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I.W. Jefremow. Lebensmittel-Probleme in Sibirien in den Jahren 1928-1930 (anhand von Materialien des Irkutsker Gebiets und der Region Krasnojarsk)

I.W. Jefremow, Kandidat der Geschichtswissenschaften
Staatliche Universität Bratsk

Untersucht wird die Lebensmittelsituation, die in den Jahren 1928-1930 auf dem Territorium des Irkutsker Gebiets und der Region Krasnojarsk entstand. Angeführt werden eine Reihe von Fakten, die bezeugen, dass aufgrund von Missbräuchen und Veruntreuungen, wie sie während der Getreidebeschaffungskampagne zugelassen wurden, in einer Reihe von Bezirken Sibiriens eine Hungersnot ausbrach.

Schlüsselwörter: Getreide, Markt, Bauern, Kulaken, Konfiszierung, Art. 107, Hunger, Sibirien.

Ende 1927 wurde die Lebensmittel-Lage wesentlich komplizierter. Zum 1. Januar 1928 standen 128 Millionen Pud weniger Getreide bereit, als geplant war (300 Millionen Pud Getreide anstatt 428 Millionen Pud). Hauptgrund für den Misserfolg bei der Getreidebeschaffung war die Weigerung der Bauernschaft, das Korn zu niedrigen Aufkauf-Preisen an den Staat zu verkaufen [1]. Die Reaktion der Behörden darauf war die Forderung an die untergeordneten Partei- und Räte-Mitarbeiter, die Geldreserven des Dorfes zu entziehen – und zwar auf dem Wege einer maximalen Kürzung der Fristen für alle Steuer- und Versicherungszahlungen, Saatgutanleihen und Kredit-Verpflichtungen der Bauern. Um die Zahlungen begleichen zu können, mussten die Bauern das Getreide an den Staat verkaufen [2].

Ein besonderer Stützpunkt der Macht entstand in Sibirien, wo, wie man meinte, von den Kulaken (Großbauern; Anm. d. Übers.) tausende Tonnen Getreide versteckt wurden. Während seiner Reise durch Sibirien, der einzigen Reise in die entlegenen Gebiete des Landes in den langen Jahren, die Stalin an der Macht war, überzeugte er die lokale Parteispitze davon, dass in den Kornkästen der Großbauern riesige Getreide-Vorräte lagerten. Wegen der Weigerung Getreide an den Staat zu verkaufen forderte er, die Kulaken nach Art. 107 des Strafgesetzes der RSFSR, der eine Strafe wegen Spekulation und Verstecken von Getreide vorsah, heranzuziehen und ihre Getreideüberschüsse zu Gunsten des Staates zu konfiszieren. Nachdem die Bauern sich geweigert hatten, das Getreide an den Staat zu veräußern, wollten sie es auf dem Markt verkaufen, doch dort erwartete sie eine Falle. Für den Fall, dass die Bauern Getreide zu einem höheren Preis als dem staatlich veranschlagten - zu 1,2-1,3 Rubel pro Pud – absetzten, waren sie der Verhaftung ausgesetzt. Überall wurden gerichtliche Schauprozesse durchgeführt, wo Leute nach § 107 wegen Nichtabgabe von Getreide an den Markt verurteilt wurden. Die Getreidebeschaffungskampagne erinnerte von ihrem Charakter her an die Lebensmittel-Verteilung zu Zeiten des Bürgerkriegs. In den Dörfern kam es zu Massen-Durchsuchungen, Razzien, der Konfiszierung von Vieh sowie landwirtschaftlichen und bäuerlichen Vermögens. Materialien zum Gebiet Irkutsk bezeugen, dass der § 107 nicht nur i, Hinblick auf Kulaken angewandt wurde: „Die Bilanzen der Anwendung des Art. 107 gegenüber der Kulaken-Oberschicht im Dorf während der Getreidebeschaffungskampagne zeigen ganz unverkennbar, dass in fast allen Regionen Abweichungen zugelassen wurden – teilweise bekamen auch Mittelbauern einen Schlag versetzt…“ [3].

Bei den Bauern wurden nicht nur die Überschüsse konfisziert, sondern oft das allerletzte Getreide überhaupt, welches sie zur Ernährung ihrer Familie zurückgelegt hatten. Das war eine unmittelbare Verletzung der Anweisung des Politbüros, das eine Beschlagnahme von Getreide lediglich bei den Bauern gestattete, deren Vorräte 2000 Pud überstiegen. Die Kampagne, die ursprünglich als Schlag gegen Großbesitzer von Getreide gerichtet war, wurde allmählich auch gegen Mittelbauern gerichtet.

