Autor: Julia Kalaschnikowa
Schule N° 161, Klasse 10A
Zentrum für zusätzliche Kinderbildung „Perspektive“, Selenogorsk
Projektleitung: Nonna Kusminitschna Pilenizyna
Ehrenmitarbeiterin für allgemeine mittlere Schulbildung der Russischen
Föderation
Selenogorsk
Schuljahr 2011
I. Einführung (Ziel, Hypothese, Forschungsmethode, Besonderheiten der
verwendeten Literatur)
II. Hauptteil
1) Ehemalige Häftlinge sagen aus
2) Der Krieg – Kummer und Gram, die mit dem menschlichen Leben nicht vereinbar
sind
3) Ungerechte Haltung der Gesellschaft und der Regierung des sowjetischen
Staates gegenüber ehemaligen Gefangenen in der ersten Zeit nach Kriegsende
4) Veränderungen in der Haltung gegenüber ehemaligen Gefangenen während der
Destalinisierung und Demokratisierung der Gesellschaft
III. Schlußbemerkung
IV. Liste der verwendeten Literatur, Quellenangaben
V. Anhänge
In diesem Jahr erfuhr ich vom Wettbewerb historischer Arbeiten von Schülern der höheren Klassenstufen „Der Mensch in der Geschichte . Rußland – 20. Jahrhundert“, der bereits seit mehreren Jahren von der Internationalen „Memorial“-Organisation durchgeführt wird.
In meiner Arbeit berichte ich über ganz gewöhnliche Menschen aus der Stadt Selenogorsk, über das Schicksal von Gefangenen faschistischer Lager und anderer Orte der Zwangshaltung. Der Krieg und die Menschen! Im Jahre 2010 wurde der 65. Jahrestag des Großen Vaterländischen Sieges feierlich begangen.
„Der Große Vaterländische Krieg – das größte Ereignis des XX. Jahrhunderts“, wie unser Landsmann, der berühmte Schriftsteller Viktor Astafjew meinte. Und wenngleich schon viele Jahre seit dem Kriegsende vergangen sind, läßt dieses Thema niemanden gleichgültig. Immer noch sind Witwen, Kinder am Leben, die ohne Väter aufwuchsen, sind auf der Erde Spuren erhalten geblieben, die darauf hindeuten, daß hier Kämpfe stattfanden und sich das Schicksal der Heimat, des sowjetischen Volkes entschied. Auch ehemalige Gefangene erinnern sich dieser schrecklichen Schicksalserprobungen.
Zu Ehren der Kriegsveteranen erwähnen wir auch jene, die alle Schrecken der faschistichen Gefangenschaft, völlige Rechtlosigkeit und Erniedrigung, Angst um ihr Leben und Verrat erfahren haben. Unter den ehemaligen Häftlingen, Bewohnern der Stadt, waren viele Minderjährige. Es ist schrecklich sich vorzustellen, daß ihr Leben in faschistischen Lagern begann!
Die damaligen Gefangenen und Minderjährigen, die heute bereits betagte Leute sind, können ihre Tränen und ihren Kummer nicht zurückhalten, wenn sie von der Vergangenheit erzählen, mit zitternden Händen ihre Rehabilitationsbescheinigungen, zahlreichen Ehrenurkunden und staatlichen Auszeichnungen für ihre in Friedenszeiten geleistete Arbeit zeigen und stolz von ihren Kindern und Enkeln berichten.
Es gibt immer weniger von diesen Menschen, und man muß sich beeilen ihnen dabei zu helfen, den nachfolgenden Generationen eine Lehre in Tapferkeit und Standhaftigkeit zu erteilen. „Sie haben die Hölle durchgestanden und überlebt“ – so definieren heutige Historiker ihren Platz im Kriegsgeschehen.
Laut Angaben der Abteilung für Sozialfürsorge gab es am 11.04.2006 davon 15 Personen; im Verlauf einer heimatkundlichen Suche wurden neue Namen herausgefunden, und zwei ehemalige Kinderhäftlinge erhielten in den Jahren 2008-2009 offizielle Bescheinigungen darüber, daß sie sich in Lagern auf dem Territorium der UdSSR befunden haben.
Wir hißten unser Banner
Auf feindlichem Boden.
Der Morgen erglühte für diejenigen,
Die in der Finsternis schmachteten.
Am 9. Mai entflammte die junge Morgenröte,
Durch das entrollte Banner
über Meer und Land.
(Verse eines unbekannten Autors)
Ziel: den Lebensweg ehemaliger Häftlinge faschistischer Lager zu studieren, herauszufinden, welchen Einfluß der Große Vaterländische Krieg auf ihr Schicksal hatte und den hohen moralischen Geist der Gefangenen zu bewerten, die sich zwischen Leben und Tod befanden.
Zur Realisierung des Ziels war es unerläßlich, zunächst folgende Aufgaben zu erfüllen:
Hypothese
Ist es denn notwendig, daß die Generation des XXI. Jahrhunderts die tragischsten
Momente des Großen Vaterländischen Krieges über die Häftlinge faschistischer
Lager erfährt? Und war es gerecht, sie als „Menschen zweiter Klasse“ anzusehen?
Problemstellung
Warum kommen in der gegenwärtigen Gesellschaft trotz aller Schrecken, welche die
Menschen während des Großen Vaterländischen Krieges durchgemacht haben und der
riesigen Verluste (55 Millionen Tote) jugendliche, neofaschistische Tendenzen
auf?
Forschungsmethode
Thema
Das Schicksal von Menschen, welche die schwierigsten Herausforderungen
faschistischer Willkür am eigenen Leibe erfahren mußten
Gegenstand
Umgang und Verhalten unter den Häftlingen: sowjetischen und europäischen, Eltern
und Kindern, Landsleuten
Quellen der Forschungsarbeit
Für meine Arbeit habe ich das Buch des sowjetischen Ingenieurs J.G. Reschin „General Karbyschew“ verwendet, aus dem ich über das Leben des bedeutenden General-Leutnants der Ingenieur-Truppen, den Helden der Sowjetunion – Dmitrij Stepanowitsch Karbyschew, erfuhr. Im Februar 1945 wurde er im Lager Mauthausen hingerichtet. 1946 wurde Dmitrij Stepanowitsch posthum der Titel eines Helden der UdSSR verliehen. Die Beschreibung des Todes dieses Helden der Sowjetunion führe ich deswegen in meiner Arbeit an, weil unser Landsmann B.N. Nowikow Augenzeuge der Hinrichtung des Generals in Mauthausen war.
Am Vorabend der Jubiläumsfeierlichkeiten zum Großen Vaterländischen Krieg sind europäische und amerikanische Zeitungsausgaben „gespickt“ mit für russische Menschen kränkenden Überschriften. Angeblich sei der Verdienst des russischen Volkes am Sieg über die Faschisten unbedeutend. Ebenfalls bekräftigen ausländische Boulevardblätter, daß die Soldaten der Roten Armee sich gegenüber deutschen Kriegsgefangenen äußerst grausam verhielten. Die Absurdität ähnlicher Erklärungen wurde zum Thema eines Artikels von Georgij Sotow1 mit dem Titel „Über eine Million schweigen die Verbündeten“; auch dieses Material fand in meiner Arbeit Verwendung.
Während ich mit dem vorliegenden Referat beschäftigt war stellte sich heraus, daß das Amt für Sozialfürsorge uns nicht die Namen aller Konzentrationslager-Häftlinge, die in Selenogorsk leben, genannt hatte. Die Geschichte Nina Tichonowna Chramowitschs erfuhren wir durch einen glücklichen Zufall, als wir im Museum des Militärischen Ruhms die „Heutige Zeitung“ gründlich durchforsteten. Materialien aus einem Artikel von natalia Kasatschenok, in dem das Leben der kleinen Nina Bejtonowa erwähnt wird, die nicht nur einfach ihre Kindheit im Konzentrationslager verbrachte, sondern dort sogar geboren wurde. Sie überlebte nur deswegen, weil ihre Mutter, die jeden Tag zur Zwangsarbeit getrieben wurde, in ihrer Nähe war.
Aus Privatarchiven erfuhren wir vom Schicksal der noch in Selesnogorsk lebenden, damals minderjährigen Häftlinge.
Aktualität
Dieses Thema ist für mich von aktueller Bedeutung, denn mein Urgroßvater
väterlicherseits hat am Großen Vaterländischen Krieg teilgenommen. Außerdem ist
es aktuell, weil gegenwärtig erneut faschistische Jugendvereinigungen
auftauchen, welche die Ideologie des Faschismus studieren, sich mit Waffen
ausstatten und auf geheimen Truppen-Übungsplätzen Schießübungen veranstalten.
Sie verfolgen und töten jene, die gegen die Neofaschisten ins Feld ziehen. Es
wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Aktivitäten neofaschistischer
Organisationen verbietet.
Sogar in unserer geschlossenen Stadt wurde Anfang der 1970er Jahre eine aus vier Personen bestehende faschistische Gruppierung enthüllt (drei junge Männer und ein Mädchen). In der Nacht vor dem 7. November begingen sie an mehreren Holzhäusern Brandstiftung, hißten eine selbstgefertigte Hakenkreuz-Flagge und bastelten sich selber Waffen zusammen. Innerhalb von drei Tagen konnten sie von den KGB-Organen ausfindig gemacht und verhaftet werden. Man entdeckte ihr geheimes Versteck, in dem handgeschriebene Blätter und Hitlers Buch „Mein Leben, mein Kampf“ gefunden wurden.
Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2010 ereigneten sich folgende faschistische Aktionen, über die Georgij Sotow in seinem Artikel „Über eine Million schweigen die Verbündeten“ in der Zeitung „A und F“ (Argumente und Fakten; Anm. d. Übers.) schreibt.
Sobald Rußland mit den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges beginnt, publizieren die Zeitungen der ehemaligen Verbündeten (USA, England) Artikel über die Schmähung der Rolle der UdSSR im Sieg über den Faschismus, indem sie den Alliierten die klarsten Siege und leuchtendsten militärischen Operationen zuschreiben.
„Die europäischen Zeitungen sind voll mit Artikeln über „Gräueltaten der Sowjet-Armee im besiegten Deutschland“. Aber das Thema der Kriegsverbrechen der Verbündeten während des Zweiten Weltkrieges ist nach wie vor – tabu…“ – schreibt G. Sotow.
„ … Wozu das alles? Der 9. Mai ist schon längst kein gemeinsamer europäischer
Feiertag mehr. Sie verurteilen die ehemaligen Partisanen, die zu Invaliden
geworden sind, und ehren die jetzt gebrechlichen, damaligen SS-Leute: wir
protestieren ganz mechanisch, aus lauter Gewohnheit. An jedem Tag des Sieges
gibt es weniger Worte über die Verdienste der sowjetischen Soldaten, Stattdessen
eine Unmenge Anschuldigungen wegen irgendwelcher Gräueltaten. Sogar im ruhigen
Finnland – auch dort hat man im Jahre 2006 eine Fotoausstellung gezeigt, auf der
gruselige Aufnahmen von „Zivilpersonen, die zwischen 1941 und 1944 von
sowjetischen Partisanen getötet wurden“, zu sehen waren. Die Zahl der Opfer wird
auf 190 geschätzt. In diesem Zeitraum hat die finnische Armee viertausend
friedliche Bewohner der UdSSR vernichtet, aber das fand selbstverständlich auf
der Ausstellung keinerlei Erwähnung. Ein deutscher Journalist bemerkte während
eines Gesprächs mit mir: „Wenn man die Zahlen aus alle Publikationen
zusammennimmt, so scheint es, daß eure Soldaten jeden Einwohner Deutschlands
dreimal getötet, und ihn dann auch noch ebensoviele Male vergewaltigt haben“.
Aber haben denn die Allieerten auch friedliche Bewohner umgebracht? Meist stellt
diese Frage ein Tabu dar. Die Antwort darauf ist bestenfalls Schweigen und im
schlimmsten Fall Wort wie „du bist selber ein Dummkopf“. Selbst der
englisch-amerikanische Bombenangriff auf Desden vom 13. bis 15. Februar 1945
(damals starben 25.000 Menschen) wird schon in Zweifel gezogen. Vor einem Jahr
verkündete der Mitarbeiter der Stiftung „Vermächtnis“ aus den USA – Ted Bromund:
die Bombardierung erfolgte auf Bitten (!) der Sowjetunion; wenn man die vielen
dresdner Opfer irgendjemandem zur Last legen kann, dann den Russen. Weiter wird
in seinem Artikel die Meinung des Historikers Evans angeführt: „ Die
Bombardierung Dresdens spielte für den Krieg eine viel größere Rolle, als die
Niederlage der Nazis bei Stalingrad“. Es gibt nichts, womit man diese Aussage
noch kommentieren könnte“.
