowjetischer Tätigkeiten
zu 10 Jahren Gefängnis zu verurteilen.
Telegramm des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des Zentral-Komitees der WKP (B) (in Fortführung des Telegramms vom 31. August) an alle Gebiete der Union, in dem diese dazu verpflichtet werden, „pro Gebiet, Region jeweils zwei bis drei Schauprozesse gegen Schädlinge bei der Getreidelagerung zu organisieren, die Schuldigen zum Tod durch Erschießen zu verurteilen, das Urteil zu vollstrecken und dies in der Lokalpresse zu veröffentlichen“.
14. September
Anordnung des Zentralen Exekutiv-Komitees (wiederholter Beschluß des Politbüros
vom 11.
September, der auf Vorschlag Wyschinskijs angenommen wurde) „Über die Einfüh-rung von Änderungen in den gültigen Strafprozeßordnungen der Unionsrepubliken“:
„1. In Fällen konterrevolutionärer Schädlingstätigkeit und Sabotage ist die
Anklageschrift den Beschuldigten vierundzwanzig Stunden vor der Gerichtsverhandlung
auszuhändigen. 2. Ein Berufungsverfahren ist in Fällen von Verbrechen, für die
die
§§ 58-7 des Strafgesetzes der RSFSR (Schädlingstätigkeit) und 58-9 des
Strafgesetzes
der RSFSR (Sabotage) sowie die entspechenden §§ des Strafgesetzes anderer
Unionsrepubliken zur Anwendung vorgesehen sind, nicht zulässig. 3. Urteile, nach
denen die Höchststrafe verhängt wurde (Erschießung) sind unverzüglich und unter
Ablehnung eines Begnadigungsgesuchs zu vollstrecken“.
17. September
Rundschreiben des NKWD der UdSSR und der Staatsanwaltschaft der UdSSR, in dem
die
Verbote einer Aufenthaltsgenehmigung für ehemalige Verurteilte in größeren
Städten(darunter auch Hauptstädte) verschärft werden.
20. September
Operativer Befehl des NKWD N°. 00593 „Über Maßnahmen im Zusammenhang mit
terroristischen Aktivitäten sowie Sabotage- und Spionage-Tätigkeiten der
japanischen
Agentenschaft aus den eihen der sogenannten Charbiner“ (der Entwurf wurde vom
Politbüro am 19.09. bestätigt). Gegen „ehemalige Bedienstete der Chinesischen
Ost-Eisenbahnlinie sowie Reemigranten aus der Mandschurei, die sich innerhalb der
Union im Eisenbahn-Transportwesen und der Industrie niedergelassen haben, sind
Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Bei der Durchführung der „Charbiner Operation“
sind die gleichen Mechanismen anzuwenden, wie bei der polnischen und den anderen
nationalen Operationen. Im Rahmen der „Charbiner Aktion“ wurden in den Jahren
1937-1938 insgesamt 46.317 Menschen verurteilt, davon 30.992 zum Tod durch
Erschießen.
28. September
Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR „Über die Ausweisung von
Koreanern vom dem Territorium der Region Fernost“. Der Deportation unterlagen
Koreaner auf dem gesamten Gebiet der Region Fernost (und nicht nur aus den
angrenzenden Bezirken, wie es in der Anordnung vom 21. August vorgesehen war).
Formelles Ziel der Umsiedlung – „das Vordringen japanischer Spione in die Region
Fernost zu unterbinden“. Auf Grundlage dieser Anordnung unterlagen auch
diejenigen
Koreaner der Verhaftung und Deportation, die in anderen Gebieten der UdSSR
lebten.Gegen Ende Oktober wurden aus der Region Fernost 36.442 Familien mit einer
Gesamtzahl von 171.781 Personen nach Mittelasien und Kasachstan verschleppt.
Des weiteren wurden mit ihnen noch etwa 10.000 weitere Personen aus der Region Fernost abtransportiert – Chinesen, Polen, Deutsche, Charbiner Repatrianten und andere.
2. Oktober
Anordnung des Zentralen Exekutiv-omitees der UdSSR bezüglich der Einführung von
Freiheitsentzug bis zu 25 Jahren als Strafmaßnahme in Fällen von Spionage,
Schädlingstätigkeiten und Sabotage-Akten (zuvor lautete das Strafmaß gemäß
Strafgesetz - 10 Jahre).
2. Oktober
Anordnung des Zentral-Komitees der WKP (B) und des Rates der Volkskommissare der
UdSSR „Über Maßnahmen im Kampf gegen Schädlingstätigkeit bei der Tierzucht“.
Es ist vorgesehen „in allen Republiken, Regionen und Gebieten jeweils zwischen 3
und 6 Schauprozesse, unter Hinzuziehung der breiten Bauernmassen, zu
organisieren
und die der Schädlingstätigkeit Überführten zum Tod durch Erschießen zu
verurteilen“. Als Schädlinge wurden „sowohl überführte Veterinäre, Zootechniker,
Laboranten von Biofabriken, als auch Mitarbeiter der örtlichen Grund- und Boden
sowie Sowchosen-Organe“ bezeichnet.
