Im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verbots der KPSS beim Verfassungsgericht kam erneut die Frage über die Schuldhaftigkeit der Partei an der Durchführung von gegen das eigene Volk gerichteten Massenrepressionen auf. Der Terror wurde während ihrer gesamten Regierungszeit von ihr als wesentliches Mittel der Machterhaltung anerkannt und real eingesetzt. Allerdings wurde das Jahr 1937 zum Jahr des Großen Terrors, als das strafende Schwert der Partei – das NKWD – ihre Opfer in allen sozialen Schichten unserer Gesellschaft niedermähte, in jeder noch so kleinen Ortschaft.
Die Repressionen des Jahres 1937 begannen mit dem Inkrafttreten des Beschlusses des Politbüros des Zentralkomitees der WKP (B) vom 02.07.1937 „Über antisowjetische Elemente“, in dem die Parteiorgane, Sekretäre der Gebiets- und Bezirkskomitees, und das Zentralkomitee der nationalen kommunistischen Partei ersucht wurden, dem Zentralkomitee die personelle Zusammensetzung der Trojkas mitzuteilen, sowie eine Liste derer vorzulegen, die erschossen oder vertrieben und in Lagen inhaftiert werden sollten. Im Laufe des Monats Juli 1937 bestätigte das Politbüro die personale Zusammensetzung der Trojkas zur Überprüfung antisowjetischer Elemente. Dazu gehörten: der Leiter des örtlichen NKWD (der Vorsitzende der Trojka), der Leiter der WKP (B) in der betreffenden Region (der erste oder zweite Sekretär des Gebiets-, Bezirkskomitees) und der Staatsanwalt oder sein Stellvertreter in der Eigenschaft als gewöhnliches Mitglied der Trojka. Für die Region Krasnojarsk wurden folgende Personen innerhalb der Trojka bestätigt: Leonjuk, Gortschajew, Rabinowitsch.
Während des Juli 1937 schickten die Sekretäre der Gebiets- und Bezirkskomitees der WKP (B) an das Zentralkomitee Informationen über die Anzahl der Personen, die erschossen werden sollten. Auf Grundlage dieser Daten und unter Berücksichtigung der Direktiven des Zentralkomitees wurde beim NKWD ein Gesetzesentwurf „Über die Operation zur Verfolgung ehemaliger Kulaken, Straftäter und anderer antisowjetischer Elemente“ vorbereitet. Am 31.07.1937 bestätigte das Politbüro den Gesetzesentwurf, der noch am gleichen Tag, unter der Aktennummer N 00447, vom NKWD rechtskräftig gemacht wurde. In der Verordnung waren Höchstgrenzen für die nach Kategorie eins (Erschießung) und Kategorie zwei (Inhaftierung im Lager) verurteilten Personen. Die allgemeine Zahl derer, die Repressionsmaßnahmen unterworfen waren, betrug 286 950 Personen, davon waren 75 950 für eine Erschießung vorgesehen. Schon kurz nach der Verabschiedung des Befehls über die Durchführung der Operation erbaten die Regions- und Gebietskomitees, nachdem sie die Höchstgrenzen für die Erschießungen ausgeschöpft hatten, die Genehmigung, die Grenzen heraufzusetzen. Auf die Anfrage des Krasnojarsker Regionskomitees antwortete Stalin persönlich. Der Text lautet so: „Das Limit für Verurteilungen in der ersten Kategorie ist in der Region Krasnojarsk um zusätzliche 6600 Personen heraufzusetzen. J. Stalin“.
Parallel zur Erledigung der oben erwähnten Operation wurde eine Reihe terroristischer Aktionen im Zusammenhang mit einigen sozialen und nationalenBevölkerungsgruppen durchgeführt. Am 20.07.37 verabschiedete das Politbüro einen Beschluß über Repressionen gegen die Deutschen: „Towarischtsch Jeschow ist der Vorschlag zu unterbreiten, den NKWD-Organen schnellstens eine Anordnung zu erteilen, daß sie alle Deutschen, die in Rüstungsbetrieben arbeiten, verhaften und sie den Verkauf der Festnahmen und die Zahl der festgenommenen Personen täglich in einem zusammenfassenden Bericht dukumentieren und das Zentralkomitee davon in Kenntnis setzen“. Dementsprechend wurde von Jeschow unter der Aktennummer N 00439 vom 25.07.1937 ein Befehl herausgegeben. Eine analoge Anweisung über die Verhaftung von Polen wurde vom Politbüro am 09.08.1937 bestätigt und unter der Nummer N 00485 am 11.08.1937 durch das NKWD verabschiedet. Auf genau dieselbe Art und Weise wurden auch Anordnungen für die Verhaftung von Letten, Finnen, Griechen, Chinesen und anderen bekräftigt.
