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L.O. Petri, V.T. Petri . Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet

Kurzbiographie der Autoren

Lew Ottowitsch Petri, am 10.08.1926 als Sohn deutscher Eltern in der Stadt Balakowo, Gebiet Saratow, geboren. Arbeitete im Tajmyr-Gebiet in Ust-Chantajka als Leiter einer Fischfangbrigade und in Dudinka als Techniker in der Abteilung für Wassertransportwesen bei der Seehafenbehörde. In der Region Nowosibirsk war er als Ober-Ingenieur der Michajlowsker Forstwirtschaft tätig, danach als Lehrer am Lehrstuhl für „Elektrotechnik“ des Sibirischen Technolgischen Instituts in Krasnojarsk sowie als Leiter der produktionstechnischen Abteilung der Behörde für Elektromontagen UNR-436; es folgte die Aspirantur am Moskauer Institut für Energiewirtschaft (Moskau), die Doktorarbeit (technische Wissenschaften); anschließend arbeitete er als Dozent und war dann bis zu seiner Pensionierung 32 Jahre lang mit Lehrtätigkeiten und wissenschaftlichen Arbeiten befaßt, leitete die Aspirantur (7 Aspiranten, darunter 2 Deutsche) am Moskauer Institut für Energiewirtschaft (MEI). 1994 reiste er mit seiner Familie nach Deutschland aus. Er ist Mitglied der Deutschen Assoziation der Absolventen und Freunde der Staatlichen Moskauer Lomonosow-Universität in Berlin.

Viktoria Theodorowna Petri (Walter), als Tochter deutscher Eltern am 28.04.1925 in der Ortschaft Gnadentau, ASSR der Wolgadeutschen, geboren. Arbeitete bis zum Eintritt ins Rentenalter als Hauptbuchhalterin bei der Behörde für Elektromontagen UNR-436 und der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur in Moskau. 1994 reiste sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Sie war Mitglied einer internationalen Gruppe für Elternschulen sowie einer sozialen Initiativgruppe in Hamburg. Sie starb am 04.10.2005 und liegt in Hamburg begraben.

Witenkas Tod bedeutete für unsere Familie ein großes Leid. In jenem tragischen Augenblick gewährte Gott mir nur die Möglichkeit, in Anwesenheit unseres neben mir auf dem Bett sitzenden Sohnes Viktor, den allerletzten Schlag ihres Herzens wahrzunehmen. Es war schrecklich! Unsere Seelen blieben miteinander vereint – auch unsere Körper werden eines Tages wieder beieinander liegen. Ein Gedenkstein aus Granit erinnert an Witenka. Er trägt die Aufschrift: „PETRI Viktoria 1925-2005 Leo 1926 ...“. Wir waren so tief von unserer gegenseitigen Liebe durchdrungen, dass dies sogar für die Menschen um uns herum sichtbar und fühlbar war. Wir waren immer und überall zusammen. Möge die ERINNERUNG an unsere Witenka für immer leben!

Das russische Volk ist das unterwürfigste, ergebenste von allen, wenn man ihm strenge Befehle erteilt, aber es ist nicht in der Lage sich selbst zu lenken und zu regieren. Aufgrund irgendwelcher Dummheiten oder Trägheiten kommt es gewöhnlich auch bei uns zu bedeutenden und schrecklichen Ereignissen“. E.S. Radsinskij.

Lieber Leser!