4. Oktober
Rundbrief der GUGB beim NKWD über die Verschärfung der Aufsicht gegenüber
Verhafteten in Untersuchungsgefängnissen, mit dem Ziel, Selbstmordversuche
zu verhindern. „Einige Mitarbeiter der GUGB vergessen, dass der Feind seinen
Kampf nicht beendet und nach der Verhaftung nicht selten im Selbstmord Zuflucht
findet, um seine verbrecherischen Aktivitäten im Verborgenene zu halten“.
„Es hat Fälle von Selbststrangulierung und Selbsterhängen bei Verhafteten
gegeben <...> und insbesondere Selbstmord durch Hinausstürzen aus dem Fenster
während des Verhörs – das Ergebnis fehlender elementarer Vorsorgemaßnahmen von
Seiten vieler NKWD-UNKWD-Behörden“. Es werden strengere Regeln für die
Durchführung von Durchsuchungen festgelegt; Brillen und Kneifer sind nur auf
Verlangen des Ermittlungsrichters herauszugeben; es ist verboten, eigene Medikamente „von draußen“ zu besitzen; die Zwischenräume der Treppen sind mit Netzen
auszustatten.
8. Oktober
Befehl des Staatsanwaltes der UdSSR Wyschinskij, der die Bestrafung von
„Gesprächen“
verschärft: es wird beantragt, „konterrevolutionäre Reden, in denen
terroristische
Akte gutgeheißen werden, sowie das Äußern terroristischer Absichten in Bezug
auf die Parteiführer und die sowjetische Regierung nach § 17 – 58-8 des
Strafgesetzes
der RSFSR zu bestrafen (d.h. wie Mittäterschaft an Terrorakten). Zuvor waren
derartige Äußerungen gemäß § 58-10 (konterrevolutionäre Agitation) geahndet
worden.
10. Oktober
Direktive des NKWD der UdSSR, nach der aufgrund der Wachsamkeit der Werktätigen
beobachtete Fakten in der Presse veröffentlicht werden sollten.
11. Oktober
Direktive des NKWD der UdSSR über die Aussiedlung der Kurden und
Familienmitglieder
von Repressierten aus dem grenznahen Aserbeidschan nach Kasachstan.
12. Oktober
Auf der Vollversammlung des Zentral-Komitees der WKP (B) wird N.I. Jeschow auf
Antrag
Stalins als Kandidat für die Mitgliedschaft im Politbüro gewählt.
23. Oktober
Befehl des NKWD der UdSSR No. 00693 „Über die Operation zur Repressierung von
Überläufern – Grenzverletzern der UdSSR“. Es wird die Verhaftung aller Grenzverletzer angeordnet, „unabhängig von den Motiven und Umständen des Grenzübertritts
auf unser Territorium“. Des weiteren ergeht der Befehl, sie (darunter auch
diejenigen,
die nicht als Agenten der ausländischen Aufklärung entlarvt wurden), zu
Gefängnisoder Lager-Haftstrafen zu verurteilen.
28. Oktober
Befehl des NKWD der UdSSR No. 00698 „Über das Unterbinden konterrevolutionärer
Spionage, Terror- und Sabotage-Tätigkeiten beim Personalbestand der
Botschaften und Konsulate Deutschlands, Japans, Italiens und Polens“. Es wird
befohlen, unverzüglich alle sowjetischen Bürger, die in ständiger Verbindung
mit ausländischen Konsulaten und Botschaften stehen, zu verhaften und die
Kontakte von Sowjetbürgern zu Auslandsvertretern einzuschränken.
[1. Oktober – 5. November]
Direktive des NKWD, in der der Befehl erteilt wird „in den nächsten Tagen die
operative
Vernichtung der kirchlichen und sektiererischen konterrevolutionären Aktive zu
gewährleisten, wobei alle Mitglieder von Spionage-, aufständischen und terroristischen Formierungen, darunter alle, die den Versuch unternommen haben,
subversive Aktionen in Bezug auf die Wahlen [zum Obersten Sowjet der UdSSR] zu
betreiben, zu verhaften sind“.
3. November
Direktive des NKWD der UdSSR über die Beschleunigung der Massen-Operationen
(Kulaken-Operation, nationale Operation, Operation gegen Familienmitglieder
von Vaterlandsverrätern). Die Frist für ihre Beendigung wird für den 10.
Dezember
1937 festgelegt.
4. November
Direktive der GURKM beim NKWD der UdSSR über die Vorbereitung der Operation
gegen verbrecherische Elemente unter den nomadisierenden Zigeunern.
4. November
Rundschreiben der GUGB beim NKWD „Über den Kampf gegen Diversionstätigkeiten bei
den Militär-Vorratslagern der RKKA“.
22. November
Direktive der GUGB beim NKWD der UdSSR über die Verstärkung der Maßnahmen zur
Entlarvung deutscher Spionage – und Sabotagegruppen in der Energiewirtschaft.
30. November
Direktive des NKWD der UdSSR über die Durchführung massiver Repressionsmaßnahmen
gegen die „lettische Spionage“. Die Operation wurde im Rahmen der „nationalen
Operationen“ durchgeführt. In erster Linie wurden Politemigranten und
Grenzübergänger aus Lettland, Aktivisten lettischer Klubs und Gesellschaften
(darunter solche, die Aufklärung betrieben, lettische Schützen und andere) usw.,
repressiert. Im Rahmen der „lettischen Aktion“ wurden in den Jahren 1937-1938
insgesamt 21.200 Personen verurteilt, davon 16.575 zum Tod durch Erschießen.