Dafür entsteht in Europa die Meinung, daß es überhaupt keine „Konzentrations- und Todeslager“ gab, daß sich die Deutschen gegenüber Gefangenen human verhielten und daß die ganzen Gräueltaten der Faschisten schlicht und ergreifend – Erfindungen und Verleumdungen der Sowjets seien.
Als Antwort auf den 65. Jahrestag des Nürnberger Prozesses wurde in Sankt-Petersburg die Ausstellung „Zwischen Leben und Tod organisiert, wo Gegenstände und Dokumente aus 17 Lagern vorgestellt wurden.
Entdeckt wurde das Tagebuch des Salman Gradowskij (der Auschwitz überlebte, weil er in der Nähe des Ofens in der Krematoriumsbaracke arbeitete), das er jahrelang vor den Augen der Deutschen in einem Blechbehälter versteckt gehalten hatte. Im Tagebuch sind alle Grausamkeiten der Faschisten gegenüber den Gefangenen beschrieben (in jüdischer Sprache), die sowohl durch Unterschriften als auch Angabe der Häftlingsnummern bestätigt wurden. Auf der Ausstellung wurden Düngemittel aus menschlichen Knochen gezeigt, Seifenstücke aus Menschenfleisch, Ampullen mit Medizin, deren Wirkung an sowjetischen Kindern ausprobiert wurde. Im Tagebuch ist nicht nur der Verrat gegenüber den Deutschen beschrieben, die jede Minute ihren Tod erwarteten, sondern auch die Dankbarkeit gegenüber der Kinderärztin Olga Klimenko, die minderjährige Gefangene rettete und dabei ihr eigenes Leben riskierte.
Telekanal NTV, „Heute“, 07.10.10
Im Oktober dieses Jahres erschienen in den Massen-Informationsmitteln Berichte darüber, daß in einem der Parks von Jekaterinburg mehrere Dutzend junger Leute Bäume, Sitzbänke und Monumente mit faschistischen Attributen vollgeschmiert hätten.
Meiner Ansicht handelt es sich bei der Mehrheit dieser Jungs noch nicht
einmal um Anhänger des Nationalsozialismus, die ihre rowdyhaften Ausschreitungen
nicht verübt hatten, weil sie ihre Opposition zum Ausdruck bringen wollten,
sondern ganz einfach „aus Quatsch“….
Andererseits bin ich nicht geneigt, die Jugendlichen mangelnder politischer
Reife und eines verkümmerten Gefühls von Patriotismus zu bechuldigen, denn
gerade die Erwachsenen sind verpflichtet, uns, ihtren Kindern, von früher
Kindheit an die Liebe zum Vaterland und seiner Geschichte mit auf den Weg zu
geben! Ich möchte anmerken, daß in der heutigen Zeit nicht mehr als zwei Stunden
pro Woche auf patriotische Erziehung entfallen, während in der Sowjetunion
mindestens doppelt soviel Zeit auf ähnlich gelagerten Unterricht verwandt wird.
Worüber wundern wir uns da also? Beunruhigt sind die Leute auch über die
nationalistischen Ausschreitungen der Skinheads.
Es ist unerlässlich, sich an die Aufteilung und Bestimmung der faschistischen Lager, die in ganz Europa verstreut lagen, zu erinnern.
In den Jahren des zweiten Weltkriegs befanden sich Konzentrationslager, Ghettos und andere Orte der Zwangshaltung, die von den Faschisten und ihren Verbündeten geschaffen worden waren, auf dem Territorium verschiedener Länder:
Deutschland: Buchenwald, Halle, Dresden, Düsseldorf, Cottbus, Ravensbrück,
Schlieben, Spremberg, Essen;
Österreich: Amstetten, Mauthausen
Polen: Krasnik, Majdanek, Auschwitz, Psrzemysl, Radom
Frankreich: Mulhouse, Nancy, Reims
Tschechoslowakei: Glinsko, Kunta-Gora, Natro
Litauen: Alitus, Dimitravas, Kaunas
Estland: Klooga, Pirkul, Pjarnu
Weißrußland: Baranowitschi, Minsk
und sogar auf lettischem und norwegischem Gebiet.
In den Konzentrationslagern, Ghettos und anderen Orten der Zwangshaltung von Menschen kamen mehr als 13 Millionen Sowjetbürger ums Leben, davon waren 1,2 Millionen Kinder. Insgesamt wurden mehr als 5 Millionen Kinder Opfer faschistischer Unfreiheit. Statistisch gesehen erlebte nur 1 einziges Kind von 10 seine Befreiung.
Mit dem Ziel, die Lage der Gefangenen genau zu definieren, nahm ich das Erklärende Wörterbuch zur Hilfe. Der Begriff „Gefangenschaft“ scheint veraltet zu sein. Er bedeutet den Aufenthalt in einem verschlossenen Raum, in der Situation eines Gefangenen. Nach dem heutigen Verständnis gelten laut Erklärung des Ministeriums für Arbeit und soziale Entwicklung der Russischen Föderation vom 07.07.1999, N° 20, als minderjährige Gefangene auf dem Territorium der Russischen Föderation lebende, ehemalige, noch nicht volljährige Staatsbürger, die in den Jahren des zweiten Weltkriegs im Alter bis zu 18 Jahren in Konzentrationslagern, Ghettos oder anderen Orten der Zwangshaltung festgehalten oder geboren wurden, welche von den Faschisten und deren Verbündeten auf dem Gebiet Deutschlands, dem Territorium eines der verbündeten Länder sowie auf den von Deutschen besetzten Gebieten in der ehemaligen UdSSR und Ländern Europas geschaffen worden waren.
Kinder, die in die nationalsozialsozialistische Unfreiheit getrieben wurden, wurden wie Erwachsene gehalten, zudem unter den Bedingungen eines Gefängnisregimes, in Konzentrations- und Arbeitslagern, befanden sich unter Bewachung – mit allen charakteristischen Merkmalen einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit.
Zur Definition der Schweregrade der Lage von Häftlingen erklären wir nachfolgend die Begriffe „Konzentrations-„ und „Arbeits“-Lager sowie Ghetto.
1. In Konzentrationslagern wurden gleichzeitig Millionen von Menschen gehalten. Ihr Aufenthalt darin war relativ kurz, denn die wichtigste Funktion dieser Lager war die einer „Todesfabrik“. Die schrecklichsten dieser Lager waren Dachau, Auschwitz, Majdanek, Mauthausen und Salaspils.
2. In Arbeitslager wurde vor allem die aus den okkupierten Territorien vertriebene, arbeitsfähige Bevölkerung gehalten – Frauen sowie Kinder ab 11 Jahren. Grausame Prügelstrafen gab es hier nicht. Die Größe der Lebensmittelration reichte für die Erhaltung der Arbeitskraft aus.
3. Das Ghetto war ein Teil der Stadt, der um die Mitte des Jahrhunderts in den Ländern West- und Zentral-Europas entstand; er diente zur Isolierung der Lebensräume von Juden während des zweiten Weltkrieges; jüdische Ghettos wurden in einer Reihe von Städten Ost-Europas geschaffen und verwandelten sich in „Vernichtungslager“. Sie stellten einen Teil der Stadt mit einstöckigen Baracken dar, die mit Stacheldrahtzäunen umgeben waren. So gab es in Polen, in Warschau, ein Ghetto, in dem die Juden gegen die Nazis einen Aufstand organisierten.
Die schrecklichsten Seiten in der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges – das sind wohl die kleinen Häftlinge in den Konzentrationslagern.
Die Hitlerianer errichteten entsprechend ihrem Plan „Ost“ in den eroberten Bezirken ein Regime des blutigen Terrors. Sie folterten mehrere Millionen sowjetischer Staatsbürger und trieben sie in faschistische Sklaverei. Nach Deutschland wurden ganze Fabrikausrüstungen, Werkseinrichtungen, wissenschaftliche Institutionen, künstlerische und historische Wertgegenstände abtransportiert. In den besetzten Gebieten wurde ein Regime der Zwangs-arbeit, das praktisch der Sklaverei gleichkam, eingeführt. Überall wurden Konzentrationslager geschaffen. Der Krieg machte auch vor den Kindern nicht halt. Trauriges Waisendasein, zerstörte Häuser, Vertreibung in deutsche Sklaverei, rechtloses Hungerdasein in den okkupierten Gebieten- das war es, was zum grausamen Los hundertausender Kinder wurde. Mehr als eine Million Kinder kam in den Lagern ums Leben. In Selesnogorsk lebten 15 ehemalige noch nicht volljährige Häftlinge von Arbeits- und Todeslagern in Deutschalnd. Über ihren Lebensweg erzählen sie selbst oder ihre Kinder und Enkelkinder. Die Leiden, die sie durchmachen mußten, habe ihre Gesundheit zerstört, aber sie haben alles ausgehalten, haben gearbeitet, Kinder erzogen und auch bei der Erziehung der Enkel geholfen.
Gegenwärtig ist ihr Gesundheitszustand nicht gut: viele sind ans Bett gefesselt, zwei haben das Augenlicht verloren, die übrigen – sind Invaliden I. und II. Grades. Es sind Kinder, die das Leid durchgemacht haben. Die Folgen der feindlichen Lager haben sich auf ihr Leben und ihre Gesundheit ausgewirkt. In den vergangenen zwei Jahren sind fünf von ihnen verstorben.
Erinnerungen über die Vergangenheit …
(es erzählen ehemalige Gefangene, ihre Angehörigen und die ihnen Nahestehenden)
N.K. Sabelnikowa, Pionierleiterin der Schule N° 164 von 1967 bis 1971.
Zu Sowjetzeiten war der 8. Februar – der Tag der Antifaschisten – der feierlichste aller Festtage. Zu den Pioniergruppen der Schulen des Landes kamen Teilnehmer am Großen Vaterländischen Krieg, Parteimitarbeiter, ehemalige Kriegsgefangene und Partisanen. Sie erzählten den Kindern vom Krieg, den Schrecken des Faschismus, gedachten ihrer umgekommenen Kameraden, und riefen dazu auf, für den Frieden zu kämpfen. Ihre Worte prägten sich fürs ganze Leben tief in die Herzen der Kinder ein.
So sprachen Ende der 1970er Jahre auch an unserer Schule ehemalige Gefangene der schlimmsten faschistischen Konzentrationslager: Mauthausen und Auschwitz. Es handelte sich um Boris Nikolajewitsch Nowikow und Maria Adamowna Kuschmir. Sie weilen schon lange nicht mehr unter den Lebenden, aber ihre leidvollen Schicksale sind uns in der Erinnerung geblieben.
Boris Nikolajewitsch Nowikow geriet 1943 als schwer Verwundeter in der Nähe von Charkow in Kriegsgefangenschaft. Anschließend transportierten sie ihn in ein Arbeitslager ab, wo die Häftlinge zur Wiederherstellung der Eisenbahnlinien getrieben wurden. Die Verpflegung war äußerst schlecht, die Schwachen, Entkräfteten wurden jeden Tag zu Dutzenden erschossen. Viele starben aufgrund von Schlägen und durch Hunger. Boris Nikolajewitsch versuchte dreimal (!) zu fliehen. Sie fingen ihn wieder ein, hetzten ihn mit Hunden, prügelten ihn, bis er halbtot war. Aber er gab nicht auf. Seine sibirische Härte und Stärke kamen hier zum Vorschein. Nach seinem letzen Fluchtversuch schickten sie ihn nach Deutschland, nach Mauthausen, wo die planmäßige Ausrottung von Menschen mit allen Mitteln im Gange war. So war einer der Wachmänner, ein ziemlich langer Kerl, damit beschäftigt, Häftlinge mit einem einzigen Faustschlag zu töten, indem er ihnen den Schädel zertrümmerte. Die Reihe der Demütigungen, Verhöhnugen und Foltern war endlos …
Dort hörte B.N. Nowikow von dem Gefangenen General Karbyschew1 und anderen höheren Offizieren, die in einer separaten Baracke inhaftiert waren. Und an einem frostigen Februartag des Jahres 1945 ließ man den General-Leutnant und andere Offiziere auf dem Platz Aufstellung nehmen, wo die Faschisten Karbyschew und seine Kameraden hinrichteten, indem sie sie aus Feuerspritzen mit eiskaltem Wasser abspritzten, welches sie sogleich in Eissatatuen verwandelte. Später wurde bekannt, daß der General und die anderen Offiziere im Lager einen Aufstand geplant hätten. Aber es hatte sich ein Verräter gefunden, der diese Absicht rechtzeitig preisgegeben hatte.
