Ausgewiesene
Personen, die aufgrund einer Entscheidung der Gerichtsorgane für einen
bestimmten Zeitraum in entlegene Bezirke des Landes ausgewiesen und unter die
Aufsicht der Straforgane gestellt wurden. Der Ausweisung unterlagen Personen,
welche vom Strafgesetz verfolgte Verbrechen begangen hatten oder „verschiedene
antisowjetische Elemente“. Gemäß Strafgesetzbuch der RSFSR (aus dem Jahre 1926),
wurde die Ausweisung als zusätzliche Maßnahme (in Einheit mit Zwangsarbeit in
Erziehungs- und Arbeitslagern) für einen Zeitraum von nicht mehr als fünf Jahren
angesetzt. Als eigenständige Strafmaßnahme war eine Zeitspanne von jeweils drei
bis zehn Jahren vorgesehen.
Deportation
Verstand sich zu Sowjetzeiten als Zwangsverlegung von Personen an Orte außerhalb
der Staatsgrenzen. In zahlreichen postsowjetischen Forschungsarbeiten versteht
man unter Deportation die Verlegung von Personen an Orte, die sowohl innerhalb
als auch außerhalb der Grenzen des Staates liegen können. Nachdem die Historiker
den Zwangscharakter festgestellt haben, lenken sie ihre besondere Aufmerksamkeit
auf deren Straffunktion. Die Zwangsumsiedlung von Völkern inerhalb der
Sowjetunion in der Stalin-Ära wird von der Mehrheit der heutigen Autoren als
Deportation verstanden.
Genozid
Aktion, die mit dem Ziel begangen wurde, eine beliebige ethnische oder religiöse
Gruppe oder Rasse vollständig oder teilweise auszurotten. Laut UNO-Konvention
(1948) verletzt ein Genozid die Normen internationalen Rechts unabhängig davon,
ob er in Friedens- oder Kriegszeiten begangen wurde. In einer Reihe
zeitgenössischer Pubikationen werden die stalinistischen Repressionen als
Völkermord (Genozid) bezeichnet. Besonders weitgreifend wird dieser Terminus im
Zusammenhang mit deportierten nationalen Gruppen verwendet. Nachdem wir
verstanden haben, daß die Repressionen verschiedenen sozialen und nationalen
Gruppen der Sowjetgesellschaft einen irreparablen Schlag versetzten, lenken wir
unsere Aufmerksamkeit auf das Fehlen direkter Beweise bei den Befürwortern
dafür, daß das Ziel der Deportationen die Vernichtung irgendeiner Gemeinsamkeit
war. Unserer Ansicht nach, kann der Begriff „Genozid“ wohl kaum zur
Charakterisierung der politischen Repressionen in der UdSSR benutzt werden.
„Osadniks“ („Belagerer“; Siedler, Kolonisten)
Polnische Staatsbürger, viele von ihnen ehemalige Wehrdienstleistende der
polnischen Armee, die in den 1920er und 1930er Jahren Land auf dem Territorium
der West-Ukraine und des westlichen Weißrußlands erhalten hatten. Die Ländereien
waren nach dem Ausgang des Polnisch-Sowjetischen Krieges 1920 an Polen gegangen.
Die Polen wurden von der Regierung „bestürmt“, sich auf den neuen Gebieten
anzusiedeln, und zwar nicht nur als Bestätigung polnischer Präsenz, sondern auch
zur Ausübung einiger Polizei-Funktionen in Bezug auf die ortsansässige
ukrainische und weißrussiche Bevölkerung. Nach dem Anschloß Ost-Polens an die
UdSSR wurden die „Osadniks“ zu Volksfeinden erklärt und zur Sonderansiedlung
nach Kasachstan, in den Ural und nach Sibirien geschickt. Es muß erwähnt werden,
daß polnischen Angaben zufolge in den östlichen Gebieten Vorkriegspolens nicht
weniger als 6-8000 Familien von „Osadniks“ lebten. Die Deportation dieser
„Osadniks“ am 10. Februar 1940 erfaßte mehr als 27000 Familien, das heißt 3-4mal
mehr als ihre tatsächliche Anzahl. Daraus folgt, daß der Terminus „Osadniks“ von
den Sowjetorganen in breitem Maße angewendet und auch auf ganz andere Kategorien
auszusiedelnder Bewohner ausgeweitet wurde.
OTSP
Die Abteilung für Arbeitssondersiedlungen kam 1941 als Resultat der
Verschmelzung von OSP (Abteilung für Sondersidlungen) und OTP (Abteilung für
Arbeitssiedlungen) auf. Erstere war zuständig für aus dem Baltikum und Ost-Polen
deportierte Familien, während der zweiten die Kontrolle über die
„Kulaken-Verbannung“ oblag.
„Entkulakisierung“
Liquidierung des wohlhabenden Teils der sowjetischen Dörfer – der sogenannten
„Kulaken“, auf dem Wege der Enteignung, Aussiedlung der „Kulaken“-Familien in
wenig bewohnte Bezirke des Landes unter Aufsicht von Sonderkommandanturen. Die
Politik der „Entkulakisierung“ war gekoppelt mit der Durchführung der
Kollektivisierung in den sowjetischen Dörfern und trat als Teil des
„Entbäuerungs“-Prozesses inkraft (der Liquidierung der Einzelbauernhöfe.
