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Menschen und Schicksale. Den Opfern der politischen Repressionen des Krasnoturansker Bezirks gewidmet...

Amalia Karlowna Keil (Bichert)

Amalia Karlowna Keil (Bichert) wurde am 14.08.1930 in der Ortschaft Kano, Bezirk Gmelin, Gebiet Saratow, geboren. Gemäß Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28.08. 1941 wurde sie, zusammen mit ihren Eltern, zur Sonderansiedlung nach Sibirien deportiert. Die Familie hatte bis dahin in der Republik der Wolgadeutschen im Gebiet Saratow gelebt.

Vater Karl Baltasarowitsch Bichert wurde von der Sowjetmacht als Volksfeind angesehen und im Januar 1938 in der Stadt Engels erschossen.

Im August 1941 erhielt die Familie die Anweisung, sich binnen 24 Stunden auf die Umsiedlung vorzubereiten. Die Familie (5 Kinder, Mutter und Großmutter) wurde aus nationalen Beweggründen zur Sonderansiedlung nach Sibirien deportiert; alle Bürgerrechte wurden ihnen entzogen. Die Sonderkommandantur wurde eingeführt, bei der sie sich regelmäßig melden mussten. Alles, was sie sich nach und nach angeschafft hatten – das Haus, das Vieh, mussten sie zurücklassen. In einem Güterwaggon waren sie einen ganzen Monat unterwegs, danach ging es weiter mit einem Lastkahn bis zur Anlegestelle Sorokino.

Angesiedelt wurden sie im Krasnoturansker Bezirk, auf einer Waldlichtung, in einer zugigen Hirten-Hütte, gleich neben dem Dorf Salba – ohne irgendwelche Existenzmittel, ohne warme Kleidung, ohne Lebensmittel. Sie hatten nicht nur Hunger und froren, sondern verbrachten die Nächte in Angst und Schrecken, denn die Wölfe heulten und stellten sich mit den Pfoten aufrecht an die Hütte. Amalia war damals 11 Jahre alt; ebenso wie die anderen Umsiedler konnte auch sie kein Russisch. Die Ortansässigen verhielten sich ihnen gegenüber feindselig.

Die ältere Schwester Natascha, geboren 1922, wurde zum Holzeinschlag in die Arbeitsarmee mobilisiert. Dort erkrankte sie und starb. Wir, die Kinder, arbeiteten, hüteten Kälber, banden Heugarben und verluden sie auf Leiterwagen, schleppten Säcke mit Weizen zur Mühle. In den Nächten hielten wir in der Kolchose Wache.

Von 1946 bis 1952 wurden wir im Rahmen einer Zwangsmaßnahme auf die Farm Komsomolskaja umgesiedelt.

Ab 1952 lebte die Familie in Alt-Krasnoturansk, dort heiratete Amalia 1952 Reinhold Friedrichowitsch Keil (geboren am 07.04.1930 in der Ortschaft Kano, Bezirk Gmelin, Gebiet Saratow).

Nach der Überflutung von Alt-Krasnoturansk lebte Amalia Karlowna in Krasnoturansk, seit 2011 wohnt sie bei ihrer Tochter Olga in Lebjasche. Sie arbeitete als Köchin, Technikerin und Kurierin bei der Bank. Sie zog 2 Kinder groß. Seit 1985 ist sie in Rente.

15 Jahre Rechtlosigkeit (vom 28. August 1941 bis zum 13. Dezember 1955) verlängerten sich für die Repressionsopfer bis zu der Zeit, als der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Abschaffung der Einschränkungen in der Rechtslage der in Sonderansiedlung befindlichen Deutschen und ihrer Familienmitglieder» verabschiedet wurde.

Wie durch ein Wunder wurden die Überlebenden 1964 rehabilitiert, obwohl die widerwärtige Kommandantur bereits 1956 abgeschafft worden war; doch man gab ihnen damals ihre Bürgerrechte nicht zurück, weil das Dekret über die Rehabilitierung in der Sowjetpresse nicht veröffentlicht wurde. Endgültig als Repressionsopfer anerkannt wurden sie auf Grundlage des § 1.1 des Gesetzes der Russischen Föderation vom 18.10.1991 № 1761 -1 «Über die Rehabilitierung der Opfer der politischen Repressionen».


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