DAS BAUPROJEKT NO.503 (1947-1953)
Dokumente. Materialien. Forschungsberichte.
Ausgabe 2
Unser Filmteam traf am 19. Juni morgens, aus Moskau kommend, in Krasnojarsk ein – aber ... nur deshalb, um der Anzeigetafel im Flughafen zu entnehmen, dass wir nicht weiterfliegen werden – in Igarka wütete ein Schneesturm, und unser Flug war um mindestens drei Tage verschoben werden. Die Stimmung war nicht besonders. Was sollten wir jetzt machen? Aber in dieser Zeit verfolgte unser Schutzengel Maria Wjatscheslawowna Mischetschkina, Direktorin des „Museums des ewigen Frostes“ in Igarka aufmerksam die Entwicklung des Schneegestöbers. Sie setzte sich mit dem weiblichen Stadtoberhaupt in Verbindung, das ebenfalls wegen des schlechten Wetters in Krasnojarsk hängengeblieben war und bat die Frau uns ein wenig behilflich zu sein. Jelena Prokopjewna Kigene fand uns im Flughafengebäude und half uns so gut sie konnte, vor allem mit dem Transport und der Unterbringung in einem Hotel in Krasnojarsk, das vom Flughafen 25 km entfernt liegt. Maria Wjatscheslawowona informierte auch den Direktor des Zentrums für Kultur und Geschichte – M.P. Schubskij, sowie den Vorsitzenden der „Memorial“-Gesellschaft (der Region Krasnojarsk) – Alexej Babij, über unsere Ankunft. Beide unternahmen alle Anstrengungen, damit wir den Aufenthalt sinnvoll und nützlich verbringen konnten. Sehr gut lernten wir Alexej Babij kennen – ein guter Mensch, ein Mensch mit Seele und wahrer Freund, der sich rührend um uns kümmerte. Wir waren im regionalen Museumskomplex am Ufer des Jenisej, in Diwnogorsk und am Krasnojarsker Wasserkraftwerk. Auf meiner Frage zum Schicksal desKrasnojarsker Durchgangslagers, in dem ich im Sommer 1949 auf die Verschickung den Jenisej flußabwärts wartete, antwortete Alexej als Kenner dieser besonderen Vergangenheit, dass das 1928 geschaffene Durchgangslager 1966 aufgelöst wurde. In diesem Zeitraum hatten 600.000 Gefangene dieses Lager durchlaufen. Unter ihnen auch ich. Gleichzeitig teilte er mir mit, dass auf dem Lagergelände Ende der 1990er Jahre eine Gedächtniskirche errichtet wurde. Wir beschlossen dorthin zu fahren. Es handelt sich um eine kleine, schmächtige, aber,wie ich sagen würde, sogar behagliche Kirche aus roten Ziegelsteinen, mit einer breiten Haupttreppe. Bei unserer Ankunft, und das kam uns sehr gelegen, begrüßte uns der Geistliche – Vater Fjodor. Wir erklärten ihm, wer wir waren. Und irgendwie beschloß ich dann ganz spontan diese Orte noch einmal aufzusuchen. Er erklärte uns ganz genau die Bedeutung dieser Heiligen-Nikolaj-Kirche – dass sie nämlich als Denk- und Mahnmal für die Opfer politischer Repressionen aller Zeiten erbaut worden war. Dann lud er uns zu einemBesuch der Kirche ein, gestatte uns großzügig innen zu fotografieren und zu filmen, was in russischen orthodoxen Kirchen für gewöhnlich nicht erlaubt ist.
Zum Abschluß schenkte er mir eine Ikone von Nikolaj dem Wundertäter, die mir im folgenden half, alle Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden, die allein dreimal dafür sorgte, dass wir unfallfrei über das Eis des Jenisej hinwegflogen und schließlich wohlbehalten auf dem Luftwege auch wieder nach Deutschland zurückkehrten. Am 22. Mai flogen wir mit einer „Antonowka“ (*) nach Igarka – herrlich! In Igarka fiel mir sogleich auf, dass es auf dem Flugplatz der Stadt noch hohe Schneewehen gab. Jelena Prokopjewna nahm uns mit, in einem dort wartenden Geländewagen – eine gruselige Angelegenheit, dieses Fahrzeug! Jelena Prokopjewna gab zu: „Ich sitze selbst zum ersten Mal in einem solchen Fahrzeug“. Aber ein anderes Transportmittel zum Überqueren des vereisten Flußarms, der den Flughafen von der Stadt trennt, und das auch noch kurz vor dem Einsetzen des Eisgangs, gab es nicht. Höchstens noch zufuß. Aber mit unserem ganzen Gepäck, den technischen Geräten unserer Filmgruppe, wäre das unrealistisch gewesen. Der Geländewagen lieferte uns, nach einer Fahrt durch unwegsames Gelände und über offene Stellen im Eis, in der Stadt ab. An der Schwelle unseres kleinen Hotels erwartete uns bereits Maria Wjatscheslawowna Mischetschkina, eine wahrhaft sympathische, liebenswerte Frau, die vom ersten Augenblick an den Weg in unsere Herzen fand. Mehr noch – sie verwandelte die ganze Stadt in unsere Freunde, als ob wir seit eh und je dort gelebt hätten. Das war im wesentlichen der wichtigste Eindruck. Dank Maria Wjatscheslawowna wurde ich überhaupt nicht als Ausländer aufgenommen, sondern als „einer der Unseren“.
