Die weiter oben angeführten Zeugenaussagen und Archivdokumente über das Elend, in das die Sondersiedler in den Jahren 1942-1944 im Tajmyr-Gebiet gerieten, beziehen sich lediglich auf sechs bewohnte Ortschaften: Ust-Chantajka, Potapowo, Malyschewka, Dorofejewsk und Pschenitschnij Rutschej, den Dampfer und Chatanga, Die vom regionalen Tajmyrer Heimatkundemuseum gesammelten und im „Museumsboten, Ausgabe 1, Dudinka 2001“ veröffentlichten Archiv-Angaben nehmen ebenfalls Bezug auf die Ereignisse jener Jahre, die sich in den oben genannten Ortschaften, aber auch in anderen Bezirken des Tajmyr zutrugen: Ananewsk, Ust-Port, Woronzowo, Oschmarino, Nikandrowsk, Nosonowsk, Sidorowskij, Kasanzewo, Nikolskij, Lewinskije Peski sowie auf den Nosonowsker Inseln. In all diesen Siedlungen fand man ein und dasselbe Bild vor – fehlende Behausungen, fehlende Kleidung, Kälte, Hunger, Skorbut, Massenerkrankungen, Mangel oder vollständiges Nichtvorhandensein von Brennmaterial und als Folge all dessen – ein Massensterben der Menschen. Die unversehrt davongekommenen Augenzeugen haben das noch nicht vergessen.
Anhand welcher Merkmale kann man das erlebte Grauen zusammenfassen, das alle Menschen in den aufgezählten Siedlungen miteinander vereint? Wie die Analyse zeigt, gibt es nur ganz wenige Merkmale:
Diese drei Merkmale haben damals alle Tajmyr-Sondersiedler miteinander vereint. Betrachten wir jedes dieser Merkmale ein wenig näher.
1. Die Nationalität erweist sich als Hauptmerkmal, aufgrund desen ein Mensch zum Sondersiedler wurde und für immer an seinem Wohnort im Tajmyr-Gebiet registriert und meldepflichtig war (Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 26.11.1948).
2. In den Jahren 1942-1944 wurden durch die Kriegskommissariate und NKWD-Organe 3 – 3,5 mal mehr Menschen mobilisiert und ins Tajmyr-Gebiet verschickt, als tatsächlich in der neu organisierten Fischindustrie Arbeitskräfte erforderlich waren. „Die Überflüssigen“ blieben infolgedessen ohne jegliche Existenzmittel: sie besaßen keine Behausung, keine Kleidung, keine Nahrung, kein Heizmaterial; stattdessen herrschten Kälte, Hunger und Skorbut; es fehlte jegliche medizinische Versorgung – und es kam zu einem Massensterben ganzer Familien. (Anordnung des Rates der Volkskommisare der UdSSR und des Zentralkomitees der WKP (B) vom 6. Januar 1942 „Über die Entwicklung der Fischfang-Industrie in den Flußbecken Sibiriens und des Fernen Ostens“.
3. Die Sondersiedler, und vor allem diejenigen, die in der zweiten Hälfte des Sommers 1942 im Tajmyr-Gebiet eingetroffen waren, fanden sich im ewigen Frost in Erdhütten (Höhlen) wieder, welche sie sich selber hatten graben müssen und in denen die Lebensbedingungen, zusammen mit der vorhandenen Hungersnot, zu nichts anderem, als zum Aussterben führen konnten. Menschen jeden Alters konnten hier praktisch nicht überleben. Wie Leidtragende der damaligen Zeit bezeugen, brachte auch der verbrecherische Betrug an den Sondersiedlern bei ihrer Verschleppung im Jahre 1941 aus den angestammten, heimatlichen Wohnorten den Wolgadeutschen, aber auch den Baltikumsbewohnern einen nicht wieder gut zu machenden, verhängnisvolle Verlust, als nämlich die bewaffneten Begleitsoldaten ihnen nicht erlaubten, warme Kleidung mitzunehmen. Stattdessen verkündeten sie: „Zum Winter kehrt ihr wieder zurück!“ Das war eine direkte Beförderung ins Verderben. Die von uns angeführten Erinnerungen von Augenzeugen sowie diverse Archiv-Materialien stellen eine überzeugende Aussage über die Tragödie zahlreicher Völker auf Tajmyrer Boden in den Jahren 1942-1944 dar. Mit der Hilfe der dem Hohen Norden eigenen rauhen Natur wurden gegenüber den Sondersiedlern wahrhaftige Todesbedingungen geschaffen. Welche der drei Merkmale unserer Zusammenfassung über den Tajmyr lassen sich nun am ehesten dem Begriff „Todesbedingungen“ zuordnen?