Der Leiter des antifaschistischen Untergrunds der sowjetischen Gefangenen in Mauthausen, Valentin Iwanowitsch Sacharow, war ebenso wie unser Landsmann Augenzeuge des Todes von D.M. Karbyschew.
„Der Ort, an dem General Karbyschew zwei Tage lang gefoltert wurde, war von SS-Truppen und einem Feuerwehr-Polizei-Kommando umstellt. An den Geschützen gab es sogar tagsüber diensthabende Wachmannschaften. Es war den Häftlingen verboten, auf den Appellplatz hinauszutreten … In der Nacht, nach einer heißen Dusche, führten sie General Karbyschew in den Hof. Draußen herrschten Temperaturen um minus zwölf Grad. Aus den Feuerspritzen schossen sich kreuzende eisige Wasserstrahlen. Langsam wurde Karbyschew von einer Eisschicht bedeckt.
- Seid tapfer, Kameraden, denkt an eure Heimat; möge der Mut euch nicht verlassen, - sagte er vor seinem Tode, als er sich an die Gefangernen von Mauthausen wandte.
Die allerletzten Worte des heldenhaften Generals wurden von Mund zu Mund weitergegeben. Wir schworen uns damals an den SS-Henkern wegen des Mordes an dem ruhmreichen sowjetischen Patrioten Rache zu nehmen. Ein weiteres Mal schworen wir unsere Bereitschaft, unser teures Leben zu geben und, wenn nötig, den Soldatentod zu sterben. Auf jeden Fall wollten wir es nicht zulassen, daß wir in den Wellen der Donau ertranken oder in den Gaskammern umkamen“.
Dmitrij Michajlowitsch Karbyschew starb. Aber andere Häftlinge blieben in
Mauthausen. Es blieben jene, bei denen es nicht gelang, sie zu Tode zu foltern,
zu verbrennen oder im eisigen Frost erfrieren zu lassen. Diejenigen, die
überlebten, erlebten den Sieg, entkamen den „Todeslagern“ und gelangten wieder
in die Freiheit.
B.N. Nowikow war Augenzeuge der Hinrichtung des Generals.
Nach der Freilassung aus dem Lager saß Boris Nikolajewitsch mehrere Jahre in einem sowjetischen Lager in Sibirien ein. Dafür, daß er in Kriegsgefangenschaft geraten war. Während ders „chruschtschowschen Tauwetterperiode“ wurde er rehabilitiert und fuhr zu seiner zahlreichen Verwandtschaft nach Krasnojarsk-45. Krank und erschöpft verfluchte er den Krieg und verurteilte die Ungerechtigkeit gegenüber den Kriegsgefangenen und ihren Familien.
Maria Adamowna Kuschmir. Eine einfache weißrussische Frau, die weder lesen noch schreiben konnte, Mutter einer großen Familie, die in einem entlegenen Dörfchen im Gebiet Witebsk wohnte. Während des Krieges war diese Region Partisanengebiet – es gab dort dichte Sümpfe und undurchdringliche Wälder. Die Faschisten erlitten riesige Verluste durch die Partisanen. Gegen sie wurden ausgewählte SS-Divisionen ausgeschickt, aber es gelang ihnen nicht, die Bewegung niederzuschlagen. Zur Partisanentruppe gehörten auch Maria Adamownas Mann und Sohn, während sie mit der Tochter und einem winzigen Säugling – einem Sohn, zu Hause saß. Die Bewohner des Partisanengebiets verpflegten die Partisanenkämpfer, umsorgten die Verletzten unter ihnen, wuschen ihnen die Wäsche und versteckten sie. Die Deutschen erfuhren davon. Und Anfang 1944 begannen sie alle Dörfer und Siedlungen im Partisanengebiet in Brand zu stecken, die Bewohner zu töten oder in Konzentrationslager zu verschleppen. So geriet Maria Adamowna nach Auschwitz – in die „Todesfabrik“. Man nahm ihr die 14-jährige Tochter fort und brachte sie in ein Arbeitslager. Den kleinen Sohn entriß ihr ein SS-Mann bei der Verhaftung und schlug ihm den Schädel an einem Türpfosten ein.
In Auschwitz brannte man ihr eine 7-stellige Nummer in den Arm. Sie ging durch alle „Qualen der Hölle“. Sie betete zu Gott, daß sie nur ihren Ehemann und die Kinder verschonen mögen. Überleben, sich moralisch nicht vor lauter Kummer gehen lassen, der Barackennachbarin helfen, Mitleid mit den Häftlingskindern haben – das waren die wahren Heldentaten unter den schrecklichen Bedingungen des Lagerlebens. Und als Maria Adamowna erzählte, wie die Faschisten, nachdem sie die Häftlinge sich splitternackt hatten ausziehen lassen, mal mit kochendem, mal mit eisigem Wasser übergossen, noch lebende Menschen in die Öfen hineingestoßen,für irgendein beliebiges Vergehen öffentliche Hinrichtungen veranstaltet und, vor allem bei Minderjährigen, Versuche mit ansteckenden Krankheiten vorgenommen hatten – da waren die Zuhörer bis ins Mark erschüttert.
M.A. Kuschmir beendete ihre Rede mit den Worten: „ Kinder, das ist die reine Wahrheit. Möge es nie wieder Krieg geben. Gebe Gott, daß niemand mehr so etwas erleben muß. Freut euch, daß ihr im Frieden lebt. Seid fleißig und lernt!“
1945 befreiten die Amerikaner Auschwitz, und Maria Adamowna kam wieder mit ihrem Mann und ihrer Tochter zusammen. Später zog sie mit der Familie der Tochter nach Krasnojarsk-45. Dort liegt sie auf dem städtischen Friedhof begraben.
Während unserer Arbeit im Archiv des Museums des militärischen Ruhms entdeckten wir den Artikel „Träume von Majdanek“ der Journalistin Natalia Kasatschenok. Darin berichtet sie über die Gefangene Nina Tichonowna Chramowitsch, die in einem der düstersten faschistischen Lager – in Majdeanak, einsaß und bis heute von schlimmen Albträumen heimgesucht wird.
„Am 11. April wird der Internationale Tag der Gefangenen faschistischer Lager begangen. Man kann vermuten, daß im Jahr 2000 von denjenigen, die einst in faschistischen Folterkammern einsaßen, kaum noch jemand übrig war – denn schließlich war schon soviel Zeit seit dem Ende des II. Weltkrieges vergangen. In Selenogorsk gab es damals 21 solcher Menschen.1
Anna Kabanowa wurde im Oktober 1942 zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Ihren 18. Geburtstag beging sie im Konzentrationslager N° 280 in der Stadt Rawitsch. Dort führten die Faschisten an den Lagerhäftlingen medizinische Experimente durch. Ihr ganzes Leben lang wurde sie daran durch die Narben auf ihren Armen erinnert – eine Erinnerung an die bestialische Behandlung.
Nina Bejtonowa wurde von niemandem irgendwohin verschleppt. Sie wurde lediglich im April 1943 in einem Konzentrationslager nahe Mielno geboren. Ihre ersten beiden Lebensjahre verbrachte Nina mit ihrer Mutter, die in einer deutschen Fabrik Zwangsarbeit leisten mußte.
Kusma Miroschnitschenko geriet bereits zu Beginn des Krieges in Gefangenschaft. Zusammen mit ebenso armen Teufeln wurde er von Weißrußland nach Polen deportiert. Im April 1945 wurde er von sowjetischen Truppen befreit …
Und das sind nur einige wenige Schicksale, von denen es zweifelsohne jedes einzelne wert ist, gesondert beschrieben zu werden.
Wir trafen Anfang April mit der ehemaligen Majdanek-Gefangenen Nina Chramowitsch zusammen. Sie lebten in ihrem eigenen Haus in der Dserschinskij-Straße. Es sind weiß Gott, keine Palastsäle, die sie dort bewohnt, aber immerhin ihre eigenen vier Wände. Damals erzählte Nina Tichonowa auch diese Geschichte, berichtete nicht so viel über den Krieg selbst, als vielmehr über die zahlreichen Nöte und Entbehrungen, die er für die Kinder und Frauen mit sich brachte.
Am 22. Juni 1941 brach der Große Vaterländische Krieg aus. Weißrußland wurde bereits in den ersten Kriegswochen besetzt.
In ihr ganz normales weißrussisches Dorf (in dem N. Chramowitsch zu der Zeit lebte) marschierten Straforgane ein. Alle Bewohner wurden zusammengeholt, zur Bahnstation getrieben und auf Waggons verladen. Wohin sie gebracht werden sollten – das sagte ihnen niemand. Es kam so, daß viele der Dörfler, darunter auch die 13-jährige Nina, ihre Mutter und die jüngere Stiefschwester ins Konzentrationslager Majdanek gebracht wurden.
Man muß dazu anmerken, daß das polnische Lager bereits während des Krieges in Erscheinung getreten und für seine ausgeklügelten Foltermethoden berühmt geworden war. Die Häftlinge wurden mit Stöcken und Peitschen geschlagen; man trieb ihnen Nadeln unter die Nägel und grub sie sogar bei lebendigem Leibe in den Boden ein.
Es gab auch Krematorien … In jedem Ofen fanden 23000 Leichen Platz. Die Faschisten erzählten sich untereinander einen Witz: „Welches ist von hier aus der einzige Weg in die Freiheit – zusammen mit dem Rauch …“. Majdanek war von Wachtürmen mit Projektoren und Geschützen umgeben, und der Stacheldrahtzaun war elektrisch geladen.
Gegen Ende des Krieges sprengten die Deutschen die Lagergebäude und verbrannten die Leichen, um die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen. Sie machten sich mit einer für die Nazis charakteristischen Besonderheit an diese Sache heran: zuerst stapelten sie die Toten auf und legten Brennholz darauf; anschließend übergossen sie alles mit Brennstoff und zündeten den Haufen an. Später zerfielen die menschlichen Knochen in winzige Stückchen, und die Asche wurde einfach in den Wind gestreut …
Erwachsene und Kinder. Die furchtbaren medizinischen Experimente, die in vielen Nazi-Lagern verbreitet waren, wurden in Majdanek nicht durchgeführt. Den minderjährigen Gefangenen wurde lediglich Blut entnommen, welches anschließend zur Versorgung der Verwundeten in die Hospitäler geschickt wurde. Die Bedingungen, unter denen eine derartige Prozedur vonstatten ging, waren, wie Sie sich vorstellen können, furchtbar. Und Nina bekam eine Blutvergiftung, aber sie starb nicht. Sie wurde gesundgepflegt, damit man ihr später erneut Blut abnehmen konnte.
Mehrfach wurde den Kindern sogar erlaubt, ihre Mütter wiederzusehen. Aber nur durch etliche Reihen von Stacheldrähten und natürlich – mit herabhängenden Armen ….
Viele Erwachsene (unter ihnen auch Ninas Mutter) wurden aus Majdanek in andere Konzentrationslager verlegt. Dort waren die Bedingungen kaum besser. Nach den Erzählungen der Mutter, die es, genau wie ihre Tochter, schaffte, in der Unfreiheit zu überleben, waren alle Gefangenen nach einem 13-stündigen Arbeitstag verpflichtet sich in einer geraden Reihe aufzustellen. Wer diese gerade Linie „zunichte machte“, mußte mehrere Stunden mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Platz stehen oder mit einem schweren Stuhl über den Lagerplatz marschieren – unter der Aufsicht von SS-Leuten. In den Lagern nahm man den Menschen die Ledersachen weg, um daraus Gürtel herzustellen und Handschuhe zu nähen. Wegen jeder noch so geringfügigen Kleinigkeit schlugen einem die Wachsoldaten ins Gesicht und drohten mit Erschießung. Die Mehrheit der Mörder beging ihre Tat im Zustand der Trunkenheit, und sie „bearbeiteten“ die Gefangenen so lange, bis das Opfer ohnmächtig zusammenbrach …
Die Menschen hausten in kalten Baracken – pro Raum jeweils 30 Personen. Dem Läusebefall konnten sie nur durch komplettes Kahlscheren entgehen. Später brach Typhus aus, durch den innerhalb eines einzigen Tages 10 Personen starben. Für die Kranken wurden nach Nina Tichonownas Erinnerungen nie gesehene Mittagsmahlzeiten hergerichtet, aber man streute Gift hinein. Übrigens, ein ähnlich „humaner“ Brauch herrschte auch in Buchenwald – wer dem Untergang geweiht war, der wurde zu Tode gefüttert.
