Nachwort zum Ersten Kongress der Deutschen der UdSSR
Der historische Erste Kongress der Deutschen der UdSSR — ein Ereignis von großer politischer Bedeutung. Von ebensolcher Bedeutung sind die Tagungen der ersten und zweiten Stufe des außerordentlichen Kongresses der Deutschen aus Russland und den ehemaligen Republiken der UdSSR, die im März und Oktober 1991 stattfanden.
Es ist überaus verständlich, warum nicht nur der Westen, sondern die ganze Welt ihre Aufmerksamkeit auf diesen Kongress gerichtet hat. Die ein halbes Jahrhundert alte, von Menschen verursachte Tragödie eines Volkes ist seit Jahrzehnten Gegenstand der Beobachtung und Analyse in der zivilisierten Welt, in der die 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ihren Ursprung hat und streng eingehalten wird. Die Erklärung wurde im Übrigen von den Führern der UdSSR im selben Jahr anerkannt und unterzeichnet. Aber dieses Dokument wird in unserem Land immer noch verletzt. Deshalb kann die Weltgemeinschaft nicht gleichgültig zusehen, wie die Rechte eines ganzen Volkes mit Füßen getreten werden.
Als Delegierter der Tagung, gewählt von den Deutschen des Taimyr-Gebiets und der Industrieregion Norilsk, habe ich an der ersten und zweiten Phase dieses wichtigen Forums teilgenommen. Ich weiß, dass meine Landsleute auf meinen Bericht, meine Analysen und Ansichten zu diesem Ereignis warten.
Ich möchte unsere Leser daran erinnern, dass der Journalist A. Lewenko vom Exekutivkomitee des Bezirksrats der Taymyr-Region und der Redaktion der Zeitung "Sowjetskij Taymyr" für die zweite Stufe des Kongresses akkreditiert wurde. Selbst die Organisatoren des Kongresses und die Delegierten, Vertreter der Literatur und der Kunst, waren von dieser Aufmerksamkeit des fernen Taymyr gegenüber dem deutschen Kongress angenehm überrascht.
Die Einwohner von Norilsk wissen bereits, dass die erste Phase des Kongresses, die im März 1991 in Moskau stattfand, weder vom Präsidenten des Landes noch von der Regierung anerkannt wurde. Es wurde alles getan, um die Öffentlichkeit im Lande und in der Welt glauben zu machen, dass es keinen Kongress gab. Aber der Fluss der Geschichte kann nicht aufgestaut werden. Er wird alle Barrieren durchbrechen und alle Unwahrheiten und Heucheleien an seinen Ufern ausschütten. Der Kongress der Deutschen ist eine Realität. Er wurde dank der Bemühungen der Allunionsgesellschaft der Sowjetdeutschen "Wiedergeburt" ermöglicht, deren Aktivitäten auf die vollständige Rehabilitierung des unterdrückten Volkes ausgerichtet sind.
Es ist offenkundig, dass der wichtigste Meilenstein in der Geschichte der Sowjetdeutschen die Bewegung für die Wiederherstellung der nationalen Staatlichkeit an der Wolga war. Beide Etappen des Kongresses waren diesem Problem gewidmet. Das Forum definierte offen und klar die nationale Tragödie, deren Name ein halbes Jahrhundert staatlicher Völkermord ist. Sie setzt sich im geistigen Bereich bis heute fort.
Und so begann der Kongress (seine zweite Etappe) seine Arbeit am *8. Oktober im Kino "Oktober" auf dem ehemaligen Kalinin-Prospekt von Moskau. Der Akademiker B.V. Rauschenbach eröffnete die Plenarsitzung. Er formulierte die Hauptforderung, die von allen Führern der deutschen Bewegung im Lande unterstützt wurde: die Wiederherstellung des Staatswesens. Die Republik der Deutschen soll an der Wolga liegen.