Etwas ausführlicher berichtete über unseren Aufenthalt in der Stadt die örtliche Zeitung „Igarsker Nachrichten“, deren Redaktion ich besuchte. Auch die lokale Fernsehanstalt schenkte uns ihre Aufmerksamkeit - herzlichen Dank dafür.
Ziemlich schnell verliebten wir uns in die kleine Café-Bar „Dionys“, wo wir abends immer aßen. Gute russische Küche (Kohlsuppe, Pelmeni (gefüllte Teigtaschen; Anm.d. Übers.), eine äußerst liebenswerte Wirtin. Irgendwann habe ich kurz dort hereingeschaut, als gerade eine Geburtstagsgellschaft am Feiern war. Ich treten näher und erkläre, dass ich Deutscher und aus Potsadm hergekommen bin, dass ich sehr gern ihre Runde fotografieren und filmen möchte. Sie antworten mir: so viel brauchen Sie uns gar nicht zu erklären, wir wissen schon, wer Sie sind. Bitte, machen Sie so viele Aufnahmen, wie Sie wollen. Also wirklich – egal, ob in der Bar, auf dem Basar oder am Ufer des Jenisej – ich bin immer einer von ihnen! Einmal saß ich in eben diesem Café neben einem jungen Mann. Es stellte sich heraus, dass er in Omsk geboren war. Ich bin zwar nicht aus Omsk, aberich habe dort 6 Jahre gesessen – mit einem Wort: wir waren Landsleute. Ich erzähle ihm, dass wir Probleme mit dem Hubschrauber haben, dass wir gern aus der Luft den Eisgang filmen würden. „Kein Problem, ich bin Pilot. Kommen Sie morgen um 8.30 h zum Hubschrauberlandeplatz, dann werden wir fliegen!“ Ja! Und wir flogen tatsächlich – ein bemerkenswerter Pilot. Und genau so verhielten sich die Leute uns gegenüber. Nicht anonym, sondern herzlich. Ich fühlte mich in Igarka als mensch. Später nannte ich den selbstgedrehten Film „Mensch sein in Igarka“.
Unser zentrales Objekt in Igarka war natürlich das Museum des ewigen Frostes, unsere „Chefs“. In den ersten Tagen machten wir uns auf, um mit den bemerkenswerten Mitarbeitern und dem ganz und gar einzigartigen Museum hinter dem Polarkreis Bekanntschaft und Freundschaft zu schließen. Maria, die Direktorin kannten wir ja bereits. Hinzu kamen Swetlana, Wiktoria und Aleksej, ein wunderbares Kollektiv, wie man früher zu sagen pflegte (in Deutschland nennt man das jetzt „Team“), mit dem wir jeden Tag mehrmals die Gelegenheit eines Zusammentreffens hatten. Selbstverständlich schauten wir uns den ganzen Reichtum des ausgestellten historischen, ethnischen und biologischen Materials an. Vor dem Abstieg in die kalte Unterwelt des ewigen Frosteswurden wir mit heißem Tee und Gebäck bewirtet. Großen Eindruck hinterließen die Schächte in einer Tiefe von 10 Metern, mitten im Herzstück des Dauerfrosts. Diese Schächte besaßen früher wissenschaftliche Bedeutung; heute dienen sie ausschließlich den Museumsbesuchern. Das alte, sehr alte Eis blieb erhalten und wird den Nachfahren auch weiterhin von der interessanten Geschichte unseres Planeten erzählen. Dort kommen auch Kinder hin. Wir fanden Spuren von Väterchen Frost und einer Neujahrstanne. Natürlich war für uns die Abteilung mit Exponaten des Bauprojekts 503 von allergrößter Bedeutung, und es war schon ein wenig gruselig, als Walter lebend Irina und Walter als Figuren der Ausstellung begegnete und die Fotografien von damals und sogar unsere Familiendecke aus rauhem Wollstoff wiedersah – Erinnerungen an die Jermakowsker Lager. Ich dachte: „Ruge wird es irgendwann einmal nicht mehr geben, aber die Exponate bleiben, und es werden neue Museumsbesucher kommen“.
