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Die Rückkehr der Namen. Über das krasnojarsker Buch der Erinnerung an die Opfer der politischen Repressionen

Das Krasnojarkser «Memorial» hat mit der Erstellung von Listen unterdrückter Personen begonnen, die im Zusammenhang mit der Region Krasnojarsk stehen. Am ersten Tag trugen wir mehrere Biogramme auf den Rückseiten von Lochkarten ein. Die Archive waren geschlossen, und so machten wir uns die öffentlich zugänglichen Quellen zunutze: Veröffentlichungen in der Presse, Interviews mit Repressionsopfern und ihren Angehörigen. Als die Archive sich dann schließlich öffneten, bearbeiteten wir eine Vielzahl von Dokumenten bei der Regionalverwaltung des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation (RU FSB), der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten (GU MWD), dem Staatlichen Archiv (GAKK), des Regionsgerichts. Dem Zentrum für die Aufbewahrung und das Studium von Dokumenten der neuzeitlichen Geschichte (ZChIDNI). Mitte der neunziger Jahre verfügten wir über zehntausende Biogramme auf Lochkarten. 1994 begannen wir damit sie in eine Datenbank einzupflegen, und 1998 – veröffentlichten wir sie auf unserer Internetseite.

Natürlich wurden in den neunziger Jahren Versuche unternommen, ein Buch der Erinnerung (traditionsgemäß über nach $ 58 verurteilte Personen, genauer gesagt – nach den 14 unterschiedlichen Artikeln des § 58 des Strafgesetzes der RSFSR) herauszubringen. Allerdings geschah dies auf eine im behördentechnischen Sinne unprofessionelle Art und Weise – man schrieb unkorrekte Briefe und schickte sie nicht an die richtigen Instanzen. Selbst informelle Gelegenheiten wurden nicht genutzt – es genügt zu sagen, dass ich den Gouverneur der Region, W.M. Subow, der von 1993–1998 amtierte, persönlich gut kannte und sogar im selben Hauseingang wie er wohnte. Statt Papiere zu schreiben, hätte ich einfach abends zwei Stockwerke hinaufgehen brauchen und das Problem in fünf Minuten lösen können. Leider kam ich damals nicht auf diese Idee.

Die Arbeit am Buch der Erinnerung begannen wir mit zehnjähriger Verspätung, im Jahre 2004. Die Mitarbeiterin der Regional-Verwaltung S.N. Sykowa gab uns einen Hinweis, wie wir den Brief abfassen und an wen adressieren sollten, und sorgte dafür, dass er durch die richtigen Kanäle gelangte. Der Verwaltungsrat stellte ein Budget zur Verfügung und genehmigte einen Redaktionsbeirat und eine Arbeitsgruppe, der neben Memorial-Mitgliedern auch Vertreter der Departements- und Staatsarchive angehörten. Die Archivagentur der Region Krasnojarsk wurde zum Ausführenden der Arbeiten ernannt, und alle finanziellen und organisatorischen Fragen wurden über sie gelöst.

Beim «Start» des Krasnojarsker Buches der Erinnerung ist es wichtig, die Rolle des Projekts der Schaffung einer vereinten Datenbank über die Repressionsopfer «Rückkehr der Namen» (sie entstand im Jahr 2000) zu erwähnen. Während eines Seminars von Projektteilnehmern aus Sibirien und dem Fernen Osten in Krasnojarsk wurden weitere regionale Bücher der Erinnerung vorgestellt. Aber wir hatten nichts vorzuweisen, was S.N. Sykowa dazu veranlasste, die Veröffentlichung des Krasnojarsker Erinnerungsbuchs mitzuinitiieren.

