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Einige Dokumente aus dem persönlichen Bestand von K.G. Schmidt

Karl Genrichowitsch (Heinrichowitsch) Schmidt (1910-1988), Deutscher, von Beruf Agronom. Lebte als Sonderansiedler im Autonomen Gebiet Chakassien, war in der Arbeitsarmee. Er war ein Mensch, der den kommunistischen Ideen der an der Macht befindlichen Partei treu ergeben war. In seinen Erinnerungen sprach er davon, wie die Kommunisten im Zug auf dem Weg nach Sibirien, wenn der Zug an verschiednen Stationen haltmachte, „geheime“ Partei-Versammlungen durchführten, auf denen sie aktuelle politische und wirtschaftliche Fragen erörterten. K.G. Schmidt war einer der besten Organisatoren innerhalb der Dorfwirtschaft, ein talentierter Leiter der Neuland-Sowchose „Kämpfer“ im Schirinsker Bezirk. Er bekam den Ehrentitel „ Held der sozialistischen Arbeit“ verliehen.

Aus K.G. Schmidts Autobiographie

Im Januar 1928 wurde ich zur Teilnahme an Traktoristen-Kursen geschickt, ... nachdem ich die Lehrgänge erfolgreich abgeschlossen hatte, begann ich als Traktorist zu arbeiten ...

Im Oktober 1929 trat ich gemeinsam mit den Eltern der Woroschilow-Kolchose im Dorf Podlesnoje bei ... Während des Aufbaus der Unterwaldener Maschinen- und Traktoren-Station ab Anfang der 1930er Jahre wurde ich als Traktorist dorthin versetzt und war gehilfe des Leiters der Traktoren-Einheit.

Vom 1. bis 23. August 1930 wurde ich als Traktorfahrer in die Sowchose N° 4 an der Station Besymjannaja, Gebiet Saratow, zur Hilfestellung abberufen. Für gute Arbeit in dieser Sowchose erhielt ich eine Prämie, und man sprach mir öffentlich eine Danksagung aus.

In der Woroschilow-Kolchose blieben die Eltern bis 1941. In dem Jahr zogen sie in die Kasachische SSR, in das Gebiet Zelinograd, Kimsker Bezirk, Dorf Saporoschje, um. Dort starb der Vater im Jahre 1952, die Mutter 1970. Zwei Geschwister leben dort heute noch.

Ab Oktober 1932 bis November 1935 diente ich im Stammkader der Arbeiter- und Bauern-Armee in den Städten Pugatschew und Saratow, Gebiet Saratow – anfangs als Kursteilnehmer, später als Gruppen-Kommandeur und Assistent des Zug-Kommandeurs an der Divisionsschule des 53. Schützenregiments.

Am 10. April 1933 erhielt ich eine Eintragung ins K.E. Woroschilow-Ehrenbuch und nahm an einem Treffen der besten militärischen und politischen Ausbilder teil, wo ich zum ersten Mal mit K.E. Woroschilow zusammentraf; er unterhielt sich mit mir und sprach sehr gut Deutsch ...

Am 5. November 1933 wurde mir die Ehrenurkunde des Allrussischen Zentralen Exekutiv-Komitees überreicht, das werde ich mein Lebtag nicht vergessen.

Ab Februar 1934 wurde ich in die Komsomol-Organisation aufgenommen, deren Mitglied ich bis 1941 blieb. Dies hing damit zusammen, daß ich Mitglied des Plenums des Komsomol- Gebietskomitees in Engels sowie des Podlesnowsker Komsomol-Bezirkskomitees war.

Von November 1935 bis Dezember 1936 arbeitet ich als Leiter der Sonderabteilung des Podlesnowsker Komsomol-Bezirkskomitees.

Ab Dezember 1936 bis Januar 1939 besuchte ich die Höhere Kommunisten_Schule „Stalin“ in der Stadt Engels, und zwar den landwirtschaftlichen Zweig.

Ab 5. Januar 1939 bis 14. September 1941 arbeitete ich als stellvertretender Direktor in der politischen Abteilung der Züricher Maschinen- und Traktorenstation ... Aufgrund der Arbeitsleistungsergebnisse im Jahre 1940 erhielt die MTS die Teilnahmebestätigung zur Landwirtschaftsausstellung der UdSSR, auf der mir die Silbermedaille der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR verliehen wurde.

