Heuter ist der Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressionen
MEMORIAL
HEUTE, am 30. Oktober, organisiert die Norilsker Gesellschaft «Memorial» die Niederlegung von Kränzen und Blumen an den Gedenkplätzen am Fuße des Schmidticha-Berges, im Museum für die Erschließung und Geschichte der Entwicklung unseres Industriegebiets eröffnet eine Nordwik gewidmete Ausstellung, und am Gebäude der wissenschaftlich-techn ischen Bibliothek wird eine Gedenktafel angebracht werden.
Erst vor kurzem erhob der Oberste Rat Russlands den 30. Oktober in einen offiziellen Rang, und er wurde in der UdSSR schon 1974 als Tag der politischen Gefangenen begangen. Aber die Mehrheit der Bevölkerung ahnte nicht, dass die politische Unterdrückung mit dem Tod des großen Steuermanns nicht beendet war und dass die politischen Gefangenen immer noch für ihre Rechte kämpften. Wir erfuhren von diesem Tag nur aus "feindlichen" Radiostimmen:
Es gibt in Russland so eine Sitte —
Am Abend den BBC-Sender zu hören.
Und für die Andersdenkenden brachte der 30. Oktober erheblichen Ärger....
Und erst im vergangenen Jahr kamen Zehntausende von Menschen auf den
Lubjanka-Platz (damals Dserschinskoje), als der Solowezki-Stein - ein Denkmal
für die Opfer der politischen Unterdrückung in unserem Land - aufgestellt wurde.
Die Ära der "Rehabilitanten" geht weiter. Mehr als eine Anordnung, ein Beschluss, mehr als ein Erlass sind bereits aus unseren Regierungsgebäuden gekommen. Diese Dokumente haben eines gemeinsam - die Opfer der politischen Repressionen sind benannt, nur die Täter fehlen noch.
Dmitri Iwanowitsch Michailow, der mit Buchenwald und Norillag in Verbindung stand, vergleicht die Behandlung der Häftlinge hier und dort und stellt fest, dass "dort" die Häftlinge humaner behandelt wurden, vielleicht weil das faschistische Regime verurteilt und als kriminell bezeichnet wurde.
Werden wir unser eigenes Nürnberg über den Schuldigen an all unserem Unheil haben - die KPdSU? Damit es im heiligen Russland keine Tage der politischen Gefangenen mehr gibt, sondern nur noch Tage des Gedenkens an sie...
Zwei Postumschläge aus dem vereinigten Deutschland trafen im Museum ein, der eine enthält Farbbilder des Lagers "Rybak", der andere geografische Karten mit Koordinaten. Wäre eine solche Karte in jenen schicksalhaften Jahren von einer Zeitung veröffentlicht worden, hätte der Redakteur "bei Nacht und in Stiefeln" hinzugefügt. Auf den Karten der sowjetischen Lager war der Standort von "Rybak" als unbekannt markiert, und jetzt - "danke, Mischa, Raya, dass das Leben anders verlaufen ist...".
Die Bilder und Karten wurden von Herrn Nowak aus Bonn geschickt. Ein Team des Instituts für Naturlandschaften und Ökologie hat in den letzten beiden Sommern im nördlichen Taymir gearbeitet.
Herr Novak erklärte mir sein Interesse als Ornithologe an der Taymir-Küste: "Die Vögel, die hier nisten, kommen für den Winter nach Europa. Und Wissenschaftler haben festgestellt, dass einige von ihnen ihren Speiseplan geändert haben, weil sie hier auf der Halbinsel menschliche Leichen gefressen haben.
Letztes Jahr glaubte ich zunächst nicht an die Zuverlässigkeit dieser Information, aber sie wurde von anderer Seite unerwartet bestätigt, als ich nachfragte, warum es in Nordwyk keine Landfriedhöfe gab. Die Einwohner von Nordvik begruben ihre Toten in den Gewässern des Nordmeeres. Die Vögel hatten etwas zu fressen...
In diesem Sommer hat sich eine Gruppe aus Deutschland auf dem Gelände des Rybak-Lagers in der Nähe des Flusses Schirokaja "niedergelassen". Das Lager bestand in den 43-50er Jahren, die Arbeiter bauten Uranerz ab.
Die Archive des Ministeriums für Mittelmaschinenbau haben uns noch nicht verraten, wie viel es unser Volk gekostet hat, sich auf den Dritten Weltkrieg vorzubereiten. Und wie sah das Leben hinter dem Stacheldraht aus, dessen Windungen noch immer in der Tundra rosten? Die Wachen waren durch zwei Reihen Stacheldraht von Leks Baracken getrennt.
Die von Novak übermittelten Fotos zeigen Barackenreihen, Fischfässer, zerbrochene Flugzeugteile, Hubschrauber und Türme sowie einen Sack Machorka aus dem Jahr 1943.
Rund um dieses Lager gab es nicht nur Arbeit, sondern auch sowjetische Toponymie: der Berg Oktjabrskaja, die Flüsse Schdanowa und Leningradskaja...
N. DSJUBENKO.
Auf dem Foto: Ruinen und Baracken auf dem Gelände des ehemaligen Lagers "Rybak"
in der Nähe des Taimyr-Sees.
Foto aus dem Fundus des Museums
„Polar-Wahrheit“, 30.10.1991