Ich wurde in dem Dorf Kawgalowo im Gebiet Leningrad geboren. Wir waren eine große Familie mit sechs Kindern. Mein Vater starb, als ich gerade erst ein Jahr alt war. Mit Beginn des Krieges wurden viele Frauen, unter ihnen auch meine Mutter, fortgeschickt, um Schützengräben auszuheben. Sie starb, völlig entkräftet von der harten Arbeit, am Vorabend der Deportation. Auch meine Schwester kam ums Leben. Mein Mann gilt als verschollen; er verschwand bei der Verteidigung Leningrads spurlos. Ich blieb allein mit meinen beiden Töchtern und dem zehnjährigen Neffen zurück. Ich arbeitete in der Waldwirtschaft. Am Morgen des 28. März 1942, als wir bei der Arbeit eintrafen, wandte der Meister sich an die Finnen und sagte: „Heute werdet ihr nicht arbeiten. Ihr bekommt euren Lohn und dann geht’s zum Bahnhof“. Drei Tage und Nächte waren wir, immer unter feindlichem Beschuß, bis zum Ladoga-See unterwegs, und dann, mitten in der Nacht, schickten sie uns über das Eis auf unseren „Lebensweg“. In aller Eile wurden wir auf Güterwaggons verladen und in Richtung Osten abtransportiert. Einen Monat später trafen wir an der Station Reschoty, im Nischne-Ingaschsker Bezirk, Region Krasnojarsk, ein. Wenn man sich an diese Reise, die einen fast durch das gesamte Land führte, erinnert, dann gelangt man zu der Überzeugung, dass die Landesleitung, zum Schaden für die Erfordernisse an der Front, monatelang eine beträchtliche Anzahl Soldaten und Offiziere für die Deportation völlig unschuldiger „feindlicher“ Menschen aller Altersgruppen abzog. Man hatte den Eindruck, dass das stalinistische Regime nach zahlreichen, von ihm zugelassenen Verbrechen, sein eigenes Volk am meisten fürchtet, viel mehr noch, als den äußeren Feind.
In der örtlichen Waldwirtschaft führte man uns zum Arbeiten in die Taiga, um von den Nadelbäumen eine Art Teer zu sammeln. Dort starb meine eineinhalbjährige Tochter. Im August 1942 verkündete man uns: „Packt eure Sachen. Ihr kommt zum Fischen in den Norden!“ Nun wurde ich zum zweiten Mal deportiert. Wir wurden auf den Dampfer „J. Stalin“ verladen und den Jenisej flußabwärts transportiert. Ich mußte in Sibirien meinen kranken Neffen zurücklassen; niemand weiß, was aus ihm danach geworden ist ... Am 22. August 1942 lieferten sie uns in der Siedlung Ust-Chantajka ab. Zusammen mit uns Finnen trafen dort auch Letten ein. In der Siedlung lebten bereits Deutsche von der Wolga und aus Leningrad. Bis zum Einsetzen der Schneefälle lebten wir auf Dachböden. Als sie aus Igarka Flöße mit Baumaterialien schickten, begannen wir mit dem Bau von Baracken. Aber wie sollten wir das bewerkstelligen? Niemand verstand etwas davon. Später kam der Vorarbeiter Djukow zu uns, und dann gerieten die Bauaktivitäten in Bewegung. Während des Winters starben unter den höllischen Wohn- und Lebensmittelbedingungen zahlreiche Kinder und Frauen aufgrund von Krankheiten und Hunger. 1944 wurden wir von Ust-Chantajka etwas weiter Richtung Dudinka verlegt, in die Kolchose „Der Taijmyrer“, wo wir uns ab dem Frühjahr mit Gemüseanbau befaßten. Diese Art der Arbeit waren wir eher gewohnt, als das Fischen. Wir verzeichneten gute Ernteerträge bei Kartoffeln und Kohl. In Gewächshäusern züchteten wir Gurken. Der Kolchosvorsitzende Michail Pawlowitsch Poleschajew war ein strenger, aber guter Mann, er kümmerte sich um die Menschen, und wir waren ihm für sein wohlgesinntes Verhalten uns gegenüber dankbar. 1947 zog ich mit meiner Tochter nach Dudinka um. Im heutigen Dudinka erinnert kaum noch etwas an die damalige Lager-Stadt. Aber ich kann mich noch an die Lagerzone erinnern, die mit Stacheldraht umgeben war, die Baracken für die „Häftlinge“, den Lagerfriedhof. Viele unschuldig verurteilte Menschen sind auf diesem Boden umgekommen ....