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Menschen und Schicksale. Den Opfern der politischen Repressionen des Krasnoturansker Bezirks gewidmet...

Menschen und Schicksale. Den Opfern der politischen Repressionen des Krasnoturansker Bezirks gewidmet...

Olga Li: «Über die Verfolgten von Nowaja Syda»

Rehabilitierten-Liste und Liste von Personen, die als Opfer der politischen Repressionen in der Ortschaft Nowaja Syda anerkannt sind.

FAMILIEN: Leiman(n), Ljaiman(n), Laiman(n), Bal (Bahl), Arne, Pil (Piehl), Greb, Frank, Bunder, Schwarz, Gergert (Hergert), Shmidt und viele andere.

1. Lutikowa (Ljaiman), Ilvira (Elvira) Alexandrowna
2. Kaptelowa, Lilia Ottowna
3. Frank, Anatolij Jegorowitsch
4. Lindigrin, Tamara Alexandrowna
5. Bal (Bahl), Ludmila Alexandrowna
6. Kunzman(n), Roman Jakowlewitsch
7. Belkina, Nadjeschda Walterowna
8. Arne, Alexander Emanuilowitsch
9. Greb, Iwan Iwanowitsch
10. Engel, Viktor Alexandrowitsch (1955)

Erst ganz kürzlich, so scheint es, sind Menschen aus dem Leben geschieden, die ein markantes, von Schicksalsherausforderungen und Leid angefülltes Leben hatten:

1. Testowa, Anastasia Agafonowa
2. Syrkina, Kadima Kabiewna (29.12.2016)
3. Stele, Elvira Jegorowna
4. Potylizyna, Emma Filippowna
5. Stür (Stühr), Vera Karlowna
6. Schwarz, Ida Abramowna
7. Gess (Hess), Arthur Alexandrowitsch
8. Ring (Rüng), David Genrichowitsch
9. Die Eheleute Pil (Piehl)
10. Ljaiman(n), Fjodor Andrejewitsch
11. Ljaiman(n), Katharina Genrichowna
12. Leiman(n), Anna Andrejewna
13. Leiman(n), Waleria Andrejewna
14. Frank, Amalia Andrejewna
15. Bal (Bahl), Iwan Samuilowitsch
16. Bal (Bahl), Ella Davidowna
17. Poztylizyn, Aleksej Michailowitsch
18. Pil (Piehl), Maria Antonowna
19. Kutzman(n), Alexander Gottliebowitsch

Die Repressionen... Wie viel Bedeutung hat dieses Wort in sich vereint: Schmerz, das Schreien der Kinder, die von ihren Eltern fortgerissen wurden, das Grauen der Trennung, des Abschieds und des Todes...Das sind Millionen verformter Schicksale, verwaister Kinder. Die Repressionen waren von einem Massencharakter geprägt, die Urteile hart, ganz bewusst wurde die Atmosphäre für eine Massen-Psychose geschaffen, Hass und Grausamkeit geschürt. Hunderttausende Häftlinge waren kostenlose Arbeitskräfte auf Baustellen, in Bergwerken und Schachtanlagen.

In den 1920e Jahren kam es zu einer Machtkrise, die bewies, dass um die Partei Misstrauen, Entfremdung und Feindseligkeit wuchs. Als Antwort darauf – eine Politik der Unterdrückung, der Gewalt, des Massen-Terrors. Es begann der Feldzug gegen den «Klassenfeind». Zu den Feinden zählten Kirchendiener, Beamte, Arbeiter, Bauern. Die Repressalien von oben wurden vervollständigt durch massives Denunziantentum von unten – was eine schwere Erkrankung der Gesellschaft bewies.

In den Repressionen lag nicht nur ein politischer, furchteinflößender, abschreckender Gedanke, sondern auch ökonomische Profit. Auf der Sklavenarbeit der Verfolgten hielt sich die zentrale Planwirtschaft. Sie brauchte den Terror, die Peitsche, denn das war der Weg zum Erhalt des Maximalprofits. Allerdings ist dieser Weg unmenschlich. Jeder, der irgendeine Gefahr darstellte, wurde erschossen oder in ein Konzentrationslager gesperrt.

Und in den dreißiger Jahren und auch in den Vierzigern und auch später konnten die Menschen nicht begreifen – «WESWEGEN verhaften sie einen?». Aber die Frage, die man hier stellen musste, war eine ganz andere: «FÜR WAS?». Um im eigenen Staat in einen Sklaven verwandelt zu werden. Niemand war sicher – weder der letzte Penner, noch das Mitglied des Zentralkomitees. Heute hast du noch fürstlich im Kreml gespeist, aber morgen bekommst du schon die Häftlingsration; heute hast du Urteil unterzeichnet, morgen wirst du schon selber verurteilt.

1929 setzte die Enteignung ein. Bauernfamilien wurde der Besitz konfisziert, und sie wurden in entlegenste, unbewohnte Gegenden verschleppt. Ein leuchtendes Beispiel für die Torturen dieser Familien – das Schicksal von Anastasia Agafonowna Testowa (Finaschkina). Der Vater wurde erschossen, die Familie aus dem Haus gejagt, nachdem man ihren Besitz konfisziert hatte. Man schickte sie nach Tschulym, in die tiefste Taiga. Mit Gottes Hilfe rettete der Großvater die Familie. Es folgten lange Jahre der Verbannung, des Überlebenskampfes, der Erniedrigungen und Kränkungen.