Laut Beschluß des Politbüros vom 31.03.1937 sah die Anordnung das Ende der Operation innerhalb von vier Monaten vor. Aber es kam nicht so. Auf Anweisung des Politbüros vom 31.01.1938 wurd die Operation bis zum 15.04.1938 verlängert; ferner wurde dem NKWD im Rahmen dieses Beschlusses befohlen, die planmäßige Operation bis zum 15. April durchzuführen und die Kader (so die Originalsprache) der Bulgaren und Mazedonier, sowohl die ausländischen Staatsangehörigen, als auch die, die Staatsbürger der UdSSR waren, zu vernichten. Dazu wurden die Höchstgrenzen für beide Kategorien in 23 Republiken, Regionen und Bezirken erneut heraufgesetzt. Aber auch bis Mitte April war es nicht gelungen, die Aktion zum Ende zu bringen. Das Politbüro legte auf seinen Sitzungen immer wieder neue Höchstgrenzen fest.
Die Durchführung der umfangreichen NKWD-Maßnahmen erforderte Geldmittel. Am 31.07.1937 wurde beschlossen: „Dem NKWD aus dem Reservefond des Rates der Volkskommissare für operative Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung der geplanten Operation, 75 Millionen Rubel zur Verfügung zu stellen, davon 25 Millionen für die Bezahlung von Fahrtkosten mit der Eisenbahn“. Außerdem wurde dem GULAG mit diesem Beschluß ein Vorschuß von 10 Millionen Rubel für die Organisierung der Lager zugeteilt. Die Gelder wurde gemäß Anweisung N 1244 – 286 cc des Rates der Volkskommissare vom 01.08.1937 unverzüglich zugeteilt. In Zusammenhang mit der Erweiterung des zeitlichen Rahmens für die Durchführung der Operation wandte sich NKWD-Volkskommissar Jeschow an Molotow mit der Bitte, noch weitere 62 Millionen Rubel zu gewähren. Das Ansuchen wurde ohne Verzögerung gebilligt.
Das Politbüro verabschiedete den Beschluß über die Einstellung aller Verfahren durch die Trojkas und liquidierte am 17.11.1938 alle Trojkas. Allerdings blieb es bei den Sondersitzungen des NKWD der UdSSR, die auch weiterhin angespannt tätig waren. Vom 17. November datiert auch eine Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR und des Zentralkomitees der WKP (B) „Über Verhaftungen, staatsanwaltschaftliche Aufsicht und die Durchführung von Ermittlungsverfahren“, die ebenfalls vom Politbüro verabschiedet wurde. In dem Befehl ist von der großen Arbeit die Rede, die die NKWD-Organen geleistet hätten und die äußerst positiv bewertet werden könne. Alelrdings wird hier unterstrichen, daß die Operationen der Jahre 1937-1938 zu einer Reihe von Fehlhandlungen und falschen Interpretationen innerhalb der Arbeit des NKWD und der Staatsanwaltschaft führte. Im Zusammenhang mit dieser Anordnung stellten einige NKWD-Mitarbeiter die Anwendung von Foltermaßnahmen während der Ermittlungen ein. In einem verschlüsselten Telegramm an die ersten Sekretäre der Organisationen vor Ort erinnert er daran, „daß die Anwendung physischer Gewalt in der Praxis des NKWD seit 1937 mit ausdrücklicher Erlaubnis des Zentralkomitees der WKP (B) zugelassen war. Das Zentralkomitee der WKP (B) ist der Meinung, daß die Methode körperlicher Züchtigungen künftig unbedingt weitergeführt werden soll, außer bei ganz offensichtlichen Volksfeinden, die ihre Waffen nicht abgelegt haben. Sie sieht solche Maßnahmen als vollkommen gerechtfertigte und zweckmäßige Methode an“.
Wladimir SIROTININ, Vorsitzender der Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft
In der Publikation wurden Archivmaterialien der Russischen „Memorial“-Gesellschaft
verwendet.
SG, Oktober 1992, Nr. 37 (79)