1. Merkmal – aufgrund der Nationalität – es paßt in seiner ganzen Bandbreite
zu diesem Begriff.
2. Merkmal – Schaffung menschenunwürdiger Bedingungen – es läßt sich ebenfalls
in vollem Umfang zuordnen.
3. Merkmal – vollständige oder teilweise Hungersnot innerhalb einzelner
Bevölkerungsgruppen – auch dieser Punkt kann ohne Einschränkungen zugeordnet
werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass in den Jahren 1942-1944 im Tajmyr-Gebiet in Verbindung mit den Sondersiedlern verschiederner Nationalitäten-Zugehörigkeiten, verhängnisvolle Bedingungen entstanden, in deren Verlauf bis zu 70% der in den Hohen Norden verschleppten Menschen ums Leben kamen, weil sie sich aufgrund mangelnder Arbeitsplätze als „überflüssig“ erwiesen. Woher stammt nun die Ziffer 70%? Um die tajmyrer Tragik unter den Sondersiedlern bewerten zu können, ist es zunächst erforderlich, sich Klarheit über die Anzahl der dort Umgekommenen zu verschaffen. Diese offiziellen Zahlen liegen uns bislang noch nicht vor. Aber für bloße Schätzungen kann man sie anhand der Statistiken zweier Siedlungen erhalten – Ust-Chantajka und Potapowo. Es verhält sich näm- lich so, dass diese Ortschaften die beiden südlichsten auf dem Territorium der Halbinsel Tajmyr sind; sie befinden sich in der Waldtundra-Zone, und aufgrund ihres Klimas herrschen dort zweifellos weniger rauhe Bedingungen, als beispielsweise in den Siedlungen im Ust-Jenisejsker Bezirk, der im äußersten Norden, in einer reinenTundra-Landschaft liegt. Wenn wir dies zugrundelegen, sind wir bedingt berechtigt, die Angaben über diese beiden Siedlungen auf das gesamte Sondersiedler-Kontingent auszudehnen, da es unter noch wesentlich schlimmeren Bedingungen lebte, und zwar ohne dass wir dabei einen merklichen Fehler zugunsten einer höheren Sterblichkeitsrate begehen. Also, in Ust-Chantajka und Potapowo betrug die Sterblichkeitsrate innerhalb der allgemeinen Zahl der insgesamt 1950 dort eingetroffenen Sondersiedler innerhalb von drei Jahren 1370 Personen, d.h. 70%. Wie weiter oben angemerkt, wurden laut Archiv-Angaben aufgerundet etwas 10900 Menschen dorthin transportiert (Deutsche und Kalmücken). Allerdings wurden 1948 250 Personen aus der Sonderkommandantur abgemeldet, die das Tajmyrgebiet aufgrund einer Anwerbung verließen und sich auf die Insel Sachalin begaben. Daher muß die Zahl der im Tajmyr-Gebiet angekommen Sondersiedler gerechterweise mit 10900 minus 250 angegeben werden – also mit 10650 Personen. Wenn wir damals eine Todesrate von 70% im Bezirk Dudinka hatten, dann betrug die Sterblichkeitsrate im gesamten Tajmyr-Gebiet rein rechnerisch etwa 6400 Personen. Innerhalb der vier Jahren, in denen der Staatliche Tajmyrer Fischfang-Konzern in Betrieb war, machte er eine Fischausbeute von lediglich 213.000 Zentnern; er wurde, ohne dem erwarteten ökonomischen Effekt Rechnung getragen zu haben, im April 1946 liquidiert. Aufgrund dieser Tatsache beschwor die Regierung der UdSSR, nachdem sie den Fehler, den sie gemacht hatte, eingesehen und selber 11.000 Menschen ins Tajmyr-Gebiet mobilisiert hatte (von denen sich 8 – 8,5 Tausend als völlig überflüssig erwiesen), selbst die Sterblichkeit von 6000 Sondersiedlern herauf. Auf diese Weise wurde letzendlich die Erschließung der Fischindustrie im Tajymr-Gebiet mit Hilfe der rauhen Natur und des harten nördlichen Klimas zum Verderb eines Teils des „feindlichen Volkes“ – nach der bekannten Formel „Wo kein Mensch ist, gibt es auch kein Problem“.