11. Dezember
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verlängerung aller Massen-Operationen
(„Kulaken“ und „Nationale“) bis zum 01.01.1938.
11. Dezember
Direktive des NKWD der UdSSR über die Durchführung einer massiven
Repressionsoperation unter den Griechen. Die Verhafteten wurden der Spionage und
nationalistischer Aktivitäten angeklagt. Die Operation wurde im
Rahmen und mit den Methoden der „nationalen Operation“ durchgeführt. Der
Hauptschlag der Aktion richtete sich gegen die greichischen Kolonien im Süden
Rußlands, in Transkaukasien und auf der Krim. Wegen der „griechischen Linie“
wurden in den Jahren 1937-1938 insgesamt 12.557 Personen verurteilt, davon
10.545 zum Tod durch Erschießen.
14. Dezember
Die Direktive des NKWD der UdSSR über „gegen die Letten gerichtete“ Repressionen
(30.11.) wird auf „Grenzverletzer finnischer, estischer, litauischer und
bulgarischer
Herkunft ausgeweitet“. Faktisch hatten die Verhaftungen „in Richtung“ Esten und
Finnen bereits im Dezember September begonnen. In den Jahren 1937-1938 wurden
im Rahmen der „estischen Linie“ 9.735 Personen verurteilt, davon 7.998 zum Tod
durch Erschießen; während der „finnischen Aktion“ verurteilte man 11.066
Personen, 9.078 von ihnen fanden den Tod durch Erschießen.
17. Dezember
Direktive des NKWD über die Prüfung der Akten von aus den Lagern geflohenen
Häftlingen durch „Trojkas“, über die Erschießung aller Geflohenen und über die
Verkündung von Urteilen durch entsprechenden Befehl an die einzelnen Lager.
20. Dezember
Feierliche Sitzung des Moskauer Aktivs zu Ehren des 20-jährigen bestehens der
Allrussischen
Tscheka – NKWD im Bolschoj-Theater. A.I. Mikojan vom Politbüro hielt die
Begrüßungsrede („Bei uns ist jeder Werktätige ein Volkskommissar des Innern“,
„Das NKWD hat in dieser Zeit hervorragend gearbeitet“, u.ä.). Jeschow sicherte
der Partei und Stalin in einem speziellen NKWD-Jubiläumsbefehl zu, daß das
„Volkskommissariat für innere Angelegenheiten den Feinden des sowjetischen
Volkes
noch viel gezieltere, viel vernichtendere Schläge versetzen“ würde.
22. Dezember
Direktive des NKWD über Repressionen gegen die Chinesen im Fernen Osten. Es
wurde
befohlen, unverzüglich alle Chinesen zu verhaften, „die provokative Aktivitäten
bekundet oder terroristische Absichten gehegt hätten“.
26. Dezember
Direktive des NKWD mit der Forderung „nach Entschlossenheit und Unerbittlichkeit
bei der
Durchführung der „nationalen Operationen“. Instruktion zur Durchführung weiterer
Verhaftungen, unabhängig von den zuvor gesetzten Schlußterminen für die
Operationen.
7. Januar
Anweisung der GUGB zur Kontrolle des Schriftverkehrs von Militärpersonen: „In
letzter
Zeit geht an Militärpersonen der RKKA eine erhebliche Anzahl von Dokumenten mit
Massencharakter, in denen von Repressionen (Verhaftungen, Ausweisungen, usw.)
die Rede ist, die gegenüber Volksfeinden angewendet werden sollen. < ... >. Alle
militärischen Dokumente derartigen Inhalts sind zu beschlagnahmen und zur
weiteren
Verfügung an die 5 UGB-Abteilungen zu übersenden.
9. Januar
Rundschreiben des NKWD über die Verstärkung der Massenoperationen im
Transportwesen („Es sind alle im Transportbereich verbliebenen Kulaken und
antisowjetischen Elemente“ zu entfernen, die „Forderungen der Befehle bezüglich
der
Operationen gegen Polen, Deutsche, Charbiner, Letten, Finnen, Rumänen und andere
in vollem Umfang zu erfüllen“ und „innerhalb der den Trojkas für ihre Arbeit
noch verbleibenden Frist vorrangig die Fälle beim Eisenbahntransport zu
überprüfen“).
11., 14., 18., 20. Januar
Plenum des Zentralkomitees der WKP (B). Frage „Über Fehler der
Parteiorganisationen beim
Ausschluß von Kommunisten aus der Partei“ (Referent G.M. Malenkow). Der Vollversammlung ging eine Entscheidung des Politbüros vom 9. Januar voraus, auf der
die
Auflösung von 30 Partei-Bezirkskomitees im Gebiet Kuybyschew durch P.P.
Postyschew, deren Leitungen man für Volksfeinden gehalten hatte, für „politisch
schädlich“ und „als Provokation“ erklärt wurde. Das Plenum faßte den Beschluß,
den unbegründeten Massen-Ausschlüssen aus der Partei ein entschiedenes Ende zu
setzen“. Postyschew wurde aus den Reihen der Kandidaten als Mitglied ins
Politbüro
aufgenommen (bald darauf verhaftet und erschossen); an seiner Stelle wurde N.C.
Chruschtschow gewählt.
14. Januar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verlängerung der Tätigkeit der „Trojkas“
bis auf weiteres.