Einer ihrer Haupt-Vollstrecker in Sibirien, S.I. Syrzow, fällte sein Urteil nach folgendem Muster: „In der Regel gibt es bei uns derzeit keine Getreide-Großbesitzer, und wenn wir es ganz strikt nehmen würden, indem wir einfach die Resolution des Zentral-Komitees durchführten, würden wir uns die Möglichkeit einer weiteren Anwendung des § 107 verbauen … Die Gefahr liegt nicht darin, dass die Organisationen den § 107 auch weiterhin anwenden, ohne sich auf den Rahmen für die vom Politbüro festgelegten 2000 Pud zu beschränken. …Wichtig ist nicht, in welcher Pud-Menge der Kulak für die Sabotage des Marktes, unseres Plans, Getreide zur Verfügung hat; wichtig sind vielmehr die Möglichkeiten, mit denen er auf das gesamte Dorf Einfluss nehmen kann…“ [4].

Analog zu dem, wie es sich im Fall der Lebensmittel-Verteilung in den Jahren des Bürgerkriegs verhielt, führten die angegebenen Maßnahmen zu Lebensmittel-Schwierigkeiten und einer Hungersnot in einer Reihe von Regionen des Landes, unter anderem auch in Sibirien.

Zusammenfassende Berichte über die Stimmung der Bevölkerung in der Region Sibirien im Zusammenhang mit dem Fehlen einer ausreichenden Versorgung mit Getreide (erstellt anhand von Materialien des Sibirischen Regionalen Exekutiv-Komitees, der Bevollmächtigten-Vertretung der GPU, der Gebiets-Exekutivkomitees) wurde im April-Mai 1928 folgendes gemeldet: „Der Mangel an Getreidenachschub durch die Bauern auf dem lokalen Markt, seine Auslieferung über das ZRK in eingeschränktem Umfang und auch nur anhand von Rationslisten löste eine Massen-Unzufriedenheit innerhalb der Stadtbevölkerung gegenüber der Staatsmacht aus. Im Verlauf von zwei Wochen konnte man bei der Mehl-Verteilungsstelle des ZRK riesige Schlangen beobachten – Menschen, die um Mehl und gebackenes Brot anstanden, und in diesen langen Reihen konnte man unglaubliche Provokationen erleben. So äußerte sich beispielsweise eine Gruppe Ladearbeiter, die sich ebenfalls in der Schlange befanden, folgendes: „Man muss sie alle zerreißen, die Schweinehunde; in den Vorratshäusern lagert so viel Korn, und sie rücken es nicht heraus; Arbeiter dürfen keinen Hunger leiden“ (Kansk, aus Materialien der Gebietsabteilung der OGPU). „Lasst uns noch ein wenig warten; wenn es dann kein Getreide gibt, werden wir sie alle in Stücke reißen“ (Gruppe Bauarbeiter, ebenda) [5].

Am 5. Mai desselben Jahres wurden auf dem Marktplatz der Stadt Minussinsk im Zusammenhang mit dem unzureichenden Nachschub an Getreideprodukten die Preise für letztere in die Höhe getrieben, doch ungeachtet dieser Tatsache fand das angelieferte Korn reißenden Absatz. Einer der Einwohner der Stadt Minussinsk der Baptist Gontscharow, begann, indem er an eine Gruppe von 15 Personen herantrat, wie folgt zu sprechen: „Das Volk hungert, das ganze Getreide haben sie den Bauern geraubt, es gibt keins mehr, nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Lande. Überall in Sibirien und Russland hat die Staatsmacht das Korn unter Zwang beschlagnahmt; selbst denen haben sie es weggenommen, die sowieso immer etwas dazukaufen mussten. Die Regierung lässt uns ohne Getreide leben, um es im Ausland zu veräußern. Jetzt kann man nur 20 Pfund kaufen und muss dafür in der Schlange anstehen, und bald wird es so kommen, dass du nicht einmal mehr d3 Pfund erstehen kannst“. Die Anwesenden reagierten auf seine Worte mit folgenden Ausrufen: „Los, kommt her, holen wir sie aus ihrem Amtszimmer, geben ihnen eine kleine Mühle – und dann wird es auch Mehl geben“ (Minussinsk, aus Materialien der OGPU).

„Die völlig unzureichende Versorgung der Bevölkerung nach Tarifen mit ausschließlich fertig gebackenem Brot bewirkte eine jähe Erhöhung des Preises (Roggen-Mehl 2 Rubel) – durch Getreide-Spekulation. Der Versuch, den Markt durch die Verhaftung der berüchtigten örtlichen Spekulanten zu regulieren, Fälle des Verprügelns von Bauern-Verkäufern durch Kaufherrn vertrieben schließlich die Bauern vom städtischen Markt“ (Telegramm aus Kansk) [6].

