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Erhalt der Kultur der Rußland-Deutschen (1941-2000) am Beispiel der Region Krasnojarsk

Diplomarbeit der Studentin des 5. Kurses an der Histrorischen Fakultät der Staatlichen Pädagogischen Universität Krasnojarsk, A.W. Lejman, zum Thema: „Erhalt der Kultur der Rußland-Deutschen (1941-2000) am Beispiel der Region Krasnojarsk“.

Wissenschaftliche Leitung: Dozentin am Lehrstuhl für allgemeine Geschichte der Staatlichen Pädagogischen Universität Krasnojarsk – J-L. Sberowskaja

(Dissertation am 17. Juni 2008 an der Historischen Fakultät der Pädagogischen Universität Krasnojarsk verteidigt).

Einführung

Aktualität des Themas

Rußland ist ein Land mit reicher Nationalitäten-Vielfalt. Fragen kultureller Wechselwirkung und Entwicklung der Völker sind ein wichtiger Richtungsweiser für die Aktivitäten der Staatsmacht im zeitgenössischen Rußland, die ihre innere Politik unter Berücksichtigung allgemein-menschlicher Werte aufbaut. In der Region Krasnojarsk leben 118 verschiedene Nationalitäten, die unterschiedliche Konfessionen vertreten und ihre ureigenen nationalen Traditionen besitzen. In der Region wurde eine Konzeption für eine regionale, nationale Politik erarbeitet und verabschiedet, die das Erlernen der Sprachen der Urvölker und Diaspora vorsieht, die auf dem Territorium der Region leben. Auf diese Weise sehen wir, daß das zu erforschende Problem nicht nur von rein wissenschaftlicher Bedeutung ist, sondern auch eine der aktuellen Aufgaben der inneren Politik des russischen Staates darstellt.

Auf sibirischem Territorium, darunter auch in der Region Krasnojarsk, lebt bis heute eine beträchtliche Anzahl Vertreter des deutschen Ethnos. Aussiedlung und Zwangsverbleib an den Verbannungsorten spielten in ihrem Schicksal eine Schlüsselrolle. Als Ergebnis der Repressionspolitik der sowjetischen Machthaber in Bezug auf die Sowjet-Deutschen, sind dieser Volksgruppe in vielerlei Hinsicht ihre nationalen Traditionen, Sitten und Gebräuche sowie ihre Muttersprache verloren gegangen. Das Problem des Erhalts der spezifischen Kultur der Rußland-Deutschen tauchte bei dem repressierten Volk sofort nach der Zwangsansiedlung auf, und es hat bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt. In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die Hauptprobleme des komplizierten, aber wichtigen Prozesses der Wahrung der Kultur des rußlanddeutschen Ethnos zu analysieren.

Historiographie

Erst mit dem Ende der 1980er Jahre begann man sich mit Fragen zur Geschichte und Kultur der Deutschen Rußlands in vielschichtiger Weise intensiv zu befassen. Während der Sowjetzeit kam eine kleinere Anzahl Arbeiten zur Geschichte der Rußland-Deutschen heraus. Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre tauchten in der wissenschaftlichen Literatur Publikationen auf, in denen einzelne Forscher – Historiker, Demographen, Ethnographen, Linguisten – die deutsche Thematik aufgriffen. J. Druschinina (J.I. Druschinina.Die Deutschen der nördlichen Schwarzmeerregion./ J.I. Druschinina. – Moskau, 1959), W. Selentschuk (W.N. Selentschuk. Die deutsche Bevölkerung Moldawiens: demographische prozesse und ethnische Zusammensetzung./ W.N. Selentschuk. – Kischinew, 1973). und W. Kabusan (W. Kabusan. Die Besiedlung der Schwarzmeerregion. / W. Kabusan. – Moskau, 1969) brachten Arbeiten heraus, die dem Thema der Besiedlung der Süd-Ukraine und Bessarabiens durch die Deutschen gewidmet waren. Fragen der Ethnographie und des kulturellen Erbes werden teilweise in den Arbeiten von T. Filimonowa (T. Filimonowa. Ethnokulturelle Entwicklung der Karpaten-Deutschen. / T. Filimonowa. – Moskau, 1972.) und M. Schin (M. Schin. Hochzeitswortschatz in deutschen Dialekten./ M. Schin. – Moskau, 1982.) beleuchtet. Mit Problemen der materiellen Kultur der Deutschen in West-Sibirien befaßte sich L.W. Mainowskij (L.W. Malinowskij. Die Wohnkultur der deutschen Kolonisten in Sibirien./ L.W. Malinowskij. – Moskau. 1969.). Eine gewichtige Arbeit unter der Leitung von Professor G. Edig wurde beim Studium der Dialekte der Deutschen in West-Sibirien geleistet.

Aber die Monographie des Wissenschaftlers erblickte lediglich in Deutchland das Licht der Welt. Natürlich ist der Charakter der vorliegenden Veröffentlichungen vom Stempel der Zeit bestimmt; sie berühren nicht die wesentlichen Probleme der Deutschen, denn offen über den Tatbestand der Repressionen, Deportationen und ihre Folgen zu sprechen, war einfach unmöglich.

Beginnend mit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre weckte die Epoche der Demokratisierung der Sowjet-Gesellschaft das Interesse gegenüber den Problemen des deportierten Volkes und der vollständigen Wiederherstellung ihrer Rechte. Die Öffnung des Zugangs zu früher streng geheimen Archivbeständen, die Verabschiedung von Gesetzes- und Normativakten zur Rehabilitierung repressierter Völker und Opfer politischer Repressionen, Veränderungen in der Geschichtswissenschaft an sich machten eine objektivere Erforschung des deutschen Ethnos möglich. Die allerersten Arbeiten waren Problemen der Repressionen gegenüber den Sowjet-Deutschen gewidmet. Einen großen Beitrag zum Studium dieser Fragen leisteten W.N. Semskow (W.N. Semskow, Sonderansiedlung in der UdSSR, 1930-1960./ W.N. Semskow. – Moskau, 2003. – S. 306), N.F. Bugaj (N.F. Bugaj. L. Berija an I. Stalin: „Entsprechend ihrem Befehl...“/ N.F. Bugaj. – Moskau, 1995. – S. 265). In ihren Arbeiten befindet sich umfangreiches statistisches Material über die Deportationen, das unterdrückte Volk un djede Menge Zeugnisse in Form von Dokumenten. W.N. Semskow zeigte als erster die Dynamik hinsichtlich der Anzahl der Sondersiedler in der UdSSR auf, machte Angaben über ihre berufliche und altersmäßige Zusammensetzung. Die von ihm enthüllten Materialien beinhalten Angaben über Sibirien, was den informativen Wert für uns noch erhöht. Doch wenngleich die Arbeiten dieser Autoren auch einiges über Sibirien enthalten, können sie doch nicht in vollem Umfang die regionalen Besonderheiten widerspiegeln.

Über die Geschichte der Autonomen Republik der Wolgadeutschen wurde in den 1990er Jahren Monographin von A.A. German (Hermann) (A.A. German. Die Geschichte der Republik der Wolgadeutschen in Ereignissen, Dokumenten, Fakten./ A.A. German. – Moskau, 2000. – S. 320) und W.G. Tschebotarewa (W.G. Tschebotarewa. Das Volkskomitee für nationale Minderheiten in der RSFSR: Licht und Schatten der nationalen Politik von 1917-1924./ W.G. Tschebotarewa. – Moskau, 2003. S. 852). Ihre Arbeiten halfen bei der Bewertung der kulturellen Situation der ASSR der Wolgadeutschen und trugen außerdem dazu bei, die Rolle der Deportation und Sonderansiedlung im Schicksal des deutschen Ethnos exakter zu erfassen..

Arbeiten, die dem Studium der nationalen Traditionen der Rußland-Deutschen sowie der Forschung im Bereich ihrer Kultur gewidmet sind, wurden in den Jahren 1990 und 2000 herausgebracht.

Aktive Forschungsarbeit in dieser Richtung wird in der westsibirischen Region geleistet. Die deutsche Volksgruppe in West-Sibirien ist die zahlenmäßig größte in ganz Rußland; die Deutschen nehmen zahlenmäßig den zweiten Platz nach den Russen ein. Von den Wissenschaftlern in der westsibirischen Region wurden zum ersten Mal Untersuchungen zum Studium der kulturellen Entwicklung der deutschen Diaspora in Rußland und ihrer Entwicklung ohne feste Tuchfühlung mit der ethnischen Gruppe organisiert. 1992 erschien W.I. Brühls Arbeit „Die Deutschen in West-Sibirien“. Der Wissenschaftler befaßte sich darin mit den sozial-ökonomichen Besodnerheiten der Deutschen, die in dem betreffenden Dorf wohnen, und berührte dabei einige Aspekte aus dem geistigen Leben.

Bereits mit Beginn der 1990er Jahre organisierte die Staatliche Universität Omsk eine Forschungsfahrt mit dem Ziel ethnographisches Material zu sammeln. T.B. Smirnowa erarbeitete ein „Programm zum Sammeln von Materialien über die materielle und geistige Kultur der deutschen bevölkerung in West-Sibirien“. Die entsprechenden Forschungen verlaufen in mehrere Richtungen – die heutigen ethnischen Prozesse bei den Deutschen in West-Sibirien, Fragen der traditionellen und zeitgenössischen Kultur, kalendarische Rituale und Zeremonien der Deutschen in Sibirien. Ihr Programm wurde zur Grundlage für den Forschungsauftrag, den sie im Rahmen der hier vorliegenden Diplomarbeit durchführte. Ebenfalls mit der Geschichte der Deutschen befaßte sich der Kandidat der Geschichtswissenschaft, Professor an der Russischen Akademie der Wissenschaften und Direktor des Staatlichen Regionalen Museums für Geschichte und Heimatkunde der Stadt Omsk – P.P. Wibe, der in den Jahren 1999 und 2000 eine ungeheure Menge Material zusammentrug, das der Kultur der Deutschen in Sibirien vom Ende des 19. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewidmet ist. Im Museum werden Archivdokumente sowie Objekte materieller und geistiger Kultur der Rußland-Deutschen gezeigt.

Mit der Erforschung von deutschen kalendarischen Volkszeremonien, Tänzen und Liedergut befaßten sich J.M. Jerina (J.M. Jerina. Sitten und gebräuche der Wolgadeutschen./ J.M. Jerina. – Moskau, 2001. – S. 104), und J.M. Schischkina-Fischer (J.M. Schischkina-Fischer. Kalendarische deutsche Volksriten, Tänze und Lieder in Deutschland und Rußland./ J.M. Schischkina-Fischer. – Moskau, 2002. – S. 328). Die Autoren verwendeten beim Niederschreiben ihrer Arbeiten Informationen, die man während der ethnographischen Forschungsreisen gewonnen hatte. Sie sammelten und veröffentlichten Material, das der geistigen Kultur der ethnischen Deutschen gewidmet ist.

Mit den Problemen der Schulbildung der Rußland-Deutschen beschäftigt sich I.W. Tscherkasjanowa (I.W. Tscherkasjanowa. Schulbildung der Rußland-Deutschen./ I.W. Tscherkasjanowa. – Moskau, 2004. – S. 367). Sie erforschte die Geschichte der deutschen Schule in Sibirien und ihre Rolle im Leben des deutschen Ethnos. Dieses Thema ist wichtig für das Verstehen der Kultur der Deutschen, denn eine Schule, an der in der Muttersprache unterrichtet wird, spielt eine erhebliche Rolle bei der Wahrung gesellschaftlich- historischer Erfahrungswerte und deren Weitergabe an die nachfolgenden Generationen.

Einige Aspekte des Erhalts von Kultur, Sprache, nationaler Tradition der ethnischen Deutschen wurden auch in der Region Krasnojarsk erforscht. Die sozial-demographische Folge der Deportation der Deutschen am Beispiel der Region Krasnojarsk betrachtet beispielsweise L.N. Slawina eingehend in ihren Arbeiten. Ihre Forschungsarbeiten helfen die Entwicklung des deutschen Ethnos in der Region Krasnojarsk in der Nachkriegsperiode zu sehen. Die Arbeiten enthalten Material, das die Assimilationsprozesse charakterisiert, die zum Verlust der nationalen Kultur bei den Deutschen beigetragen haben. Mit dem Studium der Dialekte der Rußland-Deutschen auf dem Territorium der Region Krasnojarsk befaßt sich der Lehrstuhl für deutsche Sprache an der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astfjew-Universität Krasnojarsk unter der Leitung von W.A. Djatlowa. Mit der Erforschung der ethnischen Deutschen des Bezirks Mana beschäftigt sich N.A. Jermjakina, die zum ersten Mal Begriffe wie „Bikulturalismus“ der ethnischen Deutschen verwandte. Ihre Arbeiten helfen die Prozesse zu verstehen, die sich im Sprachbereich der Rußland-Deutschen ereigneten.

Recht schwach beleuchtet wird in der Historiographie das Thema der Religion der Rußland-Deutschen. O.A. Lizenberg (O.A. Lizenberg. Die Evangelisch-Lutherische Kirche und der Sowjet-Staat (1917-1938). – Moskau, 1999. – S. 428) erforschte die Politik des Sowjet-Staates in bezug auf die evangelisch-lutheranische Kirche in den Jahren 1917-1938. Der Autor der Arbeit stützte sich auf Archivmaterialien, statistische Angaben, Erinnerungen. Allerdings schließt diese Arbeit nicht den in der Diplomarbeit ausgewiesenen Zeitraum ein. Lediglich fragmentarisch werden religiöse Gemeinschaften in West-Sibirien von J.W. Konew untersucht (J.W. Konew. Religionsgemeinschaften der Deutschen in den Gebieten Nowosibirsk und Tomsk in den 1980er Jahren/ J.W. Konew//Deutsche in Sibirien: Geschichte, Sprache, Kultur: Materialien der internationalen, wissenschaftlichen Konferenz, Krasnojarsk 13.-16. Oktober 2004. – Krasnojarsk, 2005. – S. 105-107), die ausschließlich die Besonderheiten der betreffenden Region widerspiegeln.

Auf diese Weise hat die neueste Historiographie innerhalb von zwei Jahrzehnten einen großen Durchbruch beim Studium der Geschichte und Kultur der Rußland-Deutschen geschafft und in bemerkenswerter Weise diverse Wissenslücken, die die Geschichte der Rußland-Deutschen bis dahin noch aufwies, liquidiert. Allerdings stellen sich die Veröffentlichungen im wesentlichen als komplexe Untersuchungen einzelner Probleme dar – und nicht als Arbeiten mit verallgemeinernden Aussagen. Die Regionen sind ungleichmäßig erforscht worden, wobei der deutsche Ethnos in West-Sibirien einer gründlicheren Untersuchung unterlag. In der Region Krasnojarsk wurden die Probleme des Erhalts der deutschen Kultur zu einem früheren Zeitpunkt nicht untersucht.

Ziel: Ausgehend von der Aktualität des Themas und dem noch sehr unzureichenden Umfang seiner Erforschung, war die Zielsetzung für das vorliegende Projekt das Studium der grundlegenden Etappen bei der Erhaltung der Kultur der Rußland-Deutschen zwischen den Jahren 1941 und 2000 am Beispiel der Krasnojarsker Region.

Das gesetzte Ziel führte zur Definition folgender Aufgabenstellungen:

1.Herausarbeiten der Probleme bei der Wahrung der Kultur des deutschen Ethnos in der Region Krasnojarsk in der Sowjetzeit.
2. Analyse des heutigen Zustands der tethnischen Prozesse in puncto Sprache und Kultur der Deutschen in der Region Krasnojarsk. Definition des Niveaus des andersnationalen Einflußes auf Kultur und Sprache der ethnischen Deutschen.

Gegenstand der Forschungsarbeit ist die einzigartige Kultur des rußland-deutschen Ethnos.

Weiteres Thema der Arbeit sind die Aktivitäten dieser Volksgruppe im Hinblick auf den Erhalt ihrer Kultur und ihrer Eigenarten. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf Probleme beim Erhalt der deutschen Sprache, der Traditionen und der nationalen Fest- und Feiertage.

Quellenangaben

Für die vorliegende Arbeit wurden verschiedene Arten von Quellen verwendet, die sich in dokumentarische (Gesetzesakte, Archivmaterialien) und erzählende (Erinnerungen, standardisierte Befragung, Materialien der Nationalen Kultur-Autonomie, Videofilme) einteilen lassen.

