Jana Golubeva, Astrachan, College für Informationstechnik
III. Auswahlrunde (der 100 besten Arbeiten) des IX. Allrussischen Wettbewerbs historischer Forschungsarbeiten von Schülern der höheren Klassenstufen „Der Mensch in der Geschichte . Rußland – 20. Jahrhundert“.
Wissenschaftliche Leitung – W.W. Serkin
Ende des XVIII. Jahrhunderts wurde Rußland für meiner Vorfahren zur Heimat.
Ich will versuchen, den Alltag, die Sitten und Gebräuche einer der Kolonien im Gouvernement Saratow anhand der Erzählungen und Erinnerungen meiner Urgroßmutter Dorothea Genrichowna Schmelzer wiederherzustellen.
Ihr Vater, Heinrich Hansowitsch Ruder, lebte in einem Dorf, das nach dem
Fanmiliennamen des ältesten Umsiedlers Wittmann benannt worden war. In den
Kolonien lebten sie isoliert, ganz in ihrer eigenen Welt. In den Dörfern wurden
Sitten, Gebräuche und Alltagsleben der Vorfahren gewahrt, es blieb praktisch
dieselbe Sprache erhalten, die auch schon im XVIII. Jahrhundert gesprochen
wurde. Die Familien waren groß, die Häuser solide gebaut, mit riesigen
Gemüsegärten, Viehhöfen und Melonenfeldern. Alle Familienmitglieder arbeiteten
mit, die Nachbarn halfen sich gegenseitig und lebten einträchtig miteinander.
Mit den benachbarten russischen Dörfern wurde Handel betrieben. Wer lesen und
schreiben konnte galt als gebildeter, kluger Mensch, der das Ansehen und den
Respekt der übrigen Dorfbewohner genoß. Aber von solchen Leuten gab es nur sehr
wenige unter den Kolonisten.
Mit der Organisation eines Schulbetriebes befaßten sich die Kolonisten fast
ausschließlich selber, denn die Behörden verhielten sich gegenüber
Bildungsfragen gleichgültig. Die Geistlichkeit, in deren Zuständigkeitsbereich
sich auch die Schulen befanden, zeigten sich gegenüber dieser Pflicht ebenfalls
gleichgültig, und so waren es oft Menschen ohne pädagogische Fähigkeiten, die
den Beruf des Lehrers ausübten. Auf diese Weise wurden folgende Eigenschaften
zum Bildungskriterium im Dorf: die Fähigkeit, Russisch zu verstehen und zu
sprechen, denn sie war für den Handel mit der russischen Bevölkerung
unerläßlich; Deutsch lesen und schreiben – um Rechenschaftsberichte zu schreiben
und Dokumente, Familienpapiere und Familienestandsurkunden zu erstellen. Im Dorf
wohnten Katholiken. In den Ortschafte n gab es Gebetshäuser, die Dorfbewohner
hatten religiöse Ämter inne, und es wurden Festtage gefeiert.
Mein Ururgroßvater Heinrich Hansowitsch Ruder heiratete ein Mädchen aus seinem Dorf. Aber das Glück währte nicht lange – die junge Frau starb am Kindbettfieber und hinterließ ihrem Ehemann eine kleine Tochter. Das Mädchen war taubstumm. Die zweite Ehe ging er mit Elisabeth Berg ein. Sie stammte aus einer Musikantenfamilie.
Man lud sie zu Festlichkeiten, Hochzeiten ein; in der Familie gab es Musikinstrumente: deutsche (Zimbeln) und von den Russen entlehnte (Saratowsche Harmonika). Bei den Zimbeln handelte es sich um breite Bretter von trapezähnlichem Aussehen mit darauf- gespannten Saiten. Man spielte sie mittels hölzerner Hämmerchen, mit denen auf die Saiten geschlagen wurde. Dieses Instrument, einer Gusli (altes russisches Zupfinstrument; Anm. d. Übers.) das ähnelt, allerdings größer ist und einen abgehackteren und klangvolleren Ton produziert, wurde noch in den 1970er und 1980er Jahren auf Hochzeitsfeirn benutzt. Ebenfalls gespielt wurden Triangel, die an einem speziellen Griff gehalten und mit einem Metallstöckchen angeschlagen wurden, was einen sauberen, hellen Klang ergab. Die echte deutsche Hochzeit mit nationaler Volksmusik und nationalen Gebräuchen überlebte noch bis in die 1970er Jahre und wurde dann irgendwann als nicht mehr zeitgemäß aufgegeben. Die alten Musikanten (manchmal im wahrsten Sinne des Wortes) konnten mit den modernen Kassettenrekordern nicht mehr mithalten.
Ich versuche den Lebensalltag der Familie zu beschreiben. Das Wichtigste war die Arbeit auf dem Feld. Man fuhr mit den älteren und auch kleinen Kindern dorthin; zuhause blieben allenfalls die Kranken und Arbeitsunfähigen (Krüppel und Invaliden).