Analoge Fälle wurden auch in anderen Städten der Region Sibirien festgestellt, aber in den Dörfern war die Situation noch viel angespannter: „Das Bezirkskomitee merkt an, dass es jetzt, insbesondere bei der Versorgung der Armen mit Getreide, ein sehr großes Problem gibt.
Die Kulaken sagen zu den Armen: „Geht zu den Genossen, die geben euch feines Weizenmehl“. Der verarmte Prochorenko sag5te auf einer Versammlung beim Dorfrat: „Sie nehmen den Bauern das Getreide weg und fahren es in die Stadt, und unser Bruder hungert“ (Bolsche-Murtinsker Bezirk, Gebiet Krasnojarsk) [7].

„Am 9. Mai erschien eine Gruppe von bis zu 12 Frauen mit Kindern auf den Armen vor der Amtsstube des Vorsitzenden des Bezirks-Exekutivkomitees und schrie verbittert in den Raum: „Da sitzt er also! Kommt her“. Der Vorsitzende des Bezirks-Exekutivkomitees, Genosse Tokarew, bat die Frauen in taktisch kluger Weise in sein Kabinett, ließ sie sich alle auf Stühlen niedersetzen und ersuchte darum, ihm zu erzählen, worum es ging. Nachdem er sie angehört hatte, erteilte er die Anweisung, dass sie sich zur Brotbäckerei des Landwirtschaftlichen Bauern-Komitees für gegenseitige Hilfe begeben sollten, wo man ihnen das gesamte fertiggebackene Brot aushändigen würde; daraufhin beruhigten die Frauen sich wieder und gingen friedlich auseinander“ (Pankruschichinsker Bezirk, Gebiet Kansk).

„Die Armen fordern jetzt Getreide als Nahrungsmittel; sie verkünden, dass der Kulak und der wohlhabende Bauer es ihnen nicht geben, wobei sie dies entweder mit dem Mangel an Korn oder dem Verbot Handel zu treiben begründen, oder sie schicken sie einfach mit der Erklärung in die Kooperative: „Ihr habt im Winter die Hände gegen mich erhoben, nun folgt dem, wogegen ihr sie erhoben habt“. Dabei betreiben die Kulaken Agitation gegen die immer weiter ansteigenden Getreide-Preise. In der Ortschaft Braschnoje im Bezirk Kansk kamen die Armen, nachdem sie gehört hatten, dass die Garnzew-Abgabe ( Abführung eines bestimmten Teils des abgegebenen Getreides an den Mühlenbesitzer als Bezahlung für das Mahlen des Korns; Anm. d. Übers.) abtransportiert werden sollte, neben der Initiativer der Parteizelle zu einer allgemeinen Versammlung zusammen, ließ den Vorsitzenden der Konsum-Kooperative holen und untersagte ihm den Abtransport des Getreides, wobei sie ihn wissen ließen, dass sie nicht die Absicht hätten zu verhungern“ (aus einem Brief des Sekretärs des Kansker Gebietskomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewisten) [8].

Die vorliegenden Fakten sind nur die ersten Resonanzen der Land-Bevölkerung auf die Beschaffungsmaßnahmen der Behörden in den Dörfern. Zwei Jahre später wütete in Sibirien eine wahre Hungersnot, und die Unzufriedenheit der Bauern trat in einem erheblich schärferen Maße zu Tage. So begab sich beispielsweise am 16. Juli 1930, am Markttag, in der Ortschaft Tjuchtjet eine Gruppe von 30 Bauern. ihrem sozialen Gefüge nach verarmte und Mittelbauern, vorwiegend Frauen, zum Bezirksexekutiv-Komitee und forderten vom Komitee Getreide. Man antwortete der Gruppe, dass sie das nicht bekommen würden, und gab ihnen die Empfehlung, sich an den Dorfrat zu wenden. Vom Bezirksexekutivkomitee gingen die Frauen anschließend zum Getreidespeicher der Kooperative, in welchem ungefähr 500 Pud Korn gelagert waren, und nahmen sich eigenmächtig drei Säcke Korn weg – allein der Lagerleiter hinderte sie daran noch mehr mitzunehmen, indem er das Lagerhaus verriegelte. Da fingen die Frauen an, nach mehr Getreide zu schreien. Durch das Geschrei kamen alle Leute vom Markt herbeigelaufen. Die Menge von mehr als 300 Leuten verlangte das Öffnen des Getreidespeichers und die Herausgabe des Korns. Die inzwischen an Ort und Stelle eingetroffenen Kommunisten und Behördenvertreter versuchten die Bauern dazu zu überreden auseinanderzugehen, doch stattdessen wurden sie mit Stöcken und Steinen beworfen. Bald darauf rissen die Bauern die Einzäunung nieder, zerschlugen die Tür des Speichers und bemächtigten sich der Säcke mit dem Getreide. Anschließend gingen sie alle auseinander und fuhren in ihre Bezirksdörfer zurück [9].