Imposant war der Besuch des großen Ausstellungssalles, der mit dem Willen der städtischen Behörden, wie wir erschüttert erfuhren, geschlossen werden soll. Was gibt es dort für seltene Kostbarkeiten, Malereien, wertvolle Exponate, die so viel über den hohen Norden zu berichten haben. Und das Wichtigste: hierher kommen Kinder zum Basteln; sie beschäftigen sich mit handwerklichenTätigkeiten. Unser Besuch geht aber auch nicht ganz ohne Vergnügliches ab. Wir befanden uns in der Töpferwerkstatt, die nicht nur von einem Liebhaber, sondern von der örtlichen Kinderschar bedient wird. Sogar ich nahm mir die Freiheit heraus,meine Fähigkeiten an der Töpferscheibe unter Beweis zu stellen – mit Hilfe des Meisters modellierte ich ein kleines Tässchen. Es ähnelte einem Salzstreuer – von Walter höchstpersönlich angefertigt!
Von Krasnojarsk aus hatte man mich 1949 auf den Flußwege nach Jermakowo gebracht. Hier verbüßte ich die letzten zwei Jahre meiner zehnjährigen Haftstrafe „wegen antisowjetischer Agitation“. Selbstverständlich war ich ein mustergültiger Häftling, und ich bekam wegen guter Arbeit und hervorragender Führung viele Tagesarbeitseinheiten angerechnet. Daher wurde ich auch vorzeitig entlassen – anstatt am 28. Juni 1951 bereits am 30. November 1950. Und dann wurde ich in Jermakowo für die Dauer von 25 Jahren zum „Sonderumsiedler“. Da dies zur damaligen Zeit allgemein üblich war, grämte ich mich darüber auch nicht groß und geriet deswegen auch nicht in Verzweiflung. Im Gegenteil, ich tat alles, um für mein beginnendes Familienleben normale Voraussetzungen zu schaffen. Zu der Zeit schickte mir das Zentralinstitut für Röntgenologie und Radiologie in Moskau auf meineAnfrage ein Duplikat meines Röntgeningenieur-Diploms. Und sofort fand ich Arbeit im örtlichen „freien“ Krankenhaus. Damals lebten wir in Zelten, die mit dem Moos eines nahegelegenen Sumpfes abgedichtet waren. Schon bald fiel die Temperatur im Zelt nachts auf minus 20 Grad. Aaber tagsüber war es warm, denn unsere Eisenöfen brannten ununterbrochen. Im Sommer 1951 bekam ich eine Einzimmerwohnung – mit separater Küche“. Der reine Luxus! Und die übrigen Bedingungen waren für einen ehemaligen Häftling geradezu biblisch. Das Wasser wurde gebracht, Brennholz ebenfalls, es gab elektrischen Strom – und alles umsonst. Freunde und Bekannte fanden sich ein. Mit einem Wort: es bildete sich endlich wieder ein ganz persönliches, ich möchte fast sagen, ein glückliches Leben heraus. Wenngleich ich Sonderumsiedler war, interessierte es niemanden, wohin ich ging und was ich abends machte. Nur dass ich mich alle zwei Wochen in der Kommandantur melden und registrieren lassen mußte.
Die zentrale Figur unseres sehr engen, kleinen Freundeskreises in Jermakowo war Viktor Adolfowitsch Schneider – deutsch klang nur sein Familienname, aber er war durch und durch ein Russe. Ich kannte ihn noch aus der ersten Lageraußenstelle, in der er seine Haftstrafe beendete. Aber bis auf weiteres wurde er damals nicht entlassen (das hätte jedem von uns passieren können – die Haftstrafe war verbüßt, aber trotzdem hielten sie einen in der Lagerzone fest; das quälte mich später noch viele Jahre in meinen Träumen, als ich schon längst in Deutschland wohnte – die Haft ist zuend, aber sie lassenmich nicht frei...). Viktor hatte mir seinerzeit einen schrecklichen Vorarbeiter ins Lager gebracht – Sergo Lominadse. Viktor war an Skorbut erkrankt, und ich verabreichte ihm regelmäßig intravenöse Infusionen mit Ascorbinsäure. So lernten wir uns kennen und freundeten uns an. Er blieb trotz seiner Lagergefangenschaft ein leidenschaftlicher Bolschewik und Leninist; nach der Oktober-Revolution hatte er in der fernöstlichen Partisanen-Armee gegen die Japaner gekämpft.