Als die Deutschen den Rückzug antraten, begann man damit, die Gefangenen von Majdanek und anderen Lagern über den „russischen“ Sumpf am Fluß Ruhr überzusetzen. Mehrere Tage lang wurden die Menschen ununterbrochen vorwärtsgetrieben – nur die Wachen wurden ausgetauscht. Die völlig entkräftigten Häftlinge ernährten sich unterwegs von Klee, und viele aus diesen „Todeskolonnen, sowohl Erwachsene als auch Kinder, kamen um“.1
Als es sich noch im Lager befand, bekam das Mädchen ein ernsthaftes Augenleiden. Die deutsche Hausfrau, zu der man es zum Arbeiten geschickt hatte, hatte Nina mit einem Nagel in Auge geschlagen. Das Auge lief aus Und als die Amerikaner die Panzerfabrik bombardierten, wurde Nina durch Bombensplitter an Bein verwundet. Das kranke und verletzte Mädchen kehrte nach der Befreiung in die Heimat zurück, zu den Ruinen ihres heimatlichen Dorfes. Aber nach einiger Zeit fuhr sie in den Rybinsker Bezirk. Der Krieg hatte ihr ganzes Schicksal „umgepflügt“, und auch heute noch träumt Nina Tichonowna nachts von den Schrecken von Majdanek. Trotzdem ist sie glücklich, daß sie dort am Leben blieb, wo tausende andere Menschen ums Leben kamen.
Aleksander Pawlowitsch Korsakow. Ehemaliger minderjähriger Häftling. Geboren im Gebiet Kaluga (Siedlung Scheljabowo). Die Familie bestand aus Großvater, Großmutter, Mutter, Bruder, Schwester und natürlich Aleksander Pawlowitsch selbst. Ihre Siedlung wurde zweimal besetzt.
1943 bereiteten sich die Deutschen auf die Schlacht am Orel-Kursker Bogen vor. Sie quartierten sich in allen Häusern der umliegenden Dörfer und Siedlungen ein. Sie erschossen auch die Kuh der Korsakows, die einzige Ernährerin der Familie, und aßen sie. Der Verlust der Kuh wurde für Aleksander Pawlowitschs Familie zum Grund für die Verschlechterung ihrer materiellen Lage. Später wurden sie in beheizbare Waggons verladen und nach Litauen, in die Stadt Alitus, gebracht, die zunächst ein Ort für Kriegsgefangene war; später wurde das Territorium aufgeteilt: der Westteil war dann für Zivilpersonen bestimmt. Die Familie wurde getrennt: die Erwachsenen kamen in eine Baracke, die Kinder – in eine Baracke für minderjährige Gefangene. Die Mutter und die alten Leuten wurden zur Arbeit getrieben und wegen jedes noch so kleinen Vergehens verprügelt. Aufgrund heftiger Schläge schwoll der Mutter einmal der Arm an, und ein deutscher Arzt heilte sie vom Gangrän.
Nach dem Krieg blieben die Korsakows noch in Alitus, aber die Nationalisten stellten ihnen keinen Wohnraum zur Verfügung; so mußten sie in die Heimat, in das bis auf die Grundmauern zerstörte Scheljabowo, zurückkehren. Dort fanden sich auch die am Leben gebliebenen Bewohner der Siedlung ein. Nach und nach kam das Leben wieder in geordnete Bahnen.
Nachdem Aleksander Pawlowitsch 10 Schulklassen absolviert hatte, besuchte er die militärtechnische Fachschule in Jaroslawl, anschließend diente er im Garde-Regiment. 1972 absolvierte er die Militär- und Artillerie-Akademie in Charkow, danach wurde er nach Krasnojarsk-45 vermittelt. 15 Jahre arbeitete er in der Raketen-Abteilung. Seit 10 Jahren ist er nun schon Major der Reserve. A.P. Korsakows Enkel ist Offizier der Russischen Armee und hat 2008 am georgisch-ossetischen Kriegsgeschehen teilgenommen.
Aleksander Pawlowitsch ist der Meinung, daß sein Leben gelungen ist, er ist stolz auf seine Kinder und Enkel – trotz seiner eigenen Kriegskindheit!
Maria Sacharowna Chaustowa wurde in der Siedlung Karatowjak, unweit der Stadt Woronesch, geboren. In unmittelbarer Nähe der Siedlung gab es einen Flußübergang, der jedoch ständig bombardiert wurde. Die Großeltern, ihre Mutter, die elfjährige Schwester und die kleine Mascha gruben sich eine Erdhütte in den Boden, wo sie dann von den Faschisten entdeckt wurden. „Sie jagten uns fort, nahmen uns die Ausweise weg. Die Faschisten dachten, daß wir Partisanen wären, weil unsere Dokumente den Ausstellungsort „Kolchose Roter Partisan“ trugen. Zu jener Zeit wurde unsere Kolchose bis auf die Grundmauern zerstört: die Faschisten legten in allen Häusern Feuer. Vor unseren Augen töteten sie alte und junge Menschen, welche laut Entscheidung der Deutschen nicht in deutsche Lager geschickt werden sollten. Alle verbleibenden Bewohner wurden nach Ostrogorsk deportiert“, erzählt Maria Sacharowna. Während der Vertreibungsaktion erschossen die Deutschen all jene, die den Gefangenen Kartoffeln oder ein Stückchen Brot geschenkt hatten.
Das Lager war mit Stacheldraht umgeben, die Häftlinge wurden die ganze Zeit unter freiem Himmel gehalten und von einer Stelle zur anderen getrieben. „Ich weiß noch, wie wir uns in der Gaskammer niederlassen sollten, aber es gelang ihnen nicht das Gas rechtzeitig zum Strömen zu bringen, denn die Deutschen erhielten die Nachricht vom Einmarsch sowjetischer Truppen und ließen die Gaskammer mitsamt den Menschen darin in aller Eile im Stich. Vor dem Tode rettete uns der Umstand, daß wir uns auf unserem Territorium befanden und die Deutschen es wegen des Vormarsches der Roten Armee nicht geschafft hatten uns zu vernichten“, erinnert sich M.S. Chaustowa. Nach dem Krieg bekam sie einen Sohn. Sie arbeitete im Fleischkombinat und blickt auf 34 Arbeitsjahre zurück. Der Sohn heiratete eine Sibirjakin und zog nach Krasnojarsk-45 um, wohin Maria Sacharowna später folgte. Der Sohn ist in der elektrochemischen Fabrik tätig. „Ich habe drei wunderbare Enkelkinder“, freut ich Maria Sacharowna. „Aber es ist sehr bitter, sich an die eigene Jugend zu erinnern, das Leben im Lager und der Verrat der Faschisten. Aber wenn ich mir so überlege, daß ich jetzt Großmutter und Mutter bin, dann muß ich sagen: das Glück hat mich wohl nicht umgangen“.
Aleksander Sergejewitsch Kolennikow. Kriegsgefangener in einem Lager auf dem Territorium der UdSSR. Geboren im Gebiet Woronesch, in der Ortschaft Trawkino, Bogutscharsker Getreidesowchose. Nicht weit von ihrem Dorf entfernt trafen die Deutschen Vorbereitungen für die Schlacht bei Stalingrad. Zum Bau von Schutzräumen und Unterständen schickten die Deutschen Mütter, alte Leute und Jugendliche unter der Begleitung von Wachmannschaften. (Später wird eine der Panzer-Divisionen, die im Kampf gegen die Deutschen teilnahm, den Namen Kantemirowsker Panzer-Division erhalten – nach einem der Ortschaften bei Stalingrad). „Ein halbes Jahr lang dienten wir als Blutspender für deutsche Offiziere, obwohl wir in alten Kuhställen lebten“, erinnert sich Aleksander Sergejewitsch. Landsleute waren es, die sie aus dem besetzten Dorf befreiten, Panzersoldaten aus Trawkino. Es gab dort 300 Höfe, und nur drei Männer kehrten ins Dorf zurück. 25000 Einwohner starben zwischen Dezember und Juni … „ Mein Vater – er war Panzersoldat, verbrannte in seinem Panzer. Fünfundvierzig Jahre lang habe ich das Grab meines Vaters gesucht; ich bin den weißrussischen Soldaten dankbar, für ihr Gedenken an die im Krieg Umgekommenen. Ihnen habe ich es zu verdanken, daß ich ein Massengrab ausfindig machte, in dem auch mein Vater bestattet worden war“, berichtet A.S. Kolennikow. Nach dem Krieg blieb Aleksander Sergejewitsch Invalide der 1. Gruppe. Seit 1963 lebt er in der Stadt. Nach seinem Dienst bei der Nordflotte arbeitete er als Meister in der elektrochemischen Fabrik. Mehr als 40 Arbeitsjahre hat er hinter sich, und in seinem Arbeitsbuch sind über 20 Ehrenurkunden vermerkt. Der Sohn lebt in Moskau; Tochter Irina Aleksandrowna Palamartschuk arbeitet als Lehrerin in Selenogorsk an der Schule N° 172.
Anatolij Jegorowitsch Naumtschenkow. Geboren 1940 in der Nähe von Gomel. „Mein Mutter geriet mit ihren drei Kindern ins Lager: meine Schwester war damals 3, ich selber etwa 1 Jahr und mein ältester Bruder 11 Jahre alt. 1944 führte die sowjetische Armee die Operation Witebsk zur Befreiung der Bewohner Weißrußlands durch. Die Faschisten stellten beim Rückzug vor sich eine Kolonne friedlicher Einwohner auf, wobei sie sich praktisch wie einem Schützenschild dahinter versteckten und alles in Brand setzten.
Der ältere Bruder Aleksej zog sich im Wald eine Erkältung zu und starb an einer Lungenentzündung. Wir waren nicht die einzigen Gefangenen. Die Menschen hungerten, starben aufgrund von Krankheiten. Und wer nicht gehen konnte oder wollte – der wurde erschossen.
Nach Kriegsende bauten sie sich Erdhütten und lebten an ihrem alten Wohnort; ein Onkel half ihnen, der von der Front zurückgekehrt war. Der Vater kämpfte und verlor ein Bein. Er geriet nach Sibirien. Anschließend wurde er zur Urbarmachung von Neuland nach Nord-Kasachstan geschickt.
Ich absolvierte die technische Berufsfachschule in Petropawlowsk-Kasachstanskij. Ich arbeitete als Schlosser für Industrieausrüstungen auf Montage beim Wärmekraft- und Fernheizwerk-1 in Krasnojarsk. 1974 kam ich zum Heizkraftwerk-2 (dort baute ich über 45 Turbinen in 40 Jahren). Aufgrund meiner heldenhaften Arbeit war ich bis 2007 Brigadeleiter. Ich habe zwei Söhne: einer davon ist adoptiert. Ich habe eine schwere Operation durchgemacht, aber nie den Mut verloren. Inzwischen befinde ich mich im wohlverdienten Ruhestand. Der Krieg hat in mir quälende Erinnerungen hinterlassen. Meine Familie hat schwere Verluste erlitten, mein Bruder ist gestorben. Auch Mama ist früh aus dem Leben gegangen. Aber wir haben immer gehofft und geglaubt, daß es irgendwann im Leben eine Gerechtigkeit geben wird“.
Nina Iwanowna Bejtonowa. Die Familie lebte in der Stadt Dorogobusch (der heutigen Stadt Safonowo). Geboren wurde sie im Lager Aisenscherk (?), wo sie zusammen mit ihrer Mutter und der Großmutter zweieinhalb Jahre verbrachte. Am 14. April 1945 wurden sie von den Amerikanern befreit. Aber sie mußten noch weitere fünf Monate in einem Filtrationslager bleiben, um eine Bescheinigung mit dem ersehnten Eintrag zu erhalten: „Es liegen keine Diffamierungen gegen … vor“. Mama überlebte; sie starb 1994.
Sie absolvierte das Technikum in der Stadt Safonowo auf dem Spezialgebiet Technik und Apparatebau sowie das hiesige Technikum und arbeitete dann als Elektromonteurin. „In meiner Familie wurde nie über das Konzentrationslager gesprochen – das war ein Tabu“. Im Jahre 1992 erging das Gesetz N° 1235 über Veteranen, das zur Regierungszeit Jelzins verabschiedet wurde. Danach gab es Vergünstigunen für ehemalige minderjährige Häftlinge von Konzentrationslagern und Ghettos. Ich habe zwei Kinder – einen Sohn und eine Tochter. Ich blicke auf ein Arbeitsleben von 38 Jahren zurück. Ich bin Arbeitsveteran, war beim Rat der Veteranen tätig, wo sich ein unangenehmer Vorfall mit einem Vertretern der „stalinschen Ideologie“ ereignete, der sich kategorisch gegen jegliche Unterstützung für ehemalige Kriegsgefangene aussprach“.2
Sie glaubt, daß sie ein würdiges Leben geführt hat. Nina Iwanowna wird von ihren Kindern und Enkeln geliebt und geschätzt.
