Das Jahr 1936. Im Januar 1937 steht eine gesamtrussische Volkszählung bevor.
Ergebene „Diener des Volkes“ beeilen sich ihre ganze Wachsamkeit an den Tag zu legen und die Feinde der Zählung ausfindig zu machen.
Einige Monate sitzt im Kursker Gefängnis eine junge Kolchosbäuerin. Sie versteht nicht, warum sie hier eingesperrt ist. Der Untersuchungsrichter hat ihr irgendetwas von einer Zählung gesagt.
Aber da brachten sie die Anklageschrift – und alles war klar.
Dort stand geschrieben, daß sie die Kolchosarbeiter überredet hatte, nicht zur Zählung zu gehen – weil man ihnen dort angeblich den Stempel des Antichristen aufdrücken und dann die Bartholomäusnacht beginnen würde.
Bei den letzten Worten schlug Nastja die Hände zusammen: „Nein, ich bin unschuldig. Ich habe den Richtern gesagt, daß sie Zeugen anfordern sollen, und jene würden bestätigen, daß ich nicht zu diesem Wüstling Tholomäus gegangen bin“.
Und Nastja berichtete, daß am Dorfrand ein einsamer und nicht mehr junger Mann namens Tholomäus lebt, und daß zu ihm heimlich junge Witwen gehen. Und was für Geheimnisse kann es in einem kleinen Dorf schon geben – so hofft auch Nadja auf die Bekräftigung der Nachbarinnen, daß sie eine ehrbare Frau ist und nicht zu Tholomäus gegangen ist.
Und damit kam sie dann vor Gericht.
Es war schwer, diese naive Frau anzusehen, und bitter der Gedanke – wer dort sitzt, von wem unser Schicksal abhängt, wie dumm sich die Halb-Analphabetin auf die Geschichte des Mittelalters beruft.
Und Nastja wurde zu 5 Jahren Lagerhaft und 3 Jahren Aberkennung der bürgerlichen Rechte verurteilt.
12. Dezember 1988
Krasnojarsk