Der Redaktionsausschuss des ersten Bandes setzte sich wie folgt zusammen:

N.W. Krepyschewa – Stellvertreterin des Gouverneurs der Region Krasnojarsk, Vorsitzende des Redaktions-Kollegiums (später gab es auch andere Gouverneurs-Stellvertreter);

W.N. Pukaschowa – Vorsitzende des Komitees für Archiv-Angelegenheiten der Region Krasnojarsk, stellvertretende Vorsitzende des Redaktionskollegiums;

S.N. Sykowa – Hauptspezialistin des Komitees für die Zusammenarbeit mit den Organen des Sozialen Bereichs des Verwaltungsrates der Region Krasnojarsk, Sekretärin des Redaktionskollegiums.

A.A. Babij – Vorsitzender der öffentlichen Organisation «Krasnojarsker Gesellschaft für Geschichtsaufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge "Memorial", Leiter der Gruppe;

L.W, Gruskaja – Leiterin der Abteilung für die Überwachung der Durchsetzung des Gesetzes über föderale Sicherheit und interethnische Beziehungen der Staatsanwaltschaft des Gebiets Krasnojarsk;

W. S. Kim – Leiter der Behörde für den sozialen Schutz der Vevölkerung bei der Verwaltung der Region Krasnojarsk;

W.I. Kondoba – Leiter der Abteilung der Regionaldirektion des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation für das Gebiet Krasnojarsk;

È. W. Korikow, Leiter des Informationszentrums der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten der Region Krasnojarsk.

Arbeitsgruppe:

A.A. Babij – Leiter der Gruppe;

O.R. Sordija – Leiterin der Abteilung für die Erhaltung des staatlichen Teils des Archivfonds des Komitees für Archive der Verwaltung des Gebiets Krasnojarsk, stellvertretender Teamleiter;

J.W. Rjaboschtanowa – Hauptspezialistin des Komitees für Archive der Verwaltung der Region Krasnojarsk, Sekretärin der Arbeitsgruppe;

T.D. Atamanowa – Leiterin der Abteilung für Sonderfonds des Informationszentrums der Hauptabteilung für innere Angelegenheiten des Gebiets Krasnojarsk;

M.G. Wolkowa – Mitglied der öffentlichen Organisation «Krasnojarsker Gesellschaft für Geschichtsaufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge "Memorial";

A.S. Ilin – Doktor der Geschichtswissenschaften;

L.A. Maljuta – Mitarbeiterin der Regionaldirektion des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation für das Gebiet Krasnojarsk;

T.J. Omeltschuk – Leitender Spezialist des Komitees für Archive der Verwaltung der Region Krasnojarsk;

W.G. Sirotinin – Vorstandsmitglied der öffentlichen Organisation «Krasnojarsker Gesellschaft für Geschichtsaufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge "Memorial";

S.B. Sirotinina – Mitglied der öffentlichen Organisation «Krasnojarsker Gesellschaft für Geschichtsaufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge "Memorial".

Die Hauptaufgabe des Redaktionsausschusses bestand darin, die allgemeinen Grundsätze der Veröffentlichung festzulegen und die Texte der Artikel zu genehmigen. Die Arbeitsgruppe war für die Listen der Repressionsopfer zuständig. L.A. Maljuta und T.J. Omeltschuk arbeiteten an den Archiv-Ermittlungsakten (ASD). S.B. Sirotinina stellte die Namen der Repressierten in einer vereinten Liste zusammen, die sie gleichzeitig mit der Datenbank von "Memorial" abglich und zahlreiche Widersprüche in den Biogrammen beseitigte.

Die Arbeit war intensiv, und jedes Jahr produzierten wir einen Band mit 512 Seiten, der etwa 5.000 Biografien in alphabetischer Reihenfolge enthielt.

Man könnte sagen, dass die jahrzehntelange Verzögerung von Nutzen war.

Erstens konnten wir uns auf die Erfahrungen mit den damals erschienenen Büchern zur Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen stützen, die sehr vielfältig und von unterschiedlicher Qualität waren. Wir beschlossen, den Aufbau und das Format des Biogramms aus dem Omsker Gedenkbuch zu übernehmen, das unserer Meinung nach eines der besten ist.