Sammelband „Die Geschichte der Rußland-Deutschen in Dokumenten 1763-1992 (Die Geschichte der Rußland-Deutschen in Dokumenten 1763-1992./Verf. W.A. Auman, W.G. Tschebotarewa, - Moskau, 1993. – S. 447), erzählt die Geschichte der Deutschen in Rußland im Verlauf von zweieinhalb Jahrhunderten. Der Band enthält zahlreiche Dokumente der zentralen Machtorgane. Die im Buch angeführten Zeugenaussagen zeigen, wie das „gestrafte Volk“ für die Wiederherstellung seiner Rechte kämpfte.

Die im Sammelband veröffentlichten Dokumente gestatten lediglich die Betrachtung der allgemeinen Charaktereigenschaften der Nachkriegsentwicklung des deutschen Ethnos, und die Region Krasnojarsk wird in den erwähnten Dokumenten schwächer als die anderen Gebiete berücksichtigt. Dies wird besonders bei der Beleuchtung von Fragen der nationalen Kultur der Deutschen deutlich. Aus diesem Grunde ist es notwendig, den Kreis der verwendeten Quellen auszuweiten, damit das vorliegende Thema noch detaillierter enthüllt werden kann und man größere Klarheit über die charakteristischen Besonderheiten der in der Region Krasnojarsk lebenden, deutschen ethnischen Gruppe erhält.

Für das Projekt wurden Materialien der Archiv-Agentur der Verwaltung der Region Krasnojarsk verwendet. Zu wichtigen Quellen für die vorliegende Arbeit wurden Materialien aus dem Bestand der Abteilung für Umsiedlung und organisierte Anwerbung von Arbeitskräften des Exekutivkomitees beim Regionsrat (Fond Revolutionszeit – 2137). Hier werden nach Familien geordnete Listen der Umsiedler verwahrt, die Informationen über geschlechts- und altersspezifische Zusammensetzung enthalten. Besonders wertvoll erscheint der Bestand für Religionsangelegenheiten (ond Revolutionszeit – 2384). Er enthält Informationen über Tätigkeiten lutheranischer und katholischer Gemeinden auf dem Territorium der Region Krasnojarsk, ihre Anzahl sowie ihre nationale Zusammensetzung. In den Rechenschaftsberichten des Bevollmächtigten in Sachen Religion kann man die Haltung der Staatsmacht gegenüber diesen religiösen Vereinigungen verfolgen.

Materialien des ehemaligen Parteiarchivs wurden mit zur wichtigsten Quelle für die Forschungsarbeit (Fond Parteiarchiv – 26). Darin wurden Informationen entdeckt, die die Aktivitäten von Personen deutscher Nationalität in der Region Krasnojarsk zur Widerherstellung der Autonomie an der Wolga widerspiegeln, Briefwechsel mit Verwandten in West-Deutschland, in denen sie um Hilfe beim Ausfüllen und Einreichen der für die Ausreise nach Deutschland erforderlichen Dokumente bitten. Der Bestand enthält Materialien über berufliche Errungenschaften der Deutschen sowie ihre kulturellen Vereinigungen.

Für das Projekt wurden auch Angaben aus den All-Unions-Volkszählungen der Jahre 1939, 1959, 1970, 1979 und 1989 verwendet. Mit ihnen lassen sich geschlechts- und altersspezifische Strukturen, Bildungsniveau und das Ausmaß der Beherrschung der deutschen Sprache ablesen.

Unter den herangezogenen Quellen stellen Materialien ganz persönlicher Herkunft eine besondere Gruppe dar: Erinnerungen, Memoiren, Briefe, Zeugnisse über das Leben der Rehabilitierten. Gedankengänge über die tragische Vergangenheit fanden ihren Ausdruck beispielsweise in den Memoiren von G. Wolter, R.A. Maier, W.G. Fuks (Fuchs) und anderen. (G.A. Wolter, Die Zone der totalen Ruhe: Rußland-Deutsche in den Jahren des Krieges und danach / Aussagen von Augenzeugen./ G.A. Wolter – Moskau, 1998 – S. 416; R.A. Maier. Das Schicksal des Rußland-Deutschen: eine Familienchronik./ P.A. Maier. – Krasnojarsk, 2000. – S. 356; W.G. Fuks (Fuchs). Verhängnisvolle Wege der Wolga-Deutschen 1763-199.5 (Historische Fakten. Dokumente. Anschreiben an die Behörden. Briefe. Erinnerungen von Angehörigen des unterdrückten Volkes). W.G. Fuks. – Krasnojarsk, 1995. – S. 223).

Große Bedeutung für das Projekt hatten die Werke von R.A. Maier und W.G. Fuks (Fuchs). Sie berichten über das Leben der Deutschen, die in die Region Krasnojarsk deportiert wurden, und über ihren Kampf um die Wiederherstellung der Autonomie an der Wolga.

Das Projekt stützt sich auf Ergebnisse einer ethnosoziologischen Befragung der deutschen Land-Bevölkerung im Nowoselowsker Bezirk. Die Befragten waren unterteilt in zwei Altersgruppen: 70 Jahre und älter, die andere – von 17 bis 25. Im Rahmen dieser Befragunbg konnte umfangreiches, wertvolles Material gesammelt werden, das es einem bis zu einem gewissen Maße gestattet, über die Assimilationsprozesse, die sich unter den Deutschen vollzogen, ein Urteil abzugeben und eine Einschätzung dahingehend vorzunehmen, inwieweit die Kultur der Rußland-Deutschen erhalten geblieben ist. Durch die Befragung wurde es möglich, die gestellten Problemkomplexe in einer objektiveren Weise zu enthüllen.

Unter den herangezogenen Quellen nehmen Materialien der National-Kulturellen Autonomie, der Besuch der von der Deutschen Autonomie organisierten Fest- und Feiertage, das Anschauen von Videofilmen, die vom Leben der Rußland-Deutschen berichten, Materialien der evangelisch-lutherischen Gemeinde.

Bei der Niederschrift der Arbeit wurde auch die periodische erscheinende Presse zur Hilfe genommen, die von der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur (InfoDienst, Gemeinschaft, Neues Leben) herausgebracht wird. Sie alle beleuchten die heutigen Probleme der Rußland-Deutschen, ihre nationale Kultur, ihre Traditionen. Das in Zeitungen und Journalen enthaltene Material ist vor allen Dingen darauf ausgerichtet, das Interesse der ethnischen Deutschen für ihre Kultur zu wecken.

Ebenso gelang es, im Verlauf der Gespräche mit ethnischen Deutschen in der Region Krasnojarsk wichtige Informationen über nationale deutsche Kultur zu erhalten. Erinnerungen der letztgenannten wurden ebenfalls vom Autor zur Schaffung eines objektiveren Bildes seiner Forschungsarbeit benutzt.

Im großen und goßen gestattet einem das zugrunde gelegte Quellenmaterial in einer ausreichend vollständigen Art und Weise die gestellten Aufgaben anzugehennund zu lösen. Die Vielfalt der zusammengetragenen Dokumente trägt zu einem kritischen Verständnis der Ereignisse und ihrer objektiven Interpretation bei.

Wissenschaftliche Neuheit

Russische und ausländische Autoren haben lediglich einzelne Aspekte der Kultur der Rußland-Deutschen eingehend untersucht. Es gab keine allgemeinen Arbeiten über das vorliegende Thema. Der Prozeß des Erhalts der Kultur der Rußland-Deutschen wurde früher in der Region Krasnojarsk nicht genau untersucht. Auf Grundlage der entdeckten Materialien wurden erstmalig neue Kenntnisse über die Kultur der ethischen Deutschen in die wissenschaftliche Verwendung einbezogen. Die Arbeit kann im Rahmen der Erforschung der Geschichte der Region benutzt werden, ist aber auch für die Arbeit der kulturellen Vereinigungen von Nutzen.

Territoriale Rahmen

Die Forschungsarbeit umfaßt die Region Krasnojarsk. Die chronologischen Arbeiten umfassen den Zeitraum an Herbst 1941 bis zum Beginn der 2000er Jahre. Es ist anzunehmen, daß Deutsche auch vor 1941 auf dem Territorium der Region Krasnojarsk lebten, aber ihre Anzahl war nicht besonders groß. Mit der Ankunft einer riesigen Gruppe ethnischer Deutscher im September 1941 in der Region, stieg diese Zahl jedoch in erheblichem Maße an. Die Menschen brachten ihre gewohnte, standhafte Lebensweise, ihre nationalen Traditionen mit sich. Die Obergrenze läßt sich nur vermuten, denn der Prozeß des Erhalts der Kultur der Rußland-Deutschen dauert an.

Theoretisch-methodische Grundlagen der Forschunsarbeit

Bei der Erstellung der Diplomarbeit wurden die problem-chronologische Methode sowie die Methode des standardisierten Interviews angewendet.

Struktur der Arbeit

Die Diplomarbeit besteht aus einer Einführung, zwei Kapiteln und Anlagen.

Approbation der Arbeit

Einige Thesen innerhalb der Arbeit wurden am 29. April 2008 während eines Referats auf einer Konferenz an der historischen Fakultät der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astanafjew-Universität Krasnojarsk vorgetragen.

Kapitel 1. Soziokulturelle Charakteristiken des in die Region Krasnojarsk deportierten deutschen Ethnos. Problem des Erhalts der Kultur (1941-1980er Jahre).

Das russisch-deutsche Ethnos besitzt eine jahrhundertealte Geschichte. Anfang des 20. Jahrhunderts lebte ein großer Teil der Deutschen in Sibirien und stellte die ganz besondere ethnische Gruppe der „Sibirien-Deutschen“ dar.

Due deutsche ethnische Gruppe in der Region Krasnojarsk entstand als Ergebnis mehrerer, sowohl freiwilliger als auch erzwungener, Umsiedlungswellen vom Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Die erste Etappe fand Ende des 19. Jahrjunderts bis 1920 statt. Es waren vorwiegend Umsiedler aus den südlichen Teilen des Europäischen Rußlands, aus deutschen Wolga-Siedlungen sowie Kriegsgefangene. Die Zaren-Regierung strebte danach, aus deutschen Kolonisten so viele Siedlungen und Einzelgehöfte wie möglich zu schaffen, „um der umliegenden Bevölkerung die Acherbaukultur und den beispielhaften Fleiß der Deutschen verständlich zu machen“ (Sibirien. Krasnojarsk. Gestern und heute. – Moskau, 2002, S. 36). Die allrussische demographische Volkszählung vermerkte 1920 im Gouvernement Jenisejsk 4889 Deutsche, unter denen sich viele nur vorübergehende Bewohner befanden (Flüchtlinge, Kriegsgefangene), die bald darauf dieses Territorium wieder verließen. Man muß anmerken, daß die Deutschen einen gewichtigen Beitrag zur Entwicklung von Kultur und Wissenschaft leisteten. Viele von ihnen zeichneten sich im Militär- und Staatsdienst aus. So werden beispielsweise im Gedenkbuch des Jenisejsker Gouvernements für das Jahr 1896 Deutsche erwähnt, die deutliche Spuren in der Geschichte der Region hinterließen: der Vorsitzende der Krasnojarsker Stadtduma und Ehrenbürger der Stadt – Pawel Makarowitsch Prein, der Gouvernementsarchitekt und Kollegien-Assessor – Alexander Alexandrowitsch Folbaum, die Leiterin des Krasnojarsker Mädchen-Gymnasiums – A. Bogengard (Bogenhard), der Lehrer am Gouvernementsgymnasium und Hofrat – Gotfried Robertowitsch Girschfeld (Hirschfeld) und der Arzt Alexander Iwanowitsch Burger, der das Krasnojarsker Insel-Krankenhaus leitete. „Während er seinen Dienst bei kranken Menschen versah, gab er niemals den reichen Patienten den Vorzug vor den Armen, sondern berhandelt sie alle gleich“ – erinnerten sich seine Zeitgenossen an ihn. (Sibirien. Krasnojarsk, Gestern und heute. – Moskau, 2002, - S. 38-39).

Die Zahl der Deutschen änderte sich praktisch auch nicht während der zweiten Umsiedlungsetappe in den 1920-1930er Jahren, denn ihr Zustrom in die Region wurde durch eine Gegenmigration und Verluste aufgrund unterschiedlicher Repressionsmaßnahmen wettgemacht. In den 1920er bis 1930er Jahren pendelte sich ihre Zahl auf etwa 3-4000 Personen ein. Also war die Zahl der Deutschen in der Region Krasnojarsk bis zum Beginn des Großen Vaterländischen Krieges nicht sonderlich groß. Im Gegensatz zu den benachbarten westsibirischen Regionen, wo bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Unmenge deutscher Siedlungen existierte, war das Ethnos in der Region Krasnojarsk nur „äußerst bescheiden“ vertreten. Lediglich zwei Dörfer im Süden der Region waren von Deutschen dicht besiedelt – die Dörfer Alexandrowka (1896) und Gnadendorf (1907), das später in Nikolajewka (1914) umbenannt wurde) (Ethnoatlas. – Krasnojarsk. – 2006. – S. 48). Laut Volkszählung aus dem jahre 1939 lebten auf dem Territorium der Region Krasnojarsk 3962 Deutsche. (Ethnoatlas. – Krasnojarsk. – 2006. – S. 48).

Mit der dritten Etappe – als Ergebnis ihrer Deportation in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges und auch noch nach dessen Ende - stieg die Zahl der Deutschen ganz erheblich an. (L.N. Slawina. Die Deutschen in der Region Krasnojarsk (einige Zahlen der demographischen und soziokulturellen Entwicklung unter den Bedingungen der Sonderansiedlung). L.N. Slawina // Die Deutschen Rußlands in der UdSSR (1900-1941): Materialien der internationalen wissenschaftlichen Konferenz. – Moskau, 2000. – S. 504). Die Zahl der Deutschen auf dem Territorium der Region Krasnojarsk nahm zu, und zwar hauptsächlich wegen der aus dem Wolgagebiet deportierten Deutschen. So sprach die Umsiedlungsabteilung des Regionsexekutivkomitees in ihrem Rechenschaftsbericht im November 1941 von der Unterbringung von 75508 Personen (Archiv-Agentur der Verwaltung der Region Krasnojarsk, Fond R-2137, Verz. 1, AKte 91, Blatt 31). Auf diese Weise nahm die Zahl der Deutschen in der Region Krasnojarsk um das Zwanzigfache zu. Man muß erwähnen, daß dies Menschen nicht nur ihre, sich über Jahrhunderte herausgebildete, Lebensweise mitbrachten, sondern auch deutsches Liedgut, Traditionen, Sitten und Gebräuche.

Bis 1941 war die ASSR der Wolgadeutschen eine blühende Republik, die sich mit Erfolg entwickelt hatte. In offiziellen Publikationen wurde sie häufig als „Stalins blühender Garten“ bezeichnet. Allen Versuchen der Industrialisierung zum Trotz, besaß die ASSR der Wolgadeutschen Agrarprofil, denn die Mehrheit der Bevölkerung lebte auf dem Lande und beschäftigte sich mt Landwirtschaft. Wenn sie in der Stadt Russisch sprachen, so sprachen sie auf dem Dorf ausschließlich Deutsch. Die Dorfbevölkerung bewahrte sich ihre Eigenarten, ihre Religiosität.

Schule und Kirche spielten eine führende Rolle im Leben der Deutschen. „Gemeinde – Kirche – Schule“ bildeten einen vereinten, historisch begründeten Organismus, durch den eine Verbindung mit den anderen Generationen hergestellt wurde, mit dessen Hilfe die Weitergabe der nationalen Traditionen und Gebräuche vor sich ging. Die Republik war die erste in der UdSSR, die das Analphabetentum abschaffte. Der Erfolg der deutschen Republik war in vielem gesetzmäßig, den im zaristischen Rußland nahmen die Deutschen, laut Angaben der Volkszählung von 1897, den ersten Platz der Personen mit höherer Schulbildung (weiterführender Schulbesuch nach der Grundschule) und den dritten Rang in bezug auf das Lese-Rechtschreib-Niveau ein. 1918-1919 gab es in der Wolga-Republik 236 Schulen, 1921 insgesamt 317 Schulen der Grundstufe und 23 weiterführende Schulen, 11 technische Fachschulen, 5 höhere Bildungseinrichtungen sowie 20 Kulturpaläste. Mehr als 20 Lokal- und Gebietszeitungen wurden heausgegeben (//Deutsche in Rußland und der GUS 1763.1997 – 6. Auflage. – Moskau – Stuttgart – S. 63). 1931 wurde das deutsche Theater für Dramaturgie eröffnet, in dem Stücke der bekannten deutschen Dramaturgen A. Saks (Sachs), F. Schiller, G. (H.) von Kleist u.a. inszeniert, aber auch russische Klassiker aufgeführt wurden.

