Seit der Gründung des Deutschen Kulturzentrums „Wiedergeburt“ in der Stadt Tschernogorsk, war die wichtigste Richtung seiner Aktivitäten die Arbeit mit Repressionsopfern. Hilfe beim Auffinden von Dokumenten leistete auch das Deutsche Rote Kreuz. Im deutschen Zentrum befindet sich eine umfangreiche Bibliothek mit einer Sammlung von Publikationen über das Schicksal des politisch verfolgten Volkes (dokumentarische Fakten, gesammelte Ukase, Aktivitäten und Operationen der Behörden). Die Mitarbeiter des Zentrums haben erkannt, daß das Wertvollste die lebendigen Zeugnisse jener Epoche sind; daher ist größter Eile geboten, möglichst viele davon zu erfassen, so lange sich die Geschichtsträger noch unter uns Lebenden befinden.
Das Deutsche Zentrum tritt als aktiver Teilnehmer der Museumslesungen in Tschernogorsk in Erscheinung (sie nennen sich Balandinsker Lesungen – nach der Stadtgründerin Vera Arsenewna Balandina), indem es dort jedes Jahr mit seinen Vorträgen präsent ist.
An ihnen läßt sich der Weg der Forschungsaktivitäten zu diesem Thema erkennen.
Im Referat „Die Geschichte der Rußland-Deutschen in Tschernogorsk“ werden die Gründe und die einzelnen Etappen des Umzugs der Rußland-Deutschen aus ihrer kleinen Heimat in die Region Sibirien analysiert. Da ist zuerst der Kriegsausbruch im Jahre 1941 zu nennen – die Zwangsumsiedlung der Sowjet-Deutschen; 1946-1948 – die Wiedervereinigung der Familien, die in vielen Fällen aufgrund der Rückkehr von Familienangehörigen aus der Trudarmee erfolgte. Mitte der 1950er Jahre wurden die Rußland-Deutschen aus der Aufsicht der Kommandanturen entlassen; es wurde ihnen jedoch nicht gestattet, an ihren vorherigen Wohnort zurückzufahren. Tschernogorsk war zu der Zeit eine Industriestadt. Viele Schachtanlagen waren in Betrieb. Hier wurde eine Lehranstalt eröffnet – das Bergbau-Technikum. Viele Deutsche zogen nach Tschernogorsk um. Auf diese Weise umfaßt der Massenumzug von Rußland-Deutschen auf chakassischen Boden und insbesondere in die Stadt Tschernogorsk den Zeitraum von 1941 bis 1960.
Als Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen der Gesellschaft von Repressionsopfern in Tschernogorsk und des Deutschen Zentrums wurde für die Opfer politischer Repressionen ein Denkmal errichtet. Es handelt sich dabei um eine kleine Kapelle, ein Denkmal mit Beschriftung und eine Wand mit den Namen der Menschen, die in den Tschernogorsker Lagern ums Leben kamen. Die städtischen Behörden haben diese Bewegung aktiv unterstützt.
In den Referaten mit der Überschrift „Tschernogorsk wurde zu ihrer kleinen Heimat“ und „Die Geschichte der Rußland-Deutschen am Beispiel einiger Schicksale“ werden Materialien über Menschenschicksale, Lebensweisen, schriftliche niedergelegte Traditionen der Vorfahren, Sprichwörter und Redensarten vorgestellt.
In dem Vortrag „Die Rolle der Begegnungszentren zur Entwicklung des Selbstbewußtseins der Rußland-Deutschen“ war die Rede von innerer Freiheit und Selbstrehabilitation. Die Kultur des deutschen Volkes ging so gut wie vollständig verloren. Nach wie vor hat sich bei ihnen das Gefühl bewahrt, Menschen zweiter Klasse zu sein. Die Deutschen haben sich unter anderen Nationalitäten assimiliert. Es entstanden zahlreiche Mischfamilien, die Kenntnis der deutschen Sprache ging praktisch verloren. Die Wiedergeburt der Kultur – das ist ein sehr systematischer und langwieriger Prozeß. Diese Aufgabe haben die Zentren deutscher Kultur vorort auf sich genommen.
Das Tschernogorsker Zentrum hat Materialien über die Schicksale von Repressionsopfern gesammelt. Darunter – Bescheinigungen über Mobilisierungen in die Arbeitsarmee, in der die Rußland-Deutschen unter Kriegsbedingungen und Lagerregime arbeiten mußten.
Die Mitarbeiter des Zentrums verarbeiteten das gesammelte Informationsmaterial und verbreiteten es in Form von Zeitungsartikeln und machten sich auch das Radio sowie Fernsehsendungen zunutze. Dies ist zu einer systematischen Arbeit geworden.
Von unserem Zentrum wurde das Projekt „Erinnere dich der Vergangenheit, denke an die Zukunft“ realisiert. Die heutige Jugend wurde dazu angeregt, ihre Großeltern zu befragen: „Wer sind wir?“ - „Woher stammen wir?“ – „Wer waren unsere Vorfahren?“, usw. Dieses Projekt hat ein großes Echo hervorgerufen. Es gingen zahlreiche Briefe, Artikel, Fotografien, Dokumente und Lieder ein.
Im nächsten Projekt „Man muß es erfahren“ haben wir im Rahmen der Balandinsker Lesungen Vorträge über Rußland-Deutsche realisiert, die ihren Beitrag zur Entwicklung von Wirtschaft, Kultur, Bildung und Gesundheitswesen unserer Region geleistet haben. Mit den Vortragsmaterialien wird im Frühjahr 2010 das Buch „Man muß es erfahren“ herausgegeben.
Derzeit arbeitet das Zentrum an dem Projekt „Mein Zeitgenosse“. Das Programm zielt darauf ab, daß die jungen Leute Informationen über jene Rußland-Deutschen sammeln, die heute ihr Interesse wecken, die heute in ihrer Zeit leben.
Möge das Beste bewahrt und weiterentwickelt werden. Mögen die Jugendlichen gute Vor- und Leitbilder haben. Die Zeiten sind ganz unterschiedlich. Aber wichtig ist nicht, was für Zeiten es sind, denn sie kommen und gehen. Wichtig ist, was für Menschen es sind und welche Erinnerungen sie hinterlassen. Wir sind überzeugt, daß man DAS ERFAHREN MUSS.