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Valentina Fjodorowna Gostewa. Erinnerungen

 Mein Geburtsjahr ist 1923; gelebt habe ich im Gebiet Dnjepropetrowsk, Osjornaja-Straße 53, im Haus der Eltern. Unsere Stadt wurde von den Truppen der Roten Armee am 19.08.43 befreit. Ab Oktober 1942 arbeitete ich auf dem ehemaligen Gelände der Staatsfabrik Nr. 55 und verrichtete dort allgemeine Bau-Arbeiten. Sechs Leute und der Chef waren Deutsche. Alle anderen Litauer und eine Gruppe Kasachen, welche die Kriegsgefangenen begleiteten und bewachten. Die Kriegsgefangenen arbeiteten auf der anderen Hälfte des Geländes. Man gestattete uns, den Arbeitern, nicht mit ihnen Umgang zu haben. Als Übersetzer arbeitete bei ihnen ein Russe, dessen Familienamen ich nicht kenne. Beim Chef arbeitete Tonja Skripnik als Übersetzer. Ihre Schwester, Maja Skripnik – sie war 15 Jahre alt – arbeitete als Kontrol-leurin.

Im November 1942 bat Tonja mich darum, daß ich morgens und abends Maja dabei helfen sollte, an der Wandtafel alle Nummern der Arbeiter zu sammeln und aufzuhängen und diese abends an die Arbeiter auszugeben, wenn sie von der Arbeit zurückkamen. Ich kam 15 Minu-ten früher und ging 15 Minuten später.

Im März 1943 wurden ich und noch drei weitere Frauen in eine Gemüsegarten-Einheit versetzt. Der Garten lag nebem dem Kontor, der ehemaligen Pförtnerloge. Wir arbeiteten unter der Leitung eines Deutschen – dem Kommandanten des Wohnheims. In den Beeten zogen wir Zwiebeln, Radieschen, Gurken, Kartoffeln, Salat, Wurzeln und Rüben. So arbeitete ich dort, bis die Stadt aus der Besetzung befreit wurde.

Zwei Wochen nach der Befreiung der Stadt, kam irgendein Mann zu uns nach Hause und sagte zu mir: „Walja, nimm die Gitarre und komm mit mir auf einen geselligen Abend“. Und er nannte mir das Haus Koslojs, das dem unseren gegenüber lag.

Aber ich antworte: „Nein, ich kenne ihn nicht und werde nicht mitkommen. Die Gitarre kann er selbst nehmen, und sogar beide".

Daraufhin drohte er mir, daß er mit mir etwas machen würde, daß ich ihn mein Leben lang, falls es mir erhalten bliebe, nicht aus dem Gedächtnis verlieren würde.

Die Gitarren nahm er nicht, und ich ging auch nicht auf die Abendgesellschaft.

Im September 1943 brachte man mir eine Vorladung zum OKGB Gebietskomitee für Staatssicherheit), wo ich dann auch auf eben diesen Mann stieß. Es war der Untersuchungs-richter Jalose. Ein Verhör führte er nicht durch, sondern lächelte nur und sagte, daß er sein Versprechen auf jeden Fall halten würde (wegen meiner Ablehnung).

Für diese Verleumdung, die er mir da andichtete, benötigte er 1 Jahr und 5 Monate – verhaftet wurde ich am 31. Januar 1945.

Man warf mir vor, daß ich einmal mit ein paar anderen in einem Kreis zusammengesessen und gesagt hätte, daß da Piloten kämen, die uns kleine Geschenke brächten. Drei Zeugen hatte man benannt, die ich niemals gesehen hatte, und der vierte war – Walja Jemeljanenko, die mit mir zusammen in der Schule gelernt hatte. Sie war aber nicht unter die Besatzung geraten, sondern aus der Stadt Kopejsk zurückgekehrt, wohin sie evakuiert worden war.

Und dann behaupteten sie noch, daß ich nicht richtig aus der russischen in die deutsche Sprache übersetzt hätte, wofür der Meister einen der Arbeiter in der Tischlerwerkstatt ins Gesicht geschlagen hatte. Das war aber eine Lüge. Während der gesamten Arbeitszeit hat nicht ein einziges Mal irgendein Meister auch nur einen einzigen Arbeiter jemals beleidigt. Sie rauchten sogar zusammen mit den Jungs. Und wenn einer von ihnen einmal früher gehen wollte, dann ließen sie ihn immer gehen. Sie baten ihn dann nur, daß er am nächsten Morgen rechtzeitig kommen sollte. Es war so, daß, wenn mich jemand fragte und ich sinngemäß verstanden hatte, worum es ging, ich ihm das noch einmal vorsagte.

Aber alle Meister hatten sich auf Russisch tatsächlich schlecht ausgedrückt. Ich habe es nirgends gelernt und wußte insgesamt nur 70 Worte auf Deutsch, was ich in der Schule drei Jahre als Unterrichtsfach hatte.

Lernen tat ich drei Jahre später als meine Altersgenossen, und die 7-Klassen-Mittelschule beendete ich 1941. Und in die Akte schrieben sie, daß ich zu 70% der deutschen Sprache mächtig wäre. War ich etwa so klug, daß ich nach der Schule als Übersetzerin hätte arbeiten können?

W.F. Gostewa, 29. August 1993


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