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L.O. Petri, V.T. Petri . Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet

Die Elbe – Hamburg

Obwohl bereits zwei Jahre vergangen waren, seit wir die Einladung nach Deutschland erhalten hatten und Julia nicht nur die 10. Klasse, sondern sogar das 1. Studienjahr am Moskauer Institut für Fernmeldewesen absolviert hatte, fingen wir erst jetzt an, uns endgültig auf unseren Umzug vorzubereiten. Ganz besonders stolz waren wir auf Julias Erfolge in Mathematik. Bei ihrer Immatrikulation am Institut ein Jahr zuvor hatte sie nach dem 10-Punkte-System von insgesamt 200 Zugängen, zusammen mit 5 anderen Abiturienten, die Zahl 10 erreicht. Damals hatte der Mathematik-Prüfer sie zu einem Gespräch eingeladen und sie gebeten, ihm die Methode zu erklären, nach der sie seine Aufgaben gelöst hatte, die vom herkömmlichen Schulprogramm abwich. Julia erklärte ihm eine ganz neue Verfahrensweise, woraufhin er ihr eine 10 gab. Das war für sie ein großer Erfolg und bedeutete einen erheblichen Punktevorteil für den Eintritt ins Institut. Dieses Studienjahr erwies sich für Julia in Deutschalnd allerdings als verloren, denn es wurde für ihren weiteren Schulbesuch am Gymnasium nicht anerkannt

Die Ausreise mit kostenlosen Flugtickets nach Deutschland für den Flug von Moskau nach Hamburg war auf den 30. November 1994 festgesetzt. Der gesamte Personalbestand der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur begleitete uns – mit Heinrich Heinrichowitsch Martens an der Spitze. Nach dem Abschiedsfrühstück, das bei uns in der Wohnung stattfand, wurden wir mit dem Mikrobus zum Flughafen Scheremetjewo-2 gebracht und flogen dann mit einer Lufthansa-Maschine nach Hamburg. Wir wurden freundlich empfangen und zu einem schönen „weichen“ Bus gebracht, mit dem man uns über Kiel ins sogenannte „Lager“ Schöneberg am Ufer der Ostsee brachte. Was ist das für ein Lager? Es ist ein internationales Hotel! Was hat mich am meisten verwundert, als ich den Fuß das erste Mal auf deutschen Boden setzte? Die lächelnden Menschen! Nach all den düsteren, sorgenvollen Gesichtern der Moskauer fielen sie mit hier ins Auge, als wären es Wesen von einem anderen Stern. Und obwohl wir in Schöneberg erst um 10-11 Uhr in der Nacht eintrafen, wurde für uns sofort die Kantine geöffnet und sämtliche Flugzeugpassagiere, die in mehreren Autobussen hierher gekommen waren, wurden kostenlos mit einem guten Abendessen verpflegt und erhielten gleichzeitig alle wichtigen Unterlagen und Papiere. Unser „Lager“ stellte sich als 18-stöckiges Hotel-Gebäude dar, in dem 1600 Menschen untergebracht werden konnten. Wir erhielten einen Platz im 17. Stock, in einem Zimmer für 8 Personen, mit Etagenbetten, Toilette und Dusche. Ein schneller Fahrstuhl war dort in Betrieb, es gab einen großen Kinosaal mit täglichen Filmvorführungen, eine große Kantine, einen Wintergarten und Diensträume, des weiteren eine hervorragende medizinische Versorgung. Als die Weihnachtsfeiertage heranrückten, wurden wir buchstäblich mit Schokoladen-Geschenken gefüttert. Unsere Leute, die hier angekommen waren, benahmen sich alle gut, wie Gäste, obwohl einige sich ein paar Faux-pas erlaubten, die von ihrem Leben auf dem Lande herrührten. Wir stellten einen Wohn- und Aufenthaltsantrag für Hamburg und begründeten das damit, dass wir für die Weiterbildung unserer Enkelkinder eine Universitätsstadt benötigten. Berlin und München lehnten wir ab, denn unsere Wolganer und Jenisejer zog es an die Elbe. Schöneberg gefiel uns ausgesprochen gut, wir wurden hervorragend versorgt und die Umgebung mit ihren handzahmen Schwänen am Ufer der Ostsee war wunderschön.

