Den Namen A.P. Sawenjagins trägt das Norilsker Kombinat seit 1957, seit 1959
– ist auch eine der Norilsker Straßen nach ihm benannt, die damals noch direkt
in die Tundra hinausführte, und seit 1961 heißt der Platz so, auf dem sich die
Kombinatsverwaltung befand (heute die Verwaltung der Nickelfabrik). Übrigens
nennen sie Sawenjagin auch in Uslowaja, im Gebiet Tula, ihr „eigen“, wo er
geboren ist, außerdem im Donbas (Donezker Becken; Anm. d. Übers.), wo er als
Sekretär des Jusowsker Gebietskomitees der Partei tätig war, in Magnitogorsk (dort
leitete er von 1933-1937 das Metallurgie-Kombinat) sowie in Arsamas-16 (ursprüngliche
Hauptstadt des sowjetischen Nuklear-. Archipels; Anm. d. Übers.). Die Medaillen
eines Helden der Sozialistischen Arbeit, die er 1949 und 1954 verliehen bekam,
fallen vom Datum her nicht nur zufällig mit den vaterländischen Atom- und
Wasserstoffbomben-Tests zusammen). Dabei entspricht die Formulierung „Akteur des
sowjetischen staatlichen und parteilichen Lebens“, welche den Namen Sawenjagin
in den Enzyklopädien begleitet, kaum in ihrer ganzen Vollständigkeit der Spur,
die er im Leben des Landes hinterlassen hat und die seine Rolle in unserer
Historie widerspiegelt.
In seiner Position als stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR und des Ministeriums für mittleren Maschinenbau (zu Sowjetzeiten handelte es sich dabei um das Ministerium für Atomwaffen; Anm. d. Übers) verbrachte er weniger als zwei Jahre. Aber ein Viertel Jahrhundert – nach Abschluss der Bergbau-Akademie – gehörte der Organisation von Bau- und Produktionsprojekten, neuen Zweigen in Wissenschaft und Industrie.
In Norilsk arbeitete A.P. Sawenjagin drei Jahre; allerdings wurden während dieser Zeit nicht nur die Grundsteine für das Norilsker Kombinat, sondern auch für „Norilsk-Nickel“ gelegt. Bis ans Ende seiner Tage nannte er sich selber einen „leidenschaftlichen Fan von Norilsk und übte lange Jahre die (nicht immer öffentlich bekannte) Patenschaft über das Kombinat aus. Das hinderte A.P. Sawenjagin nicht daran, Kader mit Spezialisten von dort zu entnehmen und hier „Sonder-Bestellungen“ unterzubringen, in der Art kobaltblauer Ummantelungen für Bomben oder eines Unternehmens zur Herstellung von schwerem Wasser.
Die enge Verbindung Sawenjagins mit Norilsk und den Norilskern der ersten Generation darf man nicht nur mit seinen Kenntnissen des hohen Potentials und der Möglichkeiten halbgeheimer Punkte auf der Landkarte der Industrialisierung der UdSSR erklären. Davon, wie die Geschäfte mit den hinter dem Staatsplan zurückgebliebenen Projekten laufen, wenn das Norilsker Metall erst einmal auf das Festland gelangt, hängt 1938 und in den Folgejahren ganz unmittelbar das Schicksal eben dieses Sawenjagin ab. Dieser „Punkt“ erwies sich keineswegs als der letzte in seiner Biographie: die „Akte“ wurde noch in Magnitka an das NKWD übermittelt; die freundschaftlichen Beziehungen mit Ordschonikidze und Sergos Empfehlung, ihn als Stellvertreter zu nehmen, halfen der dunklen Wolke über seinem Kopf nur noch dabei sich weiter zu verdichten, umso mehr, als Sawenjagin vom Charakter und von seinen Ansichten her nicht zum neuen Volkskommissar – L.M. Kaganowitsch – passte.