Über sein Leben berichtete Pjotr Petrowitsch Doronin1 (geb. 1942), ebenfalls ehemaliger Gefangener, dessen Familie ins schreckliche Auschwitz geriet und wie durch ein Wunder gerettet wurde.
„Die große Familie lebte in die Siedlung Schablykino, Gebiet Orel: die Großeltern, Vater und Mutter und wir drei Kinder – zwei Brüder und eine Schwester. Der ältere Bruder ging auf das achte Lebensjahr zu, die Schwester war vier, und ich wurde 1942, im Krieg, geboren. Die Eltern arbeiteten, während die Großeltern auf uns Kinder achtgaben. Alle waren fleißig und lebten einträchtig miteinander. Ich kann mich natürlich weder ans friedliche Leben, noch an die Zeit im Lager erinnern. Davon erzählte mir später mein älterer Bruder. Im Sommer 1943 war die Schlacht am Orel-Kursker Bogen im Gange, welche die faschistischen, deutschen Truppen verloren. Unser Vater kämpfte zu der Zeit irgendwo bei Moskau, und wir saßen uns in irgendeinem Keller die Beine steif, denn alles andere war durch Truppen und Panzer vernichtet worden.
Als die Deutschen, hungrig und verbittert durch die Niederlage nahe Orel und Kursk, den Rückzug antraten, zerstörten sie unterwegs alles, was ihnen in die Quere kam. Sie brannten Siedlungen und Dörfer nieder und trieben die Bevölkerung nach Brjansk, von wo aus man sie dann nach Deutschland schickte. Unsere Siedlung wurde vollständig niedergebrannt; wer versuchte sich zu verstecken oder zu fliehen, wurde an Ort und Stelle erschossen. Einige Familien, unter ihnen auch unsere, gerieten in eine wahre Hetzjagd. Von Brjansk deportierten sie uns nach Polen ins „Todeslager“ Auschwitz, wo wir mehrere Wochen blieben. Warum vernichteten sie uns nicht? Bruder und Großmutter berichteten vom Hohn und Spott der Faschisten, von Galgen und vom Hunger, aber Mama schwieg immer und meinte: „Später erzähle ich euch davon“. Und dann starb sie, ohne irgendetwas berichtet zu haben. Die Erinnerungen waren einfach zu qualvoll gewesen …
Es kam das Jahr 1944. Die Deutschen erlitten riesige Verluste. In den Fabriken gab es nicht genügend Arbeitskräfte, die „Slavenarbeiter“ starben vor Hunger, aber der Krieg ging weiter. Aus diesem Grunde wurde unsere Familie, sowie auch andere, nach Hannover in Deutschland geschickt, um dort in der Rüstungsindustrie zu arbeiten. Die Älteren arbeiteten täglich 14 Stunden. Der ältere Bruder blieb bei uns, und auch die Schwester wuchs heran.
Unsere Familie befand sich eineinhalb Jahre im Arbeitslager. Dank unserer Mama und unserer Großeltern, die uns die Hälfte ihrer Essensration abgaben, blieben wir am Leben; das bewahrte uns vor dem Schlimmsten. Im Frühjahr 1945 befreiten die Alliierten uns. Viele Jahre vergingen. Bei jedem fügte sich sein weiteres Lebensschicksal irgendwie zusammen. Ich absolvierte das Sportinstitut in Smolensk, versah meinen Militärdienst in Wladiwostok und freundete mich dort mit einem Krasnojarsker an, der mir vorschlug in Krasnojarsk-45 als Trainer zu arbeiten. Seit 1967 wohne ich jetzt schon dort.
Ich habe eine bemerkenswerte Familie: vier Kinder und acht Enkel. Inzwischen bin ich in Rente, aber ich arbeite trotzdem weiter. Ich besitze den Titel „Hervorragender Sportlehrer“ und habe für meine Arbeit zweimal eine Jubiläumsmedaille erhalten. Ich bin ein glücklicher Mensch, wenngleich mein Leben so schwierig begonnen hat. Mögen meine Kinder und Enkelkinder nicht solches Leid erfahren, wie unsere Familie es durchmachen mußte“.
Bericht von Nina Bronislawowna Fedotowa.1 (geb. 1938). Sie lebte in dem Dorf Samoste, Gebiet Nowgorod. Sie war vier Jahre alt, als die Deutschen in das Dorf kamen, in dem die kleine Nina wohnte. Ihre Großeltern besaßen ein großes Haus, gemütlich war es dort; deswegen quartierten die Deutschen dort den Regimentsstab ein; die Familie wurde davongejagt und mußte im Badehaus im Gemüsegarten unterkommen. Den Großvater, der krank im Bett lag, schossen sie einfach nieder, und die Großmutter zwangen sie, ihnen zu Diensten zu sein. Mutter, eine hübsche junge Frau, wurde von Großmama extra in ganz schäbige Lumpen gekleidet und mit Ruß bemalt; daraufhin ließ man sie als Gehilfin in ihrer Nähe. Die ganzen Lebensmittel wurden zum Stab gebracht; die Essensreste warfen sie fort und verhöhnten und verspotteten dann die Familie Fedotov, wenn diese sie aufsammelte und aß. Beim Rückzug brannten sie das ganze Dorf ab, sammelten die Mädchen ein, beschimpften sie und warfen sie schließlich bei lebendigem Leibe in den Brunnen. Einige Familien (unter anderem auch ihre) wurden auf offene Zugplattformen verladen und in ein Lager in Deutschland gebracht.
Nina Bronislawowna erinnert sich: „Oma und Mama begaben sich jeden Morgen an einen Ort, wo sie ungelernte Arbeiten verrichten mußten. Die kleinen Kinder blieben im Lager in einer separaten Baracke. Wer nicht zur Arbeit ging, wurde erschssen. Berge von Leichen lagen hinter dem Badehaus; 2-3mal pro Woche wurden sie in geschlossenen Fahrzeugen abtransportiert. Die Kinder bekamen fast nichts zu essen. Mutter und Großmutter sparten jedes Krümelchen Brot, Steckrübe oder Kartoffel für mich auf, und deswegen überlebte ich auch.
1945, als der Krieg dem Ende zuging, kam ein sowjetisches Flugzeug angeflogen und begann irrtümlich unser Lager Schemitsch (?) zu bombardieren. Die Wachmannschaften liefen in alle Richtungen davon. Und die Lagerhäftlinge flohen durch die zerstörten Tore und Stacheldrahtzäune. Zwei Tage und Nächte gingen die gequälten, hungrigen Menschen gen Osten und stießen bald darauf auf sowjetische Soldaten; die gaben uns zu essen und gaben uns den Rat, weiterhin gen Osten zu laufen, aber die völlig erschöpften Menschen konnten schon nicht mehr vom Boden aufstehen und baten darum, daß man sie erschießen möge. Einer der Soldaten gab mir ein Stückchen Zucker, aber ich warf es auf den Boden. Ich wußte doch nicht, was das war … Im Lager blieben wir fast eineinhalb Jahre, ich war bereits 7 Jahre alt und kann mich sehr gut an all das erinnern. Nach dem Krieg lebten wir in Rewda.
Später heiratete ich und bekam zwei Kinder. Nach Selenogorsk kam ich, weil hier meine Tochter wohnt. 17 Jahre arbeitete ich als Erzieherin im Kindergarten. Jetzt bin ich schon in Rente. Ich bin überzeugt, daß ich im Leben Glück gehabt habe. Auch meine Mama und Oma haben überlebt. Mein Leben ist vollwertig: ich habe Kinder und Enkelkinder. Leider bin ich erblindet. Ohne Begleitung kann ich nicht auf die Straße gehen. Ich bin 72 Jahre alt und versuche, den Mut nicht sinken zu lassen. Gebe Gott, daß meine Lieben nicht so ein Leid erfahren müssen“.
Nachdem wir die Archiv-Dokumente über ehemalige Gefangene im Museum des Militärischen Ruhms strudiert und die Erzählung früherer Kinder-Häftlinge, ihrer Angehörigen und Nahestehenden gehört hatten, stellen wir folgende Frage: warum lebten sowjetische Menschen in faschistischen Lagern in der allerschwierigsten Situation? Und weshalb mußten sie dann auch noch in sowjetischen Lagern leiden, viele Qualen, Verachtung, Hohn und Spott ertragen.
Laut Satzung der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee, sollten die Rotarmisten bis zum letzten Tropfen Blut kämpfen und sich nicht ergeben. 1929 ratifizierte die Sowjetunion die Genfer Konvention nicht, welche die Situation und die Rechte von Kriegsgefangenen definierte; und deswegen hatte das Internationale Rote Kreuz nicht die Möglichkeit, das Leben der sowjetischen Gefangenen in den faschistischen Lagern zu kontrollieren. Der Sowjetstaat schützte seine Gefangenen also auch nicht, so daß sich ihr Leben ganz besonders schwierig gestaltete.
Sie wurden separat von anderen Nationen in Baracken untergebracht, bekamen kaum etwas zu essen, wurden für kleinste Vergehen bestraft und von den Wachtürmen aus beschossen. Sie mußten Kleidung tragen, die sich von den Uniformen der Häftlinge anderer Nationalitäten unterschied, damit die Vernichtung der Russen ungtestraft blieb. Mehr als 18 Millionen Kriegsgefangene durchliefen die Lager, davon waren 13 Millionen Sowjetbürger und 6,5 Millionen Soldaten.
Für die Kriegsgefangenen wurden spezialisierte Lager oder StaLags
eingerichtet. Diese Lager
befanden sich auf den besetzten Territorien der UdSSR, Deutschlands und anderer
europäischer Länder. Schwere Bedingungen gab es in allen Lagern, aber am
unerträglichsten
war die Lage für die sowjetischen Soldaten. Das erklärte sich durch die Haltung
des Staates
der UdSSR gegenüber seinen Kriegsgefangenen und der nazistischen Ideologie.
Der Befehl des Oberkommandos der Roten Armee N° 270 vom 16. August 1941 besagte:
„1. Kommandeure und politische Mitarbeiter, die sich während des
Kampfgeschehens ihre
Dienstgradabzeichen abgerissen haben, ins Hinterland desertiert sind oder sich
selbst dem
Feind ausgeliefert haben, sind als böswillige Deserteure zu betrachten, deren
Familien
genauso der Verhaftung unterliegen, wie Familien, die den Eid verletzt und ihre
Heimat an
Deserteure ausgeliefert haben. Alle Kommandeure sind verpflichtet, derartige
Deserteure an
Ort und Stelle zu erschießen.
…..jeder einzelne Soldat verpflichtet, bis zum Letzten zu kämpfen!“1
Stalin sagte: „Bei uns gibt es keine Gefangenen. Hier gibt es lediglich
Feiglinge, Verräter und
Fahnenflüchtige“. Vier unserer Landsleute waren Kriegsgefangene.
Am 9. Mai 1945 ging der Große Vaterländische Krieg zuenede. Der Tag des
Sieges über das
faschistische Deutschland ist unserem Volk als einer der bemerkenswertesten in
der Geschichte in Erinnerung geblieben. Denjenigen, die bis zu ihrer Freilassung
überlebten,
schien es so, als ob die schlimmsten Leiden nun hinter ihnen lägen, aber wie
sich
herausstellte, sollte das keineswegs der Fall sein.
Nachdem sie die Schrecken der Konzentrationslager durchlaufen hatten, wurden
sie,
zurückgekehrt in ihre Heimat, zu Menschen zweiter Klasse“, und ihr ganzes Leben
hindurch
mußten sie die schwere Last von Ausgestoßenen und Verachteten“ tragen. Selbst
auf der
Familie lag dieser „schmachvolle Fleck“. Darüber berichtete Boris Nikolajewitsch
Nowikow.
Sein Sohn wurde wegen des Vaters nicht an der Militärfachschule aufgenommen.
Im Befehl N° 270 klang der Satz durch: „Familien von Rotarmisten, die sich
ergeben haben
und in Gefangenschaft geraten sind, ist jegliche staatliche Hilfe und
Unterstützung zu
entziehen. Familien leitender Angestellter sind zu verhaften“.
Nina Iwanowna Bajantonowa erklärte in ihrem Bericht, daß sich selbst nach
vielen Jahren
einige Kriegsveteranen gegenüber Häftlingen auf unterschiedliche Weise
verhielten. In den
Jahren der Perestrojka begab sie sich zum Städtischen Veteranen-Rat und bot sich
als
Vertreterin der Rehabilitierten an. Da meinte einer der Veteranen: „Wovon reden
Sie da! In
den Lagern gab es nur Verräter und Fahnenflüchtige unserer Heimat. Hätten sie
dort doch
bloß bis zum Ende gesessen…“. Sie verließen den Veteranenrat tränenüberströmt.
