„Bei einem fröhlichen Lied wird’s einem leicht ums Herz,
Es verursacht einem niemals Langeweile,
Es ist in Dörfern wie in Ortschaften beliebt,
Und auch in großen Städten.“
Außer diesen Gaststätten und Erholungseinrichtungen, von denen ich so viel geschrieben habe, gab es in Breslau noch einen Ort, an dem ich mich sehr gerne aufhielt. Das Badehaus. Es handelte sich um ein großes, viergeschossiges Gebäude. Gesteigertes Interesse an seiner Konstruktion wurde dadurch hervorgerufen, dass man es im oberen Stockwerk dieses Badekomplexes fertiggebracht hatte, ein Schwimmbecken in einer Größe von 10 x 25 und einer Tiefe von 1,5 bis 2,5 Metern einzurichten. Die 500 Tonnen Wasser ruinierten weder das Gebäude, noch sickerte die Feuchtigkeit nach unten durch, und im gesamten Badebereich herrschte eine auffällige Sauberkeit, ohne irgendwelche Tropfen, nasse Flecken und abgebröckelten Putz. Im unteren Stockwerk befand sich ein ebensolches Bassin und in den beiden mittleren eine Sauna und verschiedene Behandlungsräume. In den Wartezimmern standen weiche Bänke und Sessel, mit Blumen bepflanzte Kübel, und ins eigentliche Bad durfte man nicht nur zum Waschen gehen, sondern auch zum Schwimmen und um sich dort eine Weile zu erholen. Anfangs suchten wir das Badehaus einzeln auf, aber später, nach dem das Ausgangsverbot inkraft getreten war, durfte man nur noch organisiert dorthin gehen. In Wirklichkeit galten wir als eine Art Vorgesetzte; deswegen erhielten wir mitunter trotzdem eine persönliche Erlaubnis, aber die gewöhnlichen Soldaten hatten nur kollektiven Ausgang. Einmal, an einem Sonntag, fand so ein Bade-Ausgang statt. Wir waren ungefähr 30 bis 40 Mann. Ich wurde zum Gruppenältesten ernannt. Von den Unseren waren 4-5 Leute dabei, darunter auch Walch, Schechowzow und noch ein junger Bursche aus Bulgarien namens Krylow, ein Vollidiot; er besaß jedoch eine wohlklingende Stimme und war unser Vorsänger.
Wir verließen das Bad in Reih und Glied, marschierten über den Rathausplatz und durch die angrenzenden Straßen. An den Sonntagen saßen die Deutschen üblicherweise zuhause im Familienkreis oder spazierten manierlich durch die Allee, an der Oder entlang, während sich in den Straßen vorwiegend ausländische Arbeitskräfte tummelten – Franzosen, Belgier, Polen und natürlich Russen. Auf ihrer Kleidung befand sich der Schriftzug „OST“, und genau dadurch unterschieden sie sich, wie Pestverseuchte, von allen anderen Nationalitäten, denen ein solches Etikett fehlte. Als Symbol für eine gewisse Nichtzugehörigkeit zur menschlichen Rasse stellten sie eine unendliche Kränkung dar. Normalerweise marschierten wir unter Gesang, und da kam mir ein ausgelassener Gedanke in den Sinn, und ich erzählte meinen Sängern davon. Ohne zu überlegen fing Krylow an zu singen: „Der Morgen taucht die Wände des uralten Kreml in zartes Licht...“
In den engen Straßen der alten Stadt ertönte das von den Wänden widerhallenden Lied ziemlich laut. Die Menge der Gaffer und Nichtstuer blieb stehen, russische Mädchen winkten freundlich zu uns herüber und ermunterten die Singenden. Fenster wurden geöffnet, und in ihren Rahmen erschienen die Gesichter ordentlicher Bürger und ihrer beleibten oder abgezehrten Frauen. Und das Lied dröhnte: „Du mein rastloses, mächtiges, von niemandem zu besiegendes Land, du mein Moskau ...“ Aus diesen Zeilen sprach nicht nur der Stolz auf unser Land, sondern auch der Spott über die bisher noch nicht vernichteten Unterdrücker, die jetzt zumindest gezwungen waren, sich, wohl oder übel, mit einem russischen Lied in einer deutschen Stadt abzufinden. Jedenfalls gelangten Informationen über diese Demarche an die Vorgesetzten: ob einer der Bürger dort anrief, der sich in seinen Gefühlen zutiefst verletzt worden war, oder ob einer der Unseren uns verpfiff ... – jedenfalls wurde ich zum Herrn Kommandanten bestellt, der mir gehörig die Leviten las. Ich stellte mich dumm, und was kann man von einem Dummkopf Schon erwarten? Aber das Lied wurde kategorisch verboten.
Aber wenn wir von unseren Exerzierübungen auf das Gelände zurückgekehrten, fingen wir trotzdem wieder an von Moskau zu singen. Leutnant Wild, der mit uns ging, rannte unruhig hin und her, zischte uns an und verbot uns weiterzusingen. Da stimmten wir dann, in Erinnerung an vergangene Zeiten, das Lied „Der Pope hatte einen Hund...“ an und sangen es auf dem gesamten Weg, bis wir das Lager erreicht hatten – ungeachtet aller Ermahnungen des Leutnants.
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