Zweitens war in den neunziger Jahren eine große Zahl von Verfolgten noch nicht rehabilitiert worden. Die gesamte Überprüfung der Fälle durch die Staatsanwaltschaft, die in den achtziger Jahren begann, endete erst in den 2000-er Jahren. Auch mussten wir im zehnten Band die „Nachzügler“ sammeln - diejenigen, die nach der Veröffentlichung von neun Bänden rehabilitiert wurden, mit der vollständigen alphabetischen Liste der Namen der Rehabilitierten. Wie dieses Problem von denjenigen gelöst wurde, die in den neunziger Jahren Gedenkbücher veröffentlichten, weiß ich nicht, aber es ist bekannt, dass viele Bücher der Erinnerung sehr unvollständig sind.

Drittens sanken die Arbeitskosten für die Erstellung des Gedenkbuchs in unserem Fall um ein Vielfaches. Das Archiv des regionalen FSB bearbeitete laufend Archiv- und Ermittlungsfälle und füllte die Datenbank mit den eingestellten Verfahren. Im Jahr 2004 waren diese Arbeiten weitgehend abgeschlossen, so dass wir anstelle der umfangreichen Arbeit mit den Archiv-Ermittlungsakten vom regionalen Sicherheitsdienst Proben aus der Datenbank nach dem entsprechenden Buchstaben des Alphabets erhielten. Übrigens entsprach die Zusammensetzung der Datenbankfelder fast vollständig dem Omsker Biogrammformat. Wir mussten uns nur zur Klärung von Fakten und zur Auflösung von Widersprüchen auf die Archiv-Untersuchunsakten stützen.

Außerdem erstellte das chakassische «Memorial» (Leiter N.S. Abdin) in den neunziger Jahren Ein Buch der Erinnerung an die Opfer der politischen Repressionen in der Republik Chakassien (nach der Abspaltung der Republik von der Region Krasnojarsk wurde eine Reihe von Archiv-Ermittlungsakten aus Gründen der territorialen Zugehörigkeit nach Abakan verlagert). Verständlicherweise fanden Materialien aus dem chakassischen Buch der Erinnerung (Band 1, herausgegeben 1999, und Band 2, herausgebracht 2000), auch Eingang in unserer krasnojarsker Edition. Leider verfügte das chakassische Gedenkbuch über ein etwas kürzeres Biogramm-Format.

Somit brauchten wir bei der Arbeit am Buch der Erinnerung lediglich die Archiv-Ermittlungsakten bearbeiten, die vom regionalen FSB an das Staatsarchiv der Region Krasnojarsk übergeben worden waren (in den 1990-er Jahren waren dies Akten über 8 000 Repressionsopfer). Mitarbeiter des Staatsarchivs der Region Krasnojarsk bearbeiteten die Akten, indem sie den Fragebogen ausfüllten, der von L.W. Kowaltschuk im Rahmen des Projekts «Zurückgekehrte Namen» erarbeitet worden war.

In der Phase der Vorbereitung des Beschlusses der Regionalverwaltung waren im Übrigen die Informationen des regionalen FSB über die Anzahl der Fälle wichtig. Es war nämlich vorgesehen, in jeden Band etwa 5.000 Biografien aufzunehmen. Für die Vorbereitung und Herausgabe des Bandes wurden 700000 Rubel bereitgestellt, aber, um das gesamte Budget festzulegen, mussten wir wissen, wie viele Bände herauskommen würden. Nach Angaben des Leiters des Archivs des regionalen FSB befanden sich in der Kartothek der abgeschlossenen Fälle etwa 60.000 Akten über verfolgte Personen, aber nicht nur zu „konterrevolutionäre“ §-58ern, sondern auch im Hinblick auf andere Artikel des Strafgesetzbuchs der RSFSR („Devisen-Spekulanten“, offizielle Straftaten usw.). Außerdem war die Zahl der Karten in der Kartothek etwas größer als die der Fälle, denn es gab Personen, die zweimal oder mehrmals verhaftet worden waren (vor allen Dingen Bauern, die zuerst während der Massen-Kollektivierung gelitten hatten und dann 1937 während der Verfolgungsaktion gegen antisowjetische Elemente verhaftet wurden – im allgemeinen „Kulaken“-Aktion genannt).

