Unser Land und unser Volk befinden sich im Umbruch. Was erwartet uns: die Rückkehr zum Totalitarismus oder die Entwicklung zur Demokratie? Die Entstehung eines Rechtsstaates oder der nächste Zyklus von Unterdrückungsmaßnahmen? Internationale Zusammenarbeit oder internationaler Zwist? Heute ist das Spektrum des politischen und gesellschaftlichen Lebens recht breit gefächert; von allgemeinmenschlichen Äußerungen der Barmherzigkeit, der Güte und Achtung er Menschenrechte, dem Bemühen zur Konsolidierung bei Entscheidungen unaufschiebbarer und lebenswichtiger Probleme stürzen wir uns in äußerste Bekundungen von Chauvinismus, Nationalismus, politischer und sozialer Intoleranz.
Wir, die wir in der Russischen Föderation leben, beunruhigt ganz besonders das Aufkeimen einer immer größer werdenden Aktivität des russischen Faschismus, vertreten durch den extremistischen Flügel von „Pamjat“ (radikal-nationalistische und antisemitische Gruppierung, die ab 1980 in der Sowjetunion entstand; Anm. d. Übers.) und Anhänger des Totalitarismus stalinistischer Prägung. „Wir wollten eine Versammlung abhalten! Vier Maschinengewehre an den Ecken und – es gab keine Versammlungen. Stalin und Berija waren nicht dabei! Aus dem Kaukasus waren sie gekommen – erschießen und ab nach Solowki. Nach Solowki und – erschießen!“ – diese Worte, ausgesprochen von einem selbstüberzeugten und unverschämten Mann in ehrwürdigem Alter, wollen einem bis heute nicht in den Kopf gehen. Kann so etwas in unserer heutigen Zeit angehen? Es klingt merkwürdig, aber – das kann es.
Die Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft hat auf ihrer letzten Arbeitssitzung den Text „Erklärung gegen Rassismus“ erörtert, mit dem man sich an unsere vaterländische Schriftstellerbewegung um Unterstützung der „April“-Perestroika wandte. Die „Deklaration“ wurde in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift „Ogonjok“ („Flämmchen“; Anm. d. Übers.) abgedruckt. Wir unterstützen den Appell der Schriftsteller und rufen die staatlichen, parteilichen und gesellschaftlichen Organisationen , die Krasnojarsker, die für Humanismus und Demokratie eintreten, dazu auf sich anzuschließen.
Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft
Krasnojarsker Arbeiter“, März 1990