Während ich mit meiner Erzählung fortfahre, wollen wir aber einen Mann nicht vergessen, der unserer Familie in uneigennütziger Weise viel Gutes getan hat. Nachdem wir Rußland für immer verlassen hatten, wollte ich all das Gute anmerken, das uns der dort zurückgebliebene Heinrich Heinrichowitsch Martens in den letzten Jahren hat zukommen lassen. Er zeigt großes Vertrauen, als er im Jahre 1991 Witja als Hauptbuchhalter bei der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur einstellt. Das verbessert unsere finanzielle Lage in erheblichem Maße. Heinrich Heinrichowitsch nimmt mit ganzer Seele Witjas große Erfahrung in der Sachbearbeitung für die Internationale Vereinigung für deutsche Kultur an. Er organisiert für sie interessante und nützliche Auslandsreisen, zahlt sogar für Viktors erstes Lehrjahr an der Wirtschaftsakademie und verschafft ihm und Natascha Arbeit in der Internationalen Vereinigung für deutsche Kultur. Das bedeutete für sie eine große Unterstützung, denn Viktor und die anderen Mitarbaiter bekamen am Staatlichen wissenschaftlichen Forschungsinstitut für Energiewesen ein Jahr nach den Ereignissen von 1991 kein Gehalt gezahlt. Die monatliche Sprachreise nach Köln und ein Praktikum der deutschen Sprache in Bielefeld bereicherten Viktors Kenntnisse in der Muttersprache. Heinrich Heinrichowitschs letzte gute Tat war, dass er Julia in den Sommerferien eine Arbeit besorgte, wodurch sie ihr erstes Arbeitsbescheinigungsbuch bekam, das für sie noch eine große Bedeutung bei der Arbeitssuche am Hamburger Arbeitsamt erlangen sollte. Ich wünsche ihm beste Gesundheit und Wohlergehen, Glück in der Familie und viel Erfolg in der deutschen Bewegung.

Einstweilen blieben wir noch in Schöneberg. Es kam die Neujahrsfeier 1995, die für uns laut und interessant verlief. Von der 17. Etage des Hotels aus sahen wir ein großartiges Feuerwerk, das in unserer Gegend veranstaltet wurde, aber hauptsächlich in der Stadt Kiel. 25 km weit konnten wir sehen, wie die Menschen aus vollen Rohren ihre Raketen und sogar strahlend am Himmel hängende Bomben in den Himmel schossen, die dort lange Zeit stehenblieben und die ganze Umgebung hell erleuchteten. So ein großes Feuerwerk hatten wir noch nie und nirgends gesehen. Zum neuen Jahr kaufte ich Witja einen Wandteller mit einer Darstellung Schenebergs, denn dies war der erste Ort, den unsere Füße auf deutschem Boden betraten. Der Teller fand etwas später seinen Platz in unserem Schlafzimmer in Hamburg.

Am 5. Januar 1995 waren wir an der Reihe, uns an unseren endgültigen ständigen Wohnsitz zu begeben – nach Hamburg. Wieder ging es mit dem Autobus über Kiel, und dann kamen wir vorübergehend noch einmal in ein Lager, in dem zuvor auch schon Wolodja und Ljuda Fink untergebracht gewesen waren. In Bergedorf hatten sie für uns in diesem Lager, das insgesamt aus 11 leichten, warmen, zweigeschossigen Häuschen bestand, einen Platz bereitgestellt. Julia kam zu einem anderenMädchen ins Zimmer, und wir erhielten gleich daneben, Wand an Wand, einen Raum für zwei - mit vollständiger Einrichtung und sogar mit Bettwäsche und Geschirr. Auf unserer zweiten Etage gab es sechs Wohnzimmer, eine Küche mit einem Kochherd für jede Familie, eine Dusche und ein Waschbecken. Wir fanden die Bedingungen dort völlig in Ordnung, um so mehr, als sich unsere Nachbarn als gute Menschen erwiesen, mit denen wir bis heute, und das nun schon seit 10 Jahren, befreundet sind. In diesem