Die Nachbarn hielten es für ihre Pflicht Hilfe anzubieten, wenn jemand mit der anfallenden Arbeit nicht zurecht kam. Überhaupt war jede Otrtschaft wie ein separater Staat. Isolation – das war das Hauptmerkmal der Siedler.
Das Essen war einfach und nahrhaft, alle Gaben der Natur wurden genutzt: Beeren, Früchte, Pilze, Melonenkulturen, Pflanzen aus dem Gemüsegarten. Einige Gerichte und ihre Rezepte sind in unserer Familie bis heute erhalten geblieben. Man buk Kuchen mit Kürbis, Äpfeln, Kirschen, Fleisch und Kohl, ebenso deutsche Bisquitküchen mit Streuseln; im Ofen wurden auch Kürbisse gebacken. Dazu muß man die obere Kappe abschneiden, das Innere mit dem Fruchtfleisch und den Samenkörnchen entfernen, anschließend Honig hineinfüllen (oder die Mitte lediglich mit Zucker bestreuen), die Kappe wieder aufsetzen und dann alles im Ofen backen. Sie stellten auch Knödel aus Kartoffeln her, kochten dicke Erbsensuppe mit Räucherfleisch – sogenannten Eintopf, Maultaschen mit den Beeren des Schwarzen Nachtschattens und anderes.
Jedes beliebige Gericht läßt sich lange und gründlich beschreiben, nur der Geschmack leider nicht. Zum Beispiel: man nehme ein Stück Schweinefleisch, lege es auf den Boden eines großen Topfes und schmore es. Anschließend gibt man noch Sauerkohl mit in den Topf; separat wird ein Hefeteig ausgerollt, zu einer Roulade aufgerollt, in Scheibchen geschnitten und im Kochtopf auf dem Kohl verteilt, damit der Teig nicht mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, die sich im Topf gebildet hat. Das Ganze wird mit dem Deckel zugedeckt und muß dann schmoren, und der Teig geht mit dem heißen Dampf auf. Ein sehr leckeres, nahrhaftes Essen.
Aber kehren wir zu den Geschehnissen zurück, die sich in unserer Familie ereigneten.
In der neuen Ehe von Heinrich und Elisabeth Ruder wurden drei weitere Töchter geboren. Von zweien kenne ich das weitere Schicksal nicht, denn in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges verloren sich ihre Spuren; ich weiß nur, daß die älteste Tochter aus erster Ehe, die taubstumm war, einen Russen heiratete und seinen Nachnamen annahm. Das half ihr zu überleben, und sie geriet während des Krieges auch nicht nach Sibirien.
Die jüngere Tochter, Dorothea, wurde später meine Urgroßmutter. Ich will versuchen ihr Leben zu beschreiben. Dorothea Genrichowna Ruder wurde am 28. Februar 1909 in der Ortschaft Solotowka (damals Wittmann), im Kanton Marxstadt, Gebiet Saratow, geboren. Sie war die Lieblingstochter des Vaters. Er verwöhnte sie mit allen möglichen Sachen, nahm sie oft auf Besuch mit, war stolz auf ihre Schönheit und Lebhaftigkeit. Aber lesen und schreiben lernen sollte sie nicht, obwohl die Nachbarn ihm sagten, daß es gut wäre sie in die Schule zu schicken. Aber der Vater hielt das für unnütz; vielleicht wollte er sein geliebtes Töchterchen auch nur nicht in die Stadt fortlassen (es herrschte gerade Bürgerkrieg!), denn im Wohnort gab es keine Schule. Das Mädchen wuchs heran, und junge Männer begannen ihr den Hof zu machen. Einer von ihnen versprach dem Vater, daß seine Ehefrau einmal reich und angesehen sein sollte, daß sie nicht arbeiten müßte. Der Vater war mit der Eheschließung bereits einvferstanden, aber da stellte sich plötzlich heraus, daß der junge Mann Rußland verlassen und in seine Heimat Deutschland zurückkehren wollte, woraufhin der Vater ihm zur Antwort gab: „Gut, daß du mir das rechtzeitig gesagt hast. Meine Tochter wird hier in Rußland leben- das ist ihre Heimat“. So fand die Brautwerbung ein erfolgloses Ende. Die Urgroßmutter blieb dem Wunsch ihres Vaters treu. Sogar als in den 1990er Jahren zahlreiche Deutsche nach Deutschland emigrierten, meinte sie nur: „Ich werde nicht dorthin fahren, weder tot noch lebendig!“
Dorothea heiratete und wurde Frau Zimmermann. Zwei Söhne kamen zur Welt. Aber ihr Ehemann und ihre Kinder starben innerhalb eines Jahres aufgrund von Krankheiten – das fiel genau mit den Jahren der Kollektivisierung zusammen …
Die sparsamen und fleißigen Männer, die sich um die Zukunft ihrer Kinder und Alten sorgten, die bemüht waren, den Lebensunterhalt für ihre Familien zu sichern, ein gewisses Auskommen zu haben, waren der Sowjetmacht unerwünscht geworden. Die Bauern wurden gewaltsam in Kolchosen getrieben, es wurden Kommunen geschaffen. Alles wurde praktisch zusammengefaßt: vom Großvieh bis hin zu kleinem Hausgerät. Die Bauern leisteten Widerstand, es kam sogar zum Aufstand. Die Familien der Enteigneten wurden in entlegene Regionen des Landes zur Zwangsansiedlung abtransportiert.
