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Und trotzdem kehrten sie zurück

Mit Tränen in den Augen und Worten der Dankbarkeit verließen die Besucher der Ausstellung „Mit dem Recht der Erinnerung“ das Kansker Heimatkunde-Museum. Ein halbes Jahr lang hatte das Museum Briefe, Fotografien, Dokumente gesammelt – Zeugnisse über das Schicksal von Menschen, die in den Jahren der Stalinistischen Repressionen zu leiden hatten und in den vergangenen Jahrzehnten vollständig rehabilitiert wurden.

Das Schicksal jedes einzelnen „Volksfeindes“ birgt, trotz seiner Individualität, viele für die damalige Zeit typische Merkmale in sich. Hier nur einige wenige Erzählungen, die anlässlich der Eröffnung der Ausstellung durchklangen.

Nina MItrofanowna Ochromtschuk-Koschemjaka:

- Mein Vater war in der Vergangenheit Offizier der Zarenarmee. Mehrmals verhafteten sie ihn. 1937 klopften sie an die Tür und brachten ihn fort, nachdem sie ihm gesagt hatten, er solle nichts weiter mitnehmen als ein paar Lebensmittel für einen Tag… Nachdem ich im Alter von sieben Jahren Tochter eines Volksfeindes geworden war, erfuhr ich lange Zeit nichts über das Schicksal des Vaters. 1956 antworte man mir auf meine Anfrage, dass er an „Altersschwäche“ gestorben sei. Erst vor kurzem erfuhr ich dann, dass der Vater bereits 1937 erschossen wurde.

Vielen Angehörigen von Erschießungsopfern stellte man Todesbescheinigungen mit harmlosen Diagnosen aus. Und auf dieser Ausstellung gab es zwei Dokumente, die mit dem Schicksal von Matwej Jefimowitsch Stepanow in Zusammenhang standen. In einem, das aus dem Jahr 1957 datiert, wird der Grund für seinen Tod mit einer „schweren Lungenentzündung“ angegeben, in dem anderen, aus dem Jahr 1990, lautet die „Todesursache – Erschießung, Erschießungsort – Kansk“.

Vom Schicksal ihres Vaters berichtete während der Ausstellung auch Oswald Jegororwitsch Bogdanow:

- Sie verhafteten ihn an einem Feiertag, am 23. Februar 1938. Wir waren zu der Zeit, nach der Liquidierung des Estnischen Vorwerks schon in die Sowchose umgezogen. Nachts kamen zwei Milizionäre und der Wirtschaftsleiter ins Haus und sagten, dass der Vater verhaftet sei; sie nahmen ihm die Waffe weg und gingen mit ihm fort.

Wassilij Stepanowitsch Demjanenko erinnert sich auch heute noch an vieles, sogar seine Lagernummer hat er immer noch nicht vergessen. 3 Monate und 26 Tage saß er in der Zelle und anschließend 10 Jahre im Lager, in Tugatsch. Verurteilt wurde er für den unvorsichtig geäußerten Satz – „Kiew hat kapituliert“.

Endlos kann man über die Schicksale der Repressionsopfer berichten, immer und immer wieder neue Namen nennen – sowohl von Opfern, als auch von Henkern, von denen viele heute noch am Leben sind. Aber wahrscheinlich war es nicht dieses Ziel, welches die Organisatoren der Ausstellung verfolgten. Das Wichtigste war – die Erinnerung selber wieder aufleben zu lassen.

Lange Zeit waren aus den Geschichtslehrbüchern ganze Zeiträume herausgestrichen, es wurde
nachgebessert und Dinge vom Fuß auf den Kopf gestellt. Wo ist die Wahrheit, wo ist die
Lüge – das herauszufinden stellt jetzt kein einfaches Unterfangen dar. Alles an seinem Platz
anzuordnen – diese Aufgabe haben sich die Mitarbeiterin des Museums, N. Trubnikowa und
der Künstler J. Malzew gestellt, der die Exposition diskret, aber eindrucksvoll
zusammengestellt hat – eine Lagerbaracke, ein "Ornament“ aus Stacheldraht, eine Stalin-Büste, und über all dem – ein Fenster, das den unauslöschlichen Glauben an den Sieg der Gerechtigkeit, die Rückkehr zu den Angehörigen, den Lieben, symbolisieren soll. Nun ja, sie kamen zu uns zurück, sogar diejenigen, die durch Folter und Erschießungen starben. Sie kamen zurück in diese 258 Dokumente, die für die Ausstellung zusammengetragen wurden.

Die Ausstellung wird früher oder später geschlossen. Und ein ständiges Denkmal für die Opfer des einstigen Kansker Lagers gibt es bislang nicht. Ober es vielleicht eines Tages eins geben wird?

A. Rostowschtschikow

„Krasnojarsker Arbeiter“, 16.11.1990


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