Die ASSR der Wolgadeutschen war ein Zentrum, in dem Spezialisten für deutschnationale Gruppen in anderen Gegenden der UdSSR ausgebildet wurden. Im Oktober 1929 wurde in Pokrowsk (in Engels ab 1931) das deutsche pädagogische Institut zur Haranbildung nationaler pädagogogischer Kader eröffnet. Auf diese Weise erwies sich die ASSR der Wolgadeutschen als selbständiges nationales Gebilde, mit einem gut entwickelten Netz von Kultur- und Bildungseinrichtungen. Man kann die Empfindungen der Menschen verstehen, die nicht aus ihrem eigenen freien Willen diese ihre heimatlichen Gefilde verlassen mußten. A.J. Gerr (Herr), Einwohner der Stadt Saratow, erinnerte sich: „Als der Zug die Bahnstation verließ, gab es keine Tränen. Aber als er über die Brücke fuhr und die Heimatstand hinter sich ließ, da schluchzte der ganze Waggon: Erwachsene und Kinder, Männer und Frauen. Die Wolga! Meine elfjährige Tochter, die die Schule mit einer Belobigungsurkunde abgeschlossen hatte, schrieb in ihr Tagebuch:

„Wolga, Wolga, geliebte Heimat!
Du meine geliebte ....
Ich fahre unfreiwillig fort,
In meinem Herzen nehme ich dich mit!“
(A. German. Über Gründe der Deportation.// A.German / Kultur. – 2006. – N° 11. – S. 34).

Für die Rußland.Deutschen war bis 1941 eine spezifische Form der Wechselbeziehung mit den sie umgebenden, anderen Völkern charakteristisch, die der bekannte Ethnologe L. Gumilew als „neutralischen ethnischen Kontakt“ beschrieb, ohne Vermischungen und Symbiosen (W. Disendorf. 10 Jahre „Wiedergeburt“./ W. Disendorf. – Moskau 2000. – S. 497). Das ist unter Bedingungen möglich, wenn unterschiedliche Ethnien aufeinander nicht scharf ablehnend aufeinander reagieren und die Regierung keine Politik der Zwangsassimilation durchgeführt hat. Die Deutschen wollten sich nicht innerhalb der ortsansässigen Bevölkerung öffnen; daher achteten sie streng auf die Einhaltung ihrer religiösen Sitten und Gebräuche, gingen nur äußerst selten Mischehen ein, hüteten ihre Sprache und ihre nationalen Traditionen, die sie sorgsam an die nachfolgenden Generationen weitergaben. All das half ihnen dabei, ihre Eigenheiten zu bewahren und und sich der Assimilation erfolgreich zu widersetzen. So kam beim repressierten Volk der Rußland-Deutschen schon unmittelbar nach der Zwangsumsiedlung das Problem der Erhaltung ihrer kulturellen und allgemeinen Eigenarten auf.

Die deportierten Deutschen waren in der gesamten Region Krasnojarsk verstreut angesiedelt worden; in jedem Dorf gab es etwa 30-50 Menschen, was in der Folgezeit das Fortschreiten der Assimilationsprozesse unter ihnen begünstigte (Archiv-Agentur der Verwaltung der Region Krasnojarsk, Fond P-26, Verz. 3, Akten 105,4,5,105). Die angekommenen Familien wurden in zum Leben wenig geeigneten Räumlichkeiten untergebracht oder einfach in den Häusern der Ortsansässigen miteinquartiert. Aber die meisten hausten in Baracken und Erdhütten, die sie selber errichteten.Zahlreiche Erinnerung von Deutschen geben einem die Möglichkeit, die ganze Schärfe und Tragweite des Problems zu begreifen. So kann sich beispielsweise Berta Leiman(n) daran erinnern, dass sie bei ihrer Ankunft in einem Pferdestall untergebracht wurden, wo sie etwas zwei Wochen blieben, und dann teilte man ihnen ein Zimmer unmittelbar neben einer russischen Familie zu.

Der schlimmste Mangel bei der Organisation des Lebensalltags war nach Informationen des Perwomansker Bezirkskomitees der WKP (B) die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln. Die Defizitäre Wohnungssituation, der Hunger, das Fehlen von Kleidung und Schuhwerk wurden zu einem nicht wegzudenkenden Charakteristikum im Alltag der Sondersiedler. Al die Ortsanwohner die erbärmliche Lage der Umsiedler sahen, bemühten sie sich zu helfen: mal mit Milch, mal mit Brot oder Kartoffeln. Nach Aussagen derselben B.G. Leiman(n) brachte eine russische Frau, als ihr Bruder erkrankte, jeden Tag ein Stückchen Brot, was ihm dazu verhalf, wieder auf die Beine zu kommen. Natürlich gab es auch Fälle negativer Einstellungen gegenüber den Deutschen, die vor allem dadurch hervorgerufen wurden, dass die Einwohner die Herkunft dieser Deutschen überhaupt nicht kannten. Sie wußten einfach nicht, woher sie gekommen waren. So berichtet E.A. Bengardt (Benhardt): „Als wir uns dem Dorf näherten, schrien die Kinder der Ortsansässigen „Deutsche mit Hörnern!“; sie nannten uns „Göbbels“, „Göring“ – und dabei wußten wir nicht einmal, wer das war“. Es muß angemerkt werden, dass die Sibirjaken im großen und ganzen keine negative Gefühle gegenüber den Deutschen hegten.

Die berufliche Zusammensetzung der in der Region eingetroffenen Deutschen spiegelte das Profil der Wolga-Republik wider. In J.L. Sberowskajas Dissertation werden die Listen der in die Region Krasnojarsk gekommenen deutschen Familien analysiert. Der Autor machte sich Informationen über sechzehn willkürlich ausgewählte Bezirke der Region zunutze. Insgesamt wurden in diesen Bezirken mehr als 24000 Deutsche angesiedelt, was etwa ein Drittel aller aus der ASSR der Wolga-Deutschen in die Region deportierten Personen ausmachte. Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung war in der Landwirtschaft beschäftigt, und lediglich unter den eingetroffenen Städtern gab es Mitarbeiter aus medizinischen berufen, Lehrer, Wirtschaftsfachleute, Vertreter des kulturellen Lebens. (J.L. Sberowskaja. Sondersiedler in der Region Krasnojarsk (1940-1950): Dissertation Kandidatin der Geschichtswissenschaft: 07.00.02/J.L. Sberowskaja; Staatliche Pädagogische Uiversität Krasnojarsk, 2006. – S. 80).

In der Hauptsache wurden die Umsiedler für Arbeiten in Kolchosen und Sowchosen eingeteilt, wo sie faktisch die an die Front gegangenen Sibirjaken ersetzten. Sie bekamen jedoch für ihre Arbeit nicht mehr als ein paar Tagesarbeitseinheiten angerechnet. Die deutschen Familien waren praktisch dem Hungertof geweiht. Emma Aleksandrowna Bengard (Benhard?) erinnert sich: „Wir arbeiteten von früh bis spät; wir hatten keine Kleidung und bekamen für unsere schwere Arbeit nichts. Im wesentlichen ernährten wir uns von Kräutern und Gräsern und warteten auf den Frühling, um dann auf dem Feld die erfrorenen Kartoffeln vom Vorjahr zu sammeln und so die Familie zu ernähren“.

Es ist offensichtlich, daß unmittelbar nach der Umsiedlung Aufgaben der kulturellen Entwicklung und schulischen oder weiterführenden Ausbildung für das Volk selbst keine Priorität besaßen; an allererster Stelle stand die Lösung der Probleme im Zusammenhang mit dem häuslichen und wirtschaflichen Sich-Einrichten. Es muß angemerkt werden, daß die Deutschen mit höchster Effektivität arbeiteten und sich durch großen Fleiß und Diszipliniertheit auszeichneten, aber niemand hatte es eilig, sie in die Liste der Bestarbeiter aufzunehmen. Erst in der Nachkriegszeit fanden die Deutschen Anerkennung und wurden mit Belohnungen ausgezeichnet. So wurden besipielsweise am Krasnojarsker Ziegelwerk N° 1 aus den Reihen der 27 besten Arbeiter, „die ein hervorragendes Beispiel an aufopfernder Stachanow-Arbeit gaben“, 13 Deutsche benannt (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond R. 2116, Verz. 1, Akte 29, Blatt 49). Wegen guter Arbeitsleistungen im Jahr 1954 wurde die Weizenarbeiterin G.K. Golz (Holz?) als Teilnehmerin zur Allunions-Landwirtschafts-Ausstellung eingeladen (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P. 26, Verz. 29, Akte 4, S. 12-55). Aber die angeführten Fakten über eine solche Anerkennung besaßen keinen Massencharakter.

Ein wenig besser war die Lage einiger deutscher Lehrer und Ärzte, die im Herbst 1941 am neuen Wohnort eine Arbeit finden konnten, die ihrer beruflichen Ausbildung entsprach. Nach Informationen der Abteilungen für Volksbildung in den Bezirken Kasatschinsk, Bolschemurta und Pirowsk wurden an den dortigen Schulen deutsche Lehrkräfte beschäftigt; das war äußerst wichtig, denn viele deutsche Kinder konnten kein Russisch. Das Heranziehen deutscher Lehrer und Ärzte war gewissermaßen eine Zwangsmaßnahme, denn es fehlte an Kadern. Sie standen unter besonderer Kontrolle von Seiten der örtlichen Behörden und lösten bei jeder Kleinigkeit irgendwelche Verdachtsmomente aus.

Nach dem Bekenntnis der Umsiedler selbst verbesserte sich das Lebensniveau erst in den 1960er Jahren, als damit begonnen wurde, für geleistete Arbeit einen Lohn auszuzahlen, Prämien zu gewähren, an der Ehrentafel Fotos der Deutschen anzubringen, die sich als Produktionsbestarbeiter hervorgetan hatten, und wertvolle Geschenke auszugeben. 1972 waren 15% aller in der Region mit Orden und Medaillen ausgezeichneten Personen deutscher Nationalität. Zu der Zeit standen Deutsche an der Spitze von 11 Sowchosen, also jeder 16., und 1989 war sogar jeder 13. von ihnen ein Deutscher. Unter der Leitung der Deutschen wurden die Sowchosen zu sich erfolgreich entwickelnden Wirtschaften. So wurde beispielsweise die Nowoselowsker Sowchose „Avantgarde“ von 1970 bis 1985 von W.F. Saibel gelenkt, der hohe Produktionsergebnisse erzielte. Die Sowchose „Avantgarde“ zählte zu den drei besten landwirtschaftlichen Großbetrieben in der Region Krasnojarsk. Unter Wasilij Fedorowitsch wurde die Sowchose zum „Millionär“. Die meisten der Produktionsbestarbeiter – Melkerinnen, Schweine- und Kälberhirtinnen u.a., durch deren Hände hauptsächlich die Siege in den unterschiedlichen sozialistischen Wettstreiten erzielt wurden, waren ebenfalls Deutsche. Im „Ehren-Buch!“ des Nowoselowsker Bezirks bestand 1970 zu einem Drittel aus Deutschen.

Einweiteres Kriterium in der ganzen Problematik war das Unterrichten der deutschen Kinder. Hier muß angemerkt werden, daß die Schule eine führende Rolle im Bildungswesen der Rußland-Dreutschen spielte. De Schulbesuch war Pflicht für Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren. Dort lernten sie nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch nationale Traditionen. Die Politik des Staates, die auf die Zerstörung der im Laufe der Geschichte entstandenen Einheit „Gemeinde – Kirche – Schule“ ausgerichtet war, das Verbot deutscher nationaler Schulen im Jahre 1938, die Ereignisse der Kriegsereignisse, das allgemeineVoranschreiten der Lese- und Schreibfähigkeit in der russischen Sprache – all das führte zu einem beklagenswerten Zustand von Sprache und Kultur der Deutschen zum Dahinschwinden des Umgangs in der Muttersprache. (I.W. Tscherkasjanowa. Schulbildung der Rußland-Deutschen. / I.W. Tscherkasjanowa. – Moskau, 2002. – S. 11).

Die Tragödie der Rußland-Deutschen in den Kriegsjahren – das ist vor allen Dingen eine Tragödie der Kinder. Unter den zu Beginn des Krieges Deportierten machten Kinder einen Anteil von 50% aus. Zusammen mit den Erwachsenen durchlebten sie alle Erschwernisse und unglückseligen Umstände der Deportation und der Trudarmee, aber sie waren die ersten, die mit ihrer Zukunft, ihrer Gesundheit, ihrem Leben bezahlten. So erinnert sich L.J. Dering (Döring?), der im Jahr der Umsiedlung 11 Jahre alt war: „Bei der Ankunft der Familien im Bezirk Beresowka, Region Krasnojarsk, mußten wir sofort anfangen, in der Kolchose zu arbeiten, und in der Nacht strickten Mama und ich Socken und Fausthandschuhe, die wir dann gegen Lebensmittel eintauschten. Zur Schule gehen war mir nicht beschert, denn ich mußte arbeiten, um nicht zu verhungern“. Die Kinder waren in ziemlich heftiger Weise dem Einfluß seitens der anderssprachigen Bevölkerung unterworfen; deswegen verliefen die Assimilationsprozesse in ihren Reihen besonders aktiv. In der Folgezeit führt dies dazu, daß der deutschen Volksgruppe ein Teil seiner nationalen Traditionen sowie die Muttersprache verlorengehen. Sehr gravierend waren die moralisch-psychischen Folgen der Deportation. So meldet das Krasnojarsker Regionskomitee der Kommunistischen Partei der UdSSR, daß sich in den Grundschulen, Kindergärten und Mittelschulen ein äußerst geringschätziges Verhalten der russischen Kindern gegenüber den Kindern deutscher Nationalität beobachten läßt; sie nennen sie Hitlers, Pack und Faschisten und verprügeln sie mitunter auch (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-26, Verz. 29, Akte 4, S. 12-55). Daher rührt I.W. Tscherkasjanowas berechtigte Meinung, daß man Angst hatte ein „Faschist“ zu sein und seine deutsche Herkunft lieber vergessen wollte – all das drückte den Nachkriegsgenerationen der Deutschen den Stempel für die Heranbildung einer neuen Mentalität auf. (I.W. Tscherkasjanowa. Schulbildung der Rußland-Deutschen. / I.W. Tscherkasjanowa. Moskau, 2004. – S. 270).

Teilweise waren die Eltern selbst dagegen, daß ihre Kinder in Deutsch unterricht wurden, denn sie fürchteten um das Schicksal ihrer Kinder. So wurde beispielsweise in der Familie der Einwohnerin der Stadt Krasnojarsk, S.E. Kunz, sogar im engsten Familienkreis die Benutzung der deutschen Sprache verboten, und von einem Unterrichten der Kinder auf Deutsch konnte schon gar keine Rede sein. Wichtig für die Eltern war einzig und allein, daß die Kinder sich in ihrem weiteren Leben an die neuen Bedingungen anpaßten, damit sie nach der Schulzeit ihre Ausbildung fortsetzen konnten. Und das war alles nur auf Russisch möglich.

In der Nachkriegszeit existierten für die Deutschen Probleme im Hinblick auf eine mittlere Spezial- oder höhere Ausbildung. Die Frage, ob deutsche Jugendliche an Universitäten und technische Hochschulen zugelassen werden sollten, gestaltete sich mühselig. E.R.Blum, Einwohner des Nowoselowsker Bezirks, erinnert sich: „Dreimal sprach ich am technikum vor, aber sie nahmen mich nicht an, obwohl ich die Aufnahmeprüfungen mit „gut“ bestanden hatte; aber nachdem ich meine Nationalität im Paß hatte andern lassen, schrieben sie mich sofort ein“. Die Lehranstalten, die sich in den großen Hauptstädten befanden, standen mit irgendwelchen geheimen Produktionszweigen in Verbindung, und die Universitäten waren überhaupt unzugänglich für Angehörige des repressierten Volkes. Erheblich eingeschränkt war auch die Verwendung von Deutschen mit höherer Bildung in derVolkswirtschaft. Landwirtschaft, Leicht- und Nahrungsmittel-Industrie, Medizin, Schulbildung bildeten das Grundregister der Bereiche, in denen Deutsche arbeiten durften, die die Universität beendet hatten (I.W. Tscherkasjanowa. Schulbildung der Rußland-Deutschen. / I.W. Tscherkasjanowa. Moskau, 2004. – S. 270). Aufgrund des herrschenden Sondersiedler-Systems war die ganze Prozedur bis zum Erhalt der Erlaubnis zur Abfahrt an einen Studienort äußerst kompliziert und langwierig, was die Immatrikulation an einer Universität ebenfalls stark behinderte.