Rehabilitation
Wiederherstellung der durch den Staat verlorengegangenen Bürgerrechte, Aufhebung
zuvor erhobener Anklagen, Wiedereinsetzung in den vorherigen sozialen,
ökonomischen und politischen Status.
Repressionen
Vergeltungsmaßnahme, die von den staatlichen Organen als Bestrafung angewendet
wird.
Sonderkommandantur
Untere Einheit des Sondersiedlungssystems, welche in Person des
Sonderkommandanten und seiner Assistenten die Aufsicht über alle
Lebensaktivitäten der „Sonderkontingente“ ausübte.
Sondersiedlung
Sonderregime der Haltung von zwangsausgesiedelten sozialen und nationalen
Gruppen, das durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit, herrschender
Meldepflicht und Kontrolle seitens der Straforgane charakterisiert ist.
Verbannungssiedler
Am Vorabend des Krieges vertriebene Bewohner aus dem Baltikum, der West-Ukraine
und dem westlichen Weißrußland. Sie gehörten zu den für die Sowjetmacht
„unerwünschten“ Elementen. Dies waren aktive Mitglieder nationalistischer
Organisationen, Wachleute, Gendarmen, Angehörige der Polizeitruppen,
Gefängniswärter; Besitzer großer Gutshöfe, Fabrikanten, Beamte; Offiziere –
Mitwirkende in konterrevolutionären Organisationen, die zur Höchststrafe
verurteilt worden waren; Flüchtlinge aus Polen, welche die sowjetische
Staatsbürgerschaft angenommen hatten, Familienmitglieder von Personen, die im
Rahmen der Repatriierung aus Deutschland gekommen waren. Sie wurden für die
Dauer von zwanzig Jahren zur Zwangsansiedlung nach Sibirien geschickt.
Sondersiedler
Allgemeine Bezeichnung für deportierte Gruppen, die in den 1930er bis 1950er
Jahren in die Sonderansiedlung verschickt wurden. Der Terminus selbst entstand
Ende der 1940er Jahre im tiefsten Innern des NKWD, als das System der
Sondersiedlung sich in seiner Endgültigkeit formierte. Als Sondersiedler
bezeichnete man zunächst Kontingente von „OUN“-Anhängern (Organisation
ukrainischer Nationalisten), „Wlassow-Leuten“, Familienmitgliedern von
Rädelsfühern und aktiven Banditen aus der Litauischen SSR sowie „Ukasniks“
(aufgrund eines Ukas Verurteilte), die befristet und ohne Hinweis auf den
voraussichtlichen Zeitraum ausgesiedelt wurden. Alle anderen, die vorwiegend
aufgrund ethnischer Merkmale repressiert wurden, waren „Ausgesiedelte“. In der
Folgezeit bezeichnete man jedoch alle zwangsverlegten und in Sonderansiedlung
festgehaltenen Staatsbürger als Sondersiedler.
Heutige Forscher verwenden die zusammengesetzte Terminologie. Sie haben den
wesentlichen Inhalt beibehalten – die Menschen wurden gewaltsam ausgesiedelt,
befanden sich in den Verbannungsorten unter Aufsicht und durften die Orte nicht
verlassen.
Verbannte
Durch Gerichtsbeschluß wurden Familienmitglieder von Trotzkisten und Rechten,
Familienmitglieder von Vaterlandsverrätern und Personen, die aufgrund ihrer
antisowjetischen Verbindungen eine Gefahr darstellten, auf eine bestimmte Zeit,
unter Aufsicht der MWD (MGB)-Organe, in die Verbannung geschickt.
Trud-Armeen (Arbeitsarmeen)
Militarisierte Arbeiterformationen, die in sich Merkmale einer militärischer
Organisation, Elemente aus dem Produktionsbereich und des GULAG vereinen.
Existierten in der Zeit von 1941 bis 1945. Wurden aus Vertretern verschiedener
Nationalitäten – Sowjetdeutschen, Russen, Finnen, Rumänen usw. rekrutiert. Die
in Arbeitskolonnen Mobilisierten gaben sich selber die Bezeichnung Trudarmisten,
um ihren sozialen Status von dem gewöhnlicher Häftlinge abzugrenzen.
„Ukasniki“
Bauern, die gemäß Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 2. Juni 1948
„Über die Aussiedlung in entfernte Gebiete von Personen, die sich in böser
Absicht der Arbeit in der Landwirtschaft entziehen und ein antisowjetisches,
parasitäres Leben führen“, zur Sonderansiedlung verschleppt wurden. In der Regel
wurde die Entscheidung über die Ausweisung von der Kolchosversammlung getroffen.
Auf diese Weise wurden die Kolchosarbeiter für die Nichterfüllung des Minimums
der vorgeschriebenen Tagesarbeitseinheiten bestraft.
1. L.P. Belkowez. Die administrativ-rechtliche Lage der Rußland-Deutschen in
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