Sergo Lominadse war sein naher Freund, man kann wohl sagen sein vertrauter und treuer Adjutant. Sie kannten sich bereits aus der Mongolei, wo während des Krieges die Eisenbahnlinie Ulan-Ude (Burjatisch-Mongolische Republik) bis nach Ulan-Bator (Mongolei) gebaut wurde. Sie waren unzertrennlich, und natürlich kam Sergo nach seiner Haftzeit in Jermakowo bei Viktor unter. Ich begann damals mein zivilisiertes Leben, legte mir einen schwarzen Kater namens Wasja und den zottigen Hund Wist zu. Nach langer Unterbrechung tauchten Mädchen auf, was mich später daran hinderte, meiner zukünftigen Frau Irina Alferowa den Hof zu machen. Ich will gar nicht davon reden, dass sie selbst damals eine Menge sich verzehrender Bräutigamsanwärter um sich herum hatte. Als wir uns ein wenig näher kennenlernten wurde sie gefragt: „Sag bloß du willst mit einem Deutschen ein Verhältnis anfangen!?“ Aber das war es nicht, was ihr ein Problem bereitete. Die Frage stellte sich eher anders: ob sie wohl 1954 für diesen Rußland-Deutschen (wie sich mich in der Siedlung nannten) nur einer der Schmetterlinge war, die kamen und wieder davonflatterten, oder ob sie die letzte, die Grande Dame, sein sollte? Zu den Feierlichkeiten am 1. Mai wurde in unserem ziemlich gut organisierten Klub-Theater ein Tanzabend veranstaltet. Mit meinen hervorragenden Tanzkünsten konnte ich meine Irina schließlich überzeugen – und dazu überreden meine Frau zu werden.Und so geriet ich nach Igarka, denn in Jermakowo gab es damals kein Standesamt. Unser Kommandant, Hauptmann Tschubenko, erteilte uns die Erlaubnis für die Hochzeitsreise und eine Sondererlaubnis, dass wir uns in Igarka als Eheleute registreieren lassen konnten, denn Igarka lag mehr als 40 km vom eigentlichen Territorium der Sonderansiedlung entfernt, innerhalb dessen wir uns allerdings frei und ohne besondere Genehmigung bewegen durften. Übrigens fuhren wir mit dem Dampfer „Josef Stalin“ dorthin.
Da war ich nun in dem alten, hölzernen Igarka. Wir lebten damals bei einer leningrader Verbanntenfamilie, den Blekows. Aleksander Blekow war auch unser Trauzeuge. Und heute steht das neue igarsker Standesamt direkt neben dem Hotel, in dem wir jetzt wohnen! Und bei unserem Treffenmit der Leiterin des Standesamtes, Walentina Starodubzewa, händigte diese mir ein „Erinnerungsschriftstück“ mit wunderbaren, emotionalen Versen, die ich auch heute noch ziemlich oft lese. Gleichzeitig überreichte sie mir ein Duplikat jener Heiratsurkunde mit aktuellem Datum – dem 23. Mai 2006. Aber auch das ist noch nicht alles. Ich sah mir den 52 Jahre zurückliegenden Eintrag an und konnte mich davon überzeugen, dass Irina Andrejewna Alferowa tatsächlich beschlossen hatte künftig den Nachnamen Ruge zu tragen. Da wurde die ferne Vergangenheit ganz plötzlich wieder zur Gegenwart.
Dank der großzügigen Aufmerksamkeit, die uns das Oberhaupt des Turuchansker Bezirks, Simona Grigorewna Jurtschenko, entgegenbrachte, kehrten wir auch tatsächlich in die Vergangenheit zurück. Sie organisierte uns ein Hubschrauber-Ticket nach Jermakowo.
Das war am 6. Juni morgens – strahlender Sonnenschein, hervorragende Sicht, der majestätische Jenisej, nun schon eisfrei, während die Nebenarme alle noch mit einem Eispanzer bedeckt waren. Der Kommandeur der Besatzung, Sergej Stezenko, flog auf Bitten des Abgeordneten des Bezirksrats, Aleksander Slobin, der uns begleitete, über das rechte Ufer des Jenisejs hinweg, entlang der ehemaligen Trasse des „Bauprojekts 503“. Man konnte den Bahndamm und den Bahnkörper sehen, wo unsere Jungs sich vor 55 Jahren abquälten, um sich wenigstens ihren täglichen Brotkanten zu verdienen. Wie sich jetzt herausstellte, war alles umsonst gewesen. Die Örtlichkeit von oben ruft so irreale Eindrücke hervor, wie die einer Mondlandschaft, ohne irgendwelche Spuren menschlichen Lebens, mit Ausnahme eben dieser Eisenbahnlinie. Und in der Tat unternimmt die Natur hier alles, was ihr in den Sinn kommt. Man merkt bereits, dass die Taiga alles in sich aufsaugt – es sind fast nur endlose, versumpfte Flächen zu sehen. Wer hat es sich bloß ausgedacht, ausgerechnet hier eine Bahnlinie zu verlegen?
Unsere Maschine durchquerte in westlicher Richtung die ganze Breite des
mächtigen Flusses.
Wie winzig würde da jetzt mein Kopf aussehen! Daran mußte ich denken, als ich
den Jenisej zum ersten Mal im Jahre 1951 überquerte – damals hatte ich keine
Erfahrung, als schätzte ich falsch ein und wäre außerdem beinahe ertrunken. Bis
heute kannich nicht begreifen, wieso ich überlebt habe. Aber später habe ich den
Jenisej mit voller Überzeugung schwimmend überquert, einmal gab ich sogar dem
Dränden meiner Freunde nach: wir nahmen uns ein Boot, um ans andere Ufer zu
gelangen. Dort haben wir schön gegessen und fuhren dann auf demselben Wege
wieder nach Jermakowo zurück.