14. Januar
Direktive der Staatsanwaltschaft der UdSSR (in Übereinstimmung mit dem Beschluß
des Politbüros vom 9. Januar) über Tatsachen unrichtiger Kündigungen des
Arbeitsplatzes von Angehörigen repressierter Personen „allein aufgrund ihrer
verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Verhafteteten“. Verbot, in die
Arbeitsbücher als Begründung für die Kündigung den Vermerk „wegen
Beziehungen zu einem Volksfeind“ u.ä.. einzutragen.
15. Januar
Anweisung der GULAG-Verwaltung beim NKWD der UdSSR über den Wegfall der
Anrechnung von Arbeitstagen und das Verbot künftiger Anrechnungen für fast
alle Kategorieren aufgrund politischer Anklagen verurteilter Personen (am
25.08.1938,
stellte Stalin auf einer Sitzung des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR
den
Antrag, die Praxis der vorzeitigen Freilassung auf Bewährung von Häftlingen
gänzlich
abzuschaffen; am 19.04.1939 wurde dieser Vorschlag durch Befehl des NKWD
rechtskräftig).
18. Januar
Direktiven des NKWD der UdSSR über „die umfassende Liquidierung des sozial-revolutionären Untergrunds“ (insbesondere ehemaliger Sozialrevolutionäre, die
der Kommunistischen Partei beigetreten waren) sowie das Entfernen der Sozial-revolutionäre aus der Armee. In Erfüllung dieser beiden Verfügungen wurden im
Laufe einer einzigen Woche (bis 25.01.1938) in der Sowjetunion etwa 12.000
Personen verhaftet.
19. Januar
Direktive des NKWD über Repressivmaßnahmen gegen Iraner in Aserbeidschan –iranische Staatsangehörige oder solche, die weder einen sowjetischen noch einen
ausländischen Paß besitzen.
19. Januar
Beschluß des Politbüros über die Aussiedlung von Iranern aus den grenznahen
Bezirken
Aserbeidschans (Zwangsumsiedlung nach Kasachstan, Ausweisung in den Iran,
Verhaftungen).
21. Januar
Rundschreiben der GUGB beim NKWD mit einem an die Gefängnis-Verwaltung der GUGB
gerichteten Verbot, den Häftlingen Besuche sowie den Erhalt von Paketen zu
gestatten, Auskünfte über den Aufenthaltsort eines Gefangenen in dem
betreffenden
Gefängnis zu erteilen, mit den Angehörigen von Verurteilten zu sprechen oder
Briefwechsel zu führen.
24.-25. Januar
Jeschow und Frinowskij halten in Moskau eine Konferenz der Leiter der regionalen
NKWD-Organe ab, die der Auswertung der Ergebnisse der Repressionskampagnien des
Jahres
1937 gewidmet ist.
29. Januar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Durchführung der“iranischen Operation“ auf
dem
gesamten Territorium der UdSSR. Der Verhaftung unterlagen Grenzverletzer und
Politemigranten aus dem Iran, Stammesführer, die aus dem Iran in die UdSSR
umgezogen waren, Führer des „reemigrierten Nomadentums“ und „religöser Sekten“,
Vertrauensleute der iranischen Kolonien, Angestellte „früher existierender
Firmen mit
gemischt-anglo-iranischem Kapital“ und andere. Die Verhafteten wurden wegen
nationalistischer, aufständischer Sabotage- und Spionage-Tätigkeiten angeklagt.
Die
Repressionsmaßnahmen wurden im Rahmen der „nationalen Operation“ durchgeführt.
Der Schlag richtete sich insbesondere gegen die iranischen Kolonien in
Mittelasien und Transkaukasien. Gemäß der „iranischen Linie“ wurden 1938
insgesamt 13.297 Personen verurteilt, unter ihnen 2.046 zum Tod durch
Erschießen.
31. Januar
Beschluß des Politbüros über die Fortsetzung der „Kulaken-Operation“ und
zusätzliche
Höchstgrenzen für 22 Regionen (57.200 Personen, davon 48.000 nach der 1.
Kategorie). Termin für das Ende der Operation in diesen Regionen: 15.03.-01.04.1938. Die übrigen Regionen sollen die Operation bis zum 15.02.1938
beenden.
Am 1. Februar wird eine entsprechende Direktive vom NKWD erlassen.
31. Januar
Beschluß des Politbüros zur Verlängerung der Operation „zur Vernichtung der
Spionage-und Sabotage-Kontingente aus den Reihen der Polen, Letten, Deutschen, Esten,
Finnen, Griechen, Iraner, Charbiner, Chinesen und Rumänen“ bis zum 15.04.1938
unter Beibehaltung der „bestehenden außergerichtlichen Verfahrensweise bei der
Überprüfung der Fälle“; Anweisung für die „analoge Durchführung einer Operation“
gegen Bulgaren und Mazedonier. Am 1. Februar ergeht eine entsprechende NKWD-Direktive.
31. Januar
Beschluß des Politbüros „Über Grenzverletzer“ mit Verschärfung der gegen sie zu
verhängenden Strafsanktionen. Für die Grenzverletzer auf dem Territorium der
UdSSR, „bei denen verbrecherische Absichten“ festgestellt werden – Tod durch
Erschießen gemäß Urteilsspruch der Militärtribunale, für alle übrigen – 10 Jahre
Gefängnis auf Beschluß der OSO.