Mein Ururgroßvater wollte nicht in die Kolchose eintreten, aber er trat nicht öffentlich gegen die Behörden auf, weil er Repressionen fürchtete. Er nahm seine Familie und beschloß die Ortschaft zu verlassen, um an einem anderen Ort ein besseres Los zu suchen. Er begriff nicht, daß nicht nur die deutschen Siedlungen von der Kollektivisierung betroffen waren, sondern Rußland insgesamt. Auf das Fuhrwerk verfrachteten sie ihr weniges ab und Gut und machten sich dann auf den Weg – ganz gleich wohin. Lange waren sie allerdings nicht unterwegs. Nahe Kasan wurde er plötzlich krank und starb. Die Urgroßmutter erzählte, daß sie ihn neben irgendeiner Kirche begruben. Die verwaiste Familie kehrte um, aber auf dem Rückweg passierte ein neuerliches Unheil – Diebe entwendeten das Geld und die Dokumente. Sie kehrten in ihr Dorf zurück, beschafften sich die Papiere wieder – und da geschah etwas Merkwürdiges – aus Dorothea Genrichowna Ruder war plötzlich Jewdokia Andrejewna Ruder geworden. Wie konnte ein derartiger Unsinn zustandekommen, wo es doch im Dorf so viele Zeugen gab, die ihre Eltern, ihrer ganze Familie kannten?
Weshalb hatten sie dem deutschen Mädchen nun einen russischen Vor- und Vatersnamen gegeben? Ich weiß es nicht, aber mit diesem Namen lebte sie bis 1992, gewöhnte sich nach und nach daran und nannte sich schließlich selber Jewdokia Andrejewna.
Nachdem die Familie ins Dorf zurückgekommen war, trat sie der Kolchose bei und arbeitete dort bis zum Krieg.
Dorothea, die keinen Vater mehr hatte, wurde Hausangestellte beim Schulinspektor. Ende 1935 hielt ein junger Mann aus dem Nachbardorf Remmler um ihre Hand an. Die einsame Frau wollte gern eine eigene Familie mit Kindern haben, und so heiratete sie am 27. Januar 1936 Albert Georgiewitsch Schmelzer. Am 29. Oktober 1936 wurde eine Tochter geboren, die den Namen Berta erhielt.
Die jungen Eheleute arbeiteten, legten sich eine kleine Hofwirtschaft zu und zogen ihre Tochter groß. Zu dieser Zeit hatte man in der Autonomen deutschen Wolgarepublik bereits Kolchosen und Tierzuchtfarmen geschaffen. Aber der Haupternährer war und blieb doch der eigene Hof – die kleine Hilfswirtschaft der Familien und der Gemüsegarten.
Der Wohlstand der Wolgadeutschen begann sich unmittelbar vor dem Krieg zu verbessern. In den Familien tauchten hier und da Grammophone, Möbel und Haushaltsgegenstände für den alltäglichen Gebrauch auf, die nicht selber angefertigt, sondern in Fabriken hergestellt worden waren. Man weiß nicht, welche Fügung das Schicksal genommen hätte, wenn der Krieg nicht gekommen wäre….
In jede Familie brachte der Krieg Kummer und Elend; vereint wurden die Menschen dadurch, daß Ehemänner, Väter und Großväter an die Front zogen. Ihre Witwen und Kinder hatten Recht auf Mitleid und Unterstützung, Respekt und Ansehen seitens ihrer Umwelt. Aber es kam ganz anders…. In diesem Krieg erwiesen sich die Rußlanddeutschen als schuldlos Schuldige allein aus dem Grund, daß sie Deutsche waren.
Buchstäblich vopm ersten Kriegstag an rollten Wellen patriotischer Demonstrationen durch die gesamte Republik. In den Städten und Ortschaften verurteilten die Menschen in ihren Reden den Überfall Deutschlands und drückten ihre Überzeugung von einem schnellen Sieg der Roten Armee aus. Ihr Gefühl der Entrüstung war aufrichtig. Vom 22. bis 24. Juni gingen in den Kriegskommissariaten 1060 Gesuche mit dem Wunsch ein, freiwillig den Reihen der Roten Armee beitreten zu wollen. Aber bereits die ersten Tage der allgemeinen Mobilmachung lösten bei den deutschen Männern Zweifel, Kränkungen und sogar Empörung aus: keiner von ihnen wurde in die Rote Armee einberufen und an die Front geschickt.