Während ich mich den herausströmenden Erinnerungen hingab, tauchten am linken Ufer die ersten zerfallenen Gebäude, Baracken und Lagerschuppen auf. Unter uns war das Jermakowo, das mir so vertraut und doch nicht wiederzuerkennen war. Der Kommandeur suchte einen geeigneten Landeplatz und setzte die Maschine meisterlich auf dem bereits frisch hervorsprießenden Gras auf. Der Schnee, den wir hier erwartet hatten, war bereits weggetaut. Die mitgebrachten Gummistiefel waren gar nicht nötig. Alle wandten sich mit der Bitte an mich, ihnen zu zeigen, wo was gewesen war, und dabei hatte ich, um ehrlich zu sein, gar keine rechte Orientierung. Zwischen dem hochgewachsenen Taiga-Gestrüpp war es völlig unmöglich, die Straßen und Gebäude unserer ehemals stolzen Siedlung zu definieren. Aber ein wenig gezittert habe ich doch. Wir fanden ein skelettartig aussehendes, halb verschüttetes Haus – ein vorübergehender Zivilbau -, in dem Irina und ich die letzten Monate vor unserer Abreise aus Jermakowo gelebt hatten. Ich erinnerte mich daran, wie sich damals meine Junggesellenanarchie in einen gemütlichen, bewohnbaren „Salon“ verwandelt hatte: eine handgearbeitete Tichdecke und ein paar kleine Kissen hatten den Raum total verändert. Aus einem obdachlosen Vagabunden wurde ich zu einem Sultan. Ich erklärte den Jungs, wo mein Rigaer Rundfunkempfänger der Marker WEF stand, den ich über die Nowosibirsker Pakethandelsgesellschaft zu Beginn der Schifffahrtssaison 1952 bekam. Es war eine hervorragende radiotechnische Apparatur. Nachdem ich mir noch die notwendige Antenne, die wie ein kleiner Besen aussah, zusammengebastelt hatte, konnte ich schon bald die ganze Welt hören – Ceylon, New York, Delhi, Sidney, Tokio, Radio Brazzaville aus Afrika, Ankara, deie ondoner BBC, Radio Frankreich und natürlich Deutschland. Wichtige Nachrichten, die mit Verspätung aus Nowosibirsk eintrafen und so manche düsteren Neuigkeiten erhielt ich auch aus anderen Quellen. Besipielsweise über die Zusammenstöße in Berlin im Jahre 1953 hörte ich eine Reportage und sogar Maschinengewehrsalven – Dank eines Korrespondenten bei der BBC in London. Damit beim Leser keine Mißverständnisse aufkommen: ich wünschte mir keineswegs den Sieg der Aufständischen in Berlin, sondern war, im Gegenteil, deprimiert, dass die Angelegenheit so eine Wendung genommen hatte. Diese Meinung vertrat der ganze Clan um Viktor – mit der Entstehung der DDR keimten bei uns gewisse Hoffnungen auf Veränderungen auf.
Natürlich fand ich jetzt in Jermakowo nicht das erbärmliche Häuschen wieder, das wir alle gemeinsam im Herbst 1951 gebaut hatten, irgendwo zwischen der ersten Lageraußenstelle und dem Frauenlager (etwas weiter südlich). Wir errichteten es aus hiesigen Materialien – Holz, Lehm, Moos. Das Häuschen glich mehr einem Unterstand, als einer Behausung. Es war bereits kalt, zu Viktor kam seine Ehefrau Sina und ihre Tochter, sowie der gemeinsame (in der Mongolei gezeugte) Sohn Wowa. Wowa wuchs unter der stündlichen Aufsicht Viktors unter der Devise heran: „Hab’ nie vor irgendjemandem Angst“. Aus ihm wurde ine Mittelding zwischen Pirat, Kriminellem und Partisan. Mich würde interessieren, was aus ihm geworden ist! Er müßte jetzt 56 oder 57 Jahre alt sein.
Die wahre Bedeutung dieses kleinen Häuschens war folgende: Stalin lebte noch, verlangte den konspirativen Charakter gewisser „roter Freimaurer“ oder altmodischer Bolschewiken, unserer Begegnungen, zu wahren. Hier war der einzige Ort im gesamten Bezirk, wo man ohne jegliche Befangenheit aussprechen konnte, was man dachte, was einem auf der Seele brannte. Viktor unternahm alles, um jenen Geist des freien Meinungsaustauschs wiederherzustellen, wie er von den Bolschewiken noch nach der Oktoberrevolution verabschiedet worden war. Oberste Grundlage dieser Veränderung war natürlich, dasssich unter uns keine versteckten, geheimen Mitarbeiter, Informatoren der MWD-Sonderabteilung in Jermakowo befanden. Wer auch immer versuchte sich uns anschließen – dies war das Hauptkriterium für seine Aufnahme. Diese Person wurde von uns gründlichst überprüft. Und offenbar ist es uns in all die Zeit gelungen, solchen „Freunden“ zu entgehen. Hier erörterten die „Konterrevolutionäre“ des Nachts bei Tee, leckeren Häppchen, natürlich russischer Küche und nicht nur einer Flasche Schnaps – prinzipielle Fragen, wie das Schicksal des Sozialismus in der Sowjetunion und der Welt. Schon damals kam der Gedanke auf, dass uns eine Zeit des Sichlossagens von Stalins Sozialismus erfaßt hatte, dass gerade er bereits zu Beginn der 1920er Jahre die Revolution verraten hatte. Das war schmählich und gefährlich, aber wie sich später herausstellte, steckte eine Menge Wahres dahinter.