Lager warteten wir nun also darauf, dass man uns eine Wohnung zuwies und Julia Kurse in deutscher Sprache besuchen konnte. Ich stellte einen Telefonkontakt zu meinem Vetter Wolodja Petri her, der als Professor an der technischen Universität in Ontario (Kanada) tätig und inzwischen 89 Jahre alt war. Er versprach, nach dem Ende der Vorlesungen des laufenden Jahres, im März, zu uns nach Hamburg zu kommen. Aber am 5. März 1995 erhielt ich von seiner deutschen Nachbarin Maria ein Telegramm, dass Wolodja gestorben war. Ich eilte mit dem Telegramm sogleich nach Barmbek (zu einer Behörde ähnlich dem MWD), erhielt dort für uns drei alle notwendigen Papiere, einschließlich eines Reisepasses. Nachdem ich der Lagerverwaltung bescheid gesagt hatte, flog ich über London nach Toronto und benötigte dafür ganze 14 Stunden. Mir schien es am bequemsten, die 100 km von Toronto nach Ontario in einem Taxi zurückzulegen, und zwar mit einem Unternehmen, das dem Hotel angegliedert war, wo ich übernachten sollte. Der Fahrer sollte mich auf Anweisung des Hotels für 75 Dollar vor Wolodjas Haus abliefern. Auf einer gut ausgebauten Straße gelangten wir innerhalb einer Stunde dorthin, aber natürlich war das Haus verschlossen. Ein in der Nähe mit seinem Hund spazierengehender Mann erwies mir die Liebenswürdigkeit, mich mit seiner Ehefrau Erika bekannt zu machen, die Deutsch konnte. Die ganze Bekanntschaft war durch den Taxifahrer zustande gekommen, dem ich für seine Fürsorge mir gegenüber 100 Dollar zahlte. Der Chauffeur war Inder, der sich über das Geld sehr freute. Untergebracht wurde ich von einer ungarischen Restaurantwirtin, die ein paar Zimmer an Reisende vermietete. Ich erfuhr, dass die Universität Wolodjas Einäscherung hatte vonehmen lassen und dass die Urne inzwischen auf dem Friedhof, neben seiner Frau Rita, bestattet worden war. Erika brachte mich zu Wolodjas Rechtsanwalt, der mir die Schlüssel für das Haus, seine Uhr und ein Testament aushändigte, in dem er sein gesamtes zweigeschossiges Haus der Universität vermachte, an der er tätig gewesen war. Der Advokat gestattete mir aber, alles Persönliche aus dem Haus mitzunehmen, das in Bezug zum Familiennamen Petri stand. Und da befinde ich mich nun in dem großen, leeren Haus. Im Arbeitszimmer stehen alle Regale voller Bücher, darunter eine komplette Sammlung des technischen Wörterbuchs „Hütte“ in deutscher Sprache, an den Wänden hängen Wolodjas gerahmten Patente und Bescheinigungen seiner Firma. Ich nahm ein Album mit Fotos aus den 1920er bis 1950er Jahren – mit Wolodja, Schura, Onkel Reinhold und Tante Marusja. Alle persönlichen Dinge aus seinem Haus wurden fortgebracht. Der schon etwas betagte Rechtsanwalt hatte Wolodja über einen Zeitraum von 30 Jahren betreut; er benahm sich ziemlich unverschämt, war sehr bemüht, mit mir keine Unterhaltung anzufangen und sich abseits zu halten. Natürlich verbrannte er sich hier die Finger, denn die Schlüssel vom Haus hatte er dem toten Wolodja im Krankenhaus abgenommen. Wolodj starb durch einen Unfall: als er aus dem Geschäft kam und die Straße überqueren wollte (sein Haus lag genau gegenüber), stolperte er über einen vereisten Bordstein, stürzte und brach sich den Hüftknochen. Eine Woche später starb er im Militärkrankenhaus, offenbar an Dekubitus. Alleinstehend und einsam, ohne Aussicht auf die Pflege und Fürsorge von Angehörigen, gab es für diesen alten Mann wohl auch keinen anderen Ausweg aus dieser Lage.