Am 28. August 1941 erging der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Umsiedlung der in den Wolga-Rayons lebenden Deutschen. Die Deportation wurde zwischen dem 3. und 20. September 1941 durchgeführt. Gleichzeitig wurde die Autonome Republik der Wolgadeutschen liquidiert und ihr Territorium zwischen den Gebieten Saratow und Stalingrad aufgeteilt.
In Übereinstimmung mit den Instruktionen für die Durchführung der Umsiedlungsaktion war es erlaubt, persönlichen Besitz, kleinere Gegenstände des landwirtschaftlichen Inventars sowie Lebensmittel mitzunehmen. In Wirklichkeit war es gar nicht möglich, persönlichen Besitz und landwirtschaftliches Gerät mitzunehmen. Der Krieg hatte bereits angefangen, die Transportmittel reichten nicht, es gab für die Sachen einfach keinen Platz, und deswegen mußten sie alles in der Heimat zurücklassen. An den Viehstationen brüllten die Tiere, schlugen offenstehende Türen …. Und auch nach dem Krieg kehrte niemand hierher zurück, wohin denn auch, und es wurde ihnen ja auch gar nicht erlaubt. In den im Stich gelassenen Ortschaften ließen sich andere Bewohner nieder, der ehemalige Besitz wurde demontiert.
Konnte denn eine schwangere Frau mit einer kleinen Tochter an der Hand viel mitnehmen? In unserer Familie gibt es keine Familienstücke, Wertsachen, die uns heute an unsere Vorfahren erinnern könnten. Als blieb dort, in der Heimat, zurück. Am wertvollsten waren damals ein zusätzlich mitgenommenes Hemd und ein Laib Brot.
Ihr Dorf wurde nach Sibirien ausgesiedelt. Lange waren sie dorthin unterwegs, und die Fahrt war sehr kräftezehrend. Laut Anweisungen sollten den Umsiedlern 500 g Brot pro Person und Tag ausgehändigt werden sowie zweimal am Tag eine warme Mahlzeit. Tatsächlich wurden diese Instruktionen aber nicht eingehalten; in den Waggons gab es keine Pritschen, bei der Verpflegung gab es Unregelmäßigkeiten, es gab nicht genug Wasser. Transportiert wurden sie in Viehwaggons; schlafen mußten sie auf dem Boden, obwohl die Waggons praktisch nicht beheizt waren. Der Zug bewegte sich gen Osten, wobei er ständig andere Züge passieren lassen mußte, die auf dem Weg an die Front waren. Die zahlreichen Verzögerungen während der Fahrt sowie die schlimmen sanitären Verhältnisse führten dazu, daß die Menschen, und ganz besonders die Kinder, unterwegs starben. Am 17. September traf der Zug mit 650 deutschen Familien (2318 Personen) am Bahnhof Atschinsk, Region Krasnojarsk, ein. Unter ihnen befanden sich auch meine Urgroßmutter, mein Urgroßvater und ihre Tochter. Zerlumpt und barfuß, von Hungerödemen gezeichnet, wurden sie auf die umliegenden Ortschaften verteilt – und gerieten in das Dorf Uner, Sajaner Bezirk, Region Krasnojarsk.
Mit den Problemen der UNterbringung und des Sicheinrichtens der Deportierten hatte sich niemand vernünftig beschäftigt. Laut Angaben der NKWD-Organe kamen in der Region Krasnojarsk auf eine Person insgesamt 1 Quadratmeter Wohnfläche; BESONDERS schlimm bemerkbar machte sich auch der Mangel an Heizmaterial und Lebensmitteln; es fehlte an Medikamenten, Wäschereien und Bademöglichkeiten. Die Umsiedler wurden durch die schrecklichen Bedingungen sowie das hartherzige Verhalten der örtlichen Behörden ihnen gegenüber gedemütigt und unterdrückt.
Und so beschrieb die Urgroßmutter die Ankunft der Umsiedler in der Ortschaft Uner: „Wir trafen dort mit unseren Fuhrwerken ein. Es lag bereits Schnee. Alle Leute traten aus ihren Häusern und betrachteten uns. Anfangs wurden wir von ihnen beschimpft, aber wir schwiegen. Dann kam ein kleiner Junge angelaufen und stellte dem Großvater eine Frage. Er antwortete dem Jungen und fing an zu weinen. Keiner der unseren verstand Russisch, und so wollte ich vom Großvater wissen, welche Frage ihm der Kleine gestellt hatte. Der Großvater gab die Worte auf Deutsch wieder: „Seid ihr Deutsche?“ – „Ja“. – „Aber wo sind denn eure Hörner?“
Möglicherweise war es dann auch dieser Dialog, der die Leute friedlich stimmte. Die Ortsbewohner brachten die Flüchtlingsfamilien in den verschiedenen Häusern unter. Nachdem sie begriffen hatten, daß die Deutschen ebensolche Menschen waren wie sie selber, teilten sie mit ihnen, hatten Mitleid und gaben ihnen zu essen, so gut sie es vermochten. Die einfachen Bewohner, die kaum lesen und schreiben konten, zeigten sich dabei menschlicher als Regierung und Staat.