Indessen erdreisteten wir uns in unserem Kreis, ebenfalls an der Zweckmäßigkeit des Bauprojekts N° 503, an der Notwendigkeit dieser Eisenbahnlinie zu zweifeln. Das Einzige, wozu sie gut war: sie sicherte uns eine ganz erträgliche Existenz. Wenn man von den ziemlich bescheidenen Wohnverhältnissen, besonders bei Vikto, Sina und Sergi, absieht, haben sie doch ihre Haftstrafe und auch den Krieg überlebt und sind nicht verhungert. Jermakowo war praktisch die Hauptstadt des Bauprojekts, die Verwaltung war in allernächster Nähe. Und die Versorgung war einigermaßen gut. Innerhalb von 20 Tagen nach Stalins Tod (damals verheimlichte man uns das) hatten sogar die nächsten „Kampfgefährten“ begriffen, dass man die Bahnlinie nicht brauchte, aber all das war in eine Atmosphäre äußerster Geheimniskrämerei gehüllt. Mit den Jahren wurde vieles aufgedeckt. Die Verbote wurden fallengelassen; Tatkräftige fingen an sich Gedanken über Geschäfte auf Kosten des Blutes der Gefangenen zu machen, deren letztes Stöhnen und Sichaufbäumen zu Geld zu machen – und für einige Zeit entwickelte sich sogar ein regelrechter Lagertourismus. Aber die Sache brachte nicht den nötigen Profit.
2005 war ich in den Staaten, in Boston. Mußte ich da ausgerechnet ein Exemplar der russischsprachigen Zeitung „In der neuen Welt“ lesen? Ich traute meinen Augen nicht! Unter der Überschrift „So verschwanden die Lokomotiven“ – eine Fotografie, und darunter steht, wie sie in Jermakowo zwei vierzig Tonnen schwere Loks gestohlen haben! Verständlich, dass es mich, als ich nach Igarka kam, interessierte, wie so etwas geschehen konnte? Ich fand heraus, dass alles seine Ordnung hatte, dass die Loks gar nicht geklaut worden waren. Aber infolge des Einschlusses der Stadt Igarka in den Turuchansker Bezirk, verlor Igarka einige Rechte bzw. man hörte einfach auf, diese auch weiterhin zu berücksichtigen. Aber die Rechte auf den Erhalt der Schutzzone des gesamten Bauprojektes 503 als historischem Wert waren Igarka geblieben. Die neue turuchansker Führung beschloß, die beiden Lokomotiven der Serie „OW“ („Schäfchen“; Anm. d. Übers.) auf eigens Risiko, mit einem Sonderkommando ganz „legal“ von Jermakowsker Gebiet etwas näher an Turuchansk heranzutransportieren, um sie anschließend zu restaurieren und die Loks im Museum unterzubringen. Na, Gott sei Dank hat man „die verlorenen Gegenstände in Opas Hose wiedergefunden!“
Als in den 1950er Jahren das Eis vom Jenisej wegschmolz, gingen wir immer ans Ufer zum Baden. Ziemlich früh, mitunter waren sogar am gegenüberliegenden Ufer noch Eisschollen zu sehen,und das Wasser hatte nur 6-8 Grad. Aber wir hatten keine Wahl, die Badesaison wäre sonst einfachviel zu kurz gewesen. Wir sprangen vom unteren Bootssteg, während die mutigsten Draufgänger es sogar vom oberen Deck wagten. Unsere Jungs Sergo und Franz sprangen schließlich auch von oben. Viktor war kein sportlicher Typ; dafür stand er auf dem Steg und feuerte uns an. Ich wohnte ganz am Rande der Siedlung, gegenüber vom Klub-Theater, so dass ich praktisch ständig an allen möglichen Veranstaltungen und Aufführungen teilnehmen konnte, denn es gab dort erstklassige Inszenierungen mit Schauspielern, Sängern und Regisseuren aus Leningrad, Moskau und Odessa. Derjenige, der das Theater so wunderschön verzaubern konnte, war der Künstler Selenkow aus dem leningrader Kirow-(Marinskij-) Theater für Oper und Ballett – später verliebte er sich in eine freie Mitarbeiterin und erhängte sich, völlig unerwartet für alle, die ihn kannten, kurz vor Ablauf seiner Haftstrafe. Rechts neben dem Klub befand sich das sogenannte Parteikabinett, das von einem MWD-Hauptmann geleitet wurde. Als parteiloser Sonderumsiedler besuchte ich regelmäßig dieses Parteikabinett, und der Hauptmann nahm mich jedesmal freundlich auf. Das Kabinett verfügte über eine große, und in der Siedlung übrigens auch über die einzige, Bibliothek – sie stellte für mich eine wahre Fundgrube dar. Der Hauptmann (ich kann mich leider nicht mehr an seinen Nachnamen erinnern) und ich tauschten sogar unsere Meinungen über das Gelesene aus, denn unter den von mir ausgeliehenen Büchern gab es viele mit einem politischen Thema. Beispielsweise – Rosa Luxemburg. Als im Januar 1953 die Verhaftung der Kreml-Ärzte publik wurde, war er sehr erschüttert, und wir kamen einander noch etwas näher – er war Jude. Übrigens, so geschah es auch mit vielen anderen Juden aus Führungskreisen; von dem Moment an begriffen sie wohl, wie leicht sie zu „unseren Kollegen“ werden konnten.(**).