Mehr als
65 Jahre sind vergangen, aber das Gefühl der schweren Kränkung ist geblieben …
In allen befragten Familien war das Thema des Aufenthalts in faschistischen
Lagern verboten.
Die Menschen fühlten sich gleichsam schuldig, und die Mütter weigerten sich
sogar zu
Friedenszeiten, ihren Kindern irgendetwas über den Krieg zu erzählen, weil sie
Angst hatten,
sie einem seelischen Trauma auszusetzen.
Nachdem ich die Fakten in puncto Aufenthalt in faschistischen Lagern
analysiert und
verglichen sowie das weitere Schicksal von erwachsenen und minderjährigen
Häftlingen
weiterverfolgt habe, bin ich zu der Meinung gekommen, daß man diese Menschen
niemals
mit Freiheitsentzug und Verachtung hätte bestrafen, ihnen materielle Hilfe
verweigern, sie als
„zweitklassig“ bewerten und all dies auch noch auf ihre gesamte Familie hätte
ausweiten
dürfen. Das ist ungerecht! Unsere Hypothese hat sich bestätigt: nicht alle sind
auf die gleiche
Art und Weise in Gefangenschaft geraten. Es gab wohl Rotarmisten, die Angst
hatten,
desertierten und zu Vaterlandsverrätern wurden. Aber die Mehrheit kam als
Verwundete,
Schwerverletzte, Unbewaffnete, und es gab auch keine militärischen Vorräte
(Geschosse,
Kugeln). Die Deutschen dagegen besaßen zu Beginn des Krieges viel bessere Waffen
als wir,
und zwar nicht nur in puncto Qualität, sondern auch was die Menge betraf. Aber
der Staat
beschuldigte alle Kriegsgefangenen der „schmachvollen Tatsache, sich selber beim
Feind in
Gefangenschaft begeben zu haben“.
Während der Peiode der „Erwärmung“ von 1985 bis 1991begann sich die Haltung
gegenüber
den ehemaligen Häftlingen zu ändern. Man fing an, sie als Opfer der stalinschen
Repressionen
anzusehen, darunter auch die einstigen minderjährigen Gefangenen.
1992 kommt der Ukas des Präsidenten der Russischen Föderation N° 1235 „Über
die
Bewilligung von Vergünstigungen für ehemalige nichtvolljährige Gefangene von
Konzentrationslagern, Ghettos und anderen Orten der Zwangshaltung, die von den
Faschisten
und ihren Verbündeten während des Zweiten Weltkriegs geschaffen wurden“.
Vergünstigungen wurden auch für Militärangehörige in der Zeit des Großen
Vaterländischen
Krieges festgesetzt.1 Der 11. April wird zum Internationalen Tag der Befreiung
von
Häftlingen aus den faschistischen Lagern erklärt.
1993 unterzeichneten Deutschland und Rußland eine Vereinbarung über
Wiedergutmachungszahlungen an die überlebenden Opfer des Faschismus. Mit den
Auszahlungen wurde 1995 begonnen – bis 1998 (in „Deutschen Mark“). Viele
Selenogorsker erlebten diese Zahlung schon nicht mehr; aufgrund ihres schlechten
Gesundheitszustandes gingen viele von ihnen bereits in den 1980er und 1990er
Jahren aus
dem Leben. Die Höhe des Lohns hing vom Alter der Personen, dem Ort und der Dauer
ihres
Aufenthalts in Gefangenschaft sowie ihrem Gesundheitszustand ab ab. Es war nur
eine geringe Summe, die natürlich nicht die physischen und seelisch-moralischen
Schäden kompensieren konnte.
In der Region Krasnojarsk begann man ab 1995 den ehemaligen (minderjährigen) Häftlingen soziale Unterstützung durch die regionale Gesellschaft „Mitleid“ zu bewillligen, deren Vorsitz Wladimir Fjodorowitsch Mascharow führte, der ebenfalls einst zu den noch nicht volljährigen Häftlingen gehörte. Diese Gesellschaft entstand im Jahre 1993. Sie gibt den Menschen Informationen über Vergünstigungen, zahlt Kompensationsgelder, hilft in Archiven bei der Suche nach Dokumenten, versendet Gesuche und sucht Sponsoren für die Unterstützung und die materielle Hilfe gegenüber denjenigen, die „unterhalb der Armutsgrenze“ leben. Die letzte Kompensationszahlung kam im Jahr 2000 aus Deutschland – 835 Millionen „Deutsch-Mark“.
Und wenn man ehemalige minderjährige Gefangene des Nazismus früher auch nicht anerkannt, sondern sie zudem noch verfolgt hat und die Beamten ihrer Empörung Luft machten mit den Worten: „Was sind sie denn – diese minderjährigen Häftinge! Wozu sollen die den irgendwelche Vergünstigungen erhalten?“ - so begann jedenfalls 1988 die soziale Unterstützung für die Leute, und das erklärt sich mit den Prozeß der Destalinisierung sowie dem Beginn der Demokratisierung der Gesellschaft in den 1980er Jahren.
Ziel unserer Arbeit war die Erforschung der Einflußnahme des Krieges auf das Schicksal der ehemaligen Häftlinge faschistischer Lager am Beispiel von Einwohnern der Stadt Selenogorsk. Und man kann mit den Worten Andrej Dementjews, Poet und Akteur des öffentlichen Lebens, einiggehen: „Der Krieg verstümmelte das Schicksal vieler Menschen, veränderte das Bewußtsein und brachte auf seinen blutenden Händen viel Kummer und Leid, Tränen und Schmerz. Wie es schien, lebten di9e Menschen ihr Leben, träumten von einer herrlichen Zukunft, schmiedeten Pläne, definierten für sich konkrete Ziele, die sie in der Folgezeit anstreben wollten … und dann kam der Krieg“.
Der Krieg kannte kein Erbarmen mit den Menschen, weder mit Alten noch mit Jungen. Er hinterließ eine bittere Spur in den Erinnerungen und Seelen von Zeugen und Teilnehmern an den Ereignissen des XX. Jahrhunderts, einem der dramatischsten in der Geschichte Rußlands.
Wie konnten die Menschen überleben und ihre Würde unter den Bedingungen der
faschistischen Lager wahren? Wie konnten sie den durch den Krieg hervorgerufen
Verfall durchstehen, den Zustand der Verachtung, des Mißtrauens, des
Unverständnisses aushalten?
Wie N.T. Chramowitsch es ausdrückte: „Ich überlebte die Hölle von Majdanek und
bin glücklich, daß ich am Leben bin“.
Und als unsere Projektleiterin uns ins Museum des Militärischen Ruhms führte, um dort in den Archiven zu arbeiten, den großen Raum und all die Dokumente über ehemalige Häftlinge faschistischer Lager anzuschauen, die vielen Fotografien und Beweise von den Nürnberger Prozessen zu betrachten, da waren wir wirklich zutiefst erschüttert.
Nachdem wir die statistischen Angaben über die Umgekommenen gelesen und eine Damentasche aus Menschenhaut gesehen hatten, riefen unsere Jungs, die ebenfalls am Thema „Krieg“ arbeiteten, aufgeregt aus: „War das tatsächlich so? Mein Gott, was für Bestien!“
Ich war schockiert von dem, was ich im Museum des Militärischen Ruhms gesehen hatte. Die schrecklichen Fotos deutscher Soldaten, auf denen Berge von Knochen sowjetischer Menschen dargestellt sind, die Statistik der Umgekommenen, welche zeigt, daß die Größenordnung der menschlichen Verluste mit der Bevölkerungszahl einiger heutiger Megastädte vergleichbar ist – das alles ist der Krieg, der ohne Vorwarnung in die Schicksale von Menschen wie du und ich eingedrungen ist …
Es fällt mir schwer mir vorzustellen, daß auf dem Schlachtfeld auch meine
eigenen Verwandten standen und sich nicht davor fürchteten, ihr Leben für das
Vaterland herzugeben.
Vielen von denjenigen, die alle Kreise der Hölle (Konzentrationslager, Hunger,
Elend, Demütigungen, Hohn und Spott, den Verlust von Angehörigen und Freunden)
durchgemacht haben, ist es nicht nur gelungen zu überleben, sondern zudem ihre
Ehre und Würde, ihre Liebe zum Leben und den Glauben an etwas Besseres zu
wahren.
Die heutige Jugend zieht es vor, leichte Wege zu gehen, ohne über den morgigen Tag nachzudenken. Sie hat Angst vor Schwierigkeiten und führt eine anspruchsvolle Lebensweise. Die Früchte ihrer Lebensfunktion sind im Vergleich zum Sieg der Helden des Großen Vaterländischen Krieges, die uns ein friedliches Leben geschenkt haben, nichtig und armselig.
Mitunter überkommt mich ein Gefühl der Verzweiflung. Es scheint, als ob es um mich herum eine lange Kette ungelöster Probleme gibt. Dann erinnere ich mich an die Schicksale derer, die den Krieg mitgemacht haben. Für sie war doch alles noch viel, viel schrecklicher. Außerdem hatten sie keine Mutter in ihrer Nähe, die ihnen Ratschläge hätten erteilen können. Dank ihrer Erzählungen habe ich verstanden, daß meine Probleme im Vergleich zu ihren Schicksalen unbedeutend sind.
Für mich und die gesamte Generation des 20. Jahrhunderts sind diese Menschen ein Beispiel an Mut und Standhaftigkeit.
Möge meine Arbeit als Tribut an die Erinnerung jener dienen, welche die faschistischen Lager durchlaufen haben und trotzdem nicht ihren Mut verloren haben.
Laut Feststellung ehemaliger Häftlinge haben wir eine Abweichung aufgedeckt. Die Sozialbehörde gab uns lediglich 15 Familiennamen, aber tatsächlich waren es 21 Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten in Selenogorsk gewohnt haben.
So fanden wir mittels der Befragungsmethode Dmitrij Stepanowitsch Nowikow. In den Archiven des Museums des Militärischen Ruhms entdeckten wir die Namen von Anna Iwanowna Kabanowa und Kusma Timofejewitsch Miroschnitschenko, in den Archiven der städtischen „Zeitung von heute“ einen Artikel über Nina Tichonowna Chramowitsch. Über Maria Adamowna Kuschmir und Boris Nikolajewitsch Nowikow erzählte uns eine ehemalige Ober-Pionierleiterin der Schule N° 164. So starben also von 21 ehemaligen Häftlingen – vier Kriegsgefangenen und 15 Minderjährigen, in der letzten Zeit 14. Am Leben blieben 7 Personen – und das sind Kinder-Gefangene, deren Berichte wir aufgezeichnet haben.
Als Ergebnis der Suche, Forschung und Analyse der gesammelten Materialien
sowie aufgrund der Interviews wurden glaubwürdige Fakten über den Aufenthalt von
21 selenogorsker Einwohnern in faschistischen Lagern aufgestellt: 6 Erwachsene
und 15 minderjährige Kinder.
Die Neuheit bei dieser Arbeit besteht darin, daß dieses Therma wenig erforscht
ist und es nicht genügend Dokumentar-Literatur gibt.
1. Der Große Vaterländische Krieg hat zweifellos Einfluß auf das Schicksal der ehemaligen Häftlinge genommen. Sie haben körperliche und seelische Leiden ertragen, ihre Angehörigen in den Lagern verloren und in der ständigen Angst vor Demütigungen und Tod gelebt. Aber der Glaube an die zukünftige Freilassung aus der Gefangenschaft durch die Rote Armee gab ihnen die Kraft alles durchzustehen und den Mut nicht zu verlieren. Die Mehrheit von ihnen lebte und arbeitete für das Wohl des Vaterlandes, zog Kinder und Enkel groß, und gegenwärtig befinden sich alle in Rente und können nicht ohne Tränen an die schrecklichste Zeit in ihrem Leben zurückdenken. Das sind würdevolle Menschen!
2. Die kleinen Kinder hatten so viel zu leiden, aber sie konnten dank ihrer Mütter überleben, die ihnen ihr Brot gaben, ihnen zur Hilfe kamen, sie mit ihrem Körper bedeckten und sie beschützten.
3. Als Folge der Destalinisierung in den 1950er Jahren und der Demokratisierung der Gesellschaft während der „Perestrojka“ begannen die Menschen zu verstehen, dass die ehemaligen Gefangenen nicht Feinde und Verräter des Vaterlandes, sondern vielmehr Opfer waren.
4. Wir müssen die geschichtliche Erinnerung wiederherstellen, nicht nur das Schöne über unser Land erfahren, sondern auch die tragische Vergangenheit kennenlernen. Das 20. Jahrhundert – ein Jahrhundert großer Erschütterungen, wie beispielsweise der Große Vaterländische Krieg, der wohl das bedeutendeste Ereignis dieser Periode war. All das darf man nicht vergessen!