1. Februar
Beschluß des Politbüros über eine zusätzliche Höchstgrenze für die Lager des
Fernen
Ostens – 12.000 Personen nach der 1. Kategorie.
5. Februar
Eröffnung der zweiten Serie von Lagern der Forstwirtschaft beim GULAG des NKWD
der
UdSSR: die Wjatsker, Krasnojarsker, Oneschsker, Nord-Ural-, Unschensker und
Usolsker Besserungs-Arbeitslager.
11. Februar
Befehl des NKWD der UdSSR N°. 0051 mit einem erneuten (s. 11. August 1937)
Verbot, aus
den Lagern Häftlinge mit dem „Merkmal polnischer Spionage“ und Grenzverletzer
aus
Polen, die ihre Haftstrafe verbüßt haben, in die Freiheit zu entlassen.
Innerhalb von
zwei Monaten vor der Freilassung ist dem Sonder-Kollegium des NKWD
entsprechendes Material über sie vorzulegen.
14. Februar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verstärkung de Arbeit in Sachen
Menschewiken
und Anarchisten. „Aufgabe der Ermittlungen in diesen Fällen ist die Feststellung
von
organisatorischen Verbindungen < ... > mit Rechten und Trotzkisten sowie der
ausländischen Spionage“. Es wird befohlen, besondere Aufmerksamkeit auf die
Menschewiken und Anarchisten zu lenken, die der WKP (B) beigetreten sind.
16.Februar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Durchführung einer „auf die Afghanen
gerichteten“ Massenoperation. Der Verhaftung unterlagen Politemigranten,
Grenzverletzer, Vertrauensleute afghanischer Kolonien sowie die Führer
„religiöser
Sekten“ und „reemigrierter Nomaden“, alle Personen, die mit afghanischen
diplomatischen Behörden usw. in Verbindung standen. Die Verhaftungen wurden
hauptsächlich in der Turkmenischen und Usbekischen SSR vorgenommen. Die
Repressionskampagne wurde im Rahmen der „nationalen Operation“ durchgeführt.
1.557 Personen wurden verurteilt, davon 366 zum Tod durch Erschießen.
17. Februar
Anordnung des Politbüros über ine zusätzliche Höchstgrenze für die
„Kulaken-Operation“
in der Ukraine – 30.000 Personen.
23. Februar
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verwendung von aufgeklebten Fotos in
Pässen
zur Kenntlichmachung von Personen, die Repressionsmaßnahmen unterliegen
(Lichtbilder für Paß-Dokumente wurden am 23.10.1937 aufgrund einer Anordnung
des Zentralen Exekutiv-Komitees der UdSSR und des Rates der Volkskommissare
der UdSSR eingeführt). Als nachahmenswertes Beispiel trat Weißrußland in
Erscheinung: „Nachdem man die Mitarbeiter der Miliz, welche die Fotos in die
Pässe eingeklebt hatten, und die Mitarbeiter der UGB angewiesen hatte,
dem Milizapparat konkrete Hilfestellung zu geben, entlarvte das NKWD der WSSR in
nur 20 Industrie-Unternehmen der Stadt Minsk 122 Grenzverletzer, die sich
versteckt
hielten, 17 sogenannte Politemigranten und 644 Personen ausländischer Herkunft
(Deutsche, Rumänen, Charbiner und andere)“.
02.-13. März
Dritter öffentlicher politischer Prozeß in Moskau in Sachen des
„antisowjetischen rechts-trotzkistischen Blocks“. N.I. Bucharin, A.I. Rykow, N.N. Krestinskij, G.Ch.Rakoswskij, A.I. Ikramow, G.G. Jagoda und andere werden des Mordes an S.M.
Kirow, der Vergiftung W.W. Kujbyschews und M. Gorkijs, der Verschwörung gegen
W.I. Lenin und I.W. Stalin, der Organisation von Industrie-Sabotage, Diversion,
einem Komplott mit dem Ziel der Aufteilung der UdSSR und anderer Verbrechen
angeklagt. Gerichtsvorsitzender ist W.W. Ulrich, staatlicher Ankläger – A.J.
Wyschinskij. Über 17 Angeklagte wird die Todesstrafe verhängt (sie werden am
15. März erschossen).
23. März
Anordnung des Politbüros über die Säuberung innerhalb der für
Verteidigungszwecke
arbeitenden Industrie von jenen „nationalen Kontingenten“, gegen die bereits
repressive Operationen durchgeführt werden (Polen, Letten, Griechen usw.).
8. April
N.I. Jeschow wird zum nebenamtlichen Volkskommissar für das Transportwesen zu
Wasser
ernannt.
23. April
Direktive der GUGB beim NKWD mit dem Verbot der Freilassung von „Ehemaligen“,
die
aus Leningrad, Moskau und anderen Städten (hauptsächlich nach dem Mord an Kirow)
ausgewiesen wurden und inzwischen ihre Verbannungsstrafe verbüßt haben. Es
ergeht
die Forderung, Listen mit den Namen der Verbannten „zwecks Verlängerung der
Verbannungsdauer“ zur Verfügung zu stellen“.
24. April
Direktive des NKWD der UdSSR über Verhaftungen von Personen, die terroristischer
und
Sabotage-Absichten verdächtigt werden, Verschärfung der Beobachtung von
Verwandten repressierter Personen(vor allem von Kindern älter als 15 Jahre)
durch
Agentennetze sowie Bewachung der Partei- und Sowjet-Führer im Hinblick auf die
Feierlichkeiten zum 1. Mai.