Im großen und ganzen bewirkte die gesamte Staatspolitik im Hinblick auf die Deutschen im Lande während der Nachkriegsjahrzehnte eine scharfe Herabsetzung ihres Wissensniveaus. Den Deutschen war der Zugang zu einer vollwertigen Allgemeinbildung verwehrt. Nach Angaben der Volkszählung von 1939 nahmen die Deutschen in puncto Wissensstand den 5. Platz in der UdSSR ein, und 1989 – einen der allerletzten Ränge. 1989 hatte in der Region Krasnojarsk unter den Deutschen im Alter ab 15 Jahren ein Drittel (33,2%) lediglich eine Grundschulausbildung abgeschlossen. Das ist das niedrigste Niveau im Vergleich mit den anderen hauptregionen, in denen Rußland-Deutsche lebten (Die Deutschen Rußlands. Enzyklopädie. – Bd. 1 – Moskau, 1999. – S. 822).

Seitens der Machtorgane wurden die Deutschen im Dezember 1955 anerkannt, als der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets „Über die Abschaffung der Einschränkungen in der Rechtslage der in Sonderansidelung befindlichen Deutschen und ihrer Familienmitglieder“ verabschiedet wurde. Bald darauf wurde die Kommandantur abgeschafft, aber in die Heimatorte zurückkehren und Kompensationszahlungen für den konfiszerten Besitz verlangen – das durften die Deutschen nicht. Das Volk wurde lediglich teilweise rehabilitiert, so daß der ihnen der Verlust ihrer nationalen Kultur und ihre Muttersprache drohte. Unter solchen Bedingungen wird der Briefwechsel zwischen deutschen Sonderansiedlern und ihren verwandten in West-Deutschland aktiver. Letztere erteilen ihnen Ratschläge, was sie alles tun müssen, um eine Ausreise aus der UdSSR nach West-Deutschland bewilligt zu bekommen, und erwiesenihnen materielle Hilfe. So schrieb eine Einwohnerin der Bundesrepublik Deutschland im November 1957 in einem solcher Briefe: „Verzweifelt nicht, meine Lieben, wir hoffen, daß ihr im Laufe des Sommers von allen Schikanen erlöst sein werdet. Wir, und auch unsere Behörden, tun alles, um euch frei zu bekommen“. (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-26, Verz. 30, Akte 3, S. 205).

Es kamen die 1960er Jahre und mit ihnen auch das sogenannte „Tauwetter“, das den Deutschen wieder Hoffnung gab. Das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR verabschiedete den Beschluß „Über die Aufhebung des Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der Wolga-Deutschen““. Dieser Entscheid nahm den Deutschen den Schandfleck als Verräter gebrandmarkt zu sein, aber diese Rehabilitierung war nur eine bloße Formalität. Der Ukas wurde in der Sowjet-Presse gar nicht veröffentlicht. Die Rußland-Deutschen erfuhren von ihrer Rehabilitierung erst aus der Zeitung „Neues Deutschland“, die in Ost-Deutschland herausgegeben wurde. (Deutsche in Rußland und der GUS 1763-1997 / Ausgabe 6, Moskau-Stuttgart, - 1998. – S. 63).

Nach der Rehabilitierung im Jahre 1964 setzte eine Bewegung zur Wiederherstellung der deutschen Autonomie ein. Gerade in der Autonomie sahen die Deutschen die Wahrung ihrer nationalen Traditionen, Sitten und Gebräuche, ihrer Muttersprache. Das östliche Sibirien war eines der führenden Zentren der deutschen nationalen Bewegung. Man sammelte Unterschriften zur Unterstützung der Wiederherstellung der Autonomie an der Wolga und führte besonders unter der Landbevölkerung Agitationsveranstaltungen durch. Zu denen, die mit der ersten und zweiten Delegation von Rußland-Deutschen (Januar, Juni 1965) die Krasnojarsker Region vertraten, gehörten die Literaten D. Goldman(n) und G. Kaiser, der Ingenieur W. Schnaider (Schneider) und F.Schessler. In einem Brief schrieb Schessler aus Moskau an seine Frau: „ ... Wir dürfen den Mut nicht sinken lassen, der Kampf hat gerade erst begonnen ...“ (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-26, Verz. 36, Akte 1, S. 178-199). Bei der Unterredung mit Vertretern des Zentralkomitees der KPdSU meinte der Kunsthistoriker Steinbach: „Es schmerzt und kränkt mich sehr, dass ich zu Lebzeiten auf das Aussterben der nationalen Kultur eines ganzen Volkes gestoßen bin. Das ist ein Verbrechen! Es ist sehr kränkend, dass die Mordwinen, Baschkiren ihre Kultur, ihre Theater und ihre Schriftsteller haben, aber wir nicht. In 23 Jahren ist nur ein einziges Buch mit Werken sowjetdeutscher Schriftsteller herausgekommen. Wenn das Problem nicht gelöst wird, dann wird eine der großen Kulturen zugrunde gehen“. (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-26, Verz. 36, Akte 1, S. 178-199). Die Forderung der Delegationsteilnehmer nach einer Wiederherstellung derAutonomie an der Wolga stieß bei der Staatsmacht auf taube Ohren. Man nannte sie Nationalisten, und die Teilnahme an den Delegationen war auch nicht ungefährlich. Die fehlende Bereitschaft der sowjetischen behörden den Deutschen noch einmal die Möglichkeit zu geben, sich in ihren alten Heimatorten anzusiedeln, sollte von einer Reihe anderer Maßnahmen abgeschwächt, vertuscht werden. Man erlaubte ihnen die Herausgabe einiger deutscher Zeitungen, aber diese Zeitungen waren ideologisch überladen und beinhalteten häufig nur eine Übersetzung der „Prawda“, was ebenfalls bei den Rußland-Deutschen auf sehr geringes Interesse stieß. Die Einfuhr von Druckerzeugnissen aus der BRD war verboten. Die tatsächlichen Probleme der Deutschen wurden totgeschwiegen.

Anfang 1970 wurden neue Versuche unternommen, die Probleme der Sowjet-Deutschen auf politischem Wege zu lösen. Im Juni 1974 erging eine Anordnung der Partei „Über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit bei Staatsbürgern der UdSSR deutscher Nationalität“, in der von erheblichen Mängeln im Hinblick auf die kulturelle und patriotische Erziehung der deutschen Bevölkerung sowie von dem großen Rückstand in der Allgemeinbildung der Deutschen die Rede war. (Archiv-Agentur der Region Krasnojarsk, Fond P-17, Verz. 11, Akte 27, S. 79-80). Die Verwirklichung der Anordnung in der Region Krasnojarsk führte zu folgenden Resultaten. Aus den Reihen der Deutschen wurden in führende Ämter eingesetzt: A.A. Wig – als Leiter der Bau-Abteilung beim Wohnungsbau-Kombinat, O.P. Kindevator (Kindsvater?) – als Sekretär der Parteiorganisation an der Schule N° 6, R.A. Merker – als Oberhüttenwerker beim „Sibtjaschmasch“ (Sibirischer Schwermaschinenbau; Anm. d. Übers.), usw. Ziele der vorliegenden Anordnung waren die Stärkung der Rolle Kommunisten deutscher Nationalität und die Förderung der Deutschen, die auf verantwortungsvolle Posten berufen worden waren.

Ein wichtiges Element für den Erhalt der nationalen Kultur ist die Muttersprache. Der Gebrauch der Muttersprache war praktisch aufgrund des negativen Verhaltens von Seiten der Öffentlichkeit unmöglich. Wegen ein paar hervorgebrachter deutscher Worte setzte man sich bereits der Gefahr aus, für einen Nationalisten und Komplicen der deutschen faschistischen Besatzer gehalten zu werden. In den Jahren des Krieges und den ersteln Nachkriegsjahren konnten die Deutschen nur in ihrer Muttersprache sprechen, wenn sie sich im engsten Familienkreis befanden, und auch dann nur mit größter Vorsicht. Di Zeilen aus dem Gedicht „Muttersprache“ der deutschen Poetin Erna Gummel (Hummel!) stellen ein Zeichen der Zeit dar:

Deinetwegen habe ich mein Heim verloren.
Deinetwegen dieses erniedrigende Schicksal...
Sie war immer dein zärtliches Motiv
In meiner Seele auf den Saiten des Kummers.
Deinetwegen wurden die Werktätigen zu Sklaven.
Hoben Gräber aus, trugen haufenweise Särge.
Aber du warst mein Eigentum, das liebste, was ich besaß,
Wie des heimischen Herdes süßer Rauch.
(//Deutsche in Rußland und der GUS 1763-1997 / Ausgabe 6, Moskau-Stuttgart. – 1998. – S. 63).

Die All-Unionsvolkszählung des Jahres 1959 unterstrich das hohe Niveau des Erhalts der Muttersprache unter den Deutschen – 72,2% (60,2% der in den Städten lebenden Deutschen, 76,4% bei denen, die auf dem Lande wohnten). (L.N. Slawina. Die Deutschen in der Region Krasnojarsk (einige Ergebnisse der demografischen und soziokulturellen Entwicklung unter den Bedingungen der Sonderansiedlung). L.N. Slawina // Die Deutschen Rußlands und der UdSSR (1900-1941): Materialien der internationalen wissenschaftlichen Konferenz – Moskau, 2000. – S. 514). Die Statistik zeigt, das das Ansehen der deutschen Sprache, das sich unter ungewöhnlichen Bedingungen entwickelte und einen begrenzten Anwendungsspielraum hatte, immer noch recht hoch geblieben war. Gleichzeitig bezeichneten nur 40% der jungen Deutschen im Alter bis zu 25 Jahren Russisch als ihre Muttersprache, denn sie waren unter den Bedingungen der Deportation aufgewachsen und waren aufnahmefähiger für ihre fremdnationale Umwelt. Mit Abschaffung des Sonderansiedlungsregimes verstärkten sich die Assimilationsprozesse unter den ethnischen Deutschen. Die All-Unionsvolkszählung von 1989 machte deutlich, dass die Mehrheit der Deutschen Russisch als ihre Muttersprache angenommen hatten und zudem zeichnen sich klare Assimilationsprzesse in der Stadt ab. Nur 32% nannten Deutsch als ihre Muttersprache, davon 27% in der Stadt und 42,8% auf dem Lande. Der schnelle Verlust der Muttersprache unter den Deutschen läßt sich mit einer ganzen Reihe von Gründen erklären:

1. Die Repressionspolitik des Sowjetstaates gegenüber den Deutschen. Sie verringerte den
Anwendungsbereich der Muttersprache auf den familiären Rahmen.
2. Die Zahl der Mischehen nachm zu, was sich negativ auf den erhalt der deutschen Sprache und nationalen Traditionen auswirkte.
3. Das Fehlen nationaler Schulen, die eine wesentliche Rolle beim Erhalt und der Weitergabe gesellschaftshistorischer Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen spielen. Es gelang weder eine nationale Schule in Sibirien, noch an der Wolga, ins Leben zu rufen, obwohl genügend versuche unternommen wurden.
4. Das hohe Prestige der russischen Sprache, das die Adaptation im anderssprachigen Milieu beschleunigte.

Im Verlauf vieler Jahrzehnte nahm die Religion einen führenden Platz im Leben der deutschen Kolonisten im Russischen Imperium ein. In der Mitte des Dorfes wurde ein Grundstück für den Bau der Schule bestimmt; die Teilnahme an der Errichtung einer Kirche war Ehrensache. Die Deutschen führten ein aktives religiöses Leben, an Sonntagen arbeiteten sie nicht, alle Familienmitglieder gingen zum Gottesdienst. Bei den Kirchen wurden Schulen geschaffen, die eine Art Zentrum im Leben der Kirchengemeinden darstellten. Unter den Bedingungen einer anderssprachigen Umwelt wurde die Kirche zum wichtigsten Faktor für den Erhalt der nationalen Traditionen und der deutschen Kultur. Das Dekret „Über die Trennung des Staates und der Schule von der Kirche“ vom 20. Januar 1918 zerriß die Beziehungen zwischen Kirche und Schule und versetzte der nationalen Kultur der Rußland-Deutschen den ersten Schlag. (O.A. Lizenber. Die evangelisch-lutheranische Kirche und der Sowjet-Staat. / O.A. Lizenber – Moskau, 1999. – S. 73). Mit der Machtübernahme der Bolschewiken hörten die beiden Haupt-Glaubensrichtungen der Rußland-Deutschen – Lutheranismus und Katholizismus – auf zu existieren. Das organisierte Kirchenleben von Lutheranern und Katholiken wurde zerstört. Bis zum Beginn des Krieges unterschied sich die Verfolgung gläubiger Rußland-Deutscher prinzipiell nicht von den Erfahrungen, die auch Sowjetbürger anderer Nationalitäten und Glaubensrichtungen machen mußten.

Beim Erhalt und der Entwicklung der Religiosität der Rußland-Deutschen in den Jahren der Deportation spielten die Eigenarten des russischen Lutheranertums eine Rolle. Das organisierte religiöse Leben der „Kirchenlutheraner“ erstarrte vollends – es gab keine aktiven Gemeinden mehr, keine Pastoren, die Gottesdienste abhielten; deswegen entstanden sogenannte „Bruder-Gemeinden“, die sich unter den Gegebenheiten der Repressionen noch festugten (R. Lukin, S. Filatow. Die Tragödie der Rußland-Deutschen und die russische Religiosität / R. Lukin, S.Filatow // Das zeitgenössische Europa. – 2007, N° 5. - S. 117). Eine solche Lage war auch für die Deutschen in der Region Krasnojarsk charakteristisch.

Im Rahmen der Anpassung entstanden konfessionelle Verbindungen – an den Wohnorten wurden kleine (15-20 Personen) Gemeinden von Gläubigen geschaffen. Eine bemerkenswerte Rolle spielten die Deutschen in nicht registrierten Baptisten-Gemeinden, Pfingst-Gemeinden und innerhalb der religiösen Subbotnik-Bewegung. So wird im Rechenschaftsbericht des Bevollmächtigten in religiösen und kulturellen Angelegenheiten das Vorhandensein von illegal betriebenen Gebetshäusern in den Beresowsker und Krasnoturansker Bezirken gemeldet; so existierte beispielsweise im Dorf Aleksandrowka ab 1946 eine Gruppe Baptisten, in der Sajansker Sowchose war ab 1948 eine Gruppe Subbotniks aktiv, deren Leiter Weber war. (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond R-2384, Verz. 1, Akte 105, Blätter 2-3). Ein christliches Leben durfte man nur in aller Heimlichkeit führen – innerhalb der Familie oder im engsten Kreis derer, denen man sein ganzes Vertrauen schenken konnte. Die Gemeindemitglieder schrieben aus dem Gedächtnis alle Gebete, Kirchenlieder und biblische Geschichten auf, und einigen von ihnen war es sogar gelungen, die Bibel mit hierher zu bringen.

Unter den Rußland-Deutschen gab es viel weniger Katholiken als Protestanten, deswegen fiel die Präsenz deutscher Katholiken auch weniger ins Auge. Nichtsdestoweniger spielten sie eine äußerst wichtige Rolle bei der Rückkehr des Katholizismus in Rußland. Ebenso wie die Protestanten- Evangelisten – fanden sich auch die Katholiken nicht mit dem Stalinschen Verbot an Gott zu glauben ab. Kleine, geheime, deutsch-katholische Gemeinden wurden über das gesamte Territorium, auf dem sich deportierte Deutsche befanden, verstreut.. Auch in der Region Krasnojarsk entstanden katholische Gemeinden. So gibt es beispielsweise im Jenisejsker Bezirk, in Maklakowo, sehr aktive Katholiken, die Kirchenlieder vorsingen“. Die gleiche Situation fand sich auch in der Siedlung Narwa im Mansker Bezirk (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond R-2384, Verz. 1, Akte 117, Blatt 9). Die verbannten Katholiken versammelten sich regelmäßig zu geheimen Gebeten. Mit der Befreiung einiger katholischer Geistlicher aus den Lagern nehmen die Aktivitäten der Katholiken wieder zu, sie fangen an, in recht beharrlicher Weise die Öffnung von Gebetshäusern zu fordern. Eine Gruppe Katkoliken in er Stadt Krasnojarsk, mit Gustav Jonas an der Spitze, bemüht sich drei Jahren lang um die Erlaubnis zur Öffnung eines Gebetshauses (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond R-2384, Verz. 1, Akte 125, Blatt 9). Aber die Behörden schenken den vorliegenden Gesuchen keinerlei beachtung.