Als Beispiel in Sachen „überflüssige Menschen“ kann die Ust-Chantajker Kolchose „Nordweg“ dienen, in deren Wirtschaft die Leute arbeiteten: 3 Brigaden beim Fischfang – 48 Personen, beim Bau – 20 Personen, in der Verwaltung – 5 Personen, im Dienstleistungssektor für die Bevölkerung – 20 Personen, das sind insgesamt 93; runden wir das einmal auf 100 Personen auf, die über einen Arbeitsplatz verfügten. Faktisch wurden im Herbst 1942 jedoch 450 Personen dort abgeliefert, d.h. 350 oder 350% von ihnen waren „überflüssig“ – es gab für sie keinen Arbeitsplatz und somit auch keinen Lohn, von dem sie sich eine ausreichende Menge Brot und andere Lebensmittel hätten kaufen können, nicht einmal anhand von Lebensmittelkarten für nichtverdienende Familienmitglieder. Die Menschen waren zum Hungertod verdammt. Eine analoge Situation entstand auch in anderen Siedlungen. Aus den angeführten Angaben kann man ohne weiteres errechnen, dass in den Jahren 1942-1944 ins Tajmyr-Gebiet 3 bis 3,5 mal so viele Arbeitskräfte abtransportiert wurden, wie nötig waren, um die Anordnung der Regierung vom 6. Januar 1942 zu verwirklichen – vom Arbeitsumfang her hätte es vollkommen ausgereicht, auf die Halbinsel Tajmyr nicht mehr als 2500-3000 arbeitsfähige Menschen zu mobilisieren. Die mehr als dreifache Arbeitskräfte-Reserve läßt sich nur durch die Politik der örtlichenBehörden erklären, welche sich die Gelegenheit zunutze machten das „arme Sibirien“ von „feindlich Gesinnten“ zu befreien und den Arbeitseinsatz von Sondersiedlern in einer Größenordnung von 2500-3000 Personen unter Sklaven-Bedingungen durchzusetzen. Über die Genauigkeit der aufgeführten Angaben für das gesamte Tajmyr-Gebiet läßt sich streiten, aber unbestreitbar ist die Tatsache, dass es hier mindestens dreimal so viele „Überflüssige“ gab, als wirklich erforderlich gewesen wären. Dies wird auch bestätigt durch die Liquidierung des Tajmyrer Fischfang-Konzerns im Jahre 1946 sowie die 1948 durchgeführte Massenanwerbung von Sondersiedlern auf die Insel Sachalin. Um der Gerechtigkeit willen dürfen wir dabei nicht die Frage außer Acht lassen, wie sich zwischen 1942 und 1948 das Schicksal der „nicht Überflüssigen“ gestaltete – das Schicksal der Fischer, Jäger, Rentierzüchter, Bauarbeiter, ungelernter Arbeiter und Verwaltungsangestellter der Kolchosen, der Spezialisten in der Binnenschiffahrt, der im Bereich Handel und Nahrungsmittel Tätigen, der Schullehrer, Staatsdiener, den Angehörigen des medizinischen Personals und anderer. Das Lebensniveau der hier aufgezählten Berufstätigen kann man im großen Ganzen als zufriedenstellend bezeichnen, obwohl die Bereitstellung von Wohnraum äußerst unzureichend war; und auch in Dudinka und allen anderen Siedlungen waren die Behausungen überbelegt (was weiter oben auch von den Augenzeugen bestätigt wurde).