Aber damit waren Kummer und Elend noch längst nicht zuende …
Gegen Ende 1941 wurden aus den europäischen Teilen der udSSR etwa 800 Sowjetdeutsche nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt. Sie alle lebten unter schrecklichen Bedingungen und befanden sich buchstäblich an der Grenze zwischen Leben und Tod. Die Mobilisierung der Sowjetdeutschen an die „Arbeitsfront“ löste auf unmenschlichste Weise gleich zwei Probleme zur selben Zeit: man liquidierte damit die sozialen Spannungen in den Ballungsräumen der deportierten Deutschen und konnte zudem ständig das Kontingent des Zwangsarbeitssystems auffüllen. Die Deutschen gerieten bereits ab Ende 1941 in die Arbeits-armee. Dorthin wurden alle arbeitsfähigen mobilisiert – mit Ausnahme von Frauen mit kleinen Kindern oder Schwangeren. Mein Urgroßvater kam zur Trudarmee ins Krasnojarsker Lager. Im KrasLag mußten die Arbeitsarmisten in der Holzbeschaffung arbeiten und Das gewonnene Holz anschließend auf dem Fluß abflößen. Der Winter des Jahres 1941-42 war hart, es herrschten sibirische Fröste, die Menschen leisteten Zwangsarbeit, die Verpflegung war erbärmlich, es gab keine warme Kleidung, keine Trockenräume, in der man die Sachen und auch das Schuhwerk hätte trocknen können. Auch Ärzte waren nicht vorhanden. Aber niemand beklagte sich, niemand machte seiner Empörung darüber Luft. Die Leute waren der Ansicht, daß sie sich die Vergebung dafür, daß sie – Deutsche waren, erst hart verdienen mußten.
Dorothea begrub in diesem Winter ihre Schwiegereltern, mit denen sie zusammen deportiert worden war. Die lange Fahrt und die allgemeinen Erschwernisse des Lebens hatten ihre Gesundheit zerrüttet. Und im Frühjahr – am 8. März 1942, wurde meine Großmama, Anna Schmelzer, geboren.
Wie lebte DIe junge Frau mit zwei kleinen Töchtern im Angesicht des Hungers und unter derart schweren Lebensbedingungen? Sie arbeitete in der Kolchose, die Kinder waren zuhause eingeschlossen. Für die geleistete Kolchosarbeit wurden ihnen Tagesarbeitseinheiten angerechnet. Für eine solche Einheit stand ihnen ein wenig Getreide zu, aber bei den Familien kam davon nichts an, denn der Staat kassierte Steuern. Die Menschen mußten Fleisch, Milch, Wolle, Felle, Getreide usw. abgeben. Aber es gab weder Vieh, noch Gemüsegärten und niemand wohnte in seinen eigenen vier Wänden. Alle waren in fremdem Wohnraum untergebracht. Die Steuer wurde anhand des erarbeiteten Weizens berechnet. Die Menschen arbeiteten in der Kolchose, produzierten Nahrungsmittel – und bekamen trotzdem Hungerödeme. Einige begannen zu stehlen, aber die Vergeltung war schlimm: für 3 entwendete Kartoffeln – 10 Jahre Gefängnis, für einen Sack Getreide – 15 Jahre. Die Urgroßmutter beging keinen Diebstahl, denn sie hatte furchtbare Angst, daß man sie einsperren könnte und die Kinder dann verhungern würden. Deswegen bat sie um die Erlaubnis, sich aus der Kolchose entfernen zu dürfen, und dann ging sie los and bettelte um Almosen. Gelegentlich arbeitete sie auch bei den Ortsansässigen, wo die die Wäsche wusch, im Gemüsegarten tätig war oder im Haushalt half. Sie legte ein paar Stückchen Brot beiseite, trocknete sie und bat dann in der Kolchose um die Erlaubnis zu ihrem Mann gehen zu dürfen. Von Ortschaft zu Ortschaft zog sie ihren kleinen Leiterwagen, auf dem sie ihre beiden Töchterchen und das kleine Säckchen mit Lebensmitteln untergebracht hatte. Sie ging viele Kilometer, um ihren Mann wiederzusehen, ihm die Kinder zu zeigen, ihn mit etwas Eßbarem zu versorgen und seine Wäsche zu waschen. Und dann wieder die Trennung – und der ganze Weg zurück nach Hause.
Im Frühling 1943 kam ein Brief:
„Wjerchnjaja Scherdoba, 23.04.1943
Guten Tag, Dorothea Schmelzer!
Sie werden sich sicher wundern, daß sie ein3en Brief von einem Unbekannten
erhalten.