Am meisten litten die südlichen Bereiche Sibiriens unter der Hungersnot. Betroffen waren das Gebiet Irkutsk und die Region Krasnojarsk. Und das, obwohl nach offiziellen Angaben im Jahre 1929 auf den Feldern eine gute Ernte eingefahren wurde. Im Gebiet Irkutsk wurde beispielsweise mitgeteilt, dass einige Kolchosen und Kommunen bis zu 180 Pud Weizen, 140 Pud Roggen und 120 Pud Hafer pro Hektar geerntet hätten [10].

Indem die Forscher von einer so wenig bekannten Erscheinung wie dem Hunger in Sibirien im Jahr 1930 sprechen, lenken sie die Aufmerksamkeit auf eine ganze Reihe bemerkenswerter und äußerst wichtiger Fakten.

„a) Der Hunger versetzte vor allen Dingen und auch am schlimmsten den Erzeugern der Nahrungsmittel einen Schlag – der Bauernschaft, und zudem den produzierenden Bezirken und nicht den Gegenden, die ihren Bedarf an Lebensmitteln anderweitig decken mussten; am schlimmsten zu leiden hatten sowohl die Einzelbauern, als auch Kolchosarbeiter und Arbeiter in den Sowchosen der größten Kornkammer im asiatischen Teil der UdSSR – dem Süden Sibiriens.

b) Die Hungersnot im Süden Sibiriens setzte früher ein, als in den anderen Regionen der UdSSR (Ukraine, Nord-Kaukasus, Mittleres Wolgagebiet usw.), wo sie besonders schmerzvoll und heftig wütete. Hier kam ihr Höhepunkt zu einer Zeit, als sie dort noch nicht mit vollem Ausmaß eingetreten war.

c) Die Hungerperiode dauert hier länger als in anderen Regionen, denn sie endete zur gleichen Zeit“ [11].

In einer streng geheimen Notiz über den unmittelbaren Draht des Leiters der Abteilung Statistik und Information der Bevollmächtigten-Vertretung der OGPU im Gebiet Sibirien G.A. Lupekin an den stellvertretenden Vorsitzenden der OGPU G.G. Jagoda, datiert vom 26. Mai 1930, wurden zahlreiche Fakten für die Unzufriedenheit und den aktiven Protest er sibirischen Bauern als Antwort auf fehlende Lebensmittel angeführt.

Im Gebiet Irkutsk beispielsweise, im Dorf Golumet, Tscheremchowsker Bezirk, wurde am 23. Mai Brandstiftung an der Kantine der Kommune „Gigant“ verübt. Unter dem Verdacht, diese Tat ausgeführt zu haben, wurden zwei Kulaken und vier Mittelbauern verhaftet. Mit den Ermittlungen befasste sich die Gebietsabteilung der OGPU [12].

In einem anderen Dokument vom 8. Juli 1930 (Notiz per direkter Leitung der Kommission des Sibirischen Regionalen Exekutivkomitees an den in Moskau befindlichen Sekretär des Sibirischen Regionskomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken) R.I. Eiche, in dem über die Hungersnot in den ländlichen Bezirken Sibiriens informiert wird, hieß es wie folgt: „… Im Gebiet Atschinsk sind die besonders schlecht versorgten Bezirke: der Uschursker, Atschinsker, Bogotolsker, Tissulsker und Tjuchtjetsker, in denen die Nichtversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bis zu 70% erreicht; insgesamt gesehen beträgt die Unterversorgung im Gebiet Atschinsk 50%. Infolgedessen wird das Vieh verkauft und geschlachtet. Von ölhaltigen Samen, Gräsern und Surrogaten ernähren sich die Menschen in den Dörfern: Bait, Lebedjewka, Lwowkia,Dratschewka, Tutulowka, Warwarinka und anderen. Die Mitlieder der Kolchose „Krasnaja Poljana“ leben in großer Armut. In der Schtschetinkin-Kolchose besitzen 45% der Mitglieder kein Getreide, und so weiter, es gibt mehrere analoge Fakten… Eine ähnliche Lage lässt sich auch im Gebiet Krasnojarsk beobachten. Einzelbauen, vor allen Dingen Frauen kommen zum Bezirks-Exekutivkomitee und erklären, dass sie bereits seit mehreren Tagen hungern. Eine Delegation von Kolchosmitgliedern aus 20 Dörfern erschien beim Balachtinsker Bezirks-Exekutivkomitee mit der Forderung nach Getreide und erklärte das vollständige Fehlen von Korn im gesamten Monat Juli… Im Gebiet Irkutsk ist eine Reihe von Ortschaften und Kolchosen katastrophalen Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln ausgesetzt. Es wurde ein Fall ermittelt, in dem der ehemalige rote Partisan Plotnikow versucht hat, aufgrund des herrschenden Hungers in aller Öffentlichkeit im Ratsgebäude sein eigenes Kind zu töten. Im Balagansker Bezirk wurde von zwei Kommunen wegen des Fehlens von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmitteln gebeizter Saatweizen gemahlen. Infolgedessen erlitten 60 Kolchosangehörige Vergiftungen; sie konnten nur durch schnell eingeleitete ärztliche Hilfsmaßnahen vor dem Tod gerettet werden…“ [13].