Mit dem Wohnproblem befaßte sich in jenen Jahren niemand, und die allgemeine Bautätigkeit ging im Norden nur auf behördlichem Wege vonstatten, um die heute herrschenden Bedürfnisse zu befriedigen. In den Siedlungen (Ust-Chantajka, Potapowo, Nikolskoje u.a.) wurde Dank der Rettung der mit Baumaterialien beladenen Flöße aus Igarka ein intensiver Bau von zweistöckigen Häusern betrieben. In Ust-Chantajka wurde für verwaiste Kinder eine Baracke errichtet und eine „Waldschule“ eröffnet, die über feste Planstellen für Erzieherinnen und Lehrer aus den Reihen der Sondersiedler verfügte. Somit kann man davon ausgehen, dass ein Genozid für die am Leben gebliebenen Sondersiedler durch die Bemühungen der Behörden nicht stattgefunden hat. Zwei bis drei Jahre später zogen viele mit Erlaubnis der Sonderkommandantur nach Dudinka um, wo sie sich bei verschiedenen Lehrkursen auf Ortsniveau anmeldeten oder anfingen, in Kontoren und Krankenhäusern zu arbeiten (das ist bis heute so, d.h. im Jahr 2000 bestand das medizinische Personal in Dudinka hauptsächlich aus der 2. und 3. Generation von Repressionsopfern).
Sondersiedler wurden überall (außer in Norilsk) auf freien Arbeitsplätzen im Norden angenommen, allerdings mit Ausnahme von Transportorganisationen, denn dazu erteilte die Sonderkommandantur ihnen keine Genehmigung. Einige Organisationen und Namen derer, die dort arbeiteten, sind im Gedächtnis geblieben:
Die Umladestation des Tajmyrer Fischfang-Konzerns – Jurij Jankowitsch, Fjdor Stroo, Arthur Brunner; die Fischereigenosenschaft Dudinka – Klara Schwaab, Harald Walter; der Hafenclub – Alexander Wagner (Bajanspieler), Ruta Jankowitsch (Pianistin); Mittelschule Dudinka – die Lehrkräfte Nikolaj Wagner und Lilja Wagner; das Industriekombinat Dudinka – Alexander Gossmann, Fjodor Schwaab, Sophia Gustawna Sawadskij, Ella Gustawna Sawadskij und Ernst Sawadskij, Viktoria Walter, Viktoria und Alfons Gappeldt; die regionale Tajmyrer Konsumgenossenschaft – Anna und Lolja Wilhelm; die NKWD-Hafenbehörde in Dudinka – Alexander Gorr, Robert Klynts, Leo Petri (1946-1948); das regionale Tajmyrer Krankenhaus – Natalia Jankowitsch; die Industriegenossenschaft Dudinka – Leiterin Minna Walter; der Staatliche Tajmyrer Fischfang-Konzern – Leo Petri (1944-1946); die Expedition für Wasserbau und Binnenschifffahrt in Dudinka - Viktor Gossmann; die regionale Tajmyrer Schule für Kolchoskader – die Schülerinnen Brigitta Hinz und Irma Scherer; Sparkasse Dudinka – Ella Gaun.
