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Wer trägt die Schuld an den Erschießungen

Ende der 1920er Jahre ließ das Politbüro des ZK der WKP (B) mit Stalin an der pitze den örtlichen Machtbehörden freie Hand. Die Massen-Verfolgungen setzten ein. Gegen wen richteten sie sich? Um es ganz kurz und knapp auszudrücken – gegen das gesamte Volk, und betroffen waren selbst die bewährtesten und ergebensten Partei-Leute.

Gefängnisse und Isolationsgefängnisse für vorübergehende Inhaftierung waren mit Verhafteten völlig überfüllt. Gerichts- und außergerichtliche Organe konnten die ganzen Fälle der Verfolgten nicht bewältigen. Geurteilt wurde durch die regionalen Militärgerichte, einzelne Trupps und Divisionen, Sonder-Kollegien, Dwoikas, aus fünf Personen bestehende Gruppen auf Bezirksebene sowie die Präsidien der Bezirksexekutiv-Komitees usw.

Am 2. Juli 1937 verabschiedete das Politbüro des ZK der WKP (B) eine Anordnung über die Schaffung von Troikas mit ausgedehnten Vollmachten, Was die Bearbeitung der Akten der Verhafteten vereinfachte und die Verhängung der Urteile beschleunigte. Die erste Sitzung der
Troika der NKWD-Behörde der Region Krasnojarsk fand am 23. August 1937 statt; sie bestand aus Leonjuk, Rabinowitsch und Sekretär Potapow. 92 Fälle mit 188 Angeklagten waren zur Abhandlung vorgesehen, von denen 160 Personen nach § 58 des Strafgesetztes der RSFSR beschuldigt wurden. 135 von ihnen wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt und am folgenden Tag erschossen.

Nach derzeit vorliegenden Informationen wurden der Region zur Behandlung durch die „Troikas“ von oben Opfer-Limits für die jeweilige Kategorie vorgeschrieben – erste Kategorie (Erschießung), zweite – Häftling sind in Lager zu verbringen. Ich stelle den Lesern ein verabscheuungswürdiges Dokument der Vernichtung von Menschen in der Region vor:

Datum Wer verhängte die Sanktionen Anzahl der Opfer Insgesamt
    1. Kategorie 2. Kategorie  
31.07.1937 Politbüro 750 2500 3250
11. .1937 Telegramm Stalins, Molotows 6600   6600
02.01.1938 Politbüro 1500 500 2000
16.03.1938 Politbüro   1500 1500
28.04.1938 Politbüro 3000   3000

Auf diese Weise wurden von 16350 Personen 11850 erschossen. Innerhalb von 14 Monaten, von August 1937 bis November 1938, wurde jeder hundertste Einwohner der Region durch eine regionale Troika der NKWD-Behörde verfolgt.

- Die Erschießungen erfolgten in der Regel dort, wo es Isolationsgefängnisse und Gefängnisse gab – in Krasnojarsk, Atschinsk, Kansk, Minusinsk, Abakan, Jenisejsk, Dudinka, Norilsk. Getötet wurde auch in Igarka, Tutuchansk und Keschma. Die Erschießungen fanden oft und in großer Anzahl statt, - schreibt W. Sirotinin, Mitglied der Arbeitsgruppe der regionalen „Memorial“-Gesellschaft, in seinen Erinnerungen. – In Krasnojarsk wurden am 6. September 58 Mann erschossen, am 27. Oktober – 87. In Minusinsk erschoss man am 4. und 5. November 1937 insgesamt 199 Menschen, am 8. und 9. November desselben Jahres – 222, am 17. März 1938 wurden in der Regionshauptstadt 123 Personen durch Erschießen hingerichtet und in Kansk – 202. Diese leidvolle Aufstellung lässt sich beliebig weiter fortsetzen, aber wie diese Erschießungen vor sich gingen, wissen wir nicht. Bekannt ist allerdings, dass der Leiter des Minusinsker NKWD-Sektors Aleksejew der Meinung war, dass man nicht so viele Patronen verschwenden sollte; daher befahl er, den bereits durch einen Schuss Verwundeten mit einer Schaufel den Rest zu geben“.

Wer ist dieser Aleksejew? Hier die Archiv-Auskunft: „Andrej Spiridonowitsch Aleksejew wurde in Krasnojarsk geboren; Schulbildung – 2 Klassen. Seit 1921 in den Organen der Allrussischen Tscheka –OGPU und dem NKWD, Mitglied der WKP (B) seit 1924. War Leiter des Minusinsker NKWD-Sektors, Oberleutnant des KGB. Am 22. Oktober 1938 aus den Organen der Staatssicherheit entlassen und zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen. Während seiner Gefangenschaft schrieb er ein Gesuch mit der Bitte um Überprüfung seines Falls, in dem er auch darauf hinwies, dass er 17 Jahre lang „aufrichtig“ in den Organen tätig gewesen sei, dass er höchstpersönlich 2300 Trotzkisten verhaftet habe, von denen 1500 erschossen worden seien. 1941 wurde er bedingt-vorfristig entlassen, 1943 erklärte man seine Vorstrafe für ungültig. Begründung – die früheren Dienste gegenüber den Staatsorganen und sein aufrichtiges Verhältnis zur Arbeit während der Haftzeit“.