Die Gläubigen verlangten, dass man ihre Aktivitäten als legal anerkannte, damit sie unter den gläubigen Katholiken religiöse Zeremonien durchführen konnten und nicht irgendwelche Reaktionen seitens der Behörden fürchten mußten. Es gab auch Anträge für die Registrierung von Gemeinden evangelischer Christen aus dem Baltikum aus den Städten Tschernogorsk, Atschinsk, Bogotol, Kansk, von katholischen Gruppierungen aus Krasnojarsk, Igarka, Norilsk (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond R-2384, Verz.1, Akte 120, Blatt 6). Die örtlichen Behörden waren mit den Bittgesuchen der emeindemitglieder über eine offizielle Registrierung gar nicht einverstanden, denn ihre Vertreter fürchteten, dass dadurch auch die Aktivitäten der Gläubigen in anderen Regionen zunehmen und sie ihre Reihen auf die Jugend ausweiten würden. Es muß angemerkt werden, dass die Aktivitäten im Hinblick auf die Legalisierung der Gemeinden nicht ungefährlich waren, sondern stets mit der Bedrohung einer Inhaftierung im Gefängnis einherging.

„Brudergemeinden“ wurden zum Zentrum des Erhalts der religiösen und volksmusikalischen Kultur. Aus den Reihen der repressierten Deutschen gingen sogar bedeutende orthodoxe Geistliche und aktive Laienpriester hervor. Bis zum Ende der Sowjetzeit waren die Tätigkeiten der „Brudergemeinden“ verboten.

Trotz der rauhen Bedingungen hinsichtlich ihrer Deportation begannen die Deutschen ab 1950 in aktiver Weise ihre nationale Kultur wiederherzustellen. In den 1950er Jahren schufen die Deutschen ihre Chöre und Instrumental-Kollektive. In der Stadt Kansk wurde in der Holzfabrik ein Kreis von Streichmusikern gegründet, der aus deutschen Sondersiedlern bestand und von A. Struwe geleitet wurde (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fonf P-26, Verz. 29, Akte 4, S. 12-55). Die nationalen Traditionen der Rußland-Deutschen sollten nicht dem vergessen anheimfallen. Im engsten Familienkreis hielten sie die deutschen Fest- und Feiertage ein, allen voran Weihnachten und Ostern. Nach den Erinnerungen von Emma Aleksandrowna Bengard feierte ihre Familie Ostern: „Wir erwarteten den Tag sehnsüchtig, bereiteten uns darauf vor. Wir brachten Hafer zum Keimen, legten Eier hinein und unbedingt auch ein Häschen. Denn Süßigkeiten gab es nicht; und Mama verzierte zum Festtag das Brot“. In manchen Dörfern wurde der Hochzeitsbrauch gewahrt, aber nur dort, wo besonders viele Deutsche lebten. So erinnert sich besipielsweise der Einwohner Gasenkampf (Hasenkampf) aus dem Dorf Kultschek im Bezirk Nowoselowo, daß bereits zu Beginn der 1950er Jahr die deutsche Hochzeit nach deutschen Sitten und Gebräuchen feiern durfte. Zwei Wochen lang wurde um die Hand der Braut angehalten; der Brautführer muß unbedingt an der Hochzeit teilnehmen, denn er tritt als Helfer des Bräutigams in Erscheinung.; in wichtiges Attribut bei den Feierlichleiten war auch die Ziehharmonika, und die etwas reicheren Leute mieten ein ganzes Orchester“. Kein Festtag kam mit typisch deutschen gerichten aus. Die meistverbreiteten waren: Kuchen, bestreut mit Butter und Zucker (Riwelkuche, Streuselkuchen), Krabbel; und ganz bestimmt standen auf dem Tisch Gerichte aus Schweinefleisch und Kohl. Das andersnationale Umfeld beeinflußte auch die nationale Küche der Deutschen. Bald tauchten in ihren Küchen auch slawische Gerichte auf: Kohlsuppe, Pelmeni (mit Fleisch, Kartoffeln oder Quark gefüllte Nudeltaschen; Anm. d. Übers.), Borschtsch (Suppe aus roten Beeten; Anm. d. Übers.) u.a.

In der Region Krasnojarsk befanden sich bekannte Vertreter der nationalen Intelligenz, besonders aus den Reihen derer, die in der ASSR der Wolgadeutschen gelebt hatten, in Sonderansiedlung – Literaten, Pädagogen, Musikanten, usw. Im Sommer 1958 wurde in der Region Krasnojarsk die erste Sektion deutscher Schriftsteller im Rahmen des Schriftstellerverbandes der UdSSR gegründet, zu der der Schriftsteller D. Golzman(n) (Holzmann), der Schriftsteller und Dramaturg A. Saks (Sachs), der deutsche Komponist Schnaider und der Gesangslehrer I. Reichert gehörten. Sie alle nahmen im Juni 1959 am Seminar deutscher Schriftsteller in Krasnojarsk teil (Die Deutschen Rußlands, Enzyklopädie. Bd. 1. – Moskau, 1999. – S. 822). Es muß angemerkt werden, daß die deutsch-russische Literatur bis zum Ende der Sowjetzeit aus den Werken von Autoren bestand, die sich bereits vor dem Krieg mit Literatur befaßt hatten und sich nun auf ihre früheren Arbeiten stützten; Vertreter der jungen Generation gab es nicht. Ihre Werke wurden in minimalen Auflagen gedruckt und fanden teilweise Eingang in westdeutsche Bibliotheken (G. Stricker. Zwischen den Stühlen: Zum tragischen Schicksal der Rußland-Deutschen./ G. Stricker // Sammlung wissenschaftlicher Artikel. Omsk, 2000.- S. 128). Im Rahmen der Partei-Anordnung „Über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit unter den Bürgern deutscher Nationalität in der UdSSR“ wurde im Juni 1974 im Krasnojarsker Fernsehstudio eine Sendung ausgestrahlt, die dem 70. Geburtstag des Schriftstellers D. Holzman(n) gewidmet war (Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-17, Verz. 11, Akte 27, S. 79-80). Aber das waren nur Sonderfälle; eine weite Verbreitung deutscher Literatur fand nicht statt.

Die Deportation hatte tiefe Spuren im Leben der Deutschen hinterlassen. Ende der 1980er Jahre drohte die Gefahr eines vollständigen Verlustes von nationaler Kultur, Tradition und Kenntnis der Muttersprache. Unter der Einwirkung objektiver und subjektiver Faktoren gerät das deutsche Ethnos in Verfall, entwickelt sich zurück. Eine derartige Situation ist charakteristisch für die gesamte deutsche Volksgruppe, aber in der Region Krasnojarsk zeigt sich diese regressive Tendenz aus einer ganzen Reieh von Gründen besonders deutlich:

1. In der Region Krasnojarsk gab es nicht viele deutsche Dörfer, weder vor noch nach dem Krieg.
2. Großen chaden an der nationalen Kultur der Rußland-Deutschen brachte die Repressionspolitik des Sowjetstaates mit sich. Es war verboten, sich in der Muttersprache zu verständigen oder nationale Feiertage zu begehen, und von irgendwelchen religiösen Vereinigungen konnte schon gar keine Rede sein.
3. Die weit verstreute Ansiedlung der Deutschen auf dem Territorium der Region förderte die Entwicklung von Assimilationsprozessen innerhalb ihres Milieus, zu deren klaren Anzeichen Mischehen sowie die Annahme der russischen Sprache als Muttersprache gehörten.
4. Als Ergebnis des zeitlich langen Nebeneinanderlebens der deutschen und russischen Volksgruppen entstand bei den ethnischen Deutschen nicht nur ein Bilinguismus (Zweisprachigkeit), sondern auch ein sog. Bikulturalismus (das gleichzeitige Funktionieren innerhalb ein- und desselben Ethnos von sowohl traditionellen als auch entlehnten Komponenten aus dem Bereich der Kultur).(N.A. Jermjakina. Ethnische Deutsche im Bezirk Mana: Greschichte, Sprache, Kultur. / N.A. Jermjakina // „Erhalt und gegenseitiges Vordringen der Kultur als Faktor beständiger Entwicklung der Jenisej-Region“: Materialien der wissenschaftlich-praktischen Konferenz. – Krasnojarsk, 2006. – S. 215).

All diese Umstände drückten der sozialen und kulturellen Entwicklung der deutschen Volksgruppe einen negativen Stempel auf. Zur vorrangigen Aufgabe des deutschen Ethnos wurde der Erhalt der nationalen Kultur, die wichtiger Bestandteil ihrer Existenx ist.

Kapitel 2. Heutige Charakteristika der deutschen ethnischen Gruppe in der Region Krasnojarsk. Probleme des Erhalts der Kultur bei den Rußland-Deutschen.

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Deutschen in Rußland gesunken. Die während der Stalinherrschaft vom Staat durchgeführte Repressionspolitik gegen die Deutschen, die ungelöste Frage über die Wiederherstellung der Republik der Wolga-Deutschen und, infolgedessen, der Verlust nationaler kultureller Traditionen sowie der Sprache – all das fördert den Anstieg der Emigrationsbereitschaft bei den Deutschen. Laut Angaben der Allunions-Volkszählung aus dem Jahre 1989 lebten auf dem Territorium der Russischen Föderation 842300 Bürger deutscher Nationalität; die Volkszählung von 2002 ermittelte dagegen lediglich 597000 Deutsche.

Tabelle 1.
Emigration von Deutschen aus der Russischen Föderation in den Jahren 1993 – 2000*

Jahr 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Zahl der Emigranten in Tausend 41,5 47,1 51,3 38,6 30,0 28,3 28,0 22,6

*Zusammengestellt in: Rußland und seine Regionen im 20. Jahrhundert. 2005. S.548
Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß die deutsche Emigrationswelle 1995 ihren Höhepunkt hatte. Der sehr schnelle zahlenmäßige Rückgang des deutschen Ethnos geschieht hauptsächlich aufgrund der Ausreisewilligkeit der Deutschen in ihre historische Heimat. 1995 reisten 79600 Personen nach Deutschland aus.

Eine derartige Situation ist auch für die Region Krasnojarsk charakteristisch. In der Region ging in dem Jahrzehnt zwischen den beiden Volkszählungen von 1989 und 2002 die Zahl derer, die der deutschen Volksgruppe angehörten, von 54254 auf 36850 zurück. In den 1990er Jahren waren praktisch alle, die aus der Region Krasnojarsk auswanderten, Deutsche (80-85%). Daher nahm ihre Zahl im Zeitraum zwischen den Volkszählungen in der Region um beinahe 15% ab. Man muß anmerken, daß diese Ziffer um ein Zweifaches niedriger war, als der gesamtrussische Durchschnitt, denn die heutige Zeit ist ebenfalls gekennzeichnet durch eine Umsiedlerwelle von Deutschen aus Kasachstan, Kirgisien und anderen Territorien der ehemaligen UdSSR in die Region Krasnojarsk.

Neben der Emigration wurde die Assimilation zu einem charakteristischen Merkmal bezüglich des deutsch-russischen Ethnos. Wesentliches Kennzeichen dafür ist der Verlust der Muttersprache unter den Deutschen sowie die Zunahme von Mischehen. Laut Angaben der Volkszählung von 1989 nannten lediglich 35,2% Deutsch als ihre Muttersprache. In den 1990er Jahren drohte der vollständige Verlust von nationaler Kultur, Tradition und Muttersprache. So wird das Bestreben um den Erhalt ihrer Kultur für die deutsche Volksgruppe zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Existenz.

Für das Studium der heutigen ethnischen Prozesse bei den Deutschen in der Region Krasnojarsk bediente man sich einer ethnosoziologischen Befragung. Es muß angemerkt werden, daß laut Ergebnis der Volkszählung von 2002, die Region hinsichtlich der Anzahl der auf russischem Territorium lebenden Deutschen an vierter Stelle steht. Insofern kann die Region Krasnojarsk bis zu einem gewissen Grad die allgemeinrussischen Tendenzen widerspiegeln. Die Umfrage wurde unter der deutschen Landbevölkerung im Bezirk Nowoselowo durchgeführt, und zwar in Form eines standardisierten Interviews. Der Nowoselowsker Bezirk war einer der Orte, an denen damals Wolga-Deutsche deportiert wurden. Im Herbst 1941 trafen hier 1986 deutsche Umsiedler hauptsächlich aus dem Kanton Unterwalden, ASSR der Wolga-Deutschen, ein. Ein Großteil des eingetroffenen Kontingents war in der Landwirtschaft tätig gewesen, was ihnen eine schnelle Anpassung an den neuen Wohnort ermöglichte. Diese Leute hatten ihre eigentümliche Lebensweise, ihre Traditionen, Sitten und Gebräuche mitgebracht.

Ungeachtet der Tatsache, dass unsere Befragten in einer ländlichen gegend leben, wo man seine nationalen Traditionen viel besser bewahren kann, haben sie trotzdem in vielerlei Hinsicht ihre deutsche Kultur verloren. Die Teilnehmer an der Umfrage sind Teil des deutschen Ethnos in der Region Krasnojarsk; deswegen sind für sie all jene Assimilatiions- und Emigrationsprozesse charakteristisch, die auch in die ethnische Gruppe insgesamt einfließen. Die Volkszählung des Jahres 2000 ermittelte im Nowoselowsker Bezirk 823 Bürger deutscher Nationalität.

Seit 1997 arbeitete in diesem Bezirk ganz aktiv das deutsche Kulturzentrum an der Mittelschule N° 5, dessen Vorsitzende Maria Aleksandrowna Schmidt ist. Die Tätigkeit des Zentrums ist auf das Zusammenschweißen der Bürger deutscher Nationalität sowie den Erhalt der nationalen Kultur ausgerichtet.

Von der Befragung erfaßt waren mehrere Ortschaften des Bezirks. Das Forschungsprojekt, das unter der deutschen Bevölkerung des Bezirks Nowoselowo durchgeführt wurde, macht es im großen und ganzenmöglich, die derzeitigen Charakteristika des deutschen Ethnos in der Region Krasnojarsk herauszufinden. 60 Personen nachmen an der Umfrage teil, das sind 8% der Gesamtzahl der deutschen Gruppe. Man kann also von einem repräsentativen Ergebnis sprechen, das sich aus den gesammelten Materialien ergibt. Das Haupthilfsmittel einer Befragung ist ein Fragenkatalog mit insgesamt 40 Fragen. Die Befragten wurden in zwei Altergsruppen eingeteilt: eine alte (70 Jahre und älter) und eine junge (17-25 Jahre). Die Umfrage ergab eine Materialsammlung, die es gestattete, bis zu einem gewissen Grad die Assimilationsprozesse in den unterschiedlichen Altersgruppen zu beurteilen und zu erkennen, inwieweit die Kultur der Rußland-Deutschen noch erhalten ist. Die Befragung machte es möglich, die vorliegende Problematik wesentlich objektiver zu verdeutlichen.

Beim Studium der heutigen ethnischen Prozesse war das Hauptinteresse auf die Erforschung des ethnischen Selbstbewußtseins der Deutschen gerichtet, in dem die Endresultate dieser ethnischen Prozesse am deutlichsten sichtbar werden. (Die Völker West- und Mittel-Sibiriens: Kultur und ethnische Prozesse. – Bd. 6.- Nowosibirsk, 2002. – S. 93). Als wichtigster Gradmesser beim Studium des ethnischen Selbstbewußtseins dienen Indikatoren wie die Vorstellung von der Herkunft seines Volkes, von Sprache, Kultur, Traditionen, Sitten und Gebräuchen. Die Ergebnisse, die in der älteren Altersgruppe zustande kamen, weisen auf ihre innerethnische Konsolidierung hin, - die Mehrheit der Befragten (60%) nannten sich „Rußland-Deutsche“. Eine viel geringere Anzahl sieht sich als Bestandteil kleiner ethnolokaler Gruppierungen: „Mennoniten“ – 3,4%, „Krim“-Deutsche – 6,8%. „Wolga“-Deutsche – 29,8%. Die Untersuchungen bei der jüngeren Testgruppe brachten ganz andere Ergebnisse. So wußten 58% überhaupt nicht, wie sie antworten sollten, 30% bezeichneten sich als „Wolga“-Deutsche, weil ihre Großeltern aus dem Wolgagebiet stammen, - 3,4% meinten sie seien „Sibirien“-Deutsche, und nur 8,6% zählen sich zu den „Rußland“-Deutschen. Die junge Generation fühlt sich nicht als Mitglieder der deutschen etnischen Gemeinde, ihnen fehlt die innerethnische Konsolidierung, wodurch sie sich von den Russen nicht unterscheiden.