Es schreibt ihnen Otto Jakob; meine Ehefrau lebte in der Ortschaft Adik. Sie
erinnern sich bestimmt noch an sie. Ich muß Ihnen eine traurige Mitteilung
machen. Am 22. April, um 7 Uhr morgens, ist Albert verstorben. Er war sehr
krank, man konnte nichts mehr für ihn tun, und auch Gott hat ihm nicht geholfen.
Ich habe für ihn einen schönen Sarg angefertigt. Wir zogen ihm saubere Kleidung
an und haben ihn am 23. April um 10 Uhr hinter der Scheune begraben. Albert
(sein Freund und Namensvetter) ist ebenfalls krank; er konnte an der Beerdigung
nicht teilnehmen. Er lag in der Baracke, half uns aber bei der Suche nach
Kleidungsstücken für den Verstorben und beim Ankleiden. Auf dem Grab haben wir
ein Kreuz errichtet, auf dem in Deutsch und Russisch folgender Text geschrieben
steht:
„Hier ruht Albert Schmelzer.
Verstorben am 22. April 1943
Geboren 1908
Häftling der Arbeitskolonne
KrasLag V.K.F.J.A. seit dem 23. Februar 1943
Die Lebensmittel und Gegenstände, die er hinterlassen hat, haben wir zusammengetragen, und Sie können es in der Ortschaft Samsonowka bei der Kommandantur entgegennehmen.
Das ist alles.
Herzliche Grüße
Otto Jakob“.
Die hinterlassenen Gegenstände – das waren das Gebetsbuch des Urgroßvaters mit den handschriftlichen Notizen sowie die Pfauenfeder, die als Lesezeichen gedient hatte. Aber es gab weder eine Fotografie noch irgendein NKWD-Dokument über seinen Tod – nichts. So endete der Große Vaterländische Krieg für meinen Urgroßvater!
Die Familie blieb weiterhin „in ewiger Sonderansiedlung“. Die vom NKWD durchgeführte Politik führte dazu, daß gegen Anfang des Jahres 1942 sogar jene wenigen Deutschen, denen es gelungen war, eine mehr oder weniger gute Arbneit in den Städten oder Bezirksstädten zu finden, in ihrer Mehrheit erneut wieder in Kolchosen zurückgeschickt wurden. Die schwierigen Lebensbedingungen und die harte Arbeit bewirkten in den Kriegsjahren eine zahlenmäßige Verringerung der Deutschen um fast die Hälfte.
Das Kriegsende und den Tag des Sieges erinnert die Urgroßmutter so: „Alle
freuten sich und meinten: „Endlich werden unsere Ehemänner in die Freiheit
entlassen!“ Und sie weinte und sagte: „Eure werden entlassen, aber meiner wird
nie mehr zurückkehren“. Aber sie hatten sich zu früh gefreut – mit dem Ende des
Krieges waren die Leiden der Rußland-Deutschen noch nicht zuende. Die
Arbeitsarmee wurde tatsächlich aufgelöst, aber alle ehemaligen Trudarmisten
erhielten den Status von Sondersiedlern, und sie wurden wie Leibeigene fest an
ihre Unternehmen, Baustellen und Lager gebunden. Es war ihnen erlaubt, ihre
Familien zu sich zu holen, sie erhielten die Möglichkeit, in Wohnheimen und
Privatwohnungen unterzukommen, sich selber Wohnraum zu bauen oder zu kaufen. In
den Wohnbezirken der Trudarmisten und ihrer Familien wurden Sonderkommandanturen
geschaffen. Aber die Menschen hofften, daß sie nicht mehr lange unter
Kommandanturaufsicht stehen müßten. Viele trafen schon Vorbereitungen für ihre
Rückkehr nach Hause, in die Orte, aus denen
man sie zu Beginn des Krieges deportiert hatte. Sie glaubten fest daran, daß der
Sieg ihr Leben zum besseren wenden würde. Die Antwort auf all diese Hoffnungen
waren neue Repressionen, welche erst nach Stalins Tod aufhörten. Mit dem Ukas
des Präsidiums des Obersten Sowjets der uDssr VOM 13. Dezember 1955 wurden alle
Einschränkungen gegenüber den Rußland-Deutschen abgeschafft. Meine Urgroßmutter
wurde Am 17. Januar 1956 aus der Sonderansiedlung entlassen.
Zu dieser Zeit heiratete ihre älteste Tochter Berta Iwan Gepner (Heppner? Höppner?). Die beiden bekamen später drei Kiner: Jekaterina (18. November 1955), Iwan (16. August 1957) und Aleksander (2. Juli 1959). Meine Großmutter war erst 13 Jahre alt, aber trotzdem mußte sie schon (ab Sommer 1954) fast ein Jahr lang in einer Glimmerfabrik arbeiten.