A. N. Jakowlew, Staatsberater des Präsidenten der UdSSR, erhält das Wort auf dem Kongress und verliest das Grußwort von M.S. Gorbatschow, das mit den Worten "Liebe Genossen!“ beginnt. "Bitte nehmen Sie meine herzlichsten Glückwünsche zu dem großen Ereignis im Leben des zwei Millionen zählenden deutschen Volkes entgegen - dem Ersten Kongress der Deutschen der UdSSR...".
Am zweiten Tag des Kongresses sprach L.L. Prokopjew, Vorsitzender des Staatskomitees für nationale Sicherheit der RSFSR. Er verlas die Botschaft des Präsidenten der Russischen Föderation B. N. Jelzin: "Ich begrüße den Kongress der Sowjetdeutschen, der in Moskau eröffnet wurde. Ich glaube, dass er eine besondere Rolle bei der Rehabilitierung dieses Volkes spielen und wichtige Impulse für die vollständige Wiederherstellung seiner Rechte geben sollte, einschließlich des Rechts, auf dem Territorium der RSFSR wieder eine Republik zu gründen...".
Die Botschaften der beiden Präsidenten würdigen den großen Beitrag der Russlanddeutschen zur Entwicklung einer Reihe großer Gebiete in Russland und des Landes, zur Entwicklung des russischen Staatswesens, der nationalen Wissenschaft und Kultur. Es wurde der Wunsch und die Zuversicht geäußert, dass die Sowjetdeutschen noch viele helle Seiten in der nationalen Geschichte schreiben werden. Ich möchte gerne an die Aufrichtigkeit dieser Worte glauben.
An den ersten beiden Tagen war Horst Waffenschmidt, Parlamentarischer Staatssekretär des deutschen Innenministeriums, anwesend und sprach mehrmals.
Leonid Prokopjew, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit der RSFSR, machte die Kongressdelegierten mit dem Plan für die schrittweise Wiederherstellung der Republik an der Wolga vertraut. Das Programm umfasst vier Punkte; bis Ende 1991 soll es die Ausgangspositionen für diese wichtige politische Entscheidung festlegen; die ersten sechs Monate des Jahres 1992 sind für die Koordinierung aller Fragen in den Ministerien und Abteilungen reserviert; danach wird die organisierte Umsiedlung der Deutschen, die an der Wolga leben wollen, beginnen; 1993-1994 werden die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Voraussetzungen für die Entwicklung der deutschen Republik geschaffen.
Die Kongressdelegierten nahmen das Konzept des Staatskomitees der Deutschen Republik mit einer gewissen Besorgnis und eher zwiespältig wahr.
H. Waffenschmidt sprach von der Notwendigkeit, alles zu tun, damit auch in Zukunft möglichst viele Deutsche in ihrer Heimat - in den wiederhergestellten Republiken an der Wolga - bleiben wollen. Zu diesem Zweck wird von deutscher Seite ein umfangreiches Hilfsprogramm für die Entwicklung der Industrie in der Region ausgearbeitet, das den dort lebenden Völkern und ganz Russland zugutekommen wird.
Bereits in der Mitte des ersten Arbeitstages beschloss die überwältigende Mehrheit der Anwesenden (in offener Abstimmung) auf Vorschlag der Delegierten eine sehr wichtige Frage - die Anerkennung der Arbeit der März-Phase des ersten Kongresses - und bestätigte die Erklärung und andere im März angenommene Dokumente des Forums. Auch die Mandate der 50 Vertreter, die im März in den Rat für die Wiederherstellung der nationalen Republik gewählt worden waren, wurden bestätigt. Die Versammlung im Oktober erhielt somit offiziell den Namen "Zweite Etappe des Kongresses der Deutschen der Vereinigung souveräner Staaten".
Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat auch die Probleme der Deutschen des Landes verschärft, da sie in allen ehemaligen Sowjetrepubliken (heute souveräne Staaten) leben. Und schon die Bezeichnung "Russlanddeutsche" oder "UdSSR-Deutsche" entspricht nicht mehr der realen Situation der Menschen, die in der Vergangenheit deportiert wurden und nun über ein riesiges Gebiet verstreut sind. Um dieses Problem zu lösen, müssen sich heute die Parlamente aller souveränen Staaten einigen, was in den vom Kongress verabschiedeten Dokumenten betont wurde.
