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Ljudmila und Arkadij Akzynow

Natalia Kotschelewa
11. Klasse
Städtische Bildungseinrichtung
Maschukowsker allgemeinbildende Oberschule
Bezirk Motygino
Region Krasnojarsk

Leitung: Sacharzow
Michail Georgiewitsch
Geschichtslehrer

Die verdienten Künstler Tschuwaschiens, Ljudmila und Arkadij Akzynow, wurden im Jahre 1910 geboren. Er am 5. Mai in Petersburg, sie am 9. September in Wolgograd (Zarizyn). Sie begegneten einander 1937 in einem Durchgangslager in Nachodka und trennten sich bis 1997 nicht mehr. Sie geriet als Ehefrau eines Volksfeindes für acht Jahre dorthin, weil sie sich weigerte ein Dokument zu unterschreiben, mit dem sie sich von ihrem Mann losgesagt hätte, der an Ort und Stelle, ohne Untersuchungs- und Gerichtsverfahren erschossen wurde. Allerdings erfährt sie das erst 8 Jahre später. Ljudmila und Arkadij sollten eigentlich ins GULAG geschickt werden, blieben jedoch aufgrund ihres Talents in Nachodka: sie waren ihrer Schaffenskunst so treu ergeben, dass sie sogar Bestellungen seitens der Lagerleitung auf höchstem Niveau ausführten.

A.W. Akzynow wurde in die Familie eines Grenzoffiziers hineingeboren. Berets in seiner Kindheit begeisterte er sich für Malen und Zeichnen. Den ersten Kunstunterricht erhielt er in der Stroganowsker Fachschule für Kunst und Produktion. Danach lebte er im Ausland, studierte in Lausanne (Schweiz), an der Kunstakademie in Antwerpen (Belgien), an der Pariser Akademie der Künste.

Arkadij Wsewolodowitschs Ehefrau, L.M. Akzynowa, wurde in einer hochgebildeten, intelligenten Familie geboren. Ihre Leidenschaft am Malen entstand schon sehr früh, als die Palette der angehenden Künstlerin vom Gras bis zum Ufer-Sand der Wolga reichte.

Von 1929-1931 lernte Ljudmila Akzynowa an der Zarizyner Fachschule für Kunst. Nachdem sie sie beendet hatte, reiste sie nach Grosny, wo sie in Kunststudios und Zirkeln am Pionierpalast Unterricht erteilte. 1936 bekam sie bei der Ausstellung der Volkskunst den ersten Preis verliehen und erhielt eine Arbeitsanweisung zur Unterrichtserteilung am Kunst-Institut.

Doch das Leben sorgte für raue Korrekturen. 1939 schickte man sie an die Kolyma, wo sie dann auch ihre bessere Hälfte kennenlernte.

Während der Kriegsjahre malte Arkadij Wsewolodowitsch zwei große Werke – „Partisanen“ und „Soja Kosmodemjanskaja“. Aber es gab auch Minuten, in denen das Leben unerträglich schwer war und die Seele förmlich in Stücke gerissen wurde, und zu der Zeit schrieb Ljudmila Michailowna eindringliche Verse.

Hier geht die Sonne nicht unter,
Der Wind kommt nicht zur Ruhe.
Da ist Papier, Kohle, Leinwand, -
Zeichne mich!
Mal mich nicht passiv
In meiner zerlumpten Kleidung.
Male mich schön,
In einem hellblauem Kleid!
Und eile nicht, um Gottes willen!
Reg‘ dich nicht unnötig auf!
Große Sorge ist in meiner Brust –
Ich habe feuchte Augen…
In ihnen stehen Fragen, Schmerz und Gram,
Freude und Flehen.
Ins Elend hat das Schicksal uns
Geführt in unheilvollen Jahren?!
Da – ein kleines Geschenk, mein Liebster!
Der Wächter geht,
Du sollst mich glücklich malen,
Und zwar neben dir!

Sie war keine professionelle Dichterin, aber die Verse der vergangenen Jahre verzaubern auch heute noch durch ihre Aufrichtigkeit, die Schärfe der Gefühle; sie geben die feine innere Welt einer ungestümen, emotionalen, verwundbaren Persönlichkeit wider. Es ist erstaunlich, dass sie unter den unerträglichen, unmenschlichen Lager-Bedingungen, bei den täglichen seelischen und physischen Demütigungen ihren Glauben und ihre Liebe zum Leben bewahren konnte. Wenn es kein Papier gab, schrieb sie ihre Verse auf alte Lappen.