Diese Leute zogen vorwiegend nach 1944 aus den Siedlungen in die Stadt Dudinka um und fanden dort Arbeit bei verschiedenen Organisationen; natürlich besaßen sie keinen eigenen Wohnraum, sondern kamen zunächst bei Bekannten unter oder mieteten sich irgendwo ein „Eckchen“. Aber das war ja nur vorübergehend und zumindest ein Ausweg, um nicht in die Reihen der „Überschüssigen“ hineinzugeraten. Diejenigen, die eine Möglichkeit zum Arbeiten fanden, blieben am Leben. Zu Tode kamen in erster Linie Menschen, die in kleine Siedlungen geraten waren und zu den „überzähligen“ Arbeitslosen zählten. Die NKWD-Sonderkommandantur kümmerte sich überhaupt nicht um die Unterbringung der in den Norden gebrachten“überflüssigen“ Sondersiedler an einem Arbeitsplatz. Deswegen waren letztgenannte erbarmungslos der Willkür des Schicksals ausgeliefert, was praktisch ihren Tod bedeutete.
Den Vertretern der neuen Generation fällt es schwer zu glauben, dass das Leben der Menschen im Norden vor 60 Jahren vollständig davon abhing, ob sie eine Behausung und warme Bekleidung besaßen.
Heute, da die Wärme, wie beispielsweise in Dudinka und Norilsk) aus der Zentralheitung kommt, und in den Siedlungen genügend Kettenmotorsägen vorhanden sind, um damit zur Sommerzeit den gesamten Brennholz-Vorrat für den Winter zu sichern, stellt dies kein Problem mehr da. Auch gibt es keinerlei Schwierigkeiten beim Erwerb warmer Fellkleidung, die u.a. auch lokal hergestellt wird. Aber das ist heute! Und damals? ... wußten die Behörden etwa nichts von der tödlichen Gefahr, welcher ganze Völkerschaften ausgesetzt waren, die in Bezirke verschleppt wurden, in denen es keine Behausungen gab? Noch einmal wiederhole ich die Worte des uns bekannten Leiters der NKWD-Behörd im Tajmyrer Nationalkreis, Major Owtschinnikow, der noch Mitte Juni 1942, als er den Paß es Finnen in Stücke riß, ganz richtig sagte: „Jetzt brauchst du keinen Paß mehr. Und nun begib dich auf den Leichter“. Er wußte damals bereits, dass ein Teil der Menschen, die mit der Schiffskarawane in den Norden schwimmen würden, zum Sterben dorthin gebracht wurden, und infolgedessen brauchten sie auch keine persönlichen Dokumente mehr, schließlich handelte es sich doch um „feindliche Völker“.
Die Jahrhundertelange Geschichte der Erforschung und Erschließung des
Äußersten Nordens zeigt, was für ein tragisches Ende viele Expeditionen nahmen,
die ganz speziell mit allen notwendigen Dingen zur Schaffung von Arbeits- und
Wohnbedingungen im Norden ausgerüstet waren, obwohl es sich bei ihnen in der
Regel um kerngesunde Männer handelte. In unserem Fall wurden zur Erschließung
jener Gegenden (aufgrund der streng geheimen Verfügung des Rates der
Volkskommissare der UdSSR und des Zentralkomitees der Allrussichen
Kommunistischen Partei (Bolschewiken) vom 6. Januar 1942, N° 197, „Über die
Entwicklung der Fischindustrie in den Flußbecken Sibiriens und des Fernen Ostens“)
nur Frauen und Kinder, Halbwücjsige und alte Menschen verschleppt, denn die
gesamte männliche deutsche Bevölkerung im Alter von 15-55 Jahren war auf
Anordnung N° 1123 des Staatlichen Verteidigungskomitees vom 10. Januar 1942 in „Arbeitskolonnen“
des NKWD mobilisiert und in Konzentrationslagern untergebracht worden – mit
allen Attributen eines Lagerregimes: Stacheldraht, Wachtürmn und Normen bei der
Lebensmittelversorgung, welche der GULAG des NKWD der UdSSR festgelegt hatte.
