Rundschreiben des
Volkskommissars für innere Angelegenheiten der Sowjetunion
im Jahr 1938
Inhalt
N° 106. Über die Vorgehensweise bei der Unterbringung von Kindern politisch verfolgter Eltern über 15 Jahre
20. Mai 1938, Stadt Moskau
An die Volkskommissare der Unions- und Autonomen Republiken, Leiter der NKWD-Behörden der Gebiete und Regionen
In Ergänzung zum Befehl des NKWD der UdSSR N° 00486 vom 15. August 1937 – im Abschnitt Unterbringung von Kindern über 15 Jahre, deren Eltern vom Militärkollegium und vom Militärtribunal nach der ersten und zweiten Kategorie verurteilt worden sind, wird darum ersucht wie folgt zu verfahren:
1. Kinder repressierter Eltern zwischen 15 und 17 Jahren einschließlich, die aufgrund ihrs Verhaltens keine soziale Gefahr vermuten lassen und auch keine antisowjetischen Stimmungen sowie Vergeltungsbereitschaft zeigen, können bei Vorhandensein ihrer (nicht politisch verfolgten) Eltern letzteren zur vollständigen Unterhaltspflicht übergeben werden. In diesen Fällen erfolgt die rechtskräftige Vormundschaft entsprechend dem Rundschreiben des NKWD N° 4 vom 7. Januar 1938.
2. Bei Fehlen von Eltern, die ihren Wunsch zur Aufnahme von Kindern politisch verfolgter Eltern als Mündel erklärt haben, werden Kinder im Alter von 15 bis 17 Jahren, die zur Schule gehen, in Kinderheimen innerhalb der Region, des Gebiets oder der Republik untergebracht (mit Ausnahme der Orte, an denen ihre Eltern repressiert wurden), wobei ihnen die Möglichkeit zu geben ist, die Mittelschule zu beenden. Die Verschickung solcher Kinder in Kinderheime der NKWD-Behörden erfolgt selbständig im Einvernehmen mit den örtlichen Organen des Volkskommissariats für Bildung. den Leitern der NKWD-Behörden obliegt die Verantwortung für die Schaffung der notwendigen Bedingungen zum Abschluss der Lehreinrichtung für die genannten Kinder-Kategorien.
3. Kinder von politischen verfolgten Eltern über 15 Jahre, die nicht zur Schule gehen, unterliegen der Unterbringung in Betrieben und Einrichtungen innerhalb des Gebiets ( mit Ausnahme der Städte, in denen ihre Eltern repressiert wurden) und mit Ausnahme von Unternehmen und Einrichtungen, die Verteidigungszwecken dienen.
4. Das genannte Kontingent von Kindern politischer verfolgter Eltern ist unter Agentenbeobachtung zu stellen, um rechtzeitig Antisowjetische, terroristische Stimmungen und Aktionen aufzudecken und zu unterbinden.
5. Sozial gefährliche Kinder, die antisowjetische und terroristische Stimmungen und Handlungen zeigen, sollen aus öffentlichem Anlass an das Gericht übergeben und auf persönliche Anweisung des GULAG beim NKWD in Lager verschickt werden.
6. Dem Leiter des GULAG, Divisionsintendant Genosse Pliner, ist eine entsprechende Instruktion über die Art und Weise der Lager-Inhaftierung des oben erwähnten Kontingents von Kindern repressierter Eltern zu erteilen.
7. Über Kinder repressierter Eltern über 15 Jahre, die für eine Lehre oder Ausbildung bestimmt sind, macht die NKWD-Behörde der Wirtschafts- und Verwaltungsbehörde des NKWD der UdSSR mittels einer Liste Mitteilung.
8. Der Abzug von Kindern repressierter Eltern aus den Kinderheimen (bei Schülern, die für ihre Klasse zu alt sind oder bei Beendigung der Schule) darf nicht ohne ausdrückliche Genehmigung der Wirtschafts- und Verwaltungsbehörde des NKWD der UdSSR erfolgen.
Stellvertretender Volkskommissar
für innere Angelegenheiten der UdSSR
Kommandeur des Armeekorps M. Frinowskij