Woher aber hatte Nachbarin Maria (eine Deutsche), als sie uns das Telegramm über Wolodjas Tod schickte, unsere Adresse in Hamburg gewußt? Offenbar hatte Wolodja auf seinem Schreibtisch unseren Brief liegenlassen, und so war Maria an die Adresse gelangt. Ich sprach ihr für ihre Umsichtigkeit meinen Dank aus. Ich war sehr erstaunt, dass die Heizung in Betrieb war – es gab warmes Wasser, der elektrische Strom war „in Betrieb“, im Haus war es warm; obwohl wir bereits Anfang März hatten, lag in den Straßen noch Schnee. Maria und ihr Mann luden mich zu Besuch ein und erzählten eine Menge über Wolodjas Leben, wie es sich in der letzten Zeit abgspielt hatte. Über seinen Tod gab es eine Anzeige in der Lokalzeitung „Record“ – mit einem Foto von mir, auf dem ich Wolodjas Porträt in den Händen halte. Er war in Kanada ein bekannter Spezialist gewesen, der viel Arbeit in die Konstruktion von Schnellstraßen gesteckt hatte. Erika zeigte mir eine ganze Reihe von Brücken-“Leichtkonstruktionen“. Zur Erinnerung nahm ich mir auch den Text seiner Vorlesung über die Montage einer leichten Duralaluminium-Konstruktion mit, die von nur zwei Arbeiter bewerkstelligt werden konnte und entlang der Autotrasse sowie quer dazu verlief. Wolodjas Geschichte erfordert einen zusätzlichen Bericht. Wie geriet er, ein Wolgadeutscher, nach Kanada? Es war so, dass Onkel Reinhold, Wolodjas Vater, der Bruder meines Vaters, der noch vor 1917 nach Moskau umgezogen war, seine „geschäftlichen Dinge“ organisierte und ein wohlhabender Mann wurde, und als die Zeit der Neuen ökonomischen Politik kam, wurde er Eigentümer einer Mechaniker-Werkstatt. Er besaß die Möglichkeit, den an Tuberkulose erkrankten Sohn im Alter von 29 Jahren 1925 zur Behandlung nach Deutschland zu schicken. Da Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre der Sohn eines Intelligenzlers an der Moskauer Universität nicht angenommen worden wäre, empfahl Onkel Reinhold Wolodja, nach seiner Genesung nicht in die UdSSR zurückzukehren, sondern sich an der Berliner Universität einzuschreiben, wo er im Jahre 1929 im Fachbereich „Flugzeugbau“ einen Studienplatz fand. Nachdem er das Studium 1935 beendet hatte, erhielt Wolodja ein Arbeitsangebot von der Flugzeugfirma „Meeserschmidt“. Er heiratete Margarita, sie bekamen einen Sohn, der jedoch bald nach der Geburt starb. Gegen Ende der 1930er Jahre nahm das Nazi-Regime einen immer aggressiver werdenden Charakter an, mit dem Wolodja keineswegs einverstanden war. Seine protestgeladenen Äußerungen blieben von der Gestapo nicht unbemerkt – ihm drohte ganz offenkundig die baldige Verhaftung. Wolodja ahnte die Gefahr voraus und beschloß, in aller Heimlichkeit mit Rita zu fliehen. Sie hatten nichts weiter bei sich, als ihre beiden goldenen Verlobungsringe und ein paar Geldscheine, als sie sich über die Türkei und Italien nach Kanada aufmachten, noch weiter weg von den Satellitenstaaten des faschistischen Deutschlands. Wolodja konnte es nicht riskieren, nach Moskau zurückzukehren, denn er wußte nur zu gut, dass er in jenen Jahren als „deutscher Spion“ Repressionen ausgesetzt sein würde. Da er auf dem Gebiet der Theorie und Praxis des“Materialwiderstandes“ hervorragend vorbereitet war, nahm man ihn als Dozenten an der Universität Ontario an. Gleichzeitig organisierte er eine Firma für den Bau von Straßen, denn dieser Bereich nahm damals in Kanada einen großen Aufschwung. Man wurde auf Wolodja aufmerksam, und begann ihm Großaufträge für Projektierungsarbeiten zu erteilen. Mit ihm arbeitete eine ganze Gruppe Studenten, die auf dem oberen Dachboden seines Hauses ein Konstruktionsbüro einrichteten – mit Kuhlmann-Reißbrettern, Zeichentischen u.