Durch das Schicksal – das böse,
(die Leute sind zu diesem Schluss gekommen)
Bin ich, wie ein Kanarienvogel,
Nach Sibirien geraten.
Ruf‘ das Unheil nicht herbei, ich werde nicht
Vor Trübsinn sterben.
Ich habe Verstand,
ein Herz und Hände.
Denk‘ nicht von mir, dass ich
Hier sitze und weine,
Nicht umsonst
Vergeude ich mein Leben.
Goldene Sterne bekomme ich
am Himmel.
Aus kleinen, zarten Eisstückchen
Gieße ich Vasen.
Ich modelliere und baue
Und kenne keine Müdigkeit.
Stimm‘ mir doch zu,
Dass nicht umsonst ich lebe.

Nach dem Ende der ersten Haftzeit im Jahre 1945 fuhren die Akzynows, denen Einschränkungen im Hinblick auf die freie Wahl des Wohnorts auferlegt waren, zu Ljudmilas Eltern in das ausgehungerte Nachkriegsgebiet Stawropol. Wie sie sich später erinnerte, war das eine glückliche und zugleich bittere Begegnung; ihre älteste Tochter erkannte die Mutter nur mit Mühe, und die jüngere, die sie als Säugling hatte zurücklassen müssen, lernte sie zum ersten Mal kennen. Die Kinder nahmen den neuen Vater freundlich an, und es sah so aus, als ob das Leben nun in geregelte Bahnen kommen würde. Arkadij Wsewolodowitsch schloss sich der Arbeit für die Organisation der Künstlervereinigung in Stawropol an, und wurde 1947 Mitglied der Künstlervereinigung der UdSSR. Er malt hier seine Arbeiten „Der erste Raps in Stawropol“, „Budjonny auf der Ternopoler Pferdezuchtfarm“, Portraits von Bestarbeitern der Landwirtschaft.

Als Arkadij Wsewolodowitsch 1950 erneut verhaftet wurde, macht Ljudmila Michailowna sich mit ihren beiden Kindern – dem gemeinsamen Sohn Wsewolod (er war über zwei Jahre alt) und der Tochter aus erster Ehe, von der sie getrennt wurde, als diese 9 Monate alt war, auf den Weg zu ihm. Und so kam diese bemerkenswerte Familie in unsere Region.

Das Leben in Sibirien war sehr schwierig, aber die Liebe, das gegenseitige Verständnis und die Unterstützung der Familienmitglieder rettete sie. Hier lebten sie schon nicht mehr in einem Lager, sondern durften sich frei in der Umgebung der Ortschaft bewegen. Aus ihren Erinnerungen an die zweite Verbannung:

„Sibirien fesselte uns, entgegen aller Erwartungen, durch seine mächtige unberührte Schönheit. Und die Menschen – sie gleichen der Natur – mit starken Wurzeln, nicht redselig, von rauem Äußern, aber ausgesprochen gastfreundlich und entgegenkommend“. Die Akzynows „verschafften sich“ schnell Freunde, sie benahmen sich aufrichtig und offenherzig gegenüber den Leuten, und das Wort „verbannt“ erschreckte hier seit den Zarenzeiten schon niemanden mehr. Gepackt von dem Drang nach kreativem Schaffen, statteten sie sich bald nach ihrer Ankunft mit Skizzenheften und selbst hergestellten Pinseln für unterwegs aus, mit denen sie regelmäßig zum Malen in freier Natur, egal bei welchem Wetter, in den Wald fuhren und sich dort gierig in die Arbeit stürzten“.

In Sibirien kamen sie in einem Badehaus unter, das ihnen als Atelier diente. Hier wurden verwundete Tiere behandelt, welche die Kinder aus der Taiga heranschleppten – Rentierjunge, kleine Bären, Vögel. Die genesenen Tiere wurden anschließend wieder in die Freiheit entlassen. Wie schön!