5. Damit diese Tragödie sich nicht wiederholt, müssen alle Staaten und Völker sich zusammenschließen und alles tun, um einen 3. Weltkrieg nicht zuzulassen und sich in allen Staaten gegen die Neofaschisten zu stellen.
6. Ich halte es für absolut notwendig, die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges an den Schulen nicht für drei Stunden in der 9. Und4. Stunden in der 11. Klasse zu lehren, sondern die dafür vorgesehene Stndenzahl um das Drei- bis Vierfache zu erhöhen, denn dann werden die Schüler dieses Thema erst richtig kennenlernen und in sich die Liebe zur Heimat, Achtung gegenüber den Veteranen und Teilnehmern des Krieges empfinden.
7. Laut Angaben des Sozialamtes gab es am 11.04.2006 insgesamt 15 Personen. Während unserer heimatkundlichen Suche kamen neue Namen ans Tageslicht, und zwei ehemalige minderjährige Lagerhäftlinge erhielten 2008 und 2009 die Bescheinigungen über ihren Aufenthalt in faschistischen Lagern auf dem Territorium der UdSSR.
Persönliche Archive
a) Petr Petrowitsch Doronin
b) Aleksander Pawlowitsch Korsakow
c) Maria Sacharowna Chaustowa
d) Aleksandr Sergejewitsch Kolennikow
e) Anatolij Jegorowitsch Naumtschenkow
f) Nina Iwanowna Bejtonowa
g) Nina Bronislawowna Fedotowa
Familien-Archive
a) Maria Adamowna Kuschmir
b) Boris Nikolajewitsch Nowikow
c) Anna Iwanowna Kabanowa
Erinnerungen
N.K. Sabelnikowa (über B.N. Nowikow, M.A. Kuschmir)
Interview: Soja Grigorewna Komandinowa, Sergej Dmitrijewitsch Nowikow
Literatur
1. W.R. Sabelew, Rosen auf eine Granitplatte legen, städtische topographische
Anstalt, 1995, Skizzen über Landsleute
2. M.W., Kinder des Krieges, Forschungsarbeit, 2009, Abteilung „Inhaftierte
Kinder“, S. 18-20
3. J.G. Reschin, General Kabyschew, Dokumentar-Roman, Verlag „DOSAAF“ der UdSSR,
S. 305
4. Kasatschenok, Zeitung von heute „Träume von Mejdanek“, 2000, S. 4
5. Zeitung „Argumente und Fakten“, Georgij Sotow, Artikel „Über eine Million
schweigen die Verbündeten“, N° 37, 2010, S. 6
Nachschlagewerke
1. Hauptredakteur A.M. Prochorow, Sowjetisches Enzyklopädisches Wörterbuch,
Moskau, Verlag „Sowjetische Enzyklopädie“, 1985, S. 545
2. S.M. Lokschina, Verfasserin; Kurz-Wörterbuch der Fremdwörter, Moskau, Verlag
der politischen Literatur, 1966, S. 155, S. 329 (Faschismus)
3. Archive des Museums des Militärischen Ruhms (der Stadt)
Internet-Seiten
1) HTTPS://www.sobes73.ru/templates_225.html - Vergünstigungen für ehemalige
minderjährige Häftlinge des Faschismus
2) HTTPS://podvignaroda.mil.ru/podvigHelp.htm - Arbeit mit dem Programm
„Heldentat des Volkes“
3) HTTPS://www. Obd-memorial.ru – Die zusammengefaßte Datenbank enthält
Informationen überVaterlandsverteidiger, die umgekommen sind und seit der Zeit
des Großen Vaterländischen Krieges und der Nachkriegszeit als verschollen
gelten.
4) HTTPS://www.obd-memorial.ru/ - Kriegskinder: aus den Erinnerungen von
Kinderhäftlingen in faschistischen Lagern.
Praktische Anwendung
1) Bei der Durchführung von Unterrichtseinheiten zum Thema „Mut und Tapferkeit“,
bei öffentlichen Veranstaltungen der wissenschaftlich-praktischen Konferenz, zur
Nutzung von Führungen im Museum des Militärischen Ruhms
2) Zur Vorlage bei den Organen der Sozialbehörde zwecks Korrektur der Listen
ehemaliger Häftlinger faschistischer Lager
Interviev mit
Soja Grigorewna Komandinowa
Gefangene im Konzentrationslager, Arbeitsveteranin
- Soja Grigorewna, wo haben Sie während des Krieges gelebt und wie sind Sie ins Konzentrationslager geraten?
- Ich wurde 1941 geboren, Häftling im KZ war ich nahe der Stadt Halle im Osten Deutschlands. Meine Familie lebte im Gebiet Leningrad, als der Große Vaterländische Krieg ausbrach. Deutsch-faschistische Truppen eroberten unseren Bezirk. Nach dem Durchbruch der Leningrader Blockade brachten die Deutschen mich, Großmutter und Mama 1943 nach Deutschland – in ein Arbeitslager. Damals war ich zweieinhalb Jahre alt. Vater war an der Front. Sie zwangen meine Mutter zur Arbeit in einem Lokomotiven-Reparaturwerk, während die Großmama und andere schon ältere Frauen Vieh hüten mußten.
- Was hat Ihnen Ihre Großmutter über das Leben im KZ erzählt, denn Sie waren damals ja noch ein ganz kleines Kind und können sich sicher nicht mehr daran erinnern?
- Großmutter hat berichtet, dass die Kinder in einer separaten Baracke untergebracht waren, in der zweistöckige Betten aufgestellt waren – und ich wurde dort zur Blutspenderin für deutsche Piloten, deren Hospital sich in Halle befand. Die kleinen Häftlinge wurden mit einer Kette am Fuß ans Bett gefesselt. Sie nahmen das Blut slawischer Kinder ab; die Deutschen hatten für die Rettung ihrer Aviatoren wohl „vergessen“, dass sie zur arischen Rasse gehörten. Viele Kinder überlebten die ständigen Blutentnahmen nicht und starben; mitunter kamen deutsche Ärzte in weißen Kitteln und führten medizinische Versuche an gesunden Kindern durch. Ich habe überlebt, aber lange Zeit habe ich nicht verstanden, weshalb sich an einem meiner Füße ein stark ausgeprägter Abdruck befindet; erst als ich 13 war, erklärte meine Großmama mir, dass dies die Folgen der Metallkette waren.
-Wie hat sich der Aufenthalt im deutschen KZ auf ihre Gesundheit ausgewirkt?
- Mein Leben lang hatte ich Probleme mit der Gesundheit: ich bin nicht geimpft worden, man hat mir nicht erlaubt Kinder zu bekommen, hat nie mein Blut untersucht; ich war dünn und schwächlich. Ich absolvierte die medizinische Fachschule und wurde OP-Schwester.
- Wie ging Ihr Leben dann weiter?
- Seit 1963 wohne ich in Selenogorsk, habe eine Tochter zur Welt gebracht. Mein Mann arbeitet in der elektrochemischen Fabrik als Obertechnologe. Aufgrund meines Gesundheitszustandes wurde ich nach einem Angebot von I.B. Bortnikow auf den Posten einer Paßausstellerin beim Städtischen Kommunalen Wohnungsamt versetzt – er kannte meine Lebensgeschichte, die Geschichte einer mageren, kranken Frau. Er hatte Mitleid mit mir und schickte mich an einen ruhigen Arbeitsplatz. Bei der Städtischen Kommunalen Wohnungsgesellschaft war ich 36 Jahre tätig; ich bin Arbeitsveteranin, habe 17 Ehrenurkunden für meine Arbeit erhalten. Zu Ehren des 60. Jahrestages des Großen Vaterländischen Krieges bekam ich ich eine der Jubiläumsmedaillen verliehen. Ich bin nicht damit einverstanden, dass man unsere Generation für „verloren“ hält, sondern bedaure die Kriegskinder und deren Schicksale.
Trotz allem bin ich ein zufriedener Mensch und meine, dass ich wirklich Glück gehabt habe: ich habe das KZ überlebt, ich habe eine gute Familie, die Kollegen von der Wohnungsverwaltungsgesellschaft schätzen und erinnern sich an mich.
Man muß die Kinder behüten, damit nicht dermaßen viel Leid auf sie zukommt, wie es bei uns der Fall war. Mein Lebensweg war mühsam, aber ich habe alles durchgestanden und lebe immer noch. Der Krieg hat meine Gesundheit zerstört, aber ich bemühe mich standzuhalten, und meine Angehörigen unterstützen und behüten mich.
24.10.2008
Verstorben am 10.11.2010
Während wir uns mit der Suche nach ehemaligen Häftlingen faschistischer Lager befaßten, entdeckten wir, dass in Selenogorsk noch 20 solcher Personen lebten. Fünf von ihnen waren zur Zeit des Krieges bereits erwachsen. Aber 15 waren minderjährig; sie gerieten zusammen mit ihren Familien in Gefangenschaft, und das machte ihnen das Überleben möglich. Nach dem Gespräch mit einer der Frauen wußten wir, dass offenbar in unserer Stadt Namensvettern, ehemalige Kriegsgefangene, wohnten. Einer von ihnen war Dmitrij Stepanowitsch Nowikow. Die Frau gab uns die Telefonnummer seines Sohnes, des Oberstleutnants der Reserve – Sergej Dmitrijewitsch Nowikow, der in der Ortschaft Orlowka lebt. Wir trafen ihn im Museum der Stadt und interviewten ihn.
- Sergej Dmitrijewitsch, sind sie ein alteingesessener Bewohner Sibiriens?
- Die Eltern meines Vaters waren Umsiedler aus der Ukraine. Anfang des 20. Jahrhunders (1901-1903) verließen sie den Schostkinsker Bezirk im Tschernigowsker Gouvernement.
- Welcher sozialen Herkunft waren sie?
Sie waren Nachfahren von Bauern. Und nach Sibirien kamen sie, um hier freie Ländereien zu suchen. Ihre Umsiedlung zog sich über mehr als zwei Jahre hin; danach ließen die Eltern sich im Dorf Ilinka, Region Krasnojarsk, nieder. Der Vater, Stepan Jegorowitsch, absolvierte vier Schulklassen, die Mutter zwei.
- Wieviele Kinder gab es in der Familie Ihres Vaters?
- Bei den Nowikows gab es 7 Kinder, 3 Söhne und 4 Töchter, aber nur die älteste Tochter, Galina Stepanowna Tschernosem wurde noch in der Ukraine geboren. Die übrigen sechs Kinder, unter ihnen auch Dmitrij Stepanowitsch wurden alle in Rußland geboren.
- Wann kam Ihr Vater zur Welt?
- Mein Vater, Dmitrij Stepanowitsch Nowikow, erblickte am 6. November 1918 das Licht der Welt.
- Wie kam er an die Front?
- 1939 kam Vater zum befristeten Armeedienst innerhalb der NKWD-Truppen. D.S. Nowikows Regiment befand sich in der Stadt Iman im Primorje-Gebiet (heute Dalneretschensk). Im Herbst 1941 sollte er, nach zwei Jahren Dienst, nach Ilinka zurückkehren, aber im Sommer begann der Krieg. Nowikows Regiment, das zur 50. Division gehörte, wurde auf Verfügung Stalins an die west-weißrussische Front verlegt. Die deutsche Operation „Taifun“ erlitt einen Zusammenbruch. Der Vater befand sich unter den Sibirjaken, die von Moskau gerettet wurden. Auf dem Weg zur Front fuhren die Militärzüge durch die Stadt Saosjornij, das nur wenige Kilometer von Dmitrij Stepanowitschs Heimatdorf entfernt war, aber es war verboten, den Angehörigen eine Nachricht zu übermitteln, geschweige denn mit ihnen vor der Fahrt an die Front noch einmal zusammenzutreffen. Die Züge hielten auf diesen kleinen Bahnstationen wie Saosjornij nicht an, und jegliche Information darüber, dass Stalin Anweisung zur Verlegung der Division vom Fernen Osten an die west-weißrussische Front gegeben hatte, wurde streng geheim gehalten.
- Wann und wie geriet Dmitrij Stepanowitsch in Gefangenschaft?
Das war Anfang November 1941. Er geriet in Gefangenschaft, weil es keine vernünftigen Waffen gab, während die Deutschen mit ihren Panzern und ihrer Infanteriedie über Automatikwaffen verfügte, angriffen. Offensichtlich wurde Vater verwundet. In den Dokumenten heißt es, daß der Kriegsgefangene D.S. Nowikow sich von Herbst 1941 bis März 1945 in Gefangenschaft befand. Er wurde von russischen Truppen berfreit; anschließend verbrachte er 5 Monate im Filtrationslager des Feldkommissariats, welches in der Stadt Stadtrod gelegen war, wo man seine Personalien und Verhältnisse sowie seinen Gesundheitszustand feststellte. Daraufhin kam er in eine Arbeitslager. Nach dem Ende der Ermittlungen kam man zu der Feststellung: D.S. Nowikow unterhält keine Verbindungen, die in in Mißkredit bringen könnten“. Ab dem 1. August befand sich der Vater im 11. Reserve-Schützenregiment der 10. Reserve-Schützendivision. Im März 1946 wurde er demobilisiert.