Aufgrund des Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjet der UdSSR vom 28. August 1941 zog ich in die Region Krasnojarsk um, in das Autonome Gebiet Chakassien, Schirinsker Bezirk, Ijussker Sowchose, wo ich am 2. Oktober 1941 zu arbeiten begann und bis zum 1. November 1946 blieb. Ich war dort als Agronom auf der Farm tätig (mit einer Unterbrechung vom 6. April 1942 bis 8. September 1945 – in dieser Zeit befand ich mich in der Trudarmee in der Stadt Krasnoturinsk, Karpinsker Bezirk, Gebiet Swerdlowsk, wo ich als stellvertretender Leiter der Arbeiterkolonne im bereich Politik und als Leiter der Landwitrtschaftsabteilung tätig war). Von 1946 bis 1956 arbeitete ich in der Ijussker Sowchose als Ober- und Chef-Agronom sowie als stellvertretender Produktionsdirektor, und von 1955-1956 als nicht freigelassener Sekretär des Parteibüros der Ijussker Sowchose.

Am 14. April 1956 wurde auf Drängen des Bezirkskomitees der Partei der Befehl zu meiner Ernennung als Direktor der Sowchose „Kämpfer“ überreicht, unterzeichnet vom stellvertretenden Minister für Landwirtschaft der UdSSR.

Ich arbeitete 25 Jahre lang als Direktor der Sowchose „Kämpfer“ und drei Jahre als dessen Stellvertreter.

Im Dezember 1963 nahm ich am Dezember-Plenum des ZK der KPdSU als geladener Gast teil, was für mich von großer Bedeutung war, und ich werde diesen besonderen Anlaß nie vergessen.

Ich nahm auch an der zonalen Konferenz in Nowosibirsk teil, die vom Generalsekretär des ZK der KPdSU, dem genossen N.S. Chruschtschow, durchgeführt wurde. Ich bin seit 1939 Parteimitglied. Mehrmals wurde ich zum Plenumsmitglied und als Abgeordneter in den Borzowsker, Schirinsker und den Chakassischen Rat der Volksdeputierten gewählt.

Auszeichnungen: Lenin-Orden, Verleihung der Ehrenbezeichnung „Held der sozialistischen Arbeit“, zwie Rot-Banner-Orden für Werktätige, 5 Medaillen der Sowjet-Union, 11 Medaillen der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR, darunter 4 goldene, 3 silberne, 4 bronzene; Ehrennadeln: „Für guten sozialistischen Wettbewerb“, „50 Jahre Lenin-scher Kommunistischer Jugendverband der Sowjetunion“, „Bester bei der Zivilverteidigung der UdSSR“ sowie dutzende Ehrenurkunden und Dankesbekundungen und Prämien, einschließlich eines PKs der Marke „Pobeda“ („Sieg“; Anm. d. Übers.).

Abteilung für Dokumente der neuzeitlichen Geschichte des Russischen Staatsarchivs in der Republik Chakassien, Fond 650, Verz. 1, Akte 1, Blatt 8-12. Original. Maschinenschrift.

(Datiert nach Dokumententext).

AUS DEN MANUSKRIPTEN

des Dokumental-Romans von K.G. Schmidt „Über das Land, die Menschen, mich selbst“
nicht früher als 1985

In dem Buch werden seine ausfürlichen Erinnerungen über den Beginn des Krieges und die Umsiedlung nach Sibirien veröffentlicht. Über den Beginn des Krieges erfuhr er einen Tag vor seinem Urlaub aus einem Telefongespräch mit dem Sekretär des Partei-Bezirkskomitees, Kutiny:

- Der Urlaub ist ausgesetzt, Karl Genrichowitsch! Wir haben Krieg!

Ich schwieg ein-zwei Minuten. Alles schien mir dummes Zeug zu sein, irgendwie ein schrecklicher Irrtum. Und aus dem Hörer ertönte erneut diese Stimme und sagte:

- Haben Sie mich verstanden? Kümmern Sie sich um die Technik, Sie sind zum leitenden Verantwortlichen für den Versand der technischen Gerätschaften aus den vier Maschinen-und Traktoren-Stationen ernannt. Es muß schnellstens eine Versammlung einberufen werden. Man muß den Leuten die Lage erklären. Und keine Panik! Ist das klar?

- Ja, Genosse Sekretär.

Ich erfüllte die mir gestellte Aufgabe fristgemäß. Ich schreibe ein Gesuch mit der Bitte, mich an die Front zu schicken.

Aus dem Gebietskomitee, dem Bezirkskomitee kommt die kurze Antwort: „ Sie, Genosse Schmidt, gehören zur Reserve. Im Augenblick brauchen wir auch Getreide sehr dringend! Ernten Sie!“

Befehl ist Befehl. Die Erntezeit naht. Wir arbeiten Tag und Nacht. Die Ernte ist außergewöhnlich gut. 30 Zentner bestes Getreide.