Mit jedem Jahr stieg die Zahl der Häftlinge und der Lager. Insgesamt hielten sich von 1930 bis 1953 ungefähr 18 Millionen Menschen in den Baracken der Lager und Arbeitskolonien auf. 786000 Menschen wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt. Unter ihnen waren auch Karl Baltasarowitsch Bichert, dessen Urenkelin in unserem Ort lebt. In einer dunklen Winternacht des Jahres 1937 wurde er in seinem eigenen Haus verhaftet und ohne jegliche Erklärung fortgebracht. Zuhause zurück blieben seine Frau, fünf kleine Kinder und die alte Mutter. Zu der Zeit war er 33 Jahre alt. Viele Jahre wusste seine Familie nichts über sein Schicksal. Erst 60 Jahre später, dank der Beharrlichkeit seines jüngsten Sohnes, gelang es festzustellen, dass man ihn erschossen hatte.

Sein Bestattungsort ist nicht bekannt, denn diese wurden damals in den Strafakten nicht vermerkt. Am 26. April 1960 überprüfte das Stalingrader Regionsgericht die Akte des Karl Baltasarowitsch Bichert und hob den Entscheid der Troika des NKWD auf.

Das Ergebnis der Repressionen der 30-er Jahre war der katastrophale Beginn des Krieges 1941-1945, als hunderttausende unserer Soldaten in Gefangenschaft gerieten. Am meisten litten die Völker des Nord-Kaukasus und der Krim, und im August 1941 wurde die Autonome Republik der Wolgadeutschen liquidiert, deren Bevölkerung sich seit zweihundert Jahren zu den Einwohnern Russlands zählte. Man beschuldigte die Sowjet-Deutschen der gemeinsamen Sache mit Hitler-Deutschland und deportierte sie in den Osten und Norden des Landes. Der Umsiedlung unterlagen alle Deutschen, die in den Städten und Dörfern der ASSR der Wolgadeutschen, den Gebieten Saratow und Stalingrad lebten. Die gewaltsame Umsiedlung ganzer Völker hinterlässt eine blutige und bis heute nicht verheilte Wunde in unserer Geschichte.

Man ließ sie in einen Viehwaggon einsteigen und brachte sie nach Sibirien. Viele Menschen hielten den schrecklichen Transport-Bedingungen nicht stand – sie starben aufgrund von Infektionskrankheiten.
In Krasnojarsk verlud man sie auf Lastkähne und brachte sie bis zur Anlegestelle Sorokino. An den neuen Siedlungsorten begegnete man den Deutschen auf unterschiedliche Weise. An der Anlegestelle wurden sie bereits von den Kolchos-Vorsitzenden erwartet. Wie auf einem Sklavenmarkt schrien sie: «Sind Traktor-Fahrer unter euch? Kommt her! Schmiede? Los, hierher!» Alleinstehende Frauen, noch dazu mit Kindern, galten als dritte Wahl.

Und im Januar 1942, un mancherorts auch im Herbst 1941, wurden alle Männer, mit Ausnahme von Alten und Invaliden, in die «Trud-Armee» gejagt – hauptsächlich zum Holzeinschlag, aber auch in die Schachtanlagen des Kusnezker Beckens. Im Sommer 1942 schickten sie die Frauen, außer diejenigen, die viele Kinder hatten, sowie Halbwüchsige zum «Fischfang» in den hohen Norden: nach Igarka in den Turuchansker Bezirk, nach Ewenkien, auf die Halbinsel Taimyr und auch an die Angara.

Spärliche Kost, Wind, Regen, Frost, Mückenschwärme waren ihre täglichen Weggefährten, die ihnen jegliche Kraft nahmen und die Menschen in Skelette verwandelten, die beim Gehen tot umfielen. «Bei unerfüllter Arbeitsnorm geht es keinen Schritt aus dem Wald hinaus!»- das war die eiserne Regel der Lager-Leitung. Die Verpflegung war äußerst schlecht, sie bestand aus faulen Kartoffeln und Kohl. Brot wurde mit Beimischungen gebacken und glich Lehm. Die Lebensmittel-Normen erreichten die Marke, bei der der Hungertod einsetzte. Die meisten Trudarmisten kamen um. Der Eine vor Hunger, der andere wegen Krankheit. Einige wurden als zum Arbeiten ungeeignet anerkannt und nach Hause geschickt. In der Regel verstarben sie auf dem Weg dorthin. All die Erschwernisse des Lebens wurden durch die erniedrigende Lage der Menschen deutscher Nationalität noch schlimmer.

Während der Repressionsjahre erlitt das Volk unzählige menschliche und moralische Verluste. Allein in diesen Jahren zählte man fast eine halbe Million Menschenleben – Männer, Frauen, Kinder. Im Zeitraum der politischen Massen-Repressionen von 1929 bis 1960 befinden sich auf dem Territorium der Region Krasnojarsk in den Orten des Freiheitsentzugs, in der Verbannung und in Sonderansiedlung bis zu 545000 Menschen aus 37 Nationalitäten.

In unserem Bezirk leben ebenfalls nicht wenige Leute, welche die rauen Schicksalsherausforderungen jener Jahre durchgemacht haben. Im Ort leben noch heute solche Menschen. Und obwohl ihre Wunden mit der Zeit vernarbt sind, fängt die Seele erneut an zu weinen, das Herz sich zusammenzuziehen, in den Minuten der Erinnerung über die geschehenen Erniedrigungen und die Schrecken der physischen Gewalt.

Aber die Deutschen – sind nicht das einzige Volk, das unter den Verfolgungen zu leiden hatte. Ende 1943 – Anfang 1944 realisierten Stalin und Berija auf der Grundlage gefälschter Angaben Maßnahmen zur Aussiedlung der Kalmücken, Tschetschenen, Inguscheten, Balkaren, Karatschai-Tscherkessen, Krim-Tataren und andere Völkerschaften.


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