Aber der Frost betäubt.
Ein Wunder umgibt einen,
Geh nicht fort!
Pinsel, denen liebevoll
Atem eingehaucht wird,
Farben,
An der Brust gewärmt.

Arkadij Wsewolodowitsch leitete die Künstler-Werkstatt im Uderejsker Bezirk, führte an den Schulen Kurse in darstellender Kunst durch,

In Sibirien ließen sie sich in einem Badehaus nieder, das ihnen auch als Atelier diente. Hier wurden verletzte Tier behandelt, welche die Kinder aus der Taiga mitbrachten – Rentierjunge, kleine Bären, Vögel. Die geheilten Tiere wurden danach wieder in die Freiheit entlassen. War das schön!

Doch der Frost betäubt.
Ein Wunder umgibt einen,
Geh nicht fort!
Pinsel,
den Atem liebevoll hineingehaucht,
Farben.
an der Brust erwärmt.

Arkadij Wsewolodowitsch leitete die Künstlerwerkstatt im Uderejsker Bezirk sowie Kurse in darstellender Kunst an den Schulen und fertigte monumentale, äußerst dekorative Arbeiten an. „Nur der erkennt den Reiz der Freiheit, der die Unfreiheit am eigenen Leib erfahren hat“, - meinte er häufig. Nachdem sie sowohl „Armut, als auch Gefängnis und Krieg“ kennengelernt hatten, bewahrten sie für den Rest ihres Lebens den „Glauben an Märchen und die Liebe“; deswegen wurden auch diese Zeilen zu einer einzigartigen Devise.

Führt kein Leben in Schwermut,
Bedauert nicht, was war.
Rätselt nicht, was sein wird,
Hütet das, was gegenwärtig ist6.

1956, nach dem Ende der Verbannungszeit in der Ortschaft Motygino, trafen die Akzynows aufgrund der Einladung ihres alten Freundes W.L. Gorin zunächst in Nowosibirsk ein, anschließend wählten sie ihren neuen Wohnort in Nowokusnezk. Seine Frau, die als Leiterin der Nowosibirsker Eisenbahner-Klinik tätig war, half ihnen, unter Ausnutzung ihrer Beziehungen, Arbeit und eine Wohnung mit Atelier im Kusnezker Bezirk zu finden. Und die Direktoren der städtischen Fabriken und Schachtanlagen teilten den Künstlern eine stattliche Summe Geld für die Einrichtung in der neuen Dreizimmer-Dienstwohnung zu.

1968 beschlossen die Akzynows nach Tscheboksary umzuziehen, wo sie für immer blieben. Sie widmeten sich voll und ganz ihrem kreativen Schaffen, malten eindrucksvolle Bilder auf Leinwand – ein Dutzend Arbeiten widmeten die Akzynows den Einwohnern von Tscheboksary. Große Anerkennung fanden sie für eine Serie von Bildern, die der Wolga gewidmet waren und in die sich „Alt und Jung in Tscheboksary“ verliebten. Einen ganz besonderen Bekanntheitsgrad gewannen folgende Bilder: „Lenin-Orte in Schuschenskoje“ (1961), „An der Wolga war ein Fels“ (1975), „Erzählung über den Sajan“ (1979), „Der Beginn des Anfangs“ (1982), das Stillleben „Phantasie der Natur“ (1984), die Gobelins „Russische Spitze“.

All ihre Bilder malten sie mit vier Händen und hinterließen deswegen darauf die Unterschrift beider Akzynows. Dank ihrer permanenten Reisen entwickelten sie für sich eine bemerkenswerte Technik: sie malten ihre Bilder auf einen Öl-Wachs-Hintergrund. Daher trockneten die aufgetragenen Farben sehr schnell, und schon ein paar Stunden später konnte man die Skizzen in die Mappe legen und weiterziehen. Diese Technik verlangt dem Künstler eine äußerst virtuose Darstellungsfähigkeit ab.

Arkadij Wsewolodowitsch und Ljudmila Michailowna waren in der Tscheboksarsker Fabrik für Antriebssysteme dauerhaft mit der Schaffung der künstlerischen Geschichte des Unternehmens beschäftigt – einer Galerie mit den Portraits seiner besten Leute, dem Organisieren einer Vielzahl von Ausstellungen. Ihre Wohnung und ihr Atelier waren auf ihre Weise Museum und Galerie zugleich, freundlicherweise für alle offen, welche eine Vorstellung von Schönheit hatten und sie schätzten.