Offenbar rettete ihn die Einstellung Molotovs ihm gegenüber. Die Gewitterstimmung – Suspendierung von der Arbeit und, im Wesentlichen, Hausarrest – wurde durch den Befehl des Politbüros geregelt, laut dem er dem Aufbau des Nordens voranstehenden sollte. Den Namen Norilsk suchte Abraamij Pawlowitsch selber aus, und der Vorschlag wurde unverzüglich angenommen …
Die „Opposition“ zu dem aus Moskau eingetroffenen Chef führten (wohl kaum aus eigener Initiative) die Leiter der politischen und der Ersten Abteilung. Zu den aufgelisteten Anklagepunkten gehörte Nachsicht gegenüber „Volksfeinden“, Zulassen von nach § 58 verurteilten Personen auf verantwortungsvolle Posten … In der äußerst schwierigen Situation war ein Dokument mit der Unterschrift des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare über die Ausweitung der Vollmachten Sawenjagins hilfreich.
Schließlich (aber auch nur bedingt, denn die nächste Serie von Verfolgungen konnte zu jedem beliebigen Zeitpunkt erneut einsetzen) hellte die Situation sich im April 1939 auf, nachdem in Stalins Amtszimmer eine lange Unterredung stattgefunden hatte. Der „Hausherr“ glaubte an Sawenjagins Loyalität und Ergebenheit, und auch die beruflichen Fähigkeiten und Eigenschaften Abraam Pawlowitschs ließen keinerlei Zweifel aufkommen. Die quartalsweise durchgeführte Überprüfung bestätigte: das Bauvorhaben kommt voran. Im März 1941 wurde Sawenjagin zum stellvertretenden Volkskommissar für innere Angelegenheiten ernannt.
Ja, Sawenjagin war ein Mann seiner Zeit. Aber, wenn man von irgendjemandes Zugehörigkeit zum NKWD gehört hat, darf man niemals voreilige Schlüsse ziehen. Natürlich ist es Tatsache, dass einer der höchsten Beamten dieser schrecklichen Behörde unter Bedingungen, unter denen das fast niemandem gelang, die Menschlichkeit gewahrt hat. Selbst unter den Gefangenen war seine Autorität ausnahmslos hoch – sowohl in Norilsk, als auch viel später. Und wie viele Menschen hat er vor Kälte, Hunger und dem Tod gerettet … Wenn jemand in vielerlei Hinsicht nicht von den subjektiven Einschätzungen der Persönlichkeit und der Handlungsweisen Sawenjagins überzeugt ist, so ist es doch ein unbestrittener Fakt, der seine völlige Unschuld in Bezug auf Menschen beweist, die ins Elend und unter die Räder der Repressionsmaschinerie geraten sind. Sawenjagin wurde auf dem 22. Parteitag (1956) zum Mitglied des Zentralkomitees gewählt, auf dem der ehemalige Chef des NorilLag und erst recht der Stellvertreter Berijas (12 Jahre lang!), diese Ehre überhaupt nicht hätte zu teil werden dürfen. Und Urteile unterzeichnete Sawenjagin, auf jeden Fall verhängte er Strafen gegen hartgesottene Kriminelle, welche andere dazu angestiftet hatten, die Arbeit zu verweigern, aber auch wegen neuer Verbrechen, die innerhalb des Lagers verübt wurden. Es fällt schwer, auch die Wahrscheinlichkeit ernsthafter Fehler innerhalb der Tätigkeiten des stellvertretenden Ministers für innere Angelegenheiten auszuschließen. Aber im Prinzip beging dieser Mann einfach keine Fehler.
… Dass der Tagebau auf seiner Idee beruhte – das ist bekannt.(Die positiven
Erfahrungen mit der Erzförderung im Tagebau im Ural übertrug Sawenjagin auch auf
das Gebiet hinter dem Polarkreis. – A.L.). Ich führe noch ein anderes Beispiel
an, das zeigt, dass er an einer unrichtigen Entscheidung nicht lange festhielt.
Man baute eine Fabrik zum Goldwaschen, der Sand wurde aus Ugolnij Rutschej
herantransportiert – es machte keinen Sinn und brachte auch keinen Nutzen. Da
sagt Sawenjagin: „Die Fabrik muss geschlossen und zur Wäscherei umgerüstet
werden, die Chinesen sollen hierher gebracht werden“. (Im NorilLag gab es
zahlreiche Nationalitäten – von Amerikanern bis hin zu Japanern, von Adygeden
bis zu Jakuten. – A.L.). …