Damals begeisterte ich mich sehr für das Fotografieren. Fotozubehör konnte man über jene Nowosibirsker Pakethandelsgesellschaft bestellen – diese märchenhafte Einrichtung, wo man, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Lage (du mußtest lediglich im hohen Norden leben), jeden beliebigen Gegenstand ordern konnte: Kleidung, Schemel, Werkzeuge, Rundfunkempfänger und eine komplette Fotoausrüstung. Aber wo sollte ich das Fotografieren erlernen? Das MWD war mir dabei behilflich. Zum Glück hatten sie in unsere Siedlung einen verbannten Berufsfotografen mit seiner Frau Mascha geschickt, und alle Interessenten griffen zur Kamera. Bald darauf bemerkte die Kultur- und Erziehungsabteilung unsere Aktivitäten und lud uns in den Klub ein, damit wir dort einen Fotokreis organisieren konnten, und von da war es dann auch nicht mehr weit bis zu unserer ersten Fotoausstellung in den Wandelgängen des Klubgebäudes.
Viel später, im Jahre 2002, wählte ich von diesen Fotgrafien 35 Exemplare aus und organisierte mit ihnen eine glänzende Ausstellung an der Universität Nanterre N° 10 in Paris. So machte sich das Lernen in Jermakowo um ein Vielfaches bezahlt. Bis zum heutigen Tage ist mir diese Leidenschaft zum Fotografieren geblieben. Nachdem ich 1958 in die DDR zurückgekehrt war, begann ich sogar eine professionelle Ausbildung in Fotokunst in den Kinostudios der DEFA, wo ich achtzehn Jahre lang, bis zu meiner Pensionierung, arbeitete.
Eine außergewöhnliche Möglichkeit für Fotoaufnahmen ergab sich am 25. Mai 2006 am Schulfeiertag „Das letzte Klingelzeichen“ in der Schule N° 1 in Igarka. Eine ganz wunderbare Verknüfung von Vergangenheit und Gegenwart, die Zeit war vorangeschritten und doch gleichzeitig stehengeblieben. Angefangen von der Kleidung: die Schülerinnen hatten für diesen von ihnen vorbereiteten Festtag ihre alten Schuluniformen aufgehoben, die heute schon nicht mehr getragen werden – strenge dunkle Kleider und weiße, gestärkte Schürzen. Die Mädchen trugen weiße Schleifchen, alle hatten breite, rote Schulterbänder mit der Aufschrift „Schulabgänger“. Solche Bänder trugen auch der Direktorund der pädagogische Leiter – mit Aufschriften, die ihre entsprechende Position an der Schule kennzeichneten. Es waren viele Leute da, hauptsächlich Frauen. Es schien, als ob ausschließlich das weibliche Gechlecht die ganze Sache lenkte: Lehrerinnen, Mütter, Schwestern. Auf sehr menschliche Weise verlas die Schuldirektorin Ljubow Aleksandrowna Jewdokimenko den „Befehl“, und alle Schulabgänger standen sogleich militärisch in Reih und Glied und hörten „in friedlicher Absicht“ zu. Die Direktorin sprach nur kurz; sie rief die jungen Leute dazu auf, aufrichtig und fleißig zu sein, denn dann haben wir, die Lehrkräfte, nicht umsonst gearbeitet und gelebt. Wichtige, gut durchdachte, kluge Worte. Mir traten schon die Tränen in die Augen vor so viel aufrichtigem Optimismus bei Lehrern und Schulabgängern. Diese ehrlichen, treuen, gradlinigen Augen, diese fröhlichen Gesichter – und das ungeachtet der Tatsache, dass plötzlich in der Stadt die Trümmer des riesigen Sägewerk-Kombinats und des Meereshafens sichtbar wurden – beide einst der ganze Stolz und die Quelle des Wohlstands aller Stadtbewohner. Ich kann mich noch sehr gut an all die schlnen englischen, finnischen, kanadischen Dampfer erinnern, die dort auf Reede lagen. Ich stelle mir die schmerzliche Frage: „Was für ein Erbe hat unsere Generation diesen blühenden, nach Taten hungernden jungenMenschen hinterlassen?“ Esmuß hervorgehoben werden, dass wir „Igarker sind – und darauf sind wir stolz“. Ja, diese Jugend träumt nicht von einem Parasiten-Dasein. Eines der Mädchen formulierte es so: „Ich fürchtemich nicht vor irgendwelchen Schwierigkeiten, ich bin bereit, alle Hindernisse zu überwinden. Ich möchte Juristin werden, Rechtsanwältin, und dann werde ich gutes Geld verdienen. Dann werde ich den Eltern eine schöne Wohnung kaufen“. So spricht die dankbare Jugend – weit entfernt von Moskau.