Mit einem Triumphzug verliefen die Ausstellungen der Akzynows in Kemerowo und Nowokusnezk, Krasnojarsk und Nowosibirsk, Sankt-Petersburg und Moskau, in dem kosmischen Städtchen Swesdnij, in Fabrik-Klubs und Studenten-Hörsälen.

„Die Menschen kamen stets zu den Vernissagen der Akzynows, als ob es sich um einen Festtag handelte, „gespeist von ihrer gütigen Energie des Lichts, - schrieb Walentina Iwanowa, Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde der Akzynows. – Ganz unterschiedliche Leute fühlen sich von den kleinen Lichtschimmern im Haus und dem Atelier der Akzynows angezogen, und für jeden von ihnen wurde der Lebenscredo zu ihrem eigenen: „Schau nicht schwermütig drein. Bereue nicht, was gewesen ist. Rätselt nicht darüber nach, was einmal sein wird. Hütet das Gegenwärtige“. Die erstaunliche Kraft, die Fähigkeit, Menschen anzuziehen, bekamen sie dadurch, dass sie stets i Werk und ihr Leben als Einheit, als untrennbares Ganzes, verstanden…“ („Sowjetisch-Tschuwaschien. – 1997. – 18. November).

Im Januar 1986 lief im Kunstmuseum von Tscheboksary eine persönliche Ausstellung der Eheleute unter dem Titel „Erzählung über den Baikal“. Im Rahmen dieser Serie wurden sechzig Gemälde vorgestellt – als eine Art Rechenschaftsbericht ihrer künstlerischen Reisen an den Baikal-See.

Das künstlerische Schaffen der Eheleute wurde mit hohen Auszeichnungen geehrt. Für ihre Verdienste in der Entwicklung der darstellenden Kunst und im Zusammenhang mit dem 70. Jahrestag der Ukase des Präsidiums des Obersten Sowjets der Tchuwaschischen ASSR vom 30. APRIL UND 22. Oktober 1980 wurden Arkadij Wsewolodowitsch und Ljumila Michailowna Ehrenurkunden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Tschuwaschischen ASSR überreicht“. 1984 bekamen sie den Titel „Verdienter Künstler der Tschuwaschichen ASSR und im Jahre 1997 – „Verdienter Künstler der Russischen Föderation“ verliehen.

Zur großen Freude für ganz Tschuwaschien wurde die Neuigkeit darüber, dass im Mai 2000 im Universum ein kleiner Planet namens „Akzynowija“ auftauchte, der seinen Namen zur Erinnerung an die verdienten Künstler Russlands und Tschuwaschiens – Ljudmila und Arkadij Akzynow – erhielt.

In den Beständen der Republikanischen Staatlichen Einrichtung „Staatlicher Büchersaal der Tschuwaschischen Republik“ werden zahlreiche Artikel und Essays über das Leben und die Tätigkeit des bemerkenswerten Künstler-Ehepaars Azynow verwahrt, die in den Zeitungen „Sowjet-Tschuwaschien“, „Tscheboksarsker Nachrichten“, „Die Republik“, „Tschawasch En“ und im Journal „Mein Imperium“ veröffentlicht wurden. Im Jahr 2000 wurde in einem gesonderten Buch der dokumentarische Roman „Parole – Akzynow“ herausgebracht, dessen Autorin die verdienter Mitarbeiterin aus dem Bereich der Kultur Russlands und Tschuwaschiens Walentina Iwanowna ist.

Sie lebten 50 Jahre miteinander. Beide schieden in ein und demselben Jahr aus dem Leben, mit einem zeitlichen Abstand von 80 Tagen. Arkadij Wsewolodowitsch sagte immer, dass jeder Tag, den er nicht gemeinsam mit Ljudmila Michailowna verbringen konnte, für ihn wie ein ganzes Jahr eines ziellosen Lebens war. Sie verstarb am 24. August, er am 14. November. Die Geschichte ihrer Liebe konnte die Menschen nicht gleichgültig lassen. Zu ihren Ehren wurde der kleine Planet des Sonnen-Systems benannt – er erhielt die Bezeichnung „Akzynowija“.


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