So haben wir uns zu Beginn der Arbeit auf 50000 Namen von Repressionsopfern „festgelegt“ (d.h. auf 10 Bände) und sind dann zu dem Ergebnis gekommen: es gibt 50007 Biogramme im krasnojarsker Buch der Erinnerung.

Diese für die amtlichen Archivare traditionelle Berechnungsmethode eignet sich gut für diejenigen Rehabilitierten, die verurteilt oder aufgrund eines Strafprozesses freigesprochen wurden, aber nicht für Deportierte und auf dem Verwaltungswege enteignete Bauern, da die Karten nicht für eine Person, sondern für eine ganze Familie (in der Regel nicht eine, sondern mehrere Personen) ausgefertigt wurden. Anhand der Kartei der Deportierten und Kulaken lässt sich die Zahl der Familien direkt schätzen, nicht aber die Zahl der Personen. Allerdings werden die Biogramme auch in diesem Fall nicht pro Person, sondern pro Familie ausgefüllt.

Das Problem der Vollständigkeit

N.S. Abdin (1925–2009) bearbeitete nicht alle Archiv-Ermittlungsakten, die nach Chakassien ausgelagert worden waren. Im Vertrauen auf die Vollständigkeit seiner Informationen, haben wir das Archiv der Republik Chakassien praktisch nicht in unsere Arbeit einbezogen, und jetzt wissen wir, dass die Namen einer Reihe von verfolgten Personen nicht in das Buch der Erinnerung von Chakassien und damit auch nicht in das von Krasnojarsk aufgenommen wurden.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Archive der nowosibirsker und irkutsker Abteilungen des Föderalen Sicherheitsdienstes in unserer Studie nicht berücksichtigt wurden. Zu Sowjetzeiten gab es die Sibirische Region mit ihrem Zentrum in Nowosibirsk. Im Jahr 1930 teilte sie sich in die Westsibirische Region mit dem Zentrum in Nowosibirsk und die Ostsibirische Region mit dem Zentrum in Irkutsk. Bei ihrer Entflechtung 1934 wurde die Region Krasnojarsk gebildet, aber nicht alle Archiv-Untersuchungsakten für die krasnojarsker Bezirke wurden nach Krasnojarsk verlegt. Wir müssen auch in den Erinnerungsbüchern von Nowosibirsk und Irkutsk nach den Namen der verdrängten Einwohner von Krasnojarsk suchen.

Zur selben Zeit stellte sich heraus, dass die Archiv-Untersuchungsakten von rehabilitierten Personen nicht nur im Archiv der Regionalverwaltung des FSB verwahrt wurden. In erster Linie betrifft dies Vorgänge im Bestand R-2056 des Staatsarchivs der Region Krasnojarsk (Staatsanwaltschaft der 94. Schützendivision, Stadt Krasnojarsk; 2000 Akten). Der Fonds wurde Anfang der neunziger Jahre freigegeben, aber bald wieder als geheim eingestuft. Es gelang uns, eine kleine Anzahl von Fällen aus dem Fonds R-2056 zu bearbeiten und die Namen der Rehabilitierten, über die die Regionalverwaltung des FSB keine Informationen hatte, in das Gedenkbuch aufzunehmen. Es bleibt jedoch das Gefühl einer recht großen Lücke bestehen.