Aus dem sowjetischen Patriotismus entstand ein flammender Lokalpatriotismus, der allem Geschehenen seinen Stempel aufdrückte. In diesem Geiste vollzog sich die Ausgbae der Ehrenurkunden für besondere Erfolge, wobei sich herausstellte, dass einige Schulabgänger regelrecht wissenschaftliche Projekte durchgeführt hatten, zum Beispiel in gemeinsamer Arbeit mit dem Museum des ewigen Frostes. Auch das erinnerte wieder in angenehmer Weise an die gar nicht so ferne Vergangenheit. Hier herrschte der Geist der Menschlickkeit, des Anstandes, der Achtung und des Respekts gegenüber den Älteren, besoners gegenüber denLehrkräften. Die Kinder sangen aus voller Seele. Mit Begeisterung. Die Texte waren teilweise von ihnen selbst verfaßt worden. So etwas findetman natürlich in großen Städten nicht – auch nicht in Deutschland, alles ist dort anonym und „topmodern“ geworden. Aber den alten Menschen gefallen die bewahrten Werte der alten Zeit.
Selbst der Eisgang im Juni 2006, den wir bei einem kleinen Picknick mit Maria und Viktor sahen, brachte die Erinnerungen an jene fernen Jahre zurück, als ich tagelang in meinem Pelzmantel in Jermakowo am Ufer lag und die grandiosen Bewegungen der Eisschollen beobachtete. Obwohl ich damals ein Unfreier war, und zudem erst 25 Jahre alt, grämte ich mich nicht und war über meine Lage nicht traurig; ich machte mir noch nicht einmal Illusionen über eine Rückkehr auf das russische Festland (geschweige denn nach Deutschland!), über ein Wiedersehen mit meinem Bruder, den ich während des Krieges aus den Augen verloren hatte. Was aus mir einmal werden würde, spielte für mich keine besondere Rolle. Ich war hier in Jermakowo materiell und auch geistig abgesichert, ich besaß Freunde, wie man sie nur schwer findet – und das ist in einer solchen Situation von sehr großem Wert.
Eisgang – das ist etwas Nichtwiederholbares. Das ist so etwas wie die Niagara-Fälle, aber nur für die Dauer einer Woche. Diese riesigen Schollen erinnern einen an eine Hals über Kopf zurückweichende Armee nach der Niederlage. Diese mächtigen Eisklumpen bringen uns der Vergänglichkeit unseres Daseins näher. Plötzlich siehst du mit eigenen Augen, dass im Leben alles einmal vorübergeht. Und wohin eilen sie? – fragst du dich unwillkürlich. Ins Verderben. Zu ihrer endgültigen Auflösung im Eismeer, wo sie dann von dieser Welt verschwinden. Ganz ungewollt kommt ein unterdrückter Triumph ans Tageslicht: denn während ich noch existiere, freue ich mich über die lebhafte Gesellschaft meiner neuen Freunde, das klare Wetter und darüber, dass es mir gute Fotoaufnahmen ermöglicht ...
Als ich, nach Hause zurückgekehrt, meine igarsker Filme zusammenmit Freunden anschaue, bin ich noch einmal glücklich. Genau so glücklich wie Anfang Juni in Igarka.
Potsdam, 31. Oktober 2006.
* so bezeichnete Walter das Flugzeug AN-24
** das fand tatsächlich statt. Viele ehemalige jermakowsker Polithäftlinge
merkten an, dass es merkwürdigerweise nicht wenige Juden auf unterschiedlichen
Posten gab, die in den rauhen Bedingungen des Bauprojekts 503 arbeiteten – es
war wohl nicht ohne Grund und vermutlich mit einer gewissen Vorahnung, dass sie
bereits 1947-1948 versuchten, aus der Hauptstadt und dem zentralen Bezirk, an
die entfernt gelegenen Großbauprojekte zu kommen – in ganz unterschiedlichen
Eigenschaften: unter ihnen gab es sowohl leitende Mitarbeiter, als auch einfache
Arbeiter (bisweilen nicht gerade prestigegetragene und als bedeutend angesehene
Positionen); sie wollten nur fort – dem Allessehenden aus den Augen gehen ...
Igarka 1954
Irina und Walter gehen nach dem Standesamt in der Stadt spazieren
Walter Ruge und Irina Alferowa-Ruge. Potsdam 1955
W. Ruge mit Nachfahren verbannter Deutscher
W. Ruge im Handwerkerhaus des Museums
Walter nach einem halben Jahrhundert wieder in Jermakowo