Vor Ihnen liegt ein Buch, das auf Bitten der heute in Dudinka lebenden ehemaligen Sondersiedler der zweiten und dritten Generation des „Produktionsjahrgangs“ 1942 verfaßt wurde. Diese Menschen haben den Wunsch geäußert, die Erinnerung an die Völker vieler Nationalitäten zu wahren, deren Schicksal sie nicht aus freiem Willen in den Hohen Norden verschlagen hat. Nach dem im Jahre 2002 mit Hilfe der Zeitung „Heimat – Rodina“ in dem Artikel „Tajmyrer, meldet euch“ erfolgten Aufruf der Autoren (L.O. und V.T. Petri), kamen in sehr aktiver Weise Reaktionen von heute im Ausland lebenden, ehemaligen Sondersiedlern, die aus ihrer fernen Vergangenheit Erinnerungen verfaßten – in dem Bewußtsein, dass sie genau damit ein kleines Stückchen Geschichte unseres Volkes schreiben. Dieses geschichtliche Material bezieht sich nicht nur auf die Sondersiedler, die einst an den Flußlauf des Jenisej gerieten. Beschrieben wird auch das Schicksal der 1943 am Fluß Chatanga ausgesetzten Menschen, die damit nicht nur in den Hohen Norden, sondern praktisch „ans Ende der Welt“ gelangten, dorthin, wo der Mensch sich unter der fortwährenden, schweren Last des Gefühls befindet, vom Rest der Welt vollständig abgeschnitten zu sein. Das Buch wendet sich an Historiker, Bibliothekare, Masseninformationsmittel, Archivmitarbeiter und Augenzeugen der zum Andenken beschriebenen historischen Ereignisse im Tajmyr-Gebiet. Nach Meinung der Autoren stellt das Buch für die ehemaligen tajmyrer Sondersiedler eine Erinnerung dar, für alle diejenigen, die zu Opfern der Gesetzlosigkeit wurden und im ewigen Eis des Tajmyr ihre letzte Ruhe fanden – wird es ein Denkmal sein, und die heute lebenden Menschen sowie die nachfolgenden Generationen soll es dazu ermahnen, das Geschehene in der Zukunft nicht noch einmal zuzulassen. Die Ausgabe ist ein Zeugnis dessen, wie die Gerechtigkeit in Bezug auf die deportierten Bewohner des Wolgagebiets, der Gebiete Saratow, Stalingrad, Leneingrad und anderer Regionen der ehemaligen UdSSR bis heute wiederhergestellt wird. Natürlich darf man nicht vergessen, dass mit Beginn des verräterischen Überfalls Deutschlands auf die UdSSR im Juni 1941 die Bevölkerung des gesamten Landes, unter dem Druck des Kriegsgeschehens und des grausamen Vorgehens des Feindes, in Bewegung geriet, nachdem es durch die Mobilisierung in ganz andere Lebens- und Arbeitsbedingungen geraten war. Da die ASSR der Wolgadeutschen aufgrund der Kriegssituation am 28. August 1941 liquidiert wurde, verschleppte man ihrer Bewohner, nachdem sie zusammen mit Deportierten aus anderen Republiken zu sogenannten Sondersiedlern geworden waren, nach Sibirien (1941), auf die Halbinsel Tajmyr (1942), nach Chatanga (1943) und auf die Insel Sachalin (1948). Mit den Bedingungen des Hohen Nordens kamen diejenigen Sondersiedler am ehesten zurecht, die sich mit dem Fischfang, beziehungsweise der Verarbeitung von Fisch, schon vorher gut ausgekannt hatten.

Unsere Hinwendung zum Leser ist mit dem Wunsch der Autoren verknüpft, in gleichem Maße wie die damals existierende Sowjetgesellschaft vor dem Hintergrund der Kriegsgeschehnisse auch jene Opfer zu würdigen, die in unseren historischen Erinnerungen fest im Gedächtnis der Augenzeugen geblieben sind. Aber damit diese Würdigung nicht einseitig – nur auf die Sondersiedler gerichtet – erscheint, gedenken wir auch der allgemeinen Lage im Lande, die aufgrund des Kriegszustands herrschte: Massensterben innerhalb der Zivilbevölkerung durch kriegerische Handlungen, obwohl der Staat aus den westlichen Gebieten, aus Moskau und Leningrad Millionen Menschen in den Ural und nach Sibirien verschleppte. Unter ihnen befanden sich auch unsere Verwandten mütterlicher- und väterlicherseits, die wir nach langem Suchen erst 11-16 Jahre später wiederfanden. Denn damals bildeten sich im Land faktisch folgende staatliche Strukturen heraus: Bevölkerung, Front, Arbeitskolonnen des NKWD, Landwirtschaft, Bildung, „Volksfeinde“, Sondersiedler u.a. All das wurde nach 1956 überprüft und revidiert und vieles als gerecht bewertet, besonders die heldenhafte Rolle des sowjetischen Volkes beim Großen Sieg.

 


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