Die Entwicklung der Intergrationprozesse kannman in gewisser Weise verfolgen, indem man die Antworten auf die Frage analysiert, welche Nationalitäten den Deutschen in Sprache und Kultur nahestehen. Bei den alten Menschen nannte die Mehrheit von 90% die Russen, - 3,4% die Polen und 6,6% die Balten. In der Gruppe der Jugendlichen entschieden sich 100% der Befragten für die Russen. Also wird von den Befragten die größte sprachliche und kulturell-alltägliche Ähnlichkeit den Russen zugeschrieben.

Die volkssprachliche Situation in den zu erforschenden Gruppen führte in drei Richtungen: sprachliche Kompetenz, sprachliches Auftreten und sprachliche Bevorzugung. Die Kategorie „Muttersprache“ ist eng verbunden mit dem ethnischen Bewußtsein; es spiegelt seine nationale Orientierung wieder. In der Gruppe der alten Leute nannten 83% Russisch als ihre Muttersprache und nur 16,7% Deutsch. Unter den Betagten können nur 6,7% fließend Deutsch, das heißt sie können lesen und schreiben, - 7,6% verstehen, wenn Deutsch gesprochen wird und können den Sinn des Gesagten erklären, - 16,7% können die Sprache überhaupt nicht. Im Laufe der Befragung stellten wir fest, dass die überwiegende Mehrheit (68,3%) der Befragten, ihre Ausbildung in russischer Sprache erhielt.

In der jungen Altersgruppe nannten 100%der Befragten Russisch als ihre Muttersprache. Nach Auskunft der jungen Leute kann keiner von ihnen den deutschen Dialekt; es besteht für sie keinerlei Notwendigkeit die deutsche Sprache zu verwenden. Einige von ihnen haben Deutsch in der Schule gelernt, können aber trotzdem nicht fließend Deutsch sprechen. Nach Gegenüberstellung der Daten beider Gruppen lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen. Unter den Bedingungen einer anderssprachlichen Umwelt wurde die Position der deutschen Sprache und die mit ihr verbundene Kultur unausweichlich schwächer. Dass die Befragten der russischen Sprache den Vorzug geben wird dadurch belegt, dass die Deutschen es vorziehen, kulturelle Werte – lesen, Musik hören, Theateraufführungen ansehen, in russischer Sprache zu konsumieren (86,6%). Also kann man vom Verlust der deutschen Muttersprache und dem Übertritt zu einer Sprache – der russischen – sprechen.

Ein wichtiger Indikator für die Assimilationsprozesse ist die Anzahl der Mischehen. Wie die Forschungsarbeit zeigt, ist die Zahl der Mischehen angestiegen, was sich auf den Erhalt von Sprache und Tradition negativ auswirkt. Wenn in der hohen Altersgruppe die Zahl der Mischehen nur bei 23,4% liegt, so ist sie bei den jungen Leuten bereits sehr hoch – 90%. Es ist bekannt, dass Mischehen einen Mechanismus zur natürlichen Assimilation ethnischer Minderheiten darstellen. Kinder aus Mischehen nehmen in der Regel die nationale Zugehörigkeit des Elternteils an, welcher der ethnischen Mehrheit angehört.

Wie wir wissen, war die Religion eine der Hauptbestandteile des Lebens der Rußland-Deutschen. Das religiöse Prinzip lag hauptsächlich in ihrer verstreuten Ansiedlung und Bildung, sie bestimmte den gesamten Lebensaublauf der Deutschen. Die stürmischen Veränderungen des 20. Jahrhunderts versetzten dieser Religiosität der Deutschen einen heftigen Schlag. Dies bestätigt sich durch die im Laufe der Befragung erhaltenen Angaben. Auf die Frage: „Zu welcher Konfession gehören Sie?“ – bekannten sich 59,9% der Befragten aus der älteren Altersgruppe zu denLutheranern, 20% zu Rechtgläubigen (Orthodoxen), und 20,1% wußten nicht, was sie antworten sollten. Viele der Befragten hatten anfangs Schwierigkeiten, auf diese Frage eine Antwort zu geben, einige holten ihre persönlichen Papiere, um sich dann daran zu erinnern, welcher Glaubensrichtung sie eigentlich angehörten. Sie halten die religiösen Zeremonielle nicht ein. Bei der Beantwortung der Frage sprachen viele nicht über ihre eigene Religionszugehörigkeit, sondern redeten nur von ihren Vorfahren aus dem Wolgagebiet.

40,2% der Befragten aus der jüngeren Altersgruppe bezeichneten sich als Rechtgläubige, - 43,1% als Nichtgläubige, - 16,7% konnten die Frage nicht eindeutig beantworten. Also ist eines der Hauptmerkmale des deutschen Ethnos faktisch verlorengegangen. Mittels der Religion vollzog sich die Weitergabe der nationalen Traditionen und sittlich-moralischen Werte. Zwei wesentliche Glaubensrichtungen der Rußland-Deutschen – die lutherische und die katholische – sind faktisch in Vergessenheit geraten. Eine wichtige Sphäre der geistigen Kultur des Volkes sind die Rituale bei nationalen Feiertagen. Ihr Fehlen im Leben des deutschen Ethnos zeugt von der Verstärkung der Intergrations- und Assimilationsprozesse bei den ethnischen Deutschen. Auf die Frage „Kennen Sie die deutsche Folklore?“ antworteten 86,4% der bereits betagten Deutschen „nein“- 3,4% „teilweise“ – 10,2% „ja“. In der jüngeren Altersgruppe gaben alle Befragten zur Antwort, dass sie über deutsche Folklore nichts wissen. Zu den bekanntesten nationalen Feiertagen gehören Weihnachten und Ostern, allerdings hatten die Befragten bei der Präzisierung dieser Frage große Mühe das jeweilige Datum zu nennen, an dem diese beiden Feste gefeiert werden. Die meisten Deutschen feiern sie nicht einmal im Familienkreis. Demzufolge wird diese geistige Tradition auch nicht von Generation zu Generation weitergegeben.

Wie die Forschungsarbeit gezeigt hat, ist das beständigste Element der Kultur des Ethnos das Essen. Sowohl in der jungen als auch in der älteren Altersgruppe bewiesen die Befragten ein großes Wissen über die traditionelle deutsche Küche. Als am weitesten unter den ethnischen Deutschen verbreitete Gerichte nannten sie: Strudel, Riwwelkuche, Krebbel und Schnitzsuppe. Aber bei der Befragung der Jüngeren stellte sich heraus, dass ein beträchtlicher Teil (76,7%) die Rezepte für diese Gerichte nicht kennt und daher nicht weiß, wie sie zubereitet werden; dementsprechend droht ebenfalls der Verlust dieses Elements ihrer Kultur.

Die Umfrage machte ferner deutlich, dass die nationalen Traditionen faktisch nicht weitergegeben werden. Die meisten Befragten der älteren Gruppe (64,7%) bemerkten, dass in ihrer Familie deutsche Traditionen nicht weitergegeben werden, – 3,3% kennen sie noch teilweise, - 32% kennen sie und versuchen sie weiterzuvermitteln. Auf die Frage: „Ist es der deutschen Volksgruppe gelungen ihre Kultur zu bewahren?“ antwortete die Mehrheit er Befragten „nein“. In der Gruppe der alten Leute waren das 86,6% der Befragten, bei den jungen Leuten 79,9%. Es muß auch erwähnt werden, dass es in der jungen Altersgruppe mehr bejahende Antworten gab (16,7%), als in der Gruppe der Älteren (6,7%). Dieses Ergebnis ist paradox: es stimmt nicht mit den vorhergegangen Antworten zur Kultur der ethnischen Deutschen überein, denn die Vertreter der Jugendlichen hatten Mühe, die nationalen Feiertage, Traditionen, Sitten und Gebräuche zu benennen.

Die Forschungsarbeit hat getzeigt, dass die Vertreter der älteren Altersgruppe nicht nach Deutschland auswandern wollen, weil sie Rußland für ihre Heimat halten. In der Gruppe der jungen Befragten möchten 16,7% nach Deutschland ausreisen, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern, 10% möchtenin Deutschland eine gute Ausbildung erhalten, - 6,7% wußten nicht, wie sie antworten sollten, die übrigen zogen es vor in Rußland zu bleiben (66,6%).

Es ist zu betonen, dass, angefangen mit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, der Strom deutscher Emigranten nach Deutschland abnimmt. In letzter Zeit ist sogar eine Rückkehr-Tendenz charakteristisch. Hier die Worte eines ethnischen Deutschen, der nach Deutschland ausgereist war und später nach Rußland zurückkehrte: „Das russische Gen sitzt einfach zu tief in uns, es zieht uns unwiderruflich nach Hause“. Die Russland-Deutschen haben das Bewußtsein verloren, dass sie eigentlich Deutsche sind. Mit Deutschland verbinden sie lediglich historische Wurzeln. Von ihrer deutschen Nationalität zeugen höchstens ihre Nach- und Vatersnamen. Mit dem begriff „deutsches Volk“ identifizieren sie sich nicht. Die Abnahme der Zahl der Familienmitglieder, die noch der deutschen Sprache mächtig sind, wirkt sich negativ auf die Integration der Rußland-Deutschen in Deutschland aus. Bei einer früheren Umsiedlungsetappe Anfang der 1990er Jahre konnten 75% der Ausreise-Antragsteller Deutsch, und nur 25% ihrer Familienmitglieder verfügten nicht über die elementarsten Kenntnisse in dieser Sprache. Gegen Ende des Jahrzehnts schlug dieses Verhältnis ins Gegenteil um: 75% der deutschen Umsiedler können die Muttersprache nicht. (M.S. Sawoskul. Die Rußland-Deutschen in Deutschland: Integration und Art der ethnischen Selbstidentifizierung. / M.S. Sawoskul // Wissenschaftliches Bulletin: Bevölkerung und Gesellschaft. – Moskau, 2006. – S. 32.)

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre ergriffen die deutschen Behörden Maßnahmen zur Begrenzung des Zustroms von Spätaussiedlern. Ab 1999 wurden Quoten eingeführt, um die Einreise von Spätaussiedlern nach Deutschland einzuschränken . nicht mehr als 100000 Personen pro Jahr. Die Richtlinien für die Durchführung von deutschen Sprachtests wurden verschärft. Zum Ausgleich der Migrationsbelastung wurd 1996 in den Bundesländern das Gesetz über die „zwangsweise“ Ansiedlung von Spätaussiedlern verabschiedet. Sofern die Umsiedler soziale Unterstützung in Anspruch nehmen möchten,, und das wollen die meisten von ihnen in den ersten Jahren, dann müssen sie in den ersten drei Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland in dem Bundesland leben, das ihnen zugewiesen wird. Im Juli 2000 wurde die Gültigkeit des Gesetzes für kurze Zeit ausgesetzt.

Bei den Deutschen, die zwischen 1980 und den 2000er Jahren umgesiedelt sind, kann man anhand ihres Integrationsniveaus drei Gruppen unterscheiden:

Viele von ihnen treten als Mitwirkende und Leiter der Landsmannschaft der Rußland-Deutschen in Erscheinung, der historischen Gesellschaft der Rußland-Deutschen, die sich aus der intellektuellen Elite der Rußland-Deutschen in Deutschland zusammensetzt.

Der Großteil der Rußland-Deutschen dieser Gruppe lassen ihre Verbindungen zu Rußland oder anderen Orten, aus denen sie stammen, nicht abreißen. Aber sie sind auf eine aktive Einbeziehung in die deutsche Lebensart eingestimmt.

Die überwiedende Mehrheit der Vertreter dieser Gruppe stammen aus ländlichen Gegenden, obwohl sich unter ihnen auch ehemalige Stadtbewohner befinden, sie verfügen über keine höhere Bildung. Die meisten der Befragten, die dieser Gruppe angehören, betonten, dass ihre Erwartungen in Bezug auf Deutschland in vielem nicht erfüllt haben, weil man sie hier nicht als Deutsche, sondern als Russen versteht. In der Sowjetunion waren sie stets „Faschisten“ und „Deutsche“, und hier machte man sie zu „Russen“. „Wir sind sind für die Hiesigen keine Deutschen, sondern Russen. Ich lebe schon seit drei Jahren in Deutschland und spreche fast kein Wort Deutsch“.

Dies ist die zahlenmäßig größte Aussiedlergruppe, die auch die meisten Probleme hat. Gerade diese Gruppe ist vom überwiegenden Teil der Publikationen betroffen, die der Integration und Adaptation von Rußland-Deutschen in Deutschland gewidmet sind. Dazu gehören Vertreter unterschiedlicher Altersgruppen, angefangen von Rentnern, die um der Zukunft ihrer Enkel willen nach Deutschland gekommen sind, bis hin zu Minderjährigen, die, obwohl sie Deutsch können, sich aufgrund unterschiedlicher Verhaltensmodelle und Werte im Vergleich zur deutschen Jugend nicht als vollwertige Bürger Deutschlands fühlen können.

Oft können die Vertreter der älteren und mittleren Generation dieser Gruppe kein Deutsch auf einem Niveau, das für den Erhalt eines vernünftigen Arbeitsplatzes ausreicht, und sie haben praktisch auch gar keine Möglichkeit, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache zu verbessern. Viele von ihnen haben nach dem Umzug nach Deutschland ihren Sozialstatus erheblich vermindert und hoffen schon nicht mehr darauf, den alten Zustand jemals wieder herzustellen. Viele haben in Deutschland keine berufliche Zukunft. Diese Gruppe Rußland-Deutscher nutzt besonders aktiv innere Strukturen, wie beispielsweise russische Geschäfte, russische Diskotheken, in Deutschland erscheinende russischsprachige Zeitungen und russischsprachige Internetseiten. Das heißt, viele von ihnen bleiben praktisch Einwohner Rußlands, obwohl sie in Deutschland leben. (M.S. Sawoskul, Rußland-Deutsche in Deutschland: Integration und Arten ethnischer Selbstidentifikation. / M.S. Sawoskul // Wissenschaftliches Bulletin: Bevölkerung und gesellschaft. – Moskau, 2006. – S. 32).

Als Gründe für die Schwierigkeiten bei der Integration der Rußland-Deutschen lassen sich folgende Gründe anführen:

Aus den Ergebnissen des vorliegenden Forschungsprojektes lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen. Heute ist der Übergang von der Zweisprachigkeit zu einer einzigen Sprache – der russischen – für die ethnischen Deutschen charakteristisch, und das gilt ganz besonders bei den jungen Leuten. Immer seltener trifft man deutsche Bewohner an, für die Deutsch einst im wahrsten Sinne des Wortes die Muttersprache war – die Sprache, die sie mit der Muttermilch aufgesogen haben. Nicht zuletzt spielt bei diesem Problem die tatsache eine Rolle, dass dieauf russischem Territorium lebenden Deutschen lange Zeit als äußerer Feind angesehen wurden, Deutsch mit der Sprache der Besatzer assoziiert war, was im folgenden dazu führte, dass sie sich mit der Benutzung ihrer eigenen Sprache immer schwerer taten. Das hohe Prestige der russischen Sprache, deren Kenntnis es einem gestattet, sich erfolgreich in der Zukunft zu etablieren. Die zunehmende Zahl der Mischehen und das Fehlen eines konzentrierten Zusammenlebens förderten ebenfalls den Prozeß der Assimilation unter den ethnischen Deutschen in der Region Krasnojarsk. Dem deutschen Ethnos ging teilweise seine nationale Kultur verloren, so dass die Gefahr der Existenz dieser Volksgruppe an sich drohte.