Ein Teil der Archiv-Ermittlungsakten wurde in den sechziger Jahren an die Regionalbehörden des FSB in anderen Regionen übergeben. Die Unterlagen von verfolgten Soldaten mussten in der Regel an die Territorien, in denen sich ihre Geburtsorte befanden, übertragen werden. Wenn die Person, die Repressalien unterworfen gewesen war, als „Zugmaschine“ fungiert hatte, gingen die Archiv-Ermittlungsakten der „Flügelmänner“ mit ihr. Auf diese Weise landeten Fälle aus anderen Regionen in Krasnojarsk, weil der Haupt-Angeklagte ein Einheimischer war. So enthalten beispielsweise die in Krasnojarsk aufbewahrten Archiv-Ermittlungsakten von Rotarmisten aus der Omsker „Ausbildungsschule“ die Namen von Rotarmisten, die nichts mit der Region Krasnojarsk zu tun haben. Wir haben sie in unser Buch der Erinnerung aufgenommen.

In den 1990er Jahren bearbeitete „Memorial“ Krasnojarsk die Rehabilitierungsurteile des Regionalgerichts für die 1950er bis 1960er Jahre. Dadurch war es möglich, in das Buch der Erinnerung auch die Namen derjenigen Repressierten aufzunehmen, deren Archiv-Untersuchungsakten derzeit nicht im Archiv des regionalen FSB vorhanden sind.

Die «Bauern» - Bände

Als Band 7 des Buches der Erinnerung gedruckt wurde, war die Konkurrenz zwischen den Verlagen so groß, dass sie den Druckpreis um das Anderthalbfache „senkten“. Dies ermöglichte es uns, Band 8 noch im selben Jahr zu veröffentlichen (wir arbeiteten bereits „proaktiv“ und nicht unter einem schrecklichen Zeitdruck, wie bei den ersten Bänden, und die Hälfte der Arbeit an Band 8 war bereits im Voraus fertig).

Das führte zu einem bemerkenswerten Ereignis. Wir ruhten uns auf unseren Lorbeeren aus, betrachteten unsere ganze erledigte Arbeit und veröffentlichten den zehnten Band, in dem alle "übriggebliebenen" Biogramme zusammengestellt worden waren. Es waren in der Tat zehn Bände, aber wir haben sie in neun Jahren im Rahmen des Neunjahresbudgets fertiggestellt, und die Archivierungsstelle hat entsprechend dem Budget des Projekts Mittel für den letzten Band erhalten. Wir erfuhren davon im März, was bedeutete, dass nur noch sehr wenig Zeit für die Vorbereitung des Bandes blieb.

Was nun? Die „58er“ waren abgeschlossen, die Idee eines „bäuerlichen“ Buches lag noch in der Luft. Im Archiv des Informationszentrums der Staatlichen Behörde des Innenministeriums, existierten, wie wir wussten, «wiederhergestellte» Akten zur Rehabilitierung enteigneter Personen. Die Anmelde-Unterlagen der so genannten „Kulaken“ wurden in den fünfziger Jahren vernichtet, da sie „keinen historischen Wert“ hatten. Als die enteigneten Bauern 1992 rehabilitiert wurden, legte das Informationszentrum daher einen Fonds mit „wiederhergestellten“ Fällen an: Anträge von Bürgern, Archivierungsurkunden aus Staats- und Behördenarchiven, Gerichtsurteile usw. Dort gab es nicht nur Enteignete aus der Region Krasnojarsk (in unsere Region wurden auch zahlreiche Enteignete aus anderen Regionen deportiert), aber auch für die aus dem krasnojarkser Territorium reichte es für einen kompletten Band.

Im Informationszentrum "ließ ich mich sechs Monate lang nieder", die Inspektoren des Zentrums schlossen sich der Arbeit an, und wir bereiteten gemeinsam den 11. Band des Buches der Erinnerung für 5000 krasnojarsker Familien vor.

Die Besonderheit des 11. Bandes besteht darin, dass er Informationen aus den vorangegangenen Bänden verwendet. Viele enteignete Bauern wurden mehr als einmal verhaftet: in den 1920er Jahren, in den frühen 1930er Jahren und schließlich während der Strafkampagne des 37. Wir fügten diese Zeugnisse in die Biogramme ein. Soweit mir bekannt ist, war das eine Novität, denn für gewöhnlich besteht ein Band des Buches der Erinnerung entweder aus den Namen derer, die auf strafrechtlichem Wege aus politischen Motiven verurteilt wurden oder es handelte sich um «bäuerliche» – die auf administrativem Wege verbannt wurden.

