Das Jahr 1937 – Symbol für Repressionen in der UdSSR. Viele sind bis heute davon überzeugt, daß Repressionen ausschließlich 1937 stattgefunden haben. Mit Chruschtschows leichter Hand kam der Mythos auf, daß Verfolgungsmaßnahmen im wesentlichen gegen die Elite (große Säuberung) gerichtet waren.
Diese Mythen sind sehr populär und äußerst gefährlich. Gerade sie bilden Basis des zeitgenössischen Stalinismus. Im Bewußtsein der Durchschnittsbürger stellt Stalin einen strengen, aber gerechten Diktator dar, der nachlässige, schludrige Beamten bestraft hat.
Nur zu leicht läßt man sich davon überzeugen, daß das alles nichts weiter als Mythen sind.
In den Opferlisten oder im Buch der Erinnerung stellen die Partei- und Staatsbeamten einen geringfügigen prozentualen Anteil dar (und diejenigen, die darin aufgeführt sind, wurden nicht wegen Korruption, repressiert, sondern als angeblich englische oder japanische Spione). Und praktisch alle politisch Verfolgten sind – Arbeiter, Bauern, Angehörige der Intelligenz, also das Volk, in dessen Namen die Bolschewiki auch ihre Verbrechen begingen.
Im Beschluß des Politbüros des Zentralkomitees der WKP (B) N°. P51/94 vom 2. Juli 1937 und dem operativen Befehl des Volkskommissars für innere Angelegenheiten der UdSSR N°. 00447 vom 30. Juli 1937, auf dessen Grundlage Militäroperationen gegen das eigene Volk durchgeführt wurden, die man später als den Großen Terror bezeichnete, sind ebenfalls keinerlei Beamte erwähnt. Die Operation richtete sich gegen „ehemalige Kulaken, bereits zu einem früheren Zeitpunkt Verfolgte, die sich vor den Repressionen versteckt hatten, aus Lagern, der Verbannung oder Arbeitskolonnen geflüchtete Personen, [...], in der Vergangenheit verfolgte Kirchenleute und Sektierer, [...] sowie antisowjetische politische Parteien“ – das heißt in erster Linie gegen all jene, die schon einmal Repressionen ausgesetzt waren. Ja, für viele Funktionäre schien das ein aktueller Anlaß zu sein, mit Menschen abzurechnen und sich selbst auf der Dienstleiter nach oben voranzubewegen. Ja, ganz „unbemerkt und insgeheim“ brachten Stalin und seine Umgebung die leitenden Kader „auf einen gemeinsamen Nenner“ - durch die endgültige Errichtung einer „Machtvertikale“ . Jedoch hat all dies keinerlei Bezug zur Festigung der Gesetzlichkeit oder der Wiederherstellung der Gerechtigkeit.
Das Symbol „Jahr 1937“ verdrängt den Tatbestand aus dem Bewußtsein, daß Repressionen in der UdSSR ständig, in großem Maßstab und in den unterschiedlichsten Formen vorgenommen wurden: Deportationen ganzer Völker, Entkulakisierung, Freiheitsentzug, usw.
Nichtsdestoweniger besitzt dieses Symbol das Recht auf Existent. Selbst vor dem Hintergrund fortwährender sowjetischer Verfolgungen, versetzt einen die Zeit des Großen Terrors (1937-1938) durch ihre Grausamkeit und ihr gewaltiges Ausmaß in Erstaunen. Mit vollem Recht kann man ihn als nationale Katastrophe bezeichnen.
Von August 1937 bis November 1938 wurden in der Region Krasnojarsk aufgrund politischer Paragraphen 12603 Menschen zum Tod durch Erschießen und 5529 zur Verbüßung einer Haftstrafe in Lagern verurteilt. Wir merken an dieser Stelle an, daß die Trojkas in Krasnojarsk insgesamt 19652 Fälle von Angeklagten untersuchten, von denen 1520 aufgrund allgemeiner Strafrechtsparagraphen und 18132 aus politischen Motiven angeklagt waren (dies zur Frage eines weiteren Stalin-Mythos – daß nämlich die Politischen lediglich einen geringen Prozentsatz under den Repressionsopfern ausmachten).