Auf jeden Fall muß angemerkt werden, dass die Deutschen im Verlaufe der gesamten Zeit, in der sie sich an den Umsiedlungsorten befanden, die Aufmerksamkeit der Behörden auf ihre Probleme zu lenken. Bereits damals sahen sie eine Bedrohung für ihre nationale Kultur. Mitte der 1960er Jahre begaben sich zwei Delegationen von Rußland-Deutschen nach Moskau, fanden jedoch seitens der Behörden keinerlei Beachtung. Hoffnung auf eine nationale Wiederkehr ihres Ethnos setzten die Deutschen auf die beginnende Perestroika und Demokratisierung der Sowjet-Gesellschaft – eine nationale Wiedergeburt mit dem anzufangen, was im bereich des Möglichen lag. 1989 trafen drei russlanddeutsche Delegationen in Moskau ein. Allein die Möglichkeit erneuter Entsendungen solcher Delegationen war ein Zeichen jener Zeit. Die Hauptrolle der Delegationen bestand darin, dass sie den Impuls für einen organisierten Zusammenschluß aller Initiativen gaben. Es begann der organisierte Kampf um die nationale Existenz.

Die russische Intelligenz verhielt sich positiv gegenüber der geplanten Wiederherstellung der deutschen Autonomie an der Wolga. Im März 1989 fand in Moskau das reguläre Plenum des Schriftstellerverbandes der UdSSR statt. Man stellte den Schriftstellern die Frage: „Was halten Sie von der Wiederherstellung der Autonomie der Sowjet-Deutschen im Wolgagebiet?“ Unter ihnen befanden sich: Tschingis Aitmatow, Bulat Okudschawa, Andrej Wosnesenskij, Wasil Bykow usw. A. Wosnesenskij: „Die deutsche Gemeinde soll wiederhergestellt werden. Das sind Leute mit besonderer Kultur, die sich von der Kultur der anderen Völker unseres Landes unterscheidet. Unsere Deutschen waren ein Musterbeispiel für Haus- und Landwirtschaft – sogar unter den schwierigen Bedingungen, die an den Orten herrschen, an die man sie umgesiedelt hat“. T. Aitmatow: „Das ist ein Volk, welches lange in unserem Land verwurzelt ist. Wir hätten schon viel früher über die Wiederherstellung ihrer Autonomie entscheiden müssen, dann hätten wir bereits längst sozialen, politischen und nationalen Nutzen daraus ziehen können. Die Sowjet-Deutschen haben diese Region urbar gemacht, schufen dort ihre Kultur. Wunderschön hergerichtete Häuser haben sie dort, man konnte die sorgsam wirtschaftende Hand des Hausherrn fühlen und erkennen“. (Ida Baston-Suchar. Dreiunddreißig Fragen auf eine Antwort. / Ida Baston-Suchar. – Moskau, 1991. – S. 15). Aber die Forderung der Deutschen nach einer Wiederherstellung der ASSR der Wolgadeutschen fand bei den Behörden keine große Aufmerksamkeit. Die Wiederherstellung der Autonomie an der Wolga erwies sich als unmöglich. Der einzige Weg zum Erhalt der kulturellen Identität des Ethnos war die Konsolidierung der umliegenden deutschen Gemeinden.

Die Rußland-Deutschen erwiesen sich als eine der ersten Gruppierungen, die ein System gesellschaftlicher Organisationen entwickelten, deren Hauptziel die Wiederherstellung der nationalen Traditionen und der Kultur ist. Auf der konstituierenden Konferenz der WONS im März 1989 stellte die region Krasnojarsk einen einzigen Delegierten, bei der zweiten waren es bereits sechs. Die Aktivisten spielten eine bemerkenswerte Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung der drei gesamtnationalen Kongresse der Rußland-Deutschen in den Jahren 1991-1993. Unter den bekanntesten Aktivisten der deutsch-nationalen Bewegung befinden sich W.G. Fuks (Fuchs), I.I. Sauerwein, A.A. Gamburg (Hamburg), L.L. Loch (Die Deutschen Rußlands. Enzyklopädie. Bd. 1, Moskau, 1999. – S. 822). Nach der Gründung der WONS „Wiedergeburt“ in der Region Krasnojarsk wurde am 24. September 1989 eine der ersten regionalen Organisationen geschaffen – die Gesellschaft der Rußland-Deutschen „Wiedergeburt“, die 1998 zur regionalen Krasnojarsker national-kulturellen Autonomie (NKA) umorganisiert wurde. Ihre Filialen operieren in der gesamten Region. Leiter dieser Organisation waren zu verschiedenen Zeiten W.G. Fuks (Fuchs), A.A. Gamburg (Hamburg) O. Besgans, W.L. Spanagel, E.A. Kern, W.D. Felde und N.W. Agapowa. Derzeit steht Jelena Bobrowskaja an der Spitze der Organisation. Die Ziele der NKA sind:

1. Unterstützung der Wiederherstellung, Erhalt, Kontinuität und Entwicklung der nationalen Kultur, der Traditionen, Sitten, Gebräuche und Sprache der Deutschen in der Region Krasnojarsk.
2. Unmittelbare Gewährleistung ihrer sozialen, ökonomischen und kulturellen Aktivitäten.
3. Rechtlicher Schutz für die Mitglieder und Mitwirkenden der national-kulturellen Autonomie.
4. Erhalt und Festigung der inneren nationalen Beziehungen der deutschen Gemeinschaft.
(Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung, Fond P-978, Verz. 1, Akte 24).

So richtet sich die Tätigkeit der national-kulturellen Autonomie auf das Zusammenschweißen von Menschen deutscher Nationalität, der Organisation ihrer Freizeit, Hilfestellung beim Erlernen der deutschen Sprache und der reichen Kultur dieses Volkes. Man muß betonen, dass die NKA nicht nur Deutsche miteinander vereint, sondern auch Vertreter anderer Nationalitäten, die an der deutschen Kultur Interesse gefunden haben.

Die Aktivität der Gesellschaft ist eng verbunden mit der Heranführung an die traditionellen deutschen est- und Feiertage und die damit verbundenen Sitten und Gebräuche. Innerhalb der Autonomie werden die deutschen Hauptfesttage – Weihnachten und Ostern – verbreitet gefeiert. Wenn man die deutschen kalendarischen Bräuche mit den russischen vergleicht, sieht man, dass die allgemeinen Feiertage für beide Völker charakteristisch sind (Heiligabend, Weihnachten, Ostern, Pfingsten), aber es gibt außerdem spezifische deutsche Volksfeiertage, die die Kultur und Tradition Deutschlands (Martinstag, Advent, Nikolaus, Heilige drei Könige) (Gemeinschaft, N°.1, 2007. – S. 07). Aus persönlichen Unterhaltungen mit Deutschen, die in der Region Krasnojarsk leben, ergibt sich, dass die beiden heutzutage am meisten verbreiteten nationalen Feiertage, die von den Rußlanddeutschen begangen werden, Weihnachten und Ostern sind. Eine Besonderheit ist dabei, dass ihre Feiern inzwischen weltlichen Charakter angenommen haben. In diesem Jahr feierten die Deutschen im Kinohaus. Am Eingang wurden Kerzen und Texte weihnachtlicher Lieder verteilt. Der Abend begann mit einer feierlichen Liturgie und war vom Gesang religiöser Lieder begleitet. Nach dem Gottesdienst wurde für die zuhörer ein Konzert unter Teilnahme eines deutschen Ensembles veranstaltet; man führte Nationaltänze auf, erzählte Märchen und sang Lieder. Mitwirkende waren zum Beispiel: das Theater „Sternchen“, das choreographische Kinder-Ensemble „Glenchen“, eine sowie Teilnehmer des Jugendklubs „Nagel“. Vokalgruppe unter der Leitung von M.O. Karo. Aufmerksamkeit bei den Anwesenden im Saal fand auch der Film „Kak vstretscha....“, der vom Schicksal der Margarita Petrowna Reich erzählt, die 1943 als Repressierte aus Leningrad nach Krasnojarsk verschleppt wurde. Zum Abschluß der Veranstaltung wünschten die Vorsitzende der NKA der Stadt Krasnojarsk – Jelena Bobrowskaja – und der stellvertretende Vorsitzende Aleksander Aleksandrowitsch Gamburg (Hamburg) den Anwesenden ein frohes Fest.

Die deutsche kulturelle Autonomie arbeitet bei der Vorbereitung der Feiertage aktiv mit der evangelisch-lutherischen Gemeinde zusammen. Noch in den 1980er Jahren waren mehr als ein Dutzend deutsch-lutherischer Gemeinden tätig, und mit der Ankunft von Pastor P. Blumke aus Deutschland Anfang der 1990er Jahre beginnt wieder die regelmäßige Anwendung traditioneller Sitten und Gebräuche. Derzeit findet jeden Sonntag um 11 Uhr ein Gottesdienst im Haus des Schauspielers statt, denn die Gemeinde hat noch keine eigenen Räumlichkeiten. Der Gottesdienst wird von Pastor Jan (Jahn?), der ebenfalls aus Deutschland nach Krasnojarsk gekommen ist, in deutscher Sprache abgehalten. Am 23. April wurde hier Ostern gefeiert, und es gab auch eione Taufzeremonie. Es kamen auch viele Gäste zum Gottesdienst, die sich für die Kultur der Deutschen interessieren. Am Eingang wurden sie von Mädchen in Nationalkostümen begrüßte, der Tisch des Pastors war mit Blumen geschmückt, Kerzen brannten. An dem festtag waren auch Ensemble anwesend, die nationale Tänze aufführten. Zöglinge aus der Sonntagsschule überbrachten Glückwünsche. Die Veranstaltung endete mit einem gemütlichen Teetrinken. Dabei wurden auch Gerichte aus der traditionellen deutschen Küche vorgestellt: Osterkuchen, Kuchen, Krebel (Krabbel). Solche Feiertage stellen ein Verbindungsfädchen zwischen der alten Generation und der Jugend dar, sie schweißen die menschen zusammen und, was das wichtigste daran ist, die Erinnerung lebt lange in den Herzen aller weiter.

Beständiges Element der Kultur des Ethnos ist das Essen. Im großen und ganzen bestehen die Grundnahrungsmittel der Deutschen in Sibirien aus Mehl- und Milchprodukten sowie Kartoffeln. Suppen nehmen einen großen Teil ihrer Tagesration ein (Riwelsupp, Nudeln, Schnitzsupp). (Die Völker West- und Mittel-Sibiriens: Kultur und ethnische Prozesse. Bd. 6 – Nowosibirsk, 2002. – S. 104). In der heutigen nationalen Küche der Deutschen gibt es auchaus dem Slawischen entlehnte traditionelle Komponenten. So haben die Deutschen beispielsweise gelernt, wie man Kohlsuppe, Teigtaschen, Suppe aus roter Beete, usw. zubereitet. Für den Erhalt der traditionellen deutschen Küche führt die NKA an der Schule N° 56 Meisterklassen durch, damit die Erfahrung von der alten Generation an die neue weitergegeben wird. Die Jugendlichen lernen nicht nur die entsprechenden Rezepte kennen, sondern wirken auch selbst an der Zubereitung der Gerichte mit. Vielleicht werden diese Meisterklassen zur Tradition, die von den jungen Leuten weiterhin unterstützt wird.

Eine der wichtigsten Aufgaben des heutigen deutsch-russischen Ethnos ist die Wahrung der Muttersprache. N.J. Ikonnikowa, die die verschiedenen Dialekte der deutschen Umsiedler erforscht, spricht davon, dass die Sprache der deutschen Umsiedler ursprünglich nicht einheitlich und für das Vorhandensein unterschiedlicher dialektbezogener Besonderheiten charakteristisch war. Das assimilierende Zusammenwirken der russischen und anderer nationaler Sprachen führte zu einem schrittweisen „Herausspülen“ der systematischen Charakteristika der Mutetrsprache bei den Vertretern des deutschen Ethnos. Heute kann man feststellen, dass die mehrheit der ethnischen Deutschen weder vollständig der „Familiensprache“ nioch dem heutigen Hochdeutsch mächtig ist. (N.J. Ikonnikowa. Über die Formierung der Sprachkultur der Rußland-Deutschen. / N.J. Ikonnikowa // „Der Erhalt und das gegenseitige Durchdringen von Kulturen als Faktor der beständigen Entwicklung der Jenisejregion“: Materialien der wissenschaftlich-praktischen Konferenz. – Krasnojarsk, 2006. – S. 178). Das Unterrichten der heutigen deutschen Sprache gehört zu den vorrangigen Aufgaben innerhalb der deutschen Begegnungszentren. Die Bildungstätigkeit läuft innerhalb des Programms „Breitenarbeit“ ab, in dessen Rahmen jährlich Seminare zur Verbesserung der Qualifikation von Lehrkräften der deutschen Sprache stattfinden; es werden Kurse zum Studium der deutschen Sprache für Erwachsene, Kinder und Jugendliche abgehalten. Im Sommer und Winter werden Sprachlager organisiert, zu denen junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren eingeladen werden. In der Region Krasnojarsk wurde ein Konzept zur regionalen nationalen Politik ausgearbeitet und auch angenommen, in dem die Einbeziehung des Studiums der Sprachen eingeborener Völker sowie der Diaspora, die auf dem Territoriumder Region Krasnojarsk leben, vorgesehen ist. Deutsch als Muttersprache wird an der allgemeinbildenden Schule von Nikolajewka, im Krasnoturansker Gebiet und am Krasnojarsker Lyzeum N° 6 unterrichtet. Die nationale Schule ist dazu berufen, die Weitergabe jahrhundertealter Erfahrungen des Volkes, seine sittlich-moralischen Pfeiler, die der geistigen Verarmung der Jugendlichen vorbeugt, von Generation zu Generation weiterzugeben. (Ethnische geschichte der Völker in der Region Krasnojarsk, Krasnojarsk, 2006, S. 108). Auf diese Weise schließt sich die Jugend der deutschen Kultur an.

Die NKA arbeitet aktiv mit der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur (Stadt Moskau) und dem Deutschen Goethe-Kulturzentrum (Stadt Moskau) zusammen; sie nimmt an zahlreichen Konferenzen und Seminaren teil, die in den Städten Omsk, Tomsk, Brnaul sowie Moskau zu Fragen der Geschichte und Kultur der Rußland-Deutschen stattfinden. Auf einem Seminar der Begegnungszentren und einer Sitzung des Präsidiums der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur (IVDK) wurde 2007 ein Beschluß über die Verstärkung der Jugendarbeit in den Zentren verabschiedet. Eine Verstärkung der Spracharbeit unter den jungen Menschen und die Verbesserung der materiellen und technischen Grundlagen der Zentren ist unerlässlich. (Gemeinschaft N° 2, 2007, S. 16, S. 6). Heute sind die Tätigkeiten der Zentren punktförmig ausgelegt, auf die Jugendlichen gerichtet, die später die Weiterverbreitung der deutschen Sprache und nationalen Kultur bewerkstelligen sollen. Ferner organisierte die IVDK ein Gastspiel des Duetts Alexander und Valentina Michel, zu deren Lieder-Repertoire deutsche Lieder dauerhafter Bestandteil sind. Sie machen die menschen mit der deutschen Lied-Kultur vertraut. Im November besuchten die Eheleute Michel die Stadt Krasnojarsk, ihr Konzert fand in der Regionsbibliothek statt. Sie sangen russische und deutsche Lieder, die mit stürmischen Ovationen begleitet waren.

2003 eröffnete im Krasnojarsker Museumszentrum für Kultur und Geschichte eine Dauerausstellung unter dem Motto „Am Wendepunkt der Zeit. Geschichte und ultur der Rußland-Deutschen“. Es ist ein einzigartiges Projekt innerhalb der gesamten Geschichte der Existenz der deutschen Autonomie. Ziel der Ausstellung – mit Hilfe von Gegenständen aus dem Alltagsgebrauch, Dokumenten, Fotografien, die Eigentum der in der Region Krasnojarsk lebenden deutschen Bewohner sind, das gewöhnliche Leben des Rußland-Deutschen aufzuzeigen – sowohl im schweren Alltagsleben, als auch zu Feiertagen. Auf der Ausstellung befindet sich ein Stand mit Informationen über die Aktivitäten der nationalen kulturellen Autonomie der Rußland-Deutschen, die Tätigkeit des Zentrums für deutsche Kultur und den Lehrstuhl für deutsche Sprache an der Staatlichen Universität Krasnojarsk (SUK). Hier ist die Durchführung von Unterrichtsstunden und Vorlesungen, Seminaren und Diskussionen am runden Tisch für Studenten sowie Lehrer geplant, um auf diese Weise die Vergrößerung des kulturellen Gesichtskreises zu fördern. Dies wäre zudem von großer erzieherischer Bedeutung und würde ihre beruflichen Fähigkeiten erhöhen.