ä. An seinem Lehrstuhl für „Baumechanik“ führte er gemäß Bestellung seiner Auftraggeber wissenschaftliche Forschungsarbeiten durch. Im Laufe der Zeit wurde ihm dann von der Universität der Gelehrtentitel eines „Professors“ verliehen. Seinen breitkrempigen Professorenhut und den Text seiner Vorlesungen brachte ich zur Erinnerung mit nach Hamburg. Während des Teetrinkens wunderten sich die Mitarbeiter des Lehrstuhls, warum Wolodja wohl ein Testament zugunsten der Universität gemacht hatte, für die er tätig gewesen war, und nicht für seine Verwandten. Ebenso verhielt es sich übrigens auch mit Rita, indem sie eine solide Summe zum Erhalt des örtlichen Symphonie-Orchesters zur Verfügung stellte, wofür man ihr zu Ehren im Philharmonie-Saal eine Büste aufstellen ließ. Das Vermächtnis, das mir Wolodjas Advokat zeigte, war drei Jahre zuvor verfaßt worden, d.h. im Jahre 1992, nachdem wir bereits nicht mehr telefonisch in Kontakt standen. Deswegen hatte Wolodja mich als möglichen Erben seines Nachlasses auch nicht berücksichtigen können. Es ist nur sehr schade, dass Wolodjas Ehe kinderlos blieb. Im Kollektiv des Lehrstuhls befanden sich zwei (ein Mann und eine Frau) aus Odessa. Ihre halbwüchsigen Kinder wurden während des Krieges nach Deutschland abtransportiert, und machten sich nach Kriegsende durch die amerikanische Zone in Deutschland auf den Weg nach Kanada, um auf diese Weise der Verbannung nach Sibirien zu entgehen. Die Unterhaltung verlief in wohlwollendem Ton. Man zeigte mir die Lern- und wissenschaftlichen Laboratorien der Fakultät. Man muß zugeben, dass die Universität mit seinen 12.000 Studenten erheblich größer war als das Moskauer Institut für Energiewissenschaften. Man kann sagen, dass allein der Lehrstuhl hier über mehr Lehr- und wissenschaftlich nutzbare Räume verfügte, als die gesamte Fakultät des Moskauer Instituts für Energiewesen. Man zeigte mir auch das Kabinett und den Schreibtisch von Professor W. Petri mit seiner Versuchseinrichtung. Es war eine sehr gelungene Sache, dass mich die Geigerin aus dem örtlichen Symphonieorchester ausfindig machte, die bereits vor meiner Ankunft in Ontario, während der Urnenbeisetzung, die Trauermelodien gespielt hatte, und die sich nun bereit erklärte, mir die Niagara-Fälle zu zeigen. Bis dorthin mußte man 180 km mit dem Auto fahren. Innerhalb von vier Stunden hatten wir die Wasserfälle erreicht, die einen großartigen Eindruck hinterließen. Der ganze Niagarafluß stürzt aus 64 m Höhe herab und läßt die ganze Umgebung in Nebelschwaden und Sprühregen versinken. Es gibt dort ganz spezielle Aussichtspunkte, von denen aus man die Wasserfälle nur in speziellen Regenumhängen beobachten kann, denn ohne sie wäre man in Sekunden klitschenaß. Der Anblick ist einmalig; deswegen gibt es sowohl auf der kanadischen, als auch auf der amerikanischen Seite ständig einen großen Besucheransturm. Um neun Uhr abends kehrte ich ins Hotel zurück. Ihre Liebenswürdigkeit rechnete ich der Geigerin hoch an und brachte ihr dafür meinen aufrichtigen Dank zum Ausdruck. Insgesamt war ich eine Woche lang in Kanada und wurde dort sehr wohlwollend und mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen – da war beispielsweise der findige Mensch, der die Zeitung mit meinem Foto im Hotel unter meiner Zimmertür hindurchschob; Erika, die Deutsch konnte und die ganze Zeit über als meine Dolmetscherin aus dem Englischen fungierte und mich mit ihrem Auto in der Stadt herumfuhr; und die Geigenspielerin, die gern bereit war, mich auch wieder zum Flughafen von Torronto (100 km ) zu bringen. Kanada hat mir ausgesprochen gut gefallen, denn ich war dort von Fürsorge und Aufmerksamkeit umgeben. Mit einer „Boing“ trat ich den Heimflug ins heimatliche Europa an, mit Zwischenlandung in London. Hier stieß ich als Deutscher auf offenkundige Feindseligkeit. Eine schon ältere Mitarbeiterin des Flughafens wandte sich auf die Frage, wo sich den mein Terminal 18 befände, demonstrativ ab, wobei sie einige empörte Worte an meine Adresse ausstieß. Eine Kleinigkeit? Aber auf jeden Fall unangenehm.


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