Geboren
am 14. August 1927 in der Ortschaft Kano, Bezirk Gmelin, Gebiet Saratow. An ihre
Eltern kann sie sich nur wenig erinnern; sie weiß lediglich, dass ihre Mutter,
Maria Jakowlewna Grauberger, geb. 1859, als Melkerin arbeitete, aber über ihren
Vater, David Davidowitsch, ist ihr nichts bekannt. Natalia Davidowna erinnerte
sich: «Wir waren eine sehr einträchtige, glückliche, fleißige Familie, in der 6
Kinder aufwuchsen (4 Söhne und 2 Töchter): mein ältester Bruder Emmanuel wurde
1918 geboren; danach kamen Jakob, Iwan, ich, meine Schwester Milia und dann der
kleinste Bruder Jegor; der lebt jetzt in Deutschland». Natalia Davidowna gelang
es, an der deutschen Schule vier Klassen zu absolvieren.
Als sie 14 Jahre alt war, setzt die Deportation der Russland-Deutschen ein. An
diese Ereignisse erinnerte sie sich mit Tränen in den Augen; in ihrem Gedächtnis
blieben aus dieser Zeit nur Hunger, Kälte, Gewalt und die ständige Frage – wie
sollen wir überleben? Natalia Davidowna fiel es sehr schwer ihr Elternhaus in
Kano zu verlassen, sie sagte: «Nichts ist uns aus dieser Zeit erhalten geblieben:
kein Foto, keine Erinnerungsstücke an unsere Eltern oder Großeltern, alles
mussten wir dort zurücklassen – auf unserem deutschen Boden; alles, was wir noch
rechtzeitig einpacken und mitnehmen konnten, fand in unseren Jackentaschen Platz.
Danach mussten wir in Güterwaggons einsteigen, und dann wurden wir nach
Krasnojarsk gebracht. Es war eine sehr schwere Zeit, denn es gab nichts zu essen,
aber am Schlimmsten war, dass wir kein Wasser zu sehen bekamen, so dass uns
innerhalb kürzester Zeit die Läuse „attackierten“. Sie können es sich nicht
vorstellen, aber der ganze Boden, unsere Kleidung war von Läusen bedeckt», -
erinnert sich Natalia Davidowna.
Nach einiger Zeit schickten sie Natalia Davidowna in die Arbeitsarmee, wo sie Erdreich ausheben und Bäume ausroden musste; und wenn die Bäume gefällt waren, dann musste sie sie zersägen, verlegen und Wege daraus bauen. Es kam vor, dass man ihnen 4-5 Tage lang nichts zu essen gab. «Wie sie uns verspotteten, us als «Faschisten, Saboteure!» beschimpften, berichtete Natalia Davidowna.
Die schwere Zeit ging dahin, und dann lernte Natalia Davidowna hier in der Arbeitsarmee ihren zukünftigen Mann Ewald Adamowitsch kennen; er war damals 20 Jahre alt; irgendwie gelangten sie bis zur Stadt Abakan, von dort bis ins Dorf Nikolajewka mussten sie zu Fuß gehen, und hier lebten sie dann fürs Erste bei Natalia Davidownas Eltern.
Später lebten sie in Tjoply Kljutsch, danach 4 Jahre in Kasachstan. 1947 zogen sie in die Ortschaft Tubinsk, ihr Mann arbeitete dort auf dem Bau und Natalia Davidowna als Technikerin an der Schule; hier war sie 10 Jahre tätig, anschließend wurde sie Köchin in der Sowchosen-Kantine. Natalia Davidovna und Ewald Adamowitsch haben 4 Kinder (2 Söhne und 2 Töchter): Sascha (geb. 1948) lebt jetzt in Abakan, Milia (geb. 1949) wohnt in Kortus, Vitja (geb. 1954) lebt im Norden der Region Krasnojarsk und Tochter Olga (geb. 1955) wohnt in der Stadt Tscherngorsk.
In den letzten Lebensjahren war Natalia Davidowna, nach der schweren Erfahrung der Repressionen, von der Fürsorge ihrer Kinder, Enkel und Urenkel umgeben. Auf Familienfeiern kamen immer alle bei Natalia Davidowna zusammen – in ihrem kleinen, aber gemütlichen, warmen Häuschen, am runden Tisch. Die liebsten deutschen Gerichte der Familie Ebel waren: Schnitzesupp (aus Trockenfrüchten), Riwwelkuchen, Nagelklöß, Ewelklöß, Schwarze Riwelsupp (mit Sauerkohl), Riwelsupp, Krebli – die Natalia Davidowna mit eigenen Händen hervorragend zubereiten konnte.
Natalia Davidowna war sehr gastfreundlich, aufgeschlossen, eine gute Seele – die ganzen Erschwernisse in ihrem Leben ließ diese Frau sich nicht anmerken. Als wir in ihr Haus kamen, hatten wir sogleich das Gefühl, als ob wir in ein deutsches Märchen einträten, denn in der Wohnung herrschten Gemütlichkeit und Reinlichkeit, und natürlich gab es dort Gegenstände des deutschen Alltags Nudelholz, Bräter), selbst das Bett war nach deutscher Art hergerichtet! Und trotz ihres Alters kümmerte sie sich noch um ihr Haus, und jeden Sommer glich das Feld innerhalb der Einzäunung einem Blütenmeer, in dem ungewöhnlich schöne Blumen blühten!