Während der Vorbearbeitung von Band 11 diskutierten wir mit dem Staatsarchiv der Region Krasnojarsk die Idee, eine Reihe von „bäuerlichen“ Bänden zu erstellen, die sich auf die Bezirksfonds über diejenige stützten, den man die Wahlrechte entzogen hatte ( sog. "Entrechtete). Bei der Verwaltung wurde diese Idee positiv aufgenommen, aber um das Budget genehmigen zu lassen, musste man wissen, wie viele «bäuerliche» veröffentlicht werden würden. Da etwa 50000 Familien in einen Band passen, musste man wissen, wie viele Höfe auf dem Territorium der Region enteignet (ruiniert) worden waren. Diese Zahl konnte niemand nennen – weder die Historiker noch die Archivmitarbeiter. Bei der Staatlichen Innenbehörde nannte man eine Ziffer von 12 000. Diese Zahl «behielten wir im Hinterkopf», denn es gab einfach keine andere, und so baten wir um die nötigen Geldmittel für insgesamt drei Bände. Wie sich herausstellte, hatten wir uns gewaltig geirrt - die drei Bände umfassten lediglich die Hälfte der Kreise der Region Krasnojarsk. Heute schätzen wir die Anzahl der zerstörten Hofwirtschaften auf etwa 30000 (und das ohne Chakassien!), aber genaue Zahlen können wir erst nach der Vorbereitung des letzten «Bauern»-Bandes nennen. (Mit dem Staatsarchiv der Region Krasnojarsk kamen wir überein, dass wir uns bereits an die Vorbereitungen für die nachfolgenden „Bauern“-) Bände machen würden, doch das Geld für die Veröffentlichung erst beantragen würden, wenn ihre genau Anzahl bekannt wäre.)

Die Bezirksfonds über die Entrechteten waren teilweise an das Staatsarchiv der Region Krasnojarsk übergeben worden – zum Teil auch nicht. Im Gegensatz zur Omsker Arbeitsgruppe des Buches der Erinnerung, die jeden Tag ins Regionalarchiv ging, um sich zu informieren, musste unsere Gruppe mehrere Monate im Jahr in den Bezirkszentren der Region Krasnojarsk verbringen. Die „Arbeitsgruppe“ war jedoch dazu bereit und bestand aus einer einzigen Person - ich war im Ruhestand und konnte mir lange und ausgedehnte „Dienstreisen“ leisten. Auf die Hilfe der Bezirksarchivare konnten wir nicht zählen - sie waren bereits mit Arbeit überlastet. In vielen Archiven gibt es außer dem Leiter niemanden, und sie arbeiten oft bis spät in den Abend hinein.

Drei Krasnojarkser «Bauern»-Bände (12, 13, 14) wurden im Alleingang vorbereitet, und das war eine sehr schwere Aufgabe – einmal im Jahr einen Band von 512 Seiten Umfang über 5000 Familien herauszubringen. Als Band 14 herauskam und die Finanzierung abgeschlossen war, atmete ich vor Erleichterung tief ein, denn noch einen weiteren Band 15 in diesem Arbeitsmodus vorzubereiten – dazu wäre ich physisch nicht in der Lage gewesen.

Während die Bände über die nach § 58 Verurteilten in alphabetischer Reihenfolge ihrer Familiennamen herausgegeben wurden, erfolgte dies bei den «bäuerlichen» – in der alphabetischen Ordnung der Bezirke. Dies ist auf die Art und Weise der Finanzierung zurückzuführen - die Mittel für den nächsten Band wurden einmal pro Jahr zugewiesen. Während dieser Zeit ist es möglich, mehrere Bezirksarchiv-Bestände über „Entrechtete“ zu bearbeiten. In Omsk wurde die Arbeit auf eine andere Art und Weise durchgeführt - man bearbeitete zunächst alle Archiv-Bestände zu entrechteten Personen (das dauerte fünf Jahre) und gab dann fünf „Bauern“-Bände heraus, in denen die unterdrückten Familien alphabetisch geordnet waren. Dort beseitigten die Omsker Überschneidungen - ständig entstanden neue Bezirke, wurden aufgelöst und umgestaltet, und einige der für das Buch der Erinnerung erforderlichen Dokumente landeten in einem Bezirksarchiv und einige in einem anderen.