Kaum hatten wir die anstrengende Arbeit vollbracht – da kommt der Ukas über die Aussiedlung der Deutschen. Ich rufe beim Gebietskomitee an: „Was soll das?“ – „ Ich verstehe das selber nicht, Genosse Schmidt. Aber eins weiß ich: du wirst auch dort gebraucht, wirst nützlich sein!“ – so lautet die Antwort des Sekretärs.

Im September besteige ich mit der Familie den Waggon; wir fahren mit der Eisenbahn. Gerichten zufolge – in die Region Krasnojarsk. Später erfahren wir die genaue Adresse: Chakassien, Ijussker Sowchose. Der Zug jagt dahin, ins Unbekannte, in eine weit abgelegene Gegend. In diesen Tagen ging mir vieles durch den Kopf. und da plötzlich die zufällige Begenung mit einem langjährigen Freund. Wir beschließen an der Station Jeletzkaja auszusteigen (glücklicherweise hielt der Zug dort ziemlich lange), in ein Restaurant zu gehen und zu Mittag zu essen. Wir redeten und redeten und merkten gar nicht, wie sich der Zug wieder in Bewegung setzte und davonfuhr.

Nach vier Tagen und Nächten hatten wir ihn wieder eingeholt, und zwar an einem der Eisenbahn-Knotenpunkte in Mittel-Asien. Meine Frau mit den drei Kindern war voller Unruhe und Besorgnis; sie wußte gar nicht, was sie denken sollte.

In Atschinsk trete ich an den Zugleiter heran, ich kann mich nicht länger gedulden zu erfahren, wohin wir nun eigentlich fahren. Dieser sagt freimütig:

- In den Schirinsker Bezirk.

- Und wo ist das?

- Chakassien.

Na schön, denke ich, arbeiten muß man überall. Kopf und Hände hast du – der Rest wird sich finden. Wir treffen in Uschur ein. Am Bahnhof werden wir von einer jungen Frau abgeholt, die sich selber vorstellt:

- Ich bon die Direktorin der Kader-Abteilung der Sowchose „Ijusskij“. Mein Name ist Nadeschda Timofejewna Zygankowa.

Ich werde Sie bis zum Bestimmungsort begleiten.

Ich füge hinzu, wer alles im Zug fährt, wer von ihnen Mähdrescher fahren kann, wer Mechaniker oder Chauffeur ist.

Und bald darauf lieferte der Zug uns in Ijus ab (damals gehörte die gleichnamige Sowchose noch zum Bestand des Schirinsker Bezirks). Auf dem bahnsteig steht ein Mann in einem weißen, halblangen Mantel. Ich erriet: das war einer von denen, die uns abholen sollten.

- Sind Sie der Wirtschaftsleiter, - frage ich.

- Ich bin der Direktor. Und Sie?

Kurz erzähle ein wenig über mich, über die Menschen.

Er zeigt mit dem Finger:

- Das Licht dort drüben – sehen Sie es? Das ist der Klub. Dort werden Sie übernachten. Und in der Kantine erwartet Sie ein kostenloses Abendessen.

Am Morgen, es war noch nicht ganz acht Uhr, kommt aus dem kontor eine Nachricht:

- Wer von Euch ist Schmidt?

- Ich.

- Der Direktor läßt Sie in sein Büro bitten.

Ich gehe, male mir aus, wie er mich empfängt, was mich erwartet. Ich betrete das Arbeitszimmer. Dort sitzt derselbe Mann, der gestern auf dem Bahnsteig stand. Und er stellt sich ganz einfach vor:

- Fedor Leotjewitsch Pestunow, - und sogleich packt er, wie es heißt, den Stier bei den Hörnern: - Sie sind zum Ober-Agronom der Sowchose ernannt.

- Was sagen Sie da? Ich kann doch kaim Russisch.

Er zuckt mit den Schultern:

- Tut mir leid, aber einen anderen Ausweg gibt es nicht. Alle Männer sind an der Front.

Das ist ein gewichtiges Argument. Wir gehen zum Kabinett des ehemaligen Ober-Agronomen. Ich mache mich mit den Unterlagen vertraut. Obwohl ...., eigentlich, .... gibt es gar keine. Leere Tische und ein leerer Aktenordner.

Es war an der Zeit, mich mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten detaillierter bekannt zu machen – und zwar von Grund auf. Ich und der stellvertretende Direktor (der Direktor selbst war dienstlich in die Bezirkshauptstadt gerufen worden) fahren mit dem Lastwagen aufs Feld. Zwei Monate später haben sie ihn an die Front geholt.

 

Abteilung für Dokumente der neuzeitlichen Geschichte des Russischen Staatsarchivs in der Republik Chakassien, Fond 650, Verz. 1, Akte 164, Blatt 23-25. Original. Maschinenschrift.


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