Anfangs, als die Großmutter zur Schule ging, nahm die Mutter sich ihre Arbeit
mit nach Hause. Der Glimmer wurde mit der Hand bearbeitet: die Glimmerschicht
wurde mit einem speziellen Messer zu feineren Platten zersplittert, die dann
nach unterschiedlichen Größen zerkleinert wurden. Es war eine mühselige,
schwierige Arbeit, und man mußte sehr aufmerksam sein und über eine Menge
Ausauer verfügen. Im Sommer arbeiteten die Kinder ebenfalls. Aber trotzdem
fehlte es in der Familie ständig an Essen und Geld. Die älteste Tochter wohnte
nicht mehr zuhause (sie hatte ihr Berufsleben ebenfalls in der Glimmerfabrik
begonnen), und die Urgroßmutter war aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht
arbeitsfähig.
Deswegen blieb Großmama dann auch nach dem Beginn des Schuljahres in der Fabrik.
Damals hatte sie gerade vier Schulklassen absolviert. Viele träumten von einer
Rückkehr an die Wolga, aber die Behörden trachteten danach die Deportierten an
den Orten festzuhalten, an die sie während des Krieges verschleppt worden waren.
Bis vor kurzem hatte ich noch nicht vollständig verstanden, welche Religion meine Familie damals ausübte. Meine Urgroßmutter, Oma und Mutter sind nämlich – Katholiken. Aber nachdem sie in Astrachan einmal in eine katholische Kirche geraten waren, hatte Urgroßmama kategorisch behauptet: „Das ist nicht unsere!“ Lange Zeit befanden wir uns darüber im Zweifel, bis sich schließlich alles auf eine ganz einfache Weise klärte. Man stellte der Urgroßmutter die Frage: „Sind wir eigentlich – Katholiken?“ – „Ja!“ – „Aber wieso gehört diese Kirche dann nicht unserem Gott?“ – „Weil wir zuhause beten!“ – Und da ist die Antwort: in den 1950er Jahren bekamen die katholische und die lutherische Kirche den Status von Sekten.
Religiöse Versammlungen blieben faktisch die einzige Möglichkeit, die deutsche Sprache zu hören, Deutsch zu sprechen. Aber diese Vereinigungen hatten sich geweigert sich registrieren zu lassen, und so nahm die Hetze gegen sie die From von Glaubensverfolgungen an; es war ein Kampf gegen diejenigen, die ein Gebetshaus besuchten.
Infolgedessen gingen die Gläubigen „in den Untergrund“. Und wer hätte vermuten können, daß sich hinter den elegant gekleideten Männern und Frauen, die an den Sonntagen mal zu diesem, mal zu jenem zu Besuch gingen, in Wirklichkeit um Menschen handelte, die zum Gebet zusammenkamen. Ich will mit den Worten meiner Mama beschreiben, wie es dabei zuging.
Am wichtigsten war der Mann, der die Pflichten eines Geistlichen ausübte. Ob er ein geistlicher Würdenträger war und eine entsprechende Ausbildung besaß ist nicht bekannt. Vielleicht nicht immer, denn das Wichtigste war, daß er Deutsch lesen konnte. Er leitete den Gottesdienst, taufte die Kinder und hielt die Totenmessen. Ein spezielles Gebetshaus gab es ebenfalls nicht; daher versammelte man sich immer in der Wohnung irgendeines Gläubigen.
In der vorderen Ecke – die Ikonen, darunter der mit einem weißen Tischtuch bedeckte Tisch. Auf dem Tisch eine Erhöhung (gewöhnlich eine umgedrehte Furnierholzkiste, ebenfalls weiß abgedeckt). Mitunter kam es zu einem Kuriosum, denn in unserer vorderen Ecke stand – ein Fernseher. Um ihn nicht ständig forträumen zu müssen, wurde er ebenfalls mit einem weißen Tuch abgedeckt – und schon hat man die gewünschte Erhöhung. Auf diese Weise also erfüllte der Fernsehapparat auch noch die Funktion eines Altars, auf den dann das Kreuz mit der Darstellung des Jesus Christus und Kerzen gestellt wurden. Auf dem Tisch wurden Blumen plaziert. Im Sommer – echte, und zu den anderen Jahreszeiten – künstliche, die von den Großmüttern aus Buntpapier hergestellt wurden. Sehr geschätzt war auch Folie von Schokoladenverpackungen sowie die Deckel von Kefirflaschen mit ihren giftvioletten oder himbeerähnlichen Farben. Blüten und Blätter wurden ane einem Gestell aus dickem Aluminiumdraht befestigt, und schon hatte man einen blühenden Strauch. Das war dann auch die Dekoration für den Altar.
Sonntags kamen die Gläubigen zum Gebet zusammen; das Beisammensein dauerte 2-3 Stunden (von 9 bis 12 Uhr). Anschließend lud die Gastgeberin die Versammelten in der Regel zum Mittagessen ein, das sie extra für sie vorbereitet hatte. Nach dem Essen verkündete einer der anwesenden Gläubigen, daß er bereit sei, die Gebetsveranstaltung am kommenden Sonntag bei sich zu Hause durchzuführen.