Man muß der Anordnung des Rates der Volkskommissare und des Zentralkomitees der
WKP (B) N° 197 besondere Beachtung schenken: darin wird mit keinem einzigen Wort
der „Äußerste Norden“ erwähnt! Lediglich von „Sibirien“ ist die Rede. Aber,
verzeihen Sie, Sibirien ist doch nicht der Hohe Norden, in den wir geraten waren.
Denken Sie sich, lieber Leser, doch einmal in die Situation hinein! Was für eine
„Entwicklung“ der Fichindustrie können den Sklavenarbeitskräfte im Norden
vorantreiben, die ausschließlich aus Frauen und Kindern bestehen? Ohne Wohnung
und Kleidung! Noch zu Vorkriegszeiten unterschied sich die Versorgungslage im
Hohen Norden ganz gewaltig von der sonst üblichen: auf allen Verpackungen und
Behältnissen stand geschrieben – „Für den Hohen Norden“ – das bedeutete –
höchste Qualität, Lieferung außer der Reihe, im allgemeinen – der beste Service.
Und das ist verständlich, denn es existierte, und das ist bis heute so, die
sogenannte „Nord-Zustellung“, die einerseits aufgrund der Naturbedingungen
zeitlich begrenzt ist; zum anderen kann die Ausführungsfrist der Lieferungen das
Leben der dort wohnenden Menschen beeinflussen. Allen ist bekannt, dass es sich
bei Sibirien und dem Hohen Norden nicht allein um unterschiedliche geographische
Weiten handelt; am bedeutsamsten ist die Tatsache, dass die klimatischen
Bedingungen, die Natur, sich jeweils extrem unterscheiden und entsprechend auf
die dort lebenden Menschen auswirken. Das wäre dasselbe, als wenn wir
beispielsweise den Befehl erteilen, eine wissenschaftliche Expedition in den
Äußersten Norden zu entsenden, ohne sie mit Lebensmitteln, Unterkunft, Kleidung
und Geldmitteln auszustatten. Eine derartige Idee wäre doch von vornherein zum
Scheitern verurteilt und würde von den Behörden verurteilt werden. Dasselbe
geschah auch im Tajmyr-Gebiet: es wurde dort überhaupt keine „Entwicklung“ der
Fisch-Industrie erreicht; vielmehr kehrte das „Expeditionskommando“ aus den
Reihen der Sondersiedler, nachdem es 60-70% seines Bestandes im ewigen Eis
zurückgelassen hatte, mit negativem Ergebnis an seinen Ausgangspunkt zurück.
Hier ist es angebracht, sich an die Worte des ehemaligen Häftlings und bekannten
Schauspielers, G.S. Schschonow, zu erinnern: „Wenn man nur wüßte, wozu man
solche Qualen auf sich nimmt, dann wäre alles leichter!“
Und irgendwann einmal klangen die Begriffe „Dickson“, „Nordwik“, „Tiksi-Bucht“,
„Chatanga“ und schließlich „Tajmyr“ mit seinem allernördlichsten Punkt „Kap
Tscheljuskin“ für uns Kinder in den 1930er und 1940er Jahren abenteuerlich,
geheimnisvoll, historisch und heilig. Vergessen wir nicht den bemerkenswerten
Roman von W. Kawerin – „Die beiden Kapitäne“ – mit seinen nördlichen
Expeditionsreisen und Abenteuern, der Erschließung der wilden Natur und der
reinen, ergebenen Liebe seiner Haupthelden, zu deren wohlverdientem Glück – sie
fanden einander – das Erreichen von Zielen, Wahrheiten und aufrichtiger,
gegenseitiger LIEBE gehörten!