Auch heute gibt es immer noch keine einstimmige Meinung über die Gründe der Repressionen in den 1930er Jahren. Einige sind der Meinung, dass Stalin recht hatte, wenn er die Volksfeinde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs vernichtete. Aber die Ansicht der anderen ist auch nicht weniger gewichtig, dass nämlich Stalin und sein grausames Regime durch die ganzen, gegen sein eigenes Volk gerichteten Aktivitäten, der Wirtschaft seines Landes großen Schaden brachte, indem er hunderttausende gesunder und noch junger Männer vernichtete, die völlig unschuldig in Gefängnissen und Lagern erschossen wurden.

Nach längst noch nicht vollständigen Angaben aus Archiv-Dokumenten ist es gelungen, das Bild der Repressionen in unserer Region teilweise wieder her zu stellen. Nicht eine einzige Ortschaft ist dieser Tragödie entgangen. Hunderte von Familien wurden aus ihren Heimatorten vertrieben, hunderte in Minusinsk erschossen. Nachfolgend eine traurige Geschichte dazu.

In der Ortschaft N-Poltawka gab es Ende der 1930er Jahre 2209 Höfe, 1302 Menschen lebten dort. Hier wurden 66 Personen verfolgt, 8 von ihnen erschossen. In Grogorjewka befanden sich 171 Bauernhöfe, 875 Einwohner, 52 Familien wurden repressiert, 26 Personen fanden den Tod durch Erschießen. In Salba standen 287 Höfe mit 1301 Einwohnern. Hier litten in den Jahren der Verfolgungen 97 Familien, 37 Menschen wurden erschossen, unter ihnen Jemeljan Sergejewitsch Besrukow im Alter von 47 Jahren, Pjotr Afanasjewitsch Dudarew mit 29 Jahren, der 28-jährige Jegor Adrijanowitsch Michejew und Timofej Dmitrijewitsch Mischin. Im Mi9nusinsker Gefängnis fanden ganze Familien den Tod durch Erschießen. So wurden in einer Märznacht des Jahres 1930 Einwohner des Dorfes Semennikowo getötet – das Familienoberhaupt Fjodor Martynowitsch Beljenkow und seine Söhne Iwan, Makar und Prokopij. Achtzehn Familien aus diesem Dorf wurden verfolgt. In Nischnij Suetuk lebten in den 1930er Jahren 1599 Personen, 71 Familien wurden repressiert, 7 Menschen erschossen. Im Groß-Dorf Migna lebten damals 2200 Einwohner, 31 Familien waren der Verfolgung ausgesetzt, 8 Menschen wurden erschossen. Wjerchnij Kebesch stand damals im Hinblick auf die Einwohnerzahl kaum hinter Grigorjewka zurück. Hier waren 15 Familien der Verfolgung ausgesetzt, 10 Menschen starben den Tod durch Erschießen. Die grausamen Verfolgungsmaßnahmen stürzten auch über die Bezirkshauptstadt Jermakowskoje herein. IN den 1930er Jahren gab es hier 776 Höfe mit 3234 Einwohnern. 50 Familien wurden Opfer der Repressionen, 84 Personen wurden im Minusinsker Gefängnis erschossen. Es ist charakteristisch, dass alle Erschossenen im Alter zwischen 20 und 55 Jahren waren; gesunde und kräftige Männer, Familienernährer. Natürlich stand ihnen nicht der Sinn nach großer Politik und antisowjetischer Agitation und schon gar nicht die Schaffung konterrevolutionärer Organisationen. Sie arbeiteten von früh bis spät. Nach dem achtjährigem Kampfgeschehen des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs konnten die Menschen endlich wieder in Frieden ihrer Arbeit nachgehen, gründeten Familien, erfreuten sich des Lebens, schmiedeten Pläne. Aber sie alle wurden von den Repressionen heimgesucht. Die Menschen zogen sich zurück, wurden verschlossen, sie vertrauten einander nicht mehr, in der Gesellschaft wurden Angst und die beunruhigende Ungewissheit gesät, dass sie in der folgenden Nacht auch zu dir kommen und dich verhaften könnten. Weswegen – das wusste man nicht.

I. Sorin

Schmerz und Erinnerung. Gewidmet den Opfern politischer Repressionen der 1930er bis 1950er Jahre im Jermakowsker Bezirk


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