Im Krasnojarsker Buch der Erinnerung ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Familienbiogramm zunächst in einem Band und dann in einem anderen Band erscheint, und zwar bereits mit ergänzenden Informationen aus anderen Quellen.
Übrigens haben wir die Bände in alphabetischer Reihenfolge der Bezirke entsprechend der administrativen Aufteilung während der Zeit der Repressionen zusammengestellt. Zum Beispiel ist der heutige Bezirk Krasnoturansk im 12. Band unter dem Buchstaben A enthalten, weil er vor 1933 Abakansker Bezirk hieß. Das Gleiche gilt für den Sajansker Bezirk, der bis 1936 zum Aginsker Bezirk gehörte. Der Bezirk Tjuchtjet war früher Teil des Bogotolsker Bezirks und der Kreis Bolscheuluj gehörte zum Kreis Achinsk, so dass es für diese Kreise keine separaten Listen gibt.

Zusammensetzung der Daten

Unser «Know-how» – das ist das Format der Familiendaten. Die «bäuerlichen» Bände bestehen im Prinzip aus den familienweise zusammengestellten Daten, aber die Zeugnisse über eine Familie kommen für gewöhnlich aus dem Bestand derer, denen die Wahlrechte entzogen worden waren.

Soweit es möglich ist, entnehmen wir für die Biogramme Informationen über die gesamte Familie aus unterschiedlichen Quellen: Kinder, Brüder, Schwestern und andere Verwandte. Mitunter nimmt ein Biogramm eine ganze Seite ein: Neben den Informationen über die Entrechtung und Vertreibung finden sich dort auch die Geschichten einzelner Familienmitglieder - einige wurden später verhaftet und erschossen, andere kamen zur Hinterland-Miliz, wieder andere wurden ins Exil geschickt. Diese Zeugnisse stammen nicht nur aus den vorangegangenen Bänden unseres Buches der Erinnerung. So flohen beispielsweise zahlreiche Bauern aus dem Bezirk Tjuchtjet nach Sachalin und wurden dort 1937 verhaftet und erschossen – das heißt, es kommen auch Daten aus dem Sachalinsker Buch der Erinnerung zur Verwendung. Viele Bauern aus den westlichen Territorien der Region Krasnojarsk wurden auf das Territorium des heutigen Gebiets Tomsk verschleppt und dort während des Großen Stalinschen Terrors verhaftet; wir finden Zeugnisse darüber im Tomsker Buche der Erinnerung. Informationen über die Familienzusammensetzung werden häufig aus Briefen und Erinnerungen der enteigneten Kulaken entnommen oder ergänzt, da diese Informationen in den Beständen der Rechtlosen meist sehr begrenzt und widersprüchlich sind.

Die Technologie der Arbeit

Es ist erwähnenswert, wie die Arbeit in den Beständen der Entrechteten abläuft. Zunächst verbrachte ich viel Zeit in Bezirksarchiven (vier Monate in Atschinsk, drei Monate in Bogotol usw.). Aber dann wurde mir klar, dass es zwei grundverschiedene Arten von Akten gibt: Listen - und persönliche Akten und Karteikarten. Listen nehmen die meiste Zeit in Anspruch: für eine einzige Akte mit Listen benötigst du eine ganze Woche oder sogar zwei. Personenakten (sofern die Listen bereits bearbeitet sind) sind sehr schnell erledigt (durchschnittlich zwei Minuten pro Akte). Dann habe ich begonnen, bei meinem ersten Besuch in den Archiven eine komplette Neuaufnahme der Dateien mit Listen zu machen (was ein oder zwei Tage dauert) und sie dann zu Hause zu bearbeiten, ohne Einschränkungen bei den Arbeitszeiten. Das hat viele Vorteile: Statt sich im Lesesaal mit einer Lupe zu verbiegen, kann man zum Beispiel das Bild auf dem Bildschirm vergrößern, den Kontrast erhöhen, usw.