Es ist bemerkenswert, dass das Land zu genau derselben Zeit auch weiterhin Getreide ins Ausland exportierte. In einem Telegramm von A.I. Mikojan an J.W. Stalin vom 3. Oktober 1930 hieß es, dass es im September nicht gelungen sei, die Aufgabe des Politbüros für die Getreideausfuhr zu erfüllen. Anstelle der geforderten 90 Millionen Pud seien lediglich 46 Millionen Pud exportiert worden. Als Hauptgrund für diesen Rückstand nannte er die Nichterfüllung des Getreidebeschaffungsplans seitens der Ukraine und des Nord-Kaukasus. Vom 25. bis 30. September überstieg die durchschnittliche tägliche Ausfuhr an Korn 2,5 Millionen Pud. In den ersten Oktobertagen sollte eine Planzahl von 3-4 Millionen Pud pro Tag erreicht werden [14].

Literaturangaben

1. Kotschajew, W.G. Am Vorabend der Kollektivierung. J.W. Stalins Reise nach Sibirien// Fragen zur Geschichte. 1998. N° 5, S. 101.
2. Ebenda.
3. Protokolle der Sitzung des Büros des Irkutsker Gebietskomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewisten) 1926-1930// Staatsarchiv für neuzeitliche Geschichte des Irkutsker Gebiets. Fond 16. Verz. 1. Dossier 574. Blatt 58.
4. Papkow, S.A. Der stalinistische Terror in Sibirien. 1928-1941. Nowosibirsk: Verlag Sib. Fil. der Russ. Akad. d. Wiss. 1997. S. 13.
5. Dokumente des Allrussisches Zentral-Exekutivkomitees der Räte- und Arbeiter-, Bauern . u. Rotarmisten-Deputierten. 1922-1928// Staatsarchiv der Russischen Föderation. Fond 1235. Verz. 140. Dossier 1108. Blatt 7.
6. Ebenda. Fond 1235. Verz. 140. Dossier 1108. Blatt 5.
7. Ebenda. Fond 1235. Verz. 140. Dossier 1108. Blatt 4.
8. Ebenda. Fond 1235. Verz. 140. Dossier 1108. Blatt 2.
9. Dokumente des Atschinsker Gebietskomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei / Bolschewisten). 1929-1930// Staatsarchiv der Region Kasnojarsk. Fond P-59. Verz. 1. Dosier 747. Blatt 6.
10. Skizzen der Geschichte der Irkutsker Organisation der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Teil 2. Buch 1 (1920-1945) / Red.-Verf: S.A. Merkurjew, A.J. Schapranowa. Irkutsk: Ost-Sibirischer Buchverlag. 1976. S. 151-152.
11. Malyschewa, M.P. Die Hungersnot in Süd-Sibirien im Jahre 1930. // Humanitäre Wissenschaften in Sibirien. 1998. N° 2. S. 84.
12. Ebenda. S. 85
13. Malyschewa, M.P. Die Hungersnot in Süd-Sibirien ... S. 86-87.
14. Die Tragödie der sowjetischen Dörfer. Kollektivierung und Entkulakisierung. 1927-1939:
Dokumente und Materialien. / Unter der Red. von W. Danilowa, R.Manning, L. Violy.

Wissenschaftlich-periodisches Journal „Probleme der sozial-ökonomischen Entwicklung Sibiriens“, N° 4 (10) (2012)




 


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