21. Mai
Befehl des NKWD der UdSSR „Über die Arbeit der Trojkas mit Erteilung von
Instruktionen
an das NKWD bezüglich der Überprüfung der Fälle von verbrecherischen und
moralisch verfallenen Elementen und der böswilligen Verletzung vonPaß-Bestimmungen“. Der Befehl reglementierte die Tätigkeit der sogenannten“Miliz-Trojkas“ (nicht zu verwechseln mit den „Sonder“- oder „Gerichts“-Trojkas gemäß
Befehl 00447, die seit 1935 das Recht besaßen, auf administrativem Wege Personen
zur Ausweisung oder zu 3-5jährigen Haftstrafen im Lager zu verurteilen, die den
„sozial schädlichen“ oder „sozial gefährlichen“ Elementen zugeordnet waren (d.h.
Menschen, die keine „Arbeit von gesellschaftlichem Nutzen“ verrichteten, gegen
die
Paßvorschriften verstoßen hatten u.ä.). In Übereinstimmung mit dem Befehl vom
21.05.1937 fielen in den Zuständigkeitsbereich der „Miliz-Trojkas“ auch noch
andere
Kategorien von Gesetzesverletzungen – beispielsweise Käufer von Diebesgut,
Rowdies und Wiederholungsdiebe, deren konkrete Schuld man vor Gericht schon
nicht mehr beweisen mußte. Im Zeitraum 1937-1938 verurteilten diese Trojkas, die
in
jeder Region im Einsatz waren, nicht weniger als 400.000 Menschen zu unterschiedlichen Strafmaßen.
26. Mai
Anordnung des Politbüros über die Verlängerung des bisherigen („Album“-)
Verfahrens bei
der Überprüfung der Fälle „im Rahmen aller nationalen Operationen“bis zum
01.08.1938. Das NKWD gibt am 28.05. eine entsprechende Direktive heraus und
erteilt den Befehl, die Anstrengungen auf die Säuberung der
Verteidigungsindustrie
und des Transportwesens zu konzentrieren
4. Juni
Direktive der GUGB beim NKWD an die Sonderabteilungen über die Unfallhäufigkeit
bei
den Luftstreitkräften der RKKA. „Die Unfälle sind das Ergebnis der Tätigkeit
nicht entlarvter Feinde“; „in Zukunft wird jedem einzelnen Unglücksfall eine
ausführliche, operative Untersuchung durch das Agentennetz folgen“.
10. Juni
Anordnung des Politbüros darüber, daß die Umsiedlung von Chinesen aus dem Fernen
Osten
nach Shinjang nur auf freiwilliger Basis geschehen kann. Gleichzeitig wird
angeordnet, „verhaftete Chinesen, mit Ausnahme der wegen Spionage, aktiver
Sabotage und Terror verurteilten und angeklagten, aus der Haft zu entlassen und
zusammen mit ihren Familien und ihrem Besitz nach Shinjang auszusiedeln. Des
weiteren sind die Massen-Verhaftungen von Chinesen einzustellen“.
13. Juni
Flucht von G.S. Ljuschkows – dem Leiter der NKWD-Verwaltung in der Region
Fernost –
nach Japan. Zum Teil infolgedessen beginnt sich kurze Zeit später eine neue
Spirale
der Repressionen zu drehen.
16. Juni
Rundschreiben der GUGB beim NKWD der UdSSR über die Intensivierung der
operativen
Agentenarbeit bei den Objekten der Kohleindustrie in Verbindung mit der
Enlarvung
rechtstrotzkistischer Organisationen in den Kohlebecken des Landes.
24. Juni
Direktive des Volkskommissariats für Verteidigung über die Entlassung von
„deutschen,
lettischen, polnischen, estischen, litauischen, finnischen, rumänischen und
koreanischen Militärpersonen sowie Militärangehörigen anderer Nationailtäten,
die
nicht zu den Völkern der UdSSR gehören, aus der Armee“ (in erster Linie wurden
die
Personen entlassen, die im Ausland geboren waren, dort gelebt hatten oder in den
betreffenden Ländern Verwandte besaßen). Alle Entlassenen wurden von den Organen
der Staatssicherheit überprüft, gegen viele von ihnen wurden repressive
Maßnahmen
eingeleitet.
28. Juni
Direktive des NKWD über die Registrierung und Verhaftung von Teilnehmern der
sogenannten „tolmatschewsker-weißrussischen“ Opposition in der RKKA
(offene Opposition innerhalb der Armee, die im Zusammenhang mit der Einführung
der Einzelführung in die RKKA in den Jahren 1927-1928 entstand; 1938 wurde die
ehemalige Zugehörigkeit zur Opposition als Mitwirkung in einer „antisowjetischen
trotzkistischen Organisation“ interpretiert).