- Hat Dmitrij Stepanowitsch Ihnen irgendwann einmal etwas über den Krieg erzählt?
- In unserer Familie hat nie jemand über den Krieg geredet. Aber in den 1970er Jahren war bei Papa einmal der einzige Freund, mit dem er seine Erinnerungen an jene schreckliche Zeit des Lebens teilen konnte. Der Name dieses Mannes ist mir nicht bekannt, ich weiß lediglich, daß er in Borodino lebte. Sie setzten sich in die Küche, nahmen eine Flasche Wodka und unterhielten sich die ganze Zeit im Flüstertonj. Und wenn jemand die Küche betrat, schwiegen sie sogleich. Vielleicht waren sie gemeinsam in Gefangenschaft … Aber davon haben weder der Vater noch sein Freund jemals auch nur ein Wort verlauten lassen. Deswegen beschloß ich nach seinem Tode im Jahre 1991, mich an die Archive des Kriegskommissariats des Rybinsker Bezirks in der Stadt Podolsk zu wenden, um mehr über den Aufenthalt des Vaters an der Front und in der Gefangenschaft zu erfahren. 2008 erhielt ich Bescheinigungen aus Podolsk, die Auskunft über das Kriegsschicksal meines Vaters gaben.
- Wurde auf Ihren Vater als ehemaligem Kriegsgefangenen irgendein Druck seitens der Menschen, die in seiner Umgebung waren, ausgeübt?
- Nein. Mein Vater war einstiller, bescheidener Mann, ein einfacher Arbeiter. Man hat ihn mit zahlreichen Ehrenurkunden für seine gewissenhafte Arbeit ausgezeichnet. Zudem hat man alle Kriegsgefangenen in der Folgezeit rehabilitiert. Dem Vater hat man am Jahrestag des Sieges den Orden des Großen Vaterländischen Krieges 2. Klasse, und zu den Jubiläumsfeierlichkeiten wurden Gedenkmedaillen ausgehändigt.
. Sie sind Berufssoldat geworden. Hat Dmitrij Stepanowitsch das gewollt?
- In unser Familie sind drei Söhne. Eigentlich war es eher meine ganz persönliche Wahl. Wenngleich wir das ganze Leben lang mit Achtung auf ihn geschaut haben, und er für uns immer als Beispiel galt.
- Vielen Dank für das Interview.
Häftlinge faschistischer Lager, die zu unterschiedlichen Zeiten in der St6adt Selenogorsk gelebt haben.
1. Boris Nikolajewitsch Nowikow, geb. 1920, Kriegsgefangener, Todeslager
Mauthausen
2. Kusma Timofejewitsch Miroschnitschenko, geb. 1923, Kriegsgefangener
3. Dmitrij Stepanowitsch Nowikow, geb. 1918, Kriegsgefangener
4. Anna Iwanowna Kabanowa, geb. 1924, zur Zwangsarbeit verschickt
5. Maria Adamowna Kuschmir, geb. 1910, Todeslager Auschwitz
6. Sergej Petrowitsch Prokopowitsch, geb. 1925, Kriegsgefangener
Kinder-Gefangene faschistischer Lager:
1. Nina Iwanowna Bejtonowa, geb. 1943
2. Lusja Aleksandrowna Wankowa, geb. 1936
3. Pjotr Petrowitsch Doronin, geb. 1942
4. Nikolaj Grigorjewitsch Schurawljow, geb. 1937
5. Soja Grigorjewna Komandinowa, geb. 1941
7. Aleksandr Pawlowitsch Korsakow, geb. 1940
8. Anatolij Jegorowitsch Naumtschenkow, geb. 1940
9. Aleksandra Makarowna Pinko, geb. 1932
10. Nina Branislawowna Fedotowa, geb. 1938
11. Nina Tichonowna Chramowitsch, geb. 1927, Todeslager Majdanek
12. Aleksej Grigorjewitsch Putilin, geb. 1938
13. Nikolaj Antonowitsch Suplik, geb. 1924
14. Aleksandr Sergejewitsch Kolennikow, geb. 1940
15. Maria Sacharowna Chaustowa, geb. 1936
Aus einem Befehl des Hauptquartiers
Oberstes Heereskommando der Roten Armee N° 270
16. August 1941
… In letzter Zeit haben einige schmachvolle Fälle stattgefunden, in denen man sich freiwillig als Kriegsgefangene in die Hände des Feindes begeben hat. Einzelne Generäle haben unseren Truppen damit ein schlechtes Beispiel gegeben …
ICH BEFEHLE DAHER:
1. Kommandeure und politische Mitarbeiter, die sich während der
Kampfhandlungen die Rangzeichen abreißen und ins Hinterland desertieren oder
sich selbst beim Feind in Gefangenschaft begeben, als böswillige Deserteure
anzusehen, deren Familien ebenso zu verhaften sind, wie Familien, die den Eid
verletzen und ihre Heimat den Deserteuren preisgeben. Alle Kommandeure zu
verpflichten, derartige Deserteure aus dem leitenden Stab an Ort und Stelle zu
erschießen.
2. Den in Umzingelung des Feindes geratenen Truppenteilen und militärischen
Unterabteilungrn selbstlos und aufopfernd bis zum Letzten zu kämpfen, den
materiellen Teil wie ihren Augapfel zu hüten, sich zu den Ihren durch das
Hinterland der feindlichen Truppen hindurchzuschlagen und den faschistischen
Hunden eine schwere Niederlage zu bereiten.
Jeden Kriegsdienstleistenden, unabhängig von seiner Dienststellung dazu zu
verpflichten, von seinem Vorgesetzten, falls die Truppen sich in Umzingelung
befinden, zu verlangen, daß sie sich bis zum Letzten schlagen, um bis zu den
eigenen Truppen vorzudringen, und falls ein solcher Vorgesetzter oder ein Teil
der Rotarmisten, anstatt die Abwehr des Feindes zu organisieren, es vorziehen
sollte, sich dem Feind auszuliefern – diese Leute mit allen Mitteln, sowohl mit
Land- als auch mit Lufttruppen, zu vernichten und den Familien solcher
freiwillig in Gefangenschaft gegangener Rotarmisten jegliche staatliche Hilfe
und Unterstützung zu entziehen.
3. Den Divisionskommandeuren und –Kommissaren, unverzüglich alle Bataillons- und
Regimentskommandeure von ihren Posten zu entheben, die versuchen, sich während
der laufenden Kampfeshandlungen in irgendwelchen Ritzen zu verstecken, weil sie
sich davor fürchten, den Kampfverlauf auf dem Feld der Niederlage weiter zu
befehligen, und sie zu gewöhnlichen Soldaten zu degradieren. Sofern nötig, sind
sie an Ort und Stelle zu erschießen und an ihrer Stelle kühne,und tapfere Leute
aus der jüngeren Stabsleitung oder den Reihen der Rotarmisten aufzustellen, die
sich bereits ausgezeichnet haben. Der Befehl ist in allen Kompanien,
Schwadronen, Fliegerstaffeln, Kommandos und Stäben zu verlesen.
HAUPTQUARTIER DES OBERKOMMANDIERENDEN DER ROTEN ARMEE:
Vorsitzender des Staatlichen Verteidigungskomitees J. Stalin
Stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Verteidigungskomitees W. Molotow
Vergünstigungen für ehemalige Gefangene
1) monatliche Geldauszahlung (MAG) in Höhe von 2645 Rubel unter
Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten;
2) Vergünstigungen zur Rentensicherung gemäß Gesetzgebung;
3) Sicherstellzung von Wohnraum auf Kosten von Mitteln des föderalen Budgets zur
Verbesserung der allgemeinen Wohnbedingungen, sofern sie sich vor dem 1. Januar
2005 haben registrieren lassen;
4) Installation (außer der Reihe) eines Telefonanschlusses in der Wohnung;
5) Sonderrecht für den Beitritt zu Wohn-, Wohnungsbau- und zivilen Kooperativen,
sowie nicht-kommerziellenbürgerlichen Garten-, Gemüsegarten- und
Kleinkarten-Vereinigungen;
6) Bezahlung in einer Größenordnung von 50% des insgesamt zur Verfügung
stehenden Wohnraums (in Kommunalwohnungen – des eingenommenen Wohnraums), unter
anderem auch an Familienmitglieder von Kriegsinvaliden, die dort mit ihnen
zusammen leben. Soziale Unterstützung bei der Wohnraum-Bezahlung ist für
Personen vorgesehen, die in Häusern – unabhängig von der Art des
Wohnungsbestandes – wohnen.
7) Zahlung in Höhe von 50% für kommunale Dienstleistungen (Wasserversorgung,
Wasserentsorgung, Abfuhr von Haus- und anderen Abfällen, Gas, Elektrizität und
Wärmeenergie - im Rahmen der Verbrauchsrichtsätze für die betreffenden
Dienstleistungen, wie sie von den Organen der örtlichen Selbstverwaltung
ermittelt wurden); für Leute, die in Häusern ohne Zentralheizung wohnen, -
Brennmaterial im Rahmen der für den Verkauf an die Bevölkerung
festgelegtenVerbrauchsnorm, sowie Transportkosten für die Anlieferung dieses
Brennmaterials. Die Sicherstellung von Brennmaterial erfolgt an allererster
Stelle. Maßnahmen einer sozialen Unterstützung zur Zahlung der betreffenden
Dienste werden unabhängig von der Art des Wohnungsbestands bewilligt;
8) Erhalt von Betreuung in Polikliniken und anderen medizinischen Einrichtungen,
bei denen die betreffenden Personen während ihrer Berufslebens bis zum
Renteneintritt gemeldet waren,, sowie außerordentliche medizinische Beihilfe
gemäß den Programmen, mit denen Bürgern der Russischen Föderation die
Bewilligung einer kostenlosen medizinischen Hilfe in föderalen
Gesundheitsbehörden (unter anderem auch tägliche Gesundheitsfürsorge) garantiert
wird (darunter auch Krankenhäuser für Kriegsveteranen), und zwar in der Art und
Weise, wie sie durch die Regierung der Russischen Föderation festgesetzt wurde,
sowie auch in Polikliniken und anderen medizinischen Einrichtungen innerhalb der
Russischen Föderation auf regionaler Ebene – basierend auf deren Gesetzen und
anderen normativen Rechtsakten;
9) die Sicherstellung von Prothesen (außer Zahnprothesen) und anderen
orthopädischen Erzeugnissen, wie sie von der Regierung der Russischen Föderation
festgelegt wurden
10) Auszahlung einer Untrstützung an Berufstätige bei vorübergehender
Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 100% des Arbeitsentgeltsw, unabhängig von der
Anzahl ihrer Arbeitsjahre, sowie finanzielle Unterstützung bei vorübergehender
Arbeitsunfähigkeit infolge einer allgemeinen Erkrankung bis zu vier
aufeinanderfolgenden Monaten oder bis zu fünf Monaten pro Kalenderjahr;
11) Ausbildung am Arbeitsplatz in in Fortbildungs- und Qualifikationskursen aus
Mittel des Arbeitgebers;
12) Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer für den Arbeitnehmer passenden
Zeit sowie Bewilligung eines unbezahlten Urlaubs von bis zu 60 Kalendertagen pro
Jahr. Invaliden der I. und II. Gruppe stehen bei unzureichendem Jahres- oder
Zusatzjahresurlaub für medizinische Behandlung und die Fahrt in ein Sanatorium
oder an einen Kurort und zurück eine Bescheinigung über vorübergehende
Arbeitslosigkeit für die notwendige Anzahl von Arbeitstagen sowie eine Zahlung
seitens der staatlichen Sozialversicherung zu – unabhängig davon, für wen und
auf wessen Kosten der Reiseschein genehmigt werden;
13) außerordentliche Nutzung aller Arten von Telekommunikationsdiensten,
Kultur-, Sport- und Gesundheitseinrichtungen, außerordentlicher Erwerb von
Fahrkarten für alle Arten von Transportmitteln, außerordentliche
Dienstleistungen durch Uternehmen des Einzelhandels sowie Dienstleistungen des
Alltagsbedarfs;
14) außerordentliche Aufnahme in Alten- und Invaliden-Heimen, und Zentren
sozialer Dienste sowie Dienstleistungen durch Sozialhilfestellen zuhause.