Meine Urgroßmutter, die zu der Zeit gerade 90 Jahre alt geworden war, konnte deswegen an diesem Gottesdienst nicht teilnehmen.
Kehren wir zu den Ereignissen der 1950er und 1960er Jahre zurück. Die Befreiung aus der Sonderkommandantur führte dazu, daß es viele zurück an die Wolga zog. Auch die ältere Tochter Berta und ihrer Familie trafen Vorbereitungen für eine Rückkehr. Mit ihnen gingen auch Dorothea und Anna. Dort ließen sie sich dann im Gebiet Wolgograd nieder.
Zuerst kamen sie in die Ortschaft Ilowatka im Staropotawsker Bezirk. Hier
lernt Anna den Bauarbeiter Konstantin Golubew kennen, der zum Geldverdienen aus
Astrachan hierher gekommen ist, und am 21. April 1965 wird Tochter Natalia –
meine Mama – geboren. Die Familie begibt sich nach Astrachan, während die
Urgroßmutter mit Bertas Familie in die Bezirksstadt Pallasowka, Gebiet
Wolgograd, umzieht. Sie Stadt Pallasowka wurde übrigens
zu Ehren des deutschen Gelehrten und Geographen Peter-Simon Pallas benannt, der
im 19. Jahrhundert die Wolgaufer und –steppen erforschte. In diesem Städtchen
gab es sehr viele Deutsche, Ukrainer, Kasachen und Russen. Sie lebten
einträchtig miteinander. Die Nachbarn halfen sich gegenseitig. Es gab kleinere
Ausschreitungen (meist unter den Kindern), aber die Erwachsenen entschieden
Streitfragen auf taktische Weise.
Trotzdem glaubten die Einwohner daran, daß die deutsche Autonomie mit der Zeit wiederhergestellt würde, aber der Ukas vom 29. August 1964 stellte endgültig fest, daß sich die deutsche Bevölkerung in der Nachkriegszeit in ihren neuen Wohnorten auf dem Territorium verschiedener Republiken, Gebiete und Regionen des Landes eingelebt hatte, dort bereits verwurzelt war und dort bleiben sollte.
Dieser Ukas stellte nur eine Seite zufrieden – den Staat, aber er
berücksichtigte nicht den Wunsch der Bürger deutscher Nationalität. Und genauso
verstanden ihn auch die Sowjet-Deutschen – als nächste Ungerechtigkeit, als
neuerliche Beschneidung ihrer Rechte. Es gibt keine deutsche Republik, und es
ist so, als gäbe es die Deutschen auch nicht – und damit auch nicht das Problem.
Unter den Bedingungen der sich häufenden regionalen Konflikte (Nagornij
Karabach; Tschetschenien u.a.) wurde eine Entscheidung über die Frage der
deutschen Autonomie paraktisch unmöglich. Um so mehr, als es Gerüchte darüber
gab, wie gut diejenigen zurechtkamen, die schon früher nach Deutschland
ausgereist waren. Nach 1992
wurden bei uns deutsche Sprachkurse eingerichtet. Denn es war so, daß die
Rußland-Deutschen das heutige Deutsch nicht sprechen konnten. Gemischten
Familien wurde die Emigration erlaubt.
Auch unsere Familie wurde davon berührt. Bertas Sohn Iwan fuhr als erster mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen ab. Sie ließen sich in der Stadt Beckum nieder. Dort wurde der Familie einhe Wihnung und alle notwendigen, alltäglichen Gebrauchsgegenstände zur Verfügung gestellt, und sie erhielten eine monatliche Unterstützung für jedes Familienmitglied.
Von dieser Unterstützung konnte man nicht nur ohne Armut leben, sondern sogar noch einen Gebrauchtwagen erwerben. Iwan machte eine Lehre als Kunsttischler. Derzeit arbeitet er auch in diesem Beruf. Seine Frau arbeitete anfangs als Reinmachefrau in der Schule, aber inzwiswxchen hat die Familie ihr Auskommen, so daß sie zuhause ihren Haushalt versorgt. Die Kinder beendeten die Schule und gewöhnten sich an die neuen Lebensbedingungen. Iwan schrieb oft und rief seine Eltern in Rußland an, damit sie auch nach Deutschland kämen. 1999 emigrierten auch seine Eltern. Aber es fiel ihnen sehr schwer, sich am neuen Wohnort zurecht zu finden. Ihnen folgte auch Tochter Jekaterina mit Mann und Kindern. Alles fügte sich bei ihnen zum Guten. Nur der jüngste Sohn Alexander blieb mit seiner Familie in Pallasowka. Berta wollte sehr gern nach Rußland zurückkehren, aber sie schaffte es nicht mehr rechtzeitig – sie starb am 19. November 2007.
All das habe ich aus den Erzählungen meiner Mama, Großmama und Urgroßmama erfahren. Meine Urgroßmutter hatte kein leichtes, aber ein langes Leben; sie starb in Astrachan am 27. Juni 2006 im Alter von 97 Jahren.