6.-12. Juli
Serie von Direktiven der GUGB beimNKWD über die Forcierung der Repressionen in
der
Region Fernost. Es wurde befohlen „innerhalb einer 7-Tage-Frist eine
Massenoperation vorzubereiten, in deren Rahmen alle im weißgardistischen
aufständischen Untergrund mitwirkenden Personen, ehemalige weiße Offiziere,
ehemalige aktive Angehörige der Weißen Armee und verschiedener antisowjetischer
Banden, < ... > antisowjetische Elemente aus den Reihen der ehemaligen
Partisanen,
das antisowjetische Aktiv, Kirchenleute und Sektenmitglieder, alle Spione und
der
Spionagetätigkeit verdächtige Deutsche, Polen, Koreaner, Letten, Finnen, Esten,
Griechen, Iraner, Charbiner“ eliminiert werden sollten. Zur Beschleunigung des
Verurteilungsverfahrens erteilt Jeschow dem in die Region Fernost
abkommandierten Frinowskij die Erlaubnis, gemeinsam mit dem
Regionsstaatsanwalt die „Alben“ zur „nationalen Operation“ zu überprüfen,
Urteile in
Sachen verhafteter Ehefrauen von „Volksfeinden“ und anderen „antisowjetischen
Elementen“mit den Rechten einer OSO zu verhängen und die Arbeit der „in
absentia“-
Gerichte des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR voranzutreiben.
21. Juli
Direktive des NKWD über eine beschleunigte Prüfung der Verhafteten-Akten mit dem
Ziel,
die Gefängnisse zu entlasten und die Häftlinge so schnell wie möglich in Lager
abzutransportieren.
31. Juli
Das Politbüro genehmigt eine zusätzliches „Limit“ für die „Kulaken-Operation“ im
Fernen
Osten (15.000 Personen nach der 1. sowie 5.000 nach der 2. Kategorie).
10. August
Direktive des NKWD der UdSSR über strengste Maßnahmen im Kampf gegen Lagerflucht
und die Beendigung der Möglichkeit von Kontakten zwischen Häftlingen und der
ortsansässigen Bevölkerung.
22. August
L.P. Berija wird zum 1. Stellvertretenden des Volkskommissariats für innere
Angelegenheiten
der UdSSR anstelle von M.P. Frinowskij ernannt (Frinowskij wird Volkskommissar
der Seekriegsflotte der UdSSR.
27. August
Rundschreiben des NKWD „Über die Verfahrensweise bei der Registrierung
einseitiger
Scheidungen unter Ehepaaren, von denen sich einer der Partner in Haft befindet“
(es wird die Genehmigung zu einer einseitigen Annullierung der Ehe auf Wunsch
des
in Freiheit verbliebenen Partners erteilt).
29. August
Das Politbüro trifft die Entscheidung über das letzte „Limit“ bezüglich der
„Kulaken-Operation“ – 3.000 Personen für das Tschitinsker Gebiet. Erfüllungstermin –1. November.
9.-19. September
In der „Prawda“ wird der „Kurzlehrgang zur Geschichte der WKP (B)“, verfaßt
unter der
Redaktion und Mitwirkung von J.W. Stalin, veröffentlicht. Am 1. Oktober erfolgt
die Herausgabe eines gesonderten Buches.
15. September
Beschluß des Politbüros bezüglich der Übergabe der „verbliebenen, nicht
überprüften
Ermittlungsakten der in Sachen des konterrevolutionären nationalen Kontingents
verhafteten Personen“ „zwecks Durchsicht der Sonder-Trojkas vor Ort“; die
Sonder-Trojkas erhalten das Recht, Urteile nach der 1. und 2. Kategorie zu verhängen,
„sowie
die Akten zur Nachprüfung und zur Entscheidung über eine Freilassung der
Angeklagten zurückzugeben“; die Entscheidungsfällung der „Sonder-Trojkas“ nach
der 1. Kategorie ... hat unverzüglich zu erfolgen“. Die Sonder-Trojkas setzen
sich aus
dem amtierenden Leiter der NKWD-Verwaltung, dem 1. Seketär des Gebiets-/Regionskommissariats und einem Staatsanwalt zusammen. Der Personalbestand der
Trojkas wurde vom Politbüro nicht bestätigt. Die Trojkas überprüfen die Fälle
der vor
dem 1. August 1938 gemäß „nationaler Linie“ verhafteten Personen und sollen ihre
Arbeit innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen haben.
17. September
Befehl des NKWD der UdSSR No. 00606 über die Einsetzung von Sonder-Trojkas zur
Überprüfung von Häftlingsakten gemäß Befehl des NKWD der UdSSR No. 00485
und anderer („nationale Kontingente“). Die Aktenüberprüfung durch die Sonder-Trojkas ersetzte das „Album-Verfahren“, das im August 1937 festgelegt worden
war.
20. September
Beschluß des Politbüros über die Registrierung, Prüfung und Bestätigung beim
Zentralkomitee der WKP (B) aller verantwortlichen Mitarbeiter in den
Volkskommissariaten für innere Angelegenheiten und bei der Kriegsflotte, aller
verantwortlichen Mitarbeiter, die mit Auslandsangelegenheiten zu tun haben,
sowie derer, die in der für Verteidigungszwecke arbeitenden Industrie und in den
Kommissionen der Partei- und Rätekontrolle tätig sind.
29. September
Direktive des NKWD der UdSSR über die Verschärfung des Regimes in den
Arbeitssiedlungen, die „sich in konterrevolutionäre Zentren verwandelt haben“.Es wird der Befehl erteilt, „die erforderlichen Maßnahmen zur Vernichtung des
konterrevolutionären Untergrunds in den Arbeitssiedlungen zu ergreifen“.