Große Arbeit mit wissenschaftlich-forschendem Charakter realisiert das Deutsche Kulturzentrum an der SUK unter der Leitung von W.A. Djatlowa. Auf Initiative des Zentrums fand 2004 in Krasnojarsk eine internationale Konferenz statt: „ Die Deutschen in Sibirien: Geschichte, Sprache, Kultur“. Zur Eröffnung der Konferenz in den Räumen der SUK gab es folgende Vorbereitungen: eine persönliche Ausstellung mit Bildern von Alexander Popp, dem Vorsitzenden der Vereinigung deutscher Künstler in Sibirien, sowie eine Ausstellung zum Thema „Das deutsche Buch in Sibirien und über Sibirien“ aus dem Bestand der Regionalen wissenschaftlichen Bibliothek. Die Konferenz wurde vom Prorektor für wissenschaftliche Arbeit der Staatlichen Krasnojarsker W.P. Astafjew-Universität eröffnet – dem Professor und Doktor der pädagogischen Wissenschaften W.R. Maier. An der Konferenz nahmen Historiker, Ethnografen, Philologen und viele andere teil. Es wurden Fragen berührt, die im Zusammenhang mit der Geschichte der Deutschen in Sibiren stehen, ihrer Tradition, ihren Sitten, Gebräuchen und Dialekten. Man beleuchtete die Hauptprobleme der Deutschen in Sibirien und es gab einen Erfahrungsaustausch zwischen Vertretern der verschiedenen Regionen zu Fragen der ethnischen Deutschen statt. In diesem Jahr wurde mit Erfolg ein Projekt für einen Videofilm abgeschlossen „Die Deutschen Krasnojarer“. Auch wirkte der Lehrstuhl für deutsche Sprache aktiv bei der Organisierung der Ausstellung „Am Wendepunkt der Zeit. Geschichte und Kultur der Rußland-Deutschen“ mit. Die Ausstellung setzte sich aus Exponaten zusammen, die von Studenten der SUK unter der Leitung des Lehrstuhls während mehrerer praxisnaher Sprachreisen in Städte und Dörfer der Region Krasnojarsk gesammelt wurden. Von ihnen wurde ein Programm zur komplexen Erforschung der rußlanddeutschen Dialekte auf dem Gebiet der Region Krasnojarsk erarbeitet, das nun realisiert wird. Sie studieren die Besonderheiten der rußlanddeutschen Dialekte, ihre Funktionieren beim Fehlen der Fühlung mit der ethnischen Hauptmasse und demVorhandensein einer anderssprachigen Umgebung. (W.A. Djatlowa. Programm zur komplexen Erforschung der rußlanddeutschen Dialekte auf dem gebiet der Region Krasnojarsk. / W.A. Djatlowa // „Die Deutschen Sibiriens: Geschichte, Sprache, Kultur“: internationale wissenschaftliche Konferenz Krasnojarsk. – 2005. – S. 166).

Das gutgeplante System unterschiedlicher Projekte der deutschen Vereinigungen in der Region Krasnojarsk begünstigte eine finanzielle und organisatorische Unterstützung von Seiten des Generalkonsulats der BRD in Rußland, der GTZ – Gesellschaft für technische Zusamemnarbeit, der Internationalen Vereinigung deutscher Kultur (Stadt Moskau), des Deutschen Goethe-Kulturzentrums (Moskau), der föderalen deutschen Kulturautonomie und die Hilfe durch Sponsoren.

Derzeit leben in der Region Krasnojarsk Rußland-Deutsche, die einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Entwicklung der Regionleisten. Unter ihnen befinden sich der Kandidat für Theologie G.G. Fast - als Würdenträger der orthodoxen Kirchen im Bezirk Jenisejsk, der Doktor der Medizin R.A. Maier, der Autor des Buches „Das Schicksal der Rußland-Deutschen“, der Künstler A. Popp und viele andere.

Beim Studium der Problematik des Erhalts der rußlanddeutschen Kultur sind wir zu folgenden Schlüssen gekommen. Als Ergebnis der Repressionspolitik, die sich unter Stalins Herrschaft gegen die Sowjet-Deutschen richtete, sind dem Ethnos zahlreiche nationale Traditionen, Sitten, Gebräuche sowie die Muttersprache verloren gegangen. Die Repressionen gegen das Volk führten zu seiner Assimilation, die mit raschem Tempo voranschritt. Die Kontinuität der Weitergabe innerhalb der Generationen ging verloren, die Großeltern konnten ihre nationale Sprache, ihre Kultur nicht auf Kinder und Enkel übertragen. In der heutigen Zeit, inder schon viele Traditionen nicht mehr erhalten sind, ist eine Unterstützung und Entwicklung der deutschen Kulturautonomien dringend geboten, denn gerade sie sind es, die nun mit ihren Zentren die Deutschen vereinigen. Die Ziele der Kulturzentren sind: als nationale Minderheit zu überleben; Muttersprache und Kultur ihres Volkes zu bewahren. Ihre Aktivitäten sollen vor allem auf die jungen Menschen ausgerichtet sein, die im folgenden Träger der deutschen Kultur sein muß. Es versteht sich, dass die Bemühungen der Rußland-Deutschen unter allen Umständen auf föderaler und regionaler Ebene Unterstützung finden müssen. Anderenfalls werden sie einer vollständigen Assimilation unterliegen.

Schlußfolgerungen

Die gewaltsame Vertreibung deutscher Staatsbürger aus ihren Heimatorten, ihr Zwangsaufenthalt in der Verbannung – das ist eines der schwerwiegendsten Ereignisse unserer Geschichte.

Sibirien wurde zum Verbannungsort für ethnische Deutsche. Im Herbst 1941 traf eine riesige Gruppe Deutscher, hauptsächlich aus dem Wolgagebiet, in der Region Krasnojarsk ein. Die Menschen brachten ihre jahrhundertealte Lebensart mit hierher, ihre nationalen Traditionen. Die Politik des Sowjet-Staates in Bezug auf die Rußland-Deutschen führte dazu, dass diesem Ethnos die ihm eigene nationale Kultur verloren ging.

Berechtigterweise lassen sich zwei Etappen beim Erhalt der rußlanddeutschen Kultur hervorheben. Die erste beginnt im Herbst 1941. Sofort nach der Zwangsumsiedlung aus der ASSR der Wolgadeutschen tauchte vor dem deutschen Volk das Problem der Wahrungihrer nationalen Kultur auf. Unter dem Einfluß einer ganzen Reihe von Gründen begann die deutsche Volksgruppe nach und nach ihre deutsche Muttersprache, ihre nationalen Traditionen und Eigenarten zu verlieren.

Die weit verstreute Ansiedlung über das gesamte Territorium der Region Krasnojarsk förderte die Ausweitung von Assimilationsprozessen unter den ethnischen deutschen. Die Deutschen hatten keine Möglichkeit sich zu konsolidieren, um dem Einfluß seitens der andersnationalen Umgebung zu widerstehen. Einer der Gründe, weshalb die Deutschen ihrer Muttersprache verlustig gingen, war das Fehlen nationaler Schulen, die früher auch die Weitergabe nationaler Traditionen von Generation zu Generation begünstigt hatten.

Ein weiteres Problem der Deutschen war die Repressionspolitik des Sowjetstaates in puncto Kirche. Die Religion spielte eine wichtige Rolle im Leben des deutschen Ethnos. Neben der Schule fungierte auch die Kirche als Verbindungsglied zwischen den Generationen. Sie trug ebenfalls zur Weitergabe nationaler kultureller Werte, deutscher Traditionen und Gebräuche bei.

In einer derartigen Situation sahen die Deutschen die unbedingte Notwendigkeit ihre Autonomie an der Wolga wiederherzustellen. Gerade mit der Schaffung ihrer Eigenstaatlichkeit verknüpften sie die Möglichkeit ihre deutsche Kultur und ihre Eigenarten zu erhalten. Mitte der 1960er Jahre setzt die Bewegung der Rußland-Deutschen für die Wiederherstellung der Wolgarepublik ein. Allerdings wurde das Problem weder von den sowjetischen, noch von den russischen Behörden gelöst.

Gegen Ende der 1980er Jahre wurde die Frage sich als Volksgruppe zu erhalten noch einmal aktuell. Man kann von einer neuen Etappe des Kampfes der Deutschen für die Wiederkehr ihrer kulturellen Traditionen, der Wiederherstellung ihrer Eigentümlichkeiten sprechen. Die Assimilationsprozesse schreiten im Eiltempo voran. Die Deutschen nennen immer häufiger Russisch als ihre Muttersprache. Die Zahl der Mischehen nimmt zu, was sich negativ auf den Erhalt der deutschen Sprache und der nationalen Traditionen auswirkt.

Ende der 1980er und 1990er Jahre taucht ein neues Problem auf – der massenhaft Strom ethnischer Deutscher, die in ihre historische Heimat ausreisen. Ihre nationale Wiedergeburt verbanden die Deutschen mit Deutschland.

All diese Probleme förderten den Verlust des wichtigsten Bestandteils eines beliebigen Volkes – seiner nationalen Kultur. Die Forschungsarbeit hat gezeigt, dass die junge Generationfaktisch nicht die nationalen Traditionen, Sitten und Gebräuche kennt und der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Auch die Religiosität ist diesem Ethnos verloren gegangen. Die meisten Befragten gaben zur Antwort, dass nationale Traditionen und Sitten in ihrer Familie nicht weitervermittelt wurden. Die Asssimilationsprozesse nahmen einen irreversiblen Charakter an, die Kontinuität der Weitergabe an die Generationen wurde unterbrochen, Großelternkonnten ihre Muttersprache und nationale Kultur nicht an Kinder und Enkel weitervermitteln. In der heutigen Zeit, da viele Traditionen schon verloren sind, ist eine Konsolidierungum die deutschen Kulturgesellschaften, deren Tätigkeit vor allen Dingen auf die Jugend gerichtet sein muß, unabdingbar. Die Jugend ist es, die im folgenden als Verbreiterin der deutschen Kultur fungieren soll. Andernfalls droht der vollständige Verlust der deutschen Kultur aus der jahrhundertealten Geschichte.

Quellen- und Literaturangaben

I. Dokumentalquellen

1. Unveröffentlichte Quellen

Archiv-Agentur der Krasnojarsker Regionsverwaltung

Staatliche Bezirksarchive

2. Veröffentlichte Quellen

Sammlung von Dokumenten und Materialien

  1. A.A. German (Herman(n)). Die Geschichte der Republik der Wolgadeutschen  anhand von Ereignissen, Dokumenten, Fakten. / A.A. German. – Moskau, 2000. – S. 320
  2. A.A. German, T.S. Ilarionowa, I.R. Plewe. Die Geschichte der Rußland-Deutschen. / Ein Lesebuch. Moskau, 2002. – S. 280
  3. Die Region Krasnojarsk in der Geschichte des Vaterlandes: 3. Buch. 1941-1953: Lesebuch für Schüler der oberen Mittelschulklassen. – Krasnojarsk, 2000. – S. 448.
  4. Die Region Krasnojarsk in der Geschichte des Vaterlandes: 4. Buch. 1953-1985: Lesebuch für Schüler der oberen Mittelschulklassen. – Krasnojarsk, 2001. – S. 304

Statistische Materialien

Narrative Quellen

Erinnerungen

Periodisch erscheinendes Pressematerial

Literatur

Dissertationen und Autoreferate

Anhang

Fragebogen

1. Familienname, Vorname, Vatersname des Informanten
2. Geburtsjahr und –ort
3. Wohnort
4. Geburtsjahr und –ort der Eltern
5. Nationalität des Ehemannes / der Ehefrau
6. Bildung: a) russische Schule b) deutsche Schule
7. Beruf, derzeitiger Posten
8. Wann haben Sie sich am jetzigen Wohnort niedergelassen, wo lebten Sie bis 1941?
9. Welche Sprache halten Sie für Ihre Muttersprache:
a) Russisch b) Deutsch
Grad der Kenntnis der deutschen Sprache:
10) a) fließend in Wort und Schrift b) ich spreche fließend, lese und schreibe aber nicht
c) ich kann Deutsch verstehen, aber nicht selber sprechen d) ich kann gar kein Deutsch
11. Nutzungsbereiche er Sprache:
a) innerhalb der Familie b) bei der Arbeit c) auf der Straße d) im Gespräch mit den alten Menschen
12. Lesen Sie deutsche Literatur, Zeitungen? Welche?
13. Haben Sie regelmäßig erscheinende Zeitungen oder Zeitschriften abonniert? Welche?
14. Würden Sie gern besser Deutsch können:
a) ja b) nein
15. Welchem Glaubensbekenntnis gehören Sie an:
a) Baptisten b) Lutheraner c) Katholiken d) Orthodoxe e) Adventisten e) nicht gläubig
16. Welchem Ethnos oder welcher ethnischen Gruppe gehören Sie an?
a) der sibirischen b) altaiischen c) mennonitischen d) wolgaischen e) russischen
f) schwer zu beantworten
17. Was halten Sie von internationalen Ehen?
a) bin abgeneigt b) die Nationalität spielt bei der Eheschließung keine Rolle
18. Welche Nationalität steht den Deutschen in Kultur und Alltag nahe?
a) die russische b) die polnische c) die holländische d) die baltische
19. Hat sich das Verhalten gegenüber den Deutschen anderer Nationaltäten nach 1990
geändert? Wie schätzen Sie diese Veränderungen ein?
20. Werden die Deutschen Traditionen in Ihrer Familie von generation zu Generation weiter-gegeben? a) ja b) nein c) teilweise
21. Halten Sie die deutschen Feiertage und Festtagsbräuche ein? Unterstreichen Sie!
Advent, Heiliger Nikolaus, Weihnachten, Neujahr, Ostern, Pfingsten, Martinstag, Allerheiligen
22. Ist Ihnen die deutsche Folklore bekannt?
23. In welcher Sprache singen Sie vorzugsweise oder hören Lieder?
a) auf Deutsch b) Russisch c) andere
24. Bereiten Sie in Ihrer Küche typisch deutsche Gerichte zu? Welche?
25. Ist Ihnen bekannt, ob es deutsche öffentliche Organisationen und Einrichtungen an Ihrem Wohnort gibt? Welche?
26. Haben Sie an gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen teil?
a) ja b) nein c) gelegentlich
27. Gründe für die Emigration der Deutschen:
a) der Wunsch, die Lebensbedingungen zu verbessern
b) Umzug zu Verwandten, Familienzusammenführung
c) die instabile politische Situation in Rußland
d) Ungewißheit um die Zukunft der Kinder
e) erforderliche Gesundheitsmaßnahmen in Deutschland
28. Die nahe Zukunft der Deutschen:
a) Amigration b) Assimilation c) es wird sich nichts verändern d) die Lebensumstände werden sich verschlechtern e) die Lebensbedingungen werden sich verbessern f) viele der bereits emigrierten Deutschen werden zurückkehren g) schwer zu beantworten
29. Würden sie gern für immer nach Deutschland ausreisen? Falls nein, warum nicht?
30. Welche Probleme hat der Staat im Zusammenhang mit den Deutschen nicht gelöst?
31. Was meinen Sie – ist es notwendig die deutsche Autonomie an der Wolga wiederherzu- stellen? Argumentieren Sie?
32. Was meinen Sie – ist es den Deutschen gelungen, ihre Besonderheiten, ihre Kultur zu bewahren?

1. Wohin wurde Ihre Familie deportiert (Ihre Eltern, Großeltern)?
2. Welche Zeitungen und Zeitschriften waren Ihnen während der Spwjetzeit in deutscher Sprache zugänglich?
3. Haben Sie die traditionellen deutschen Festtage während der Sowjetzeit eingehalten?
a) ja (welche?) b) nein
4. Gab es die Möglichkeit, sich während der Sowjetherrschaft auf Deutsch zu unterhalten?
5. Gab es Unterschiede in den Sitten, Gebräuchen und Zeremonien zwischen der ortsansässigen deutschen Bevölkerung und den deportierten Deutschen?
6. Was war in der Nachkriegsperiode neu in puncto Festtagszeremonien und Folklore?
7. Haben Sie während der Sowjetzeit Verbindung mit Verwandten unterhalten, die sich an anderen Wohnorten in Sibirien, Rußland oder Deutschland befanden?
8. Wie war das verhältnis der Ortsansässigen gegenüber den Sondersiedlern?


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