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Eduard Filippowitsch Bersenjewitsch. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Es ist schmerzlich und schrecklich sich an die Vergangenheit zu erinnern. Ich werde versuchen, sie in Kurzform darzulegen.

Ich wurde 1916 geboren. 1934 beendete ich die Prokopjewsker Bergbau-Fachschule und wurde zum Arbeiten in den Schacht „Koksowoje“ entsendet.

1936 dann das Trauma: der Bruch des linken Armes. Im selben Jahr kam mein Bruder Jossif im Schacht ums Leben. 1937 wurde mein zweiter Bruder, der ältere Stanislaus, verhaftet. Und bis zum heutigen Tage ist über sein weiteres Schicksal nichts bekannt geworden. Ebenfalls in diesem Jahr erhielt ich vom Volkskomitee für Bergbau-Industrie eine Prämie für hohe Leistungen bei der Kohleförderung - eine Uhr mit Namensgravur.

Im Jahre 1939 schloß ich, ohne Freistellung von meiner beruflichen Tätigkeit, die 3-Klassen-Schule „Meister sozialistischer Arbeit“ ab, und bekam den Posten eines Bergbau-Meisters.

Am 13. Januar 1942 beerdigte ich meine Mutter, und zehn Tage später brachte man mich zum NKWD.

Von diesem Zeitpunkt an begann für mich die Hölle.

Der Untersuchungsbeamte Tutschkow wußte sehr wohl, daß ich völlig unschuldig war, aber er sagte: „Wen wir erstmal verhaftet haben, von denen wird keiner freigelassen.“ Er führte die Untersuchung auf sehr grobe Weise; er zerriß meine Kleidung und legte eine Akte an. Ich sollte das Schriftstück in Anwesenheit von Staatsanwalt Chworostenko unterschreiben, aber ich weigerte mich, denn der Untersuchungsbeamte hatte die Akte ohne meine Aussagen ver-faßt. Dann zerriß er das Papier vor den Augen des Staatsanwaltes und begann erneut mit der Untersuchung. Wieder legte er eine Akte an - und wieder sollte ich unterschreiben. Ich wei-gerte mich erneut. Sie brachten mich fort. Nach einigen Tagen führten sie mich nachts zum Leiter des NKWD Kononow, wo sich auch dessen Stellvertreter Malinin und noch ein Dritter befanden, dessen Nachnamen ich nicht kannte. Ich mußte mich splitternackt ausziehen, und dann fingen sie an, mit den Füßen auf mich einzutreten; alle drei trugen sie Stiefel. Dann ergriffen sie mich mit drei Mann, hoben mich bis zur Zimmerdecke hoch und warfen mich mit aller Kraft auf den Boden. Und da beschloß ich: anstatt mich langsam in den Gemäuern des NKWD umzubringen, sollen sie mich doch lieber einmal erschießen, und ich begann sie zu bitten, mich nicht umzubringen: ich würde ihnen alles unterschreiben, was sie mir vorleg-ten. Anschließend warfen sie mich in eine Einzelzelle, wo ich keine Nahrung zu mir nahm und nach einem Arzt verlangte.

Die Akte hatte ich unterschrieben und wartete nun auf die Gerichtsverhandlung. Bei der Ver-handlung waren anwesend: das Gerichtspersonal und Mitarbeiter des NKWD. Man stellte mir zwei Fragen: Ob ich mich für schuldig hielt? Obwohl man mich früher darauf vorbereitet hatte, daß ich mich schuldig bekennen sollte, sagte ich: „Nein.“ Zweite Frage: „Weshalb haben sie die Akte unterschrieben?“ Ich erwiderte: „Der Mensch jagt im Wald ein wildes Tier und zwingt es etwas zu tun, was ihm genehm ist, und ich bin ein Mensch“. Mir wurde gesagt, daß ich so lange innerhalb der Wände des NKWD gesessen, aber überhaupt nichts begriffen hätte, sondern hätte die Organe des NKWD dahingehend verleumdet, als ob deren Mitarbeiter die Verhafteteten zwingen würden das zu tun, wonach ihnen der Sinn stand. Das Urteil wurde über mich verhängt: Höchststrafe – Erschießen …

Nach der Gerichtsverhandlung wurde ich erneut zur NKWD-Leitung bestellt, wo sie noch einmal versuchten, die „Exekution“ zu wiederholen, und zwar dafür, daß ich mich nicht schuldig bekannt hatte, aber sie taten es nicht. Ich erklärte mich damit einverstanden, irgendein für sie notwendiges Stück Papier zu unterschreiben und setzte meinen Namen darunter.

Wie mir Häftlinge erzählten, verlor ich den Verstand und versuchte meinem Leben durch Selbstmord ein Ende zu setzen, aber die Verhafteten ließen das nicht zu.

Danach befand ich mich als Todeskandidat 58 Tage in einer Nowosibirsker Todeszelle, dem sogenannten „Bärenkäfig“. Nachts riefen sie mich heraus, und führten mich und noch einen anderen aus der Todeszelle hinaus. Ihn bestimmten sie „für die Front“, und mich zur Nach-untersuchung. Sie brachten mich in die Stadt Prokopjewsk, verpaßten mir 10 Jahre und schickten mich ins Lager nach Gornaja Schorija, wo ich in einem Schacht bei die Förderung von Eisenerz arbeitete, denn ich bin ja Bergarbeiter. Nach dem Krieg wurde ich zur Station Jaja im Gebiet Kemerowo verlegt. Dort stand ich nicht mehr unter der Beobachtung von Wachen und arbeitete in der Stadt Andschero-Sudschensk im Schacht „Gortop“, wo Kohle mit der Hand gefördert wurde. Als es bis zum Ende der Haftstrafe nur noch 6 Monate waren, schickten sie mich ins Karagandinsker Gebiet, wo es Gefangene mit einer Haftdauer von 25 Jahren gab. Familiennamen existierten dort nicht, sondern lediglich ein Buchstabe und eine Nummer auf der Joppe, auf der Brustseite und dem Rücken der Uniformjacke sowie auf der Hose, in Höhe des Knies. Die Haftstrafe ging zuende, und man schickte mich in die Stadt Krasnojarsk, wo ich dann in die Freiheit entlassen wurde.


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