8. Oktober
Beschluß des Politbüros über die Einsetzung einer Kommission (Jeschow,
Wyschinskij,Berija u.a.) zur Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs für eine „Anordnung des
Zentralkomitees, des Rates der Volkskommissare und des NKWD über eine neue
Richtlinie zur Frage der Verhaftungen, der staatsanwaltschaftlichen Aufsicht
sowie der Durchführung der Ermittlungsverfahren“ (Anhaltspunkt für die baldige
Einstellung der Massenoperationen.
14. November
Direktive des Zentralkomitees der WKP (B) über die Registrierung und Überprüfung
der
verantwortlichen Mitarbeiter des NKWD der UdSSR in den Parteiorganen. „Als
Ergebnis dieser Überprüfung sollen die NKWD-Organe von allen feindlichen
Personen, die sich auf betrügerischem Wege Zugang in die NKWD-Organe verschafft
und kein politisches Vertrauen verdient haben“.
17. November
Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des Zentralkomitees der
WKP (B) „Über Verhaftungen, staatsanwaltschaftliche Aufsicht und
Durchführung von Ermittlungsverfahren (bestätigt vom Politbüro am 15. November).
Alle außergerichtlichen Organe stellen ihre Tätigkeiten ein. Die Durchführung
von
Massenoperationen ist verboten; Verhaftungen dürfen nur mit ausdrücklicher
Bestätigung des Gerichts oder des Staatsanwalts vorgenommen werden. Das früher
gültige Verfahren bei Verhaftungen, nach dem diese in Absprache mit den daran
interessierten Behörden und Parteiorganen erfolgten, wird wieder in Kraft
gesetzt.
25. November
L.P. Berija wird Nachfolger von N.I. Jeschow im Amt des Volkskommissars für
innere
Angelegenheiten der UdSSR.
26. November
Befehl des NKWD der UdSSR N°. 00762 als Weiterentwicklung der Anordnung vom 17.
November. Alle operativen Befehle und Direktiven hinsichtlich der Durchführung
von Massenoperationen werden abgeschafft; alle Fälle, die sich noch im Prozeß
der
Ermittlung befinden, sind an die Gerichtsorgane und das Sonder-Kollegium zu
übergeben; es wird die Rückkehr „zu den Normen der sozialistischen
Gesetzgebung“ erklärt.
1. Dezember
Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des Zentralkomitees der
WKP (B) „Über die Verfahrensweise bei der Genehmigung von Verhaftungen“, welche
die
vorherige ersetzt. Am 8. Dezember wird eine entsprechende Direktive an die
NKWD-Organe verschickt.
22. Dezember
Direktive des NKWD der UdSSR alle Urteile außergerichtlicher Organe (Trojka,
Dwojka,
Sonderkollegium) außer Kraft zu setzen, sofern sie nicht bis zum 17. November
vollstreckt oder den Verurteilten verkündet wurden.
28. Dezember
Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR, des Zentralkomitees der WKP
(B)
und des Allrussischen Zentralrates der Gewerkschaften „Über Maßnahmen zur
Regelung der Arbeitsdisziplin, Verbesserung der staatlichen Versicherungspraxis
und den Kampf gegen Mißbräuche in diesen Bereichen“; festgelegt werden
administrative Strafen für Zuspätkommen am Arbeitsplatz und Bummelei.
10. Januar 1939
Telegramm Stalins an alle regionalen Leiter der WKP (B) und des NKWD bezüglich
der
Anwendung von Foltermaßnahmen: „Dem Zentralkomitee der WKP (B) ist
bekannt geworden, daß die Sekretäre der Gebiets- und Regionskomitees bei der
Überprüfung von Mitarbeitern der NKWD-Verwaltungen diese beschuldigen,
physische Foltermethoden an Verhafteten vorgenommen zu haben, als ob es ein
Verbrechen wäre. Das Zentralkomitee der WKP erklärt, daß die Anwendung
physischer Folter seit dem Jahr 1937 mit Genehmigung des Zentralkomitees der WKP
zulässig ist. < ... > Das Zentralkomitee der WKP ist der Meinung, daß die
Methode
physischerEinwirkungen auch künftig in Ausnahmefällen unbedingt dann als völlig
korrekte und zweckmäßige Methode angewendet werden soll, wenn es sich um
eindeutige Volksfeinde handelt, die nicht bereit sind, ihre Waffen abzugeben.
Gemäß der von den Staatssicherheitsorganen (Organe der GUGB beim NKWD) angelegten und geführten Akten
Davon zum Tod durch Erschießen verurteilt – nicht weniger als 725.000 Personen. Davon:
- „durch Trojkas“ in Sachen der „Kulaken-Operation“ – nicht weniger als 436.000 Personen
- „durch eine Kommission des Volkskommisariats für innere Angelegenheiten der UdSSR und der Staatsanwaltschaft der UdSSR („Dwojkas“) bis September 1938 und durch „Sonder-Trojkas“ von September – November 1938 in Sachen der „nationalen Operationen – nicht weniger als 247.000 Personen
- durch das Militär-Kollegium des Obersten Gerichts der UdSSR, Sonderkollegien der Gebietsgerichte, Kriegsgerichten – nicht weniger als 41.000 Personen.
Ferner in demselben Zeitraum:
Verfasser: N.G. Ochotin, A.B. Roginskij