Das entlastet meinen Rücken: Die Stühle in den Archiven sind unbequem, hart, und man muss sich ständig drehen und bücken, so dass meine Wirbelsäule am Abend schreit. Zu Hause, auf einem bequemen Stuhl und in einer bequemen Position, ist es viel angenehmer und schneller zu arbeiten.

Bei meinem zweiten Besuch im Archiv bearbeite ich die Personalakten und Karteikarten sehr schnell. Ich schaffe bis zu 200 Akten pro Tag, so dass ich selbst bei großen Beständen über „Enteignete“ diese in einer Woche bewältigen kann. Doch vor kurzem kam ich auf die Idee, statt der Eingabe dieser Informationen in den Computer im Archiv - die Karteikarten und die erforderlichen Seiten in den persönlichen Akten abzufotografieren; und inzwischen verfahre ich sogar mit einem großen Bestand(1.500 - 2.000 Fälle) so. Ich fotografiere mit einem Besuch mehrere Tage land und verarbeite dann alles in Ruhe zu Hause.

Gegenwärtige und zukünftige Projekte

Die Hauptaufgabe für heute besteht darin, die noch nicht bearbeiteten Bezirksbestände von Entrechteten zu bearbeiten und die Listen für die letzten Bände des Gedenkbuchs vorzubereiten. Dies wird mindestens fünf Jahre dauern. Unabhängig davon, ob sie jemals auf Papier veröffentlicht werden oder nicht, werden diese Informationen auf unserer Website eingegeben und sind somit jetzt verfügbar. Wenn wir mit der Region Krasnojarsk in ihren jetzigen Grenzen fertig sind, ist es sinnvoll, sich mit den Akten der Entrechteten in der Republik Chakassien zu befassen.

Die Verfasser des Omsker Gedenkbuchs, denen wir nacheifern, haben auch Bände über die Menschen veröffentlicht, die in die Region Omsk vertrieben wurden. Ich fürchte, dass diese Aufgabe für die Region Krasnojarsk unrealistisch ist - mehr als eine Million Menschen wurden in die Region Krasnojarsk verbannt, das bedeutet zweihundert Bände (ausgehend von 5.000 Menschen pro Band). Zudem sind die Zeugnisse über verschleppte Personen jetzt beim Informationszentrum der Staatlichen Behörde des Innenministeriums unter hermetischem Verschluss. Auf der anderen Seite sind, im Rahmen der Digitalisierung der Archive, all diese unzähligen Karteikarten zwischenzeitlich in die Datenbank aufgenommen worden, und, falls sich die politische Lage ändern sollte, wird die Vorbereitung der Bücher der Erinnerung erheblich leichter sein. In der Zwischenzeit finden wir, da nun die Behördenarchive geschlossen sind, andere Wege, um die Listen der Vertriebenen zu ergänzen. Zum Beispiel hat das Staatsarchiv der Region Krasnojarsk Listen von Deutschen (75.000 Personen) gefunden, die aus der ASSR der Wolgadeutschen deportiert wurden, und wir bearbeiten sie. Litauische und estnische Exilgesellschaften haben uns ihre Datenbanken zur Verfügung gestellt - wir haben die litauischen Listen von 45.000 Personen bereits übersetzt, und die estnischen Listen von 15.000 Personen werden gerade übersetzt.

Die Vorbereitungen für die Bücher der Erinnerung werden fortgesetzt.

Aleksej Babij,
Krasnojarsk, Juli 2024
Zurückgegebene Namen
2024-07-24


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