Der Vorsitzende des Allrussischen Gesellschaft der Russland-Deutschen "Wiedergeburt", Heinrich Heinrichowitsch Groot (Groth), gab auf dem Kongress einen ausführlichen Bericht. Er konzentrierte sich auf die letzten drei Jahre der deutschen Bewegung in diesem Land. Er übt scharfe Kritik an den verschiedenen Versuchen, die deutsche Bewegung von ihrer Hauptaufgabe abzulenken, bewertet die Bedeutung der ersten Etappe des Kongresses im März und geht besonders auf die Situation an der Wolga ein. Alle warteten darauf, dass der Präsident der RSFSR die Bühne betrat und das lang erwartete "Es wird die Republik geben" aussprach. Aber B. N. Jelzin hat den Kongress nicht mit seinem Erscheinen erfreut. Die Delegierten des Kongresses nahmen diese Tatsache mit Schmerz im Herzen auf.
Einige führten das Beispiel an, dass B. N. Jelzin am Juristenkongress teilnahm. Andere erinnerten an das Interview von Boris Jelzin mit dem Herausgeber der Zeitung "Freundschaft" (Kasachstan), in dem Boris Nikolajewitsch auf die Frage, ob er am Kongress der Deutschen teilnehmen werde oder ob ihn etwas daran hindern könne, inbrünstig antwortete, nur der Tod könne ihn daran hindern.
W. F. Diesendorf sprach auf dem Kongress mit einem Vortrag "Über das Konzept der Wiederherstellung der deutschen Republik", in dem er den von L. P. Prokopjew vorgeschlagenen Plan kritisierte, G. Wolter sprach in seiner Rede über eine Analyse der heutigen Auswanderungspolitik. In seiner Rede am 19. Oktober sagte I. Kronewald "Die Republik ist immer noch alles, aber ohne die Republik ist alles nichts".
Der Kongress wurde von Vertretern von Griechen, Aserbaidschanern, Ingermanland-Finnen, der Bewegung "Demokratisches Russland", der Kirche der... begrüßt.
Am Ende des zweiten Arbeitstages sprachen L. Prokopjew und Ch. Waffenschmidt über das Gespräch, das sie gerade mit Boris Jelzin geführt hatten. Bei dem Treffen sei die Frage der Vorbereitung von Vorschlägen für den Besuch von Boris Jelzin in Deutschland am Ende des zweiten Arbeitstages erörtert worden. N. Jelzins Besuch in Deutschland Ende November 1991 (er hat bereits begonnen - Red.), um die Frage der Wiederherstellung der deutschen Staatlichkeit im Wolgagebiet zu lösen. Die Delegierten forderten, dass die Vertreter des Präsidiums des Kongresses an der Ausarbeitung eines zwischenstaatlichen Dokuments über die Probleme der Deutschen beteiligt werden. L. Prokopjew und Ch. Waffenschmidt stimmten dem zu.
Etwa hundert Delegierte wollten auf dem Kongress das Wort ergreifen, aber aus
Zeitgründen gelang dies nur wenigen.
Der Saal würdigte mit stehenden Ovationen ein wichtiges Datum in der Geschichte
der Sowjetdeutschen: Am 19. Oktober 1918 war per Dekret von W. I. Lenin die
Wolgadeutsche Arbeiterkommune proklamiert worden.
Es sei darauf hingewiesen, dass in der zweiten Phase des Kongresses die Plattform "Wiedergeburt" allgemeine Unterstützung erhielt,
All diejenigen, die nach dem Szenario des Zentrums in Opposition zu dieser Bewegung standen, haben eine ernste Lektion gelernt. Dies ist sehr wichtig.
L. Loch
Delegierter des Außerordentlichen Kongress der Deutschen in der Union Souveräner
Staaten.
„Polar-Wahrheit“, 21.11.1991