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Geschichte eines anonymen Friedhofs: die Versionen von Behörden und „Memorial“ stimmen nicht überein

Der Nachrichtendienst „Meine Stimme“ setzt die Untersuchung zum Tatbestand der Entdeckung einer Massenbegräbnisstätte menschlicher Überreste (s. N 32) im Bezirk des alten Flugplatzes fort. Bei Redaktionsschluss für diese Ausgabe und deren Freigabe zum Druck wurden die nächsten Schritte der Verwaltung des Sowjetischen Bezirks in Krasnojarsk bekannt, auf dessen Territorium die Überreste entdeckt und auch neue Vermutungen über Gründe und Zeitpunkt der Bestattung angestellt wurden.

Viktor Gorbatschow, erster Stellvertreter der Administration des Sowjetischen Bezirks:

- Mit dieser Sache haben sich jetzt ernsthaft die Bezirksstaatsanwaltschaft, die Bezirksabteilung für innere Angelegenheiten und unsere Sanitäts- und Epidemie-Stelle beschäftigt. Das Ministerium für Staatssicherheit hat entschieden, sich nicht damit zu befassen, und alles in die Zuständigkeit der lokalen Rechtsorgane zu übertragen. Bislang ist mir nicht bekannt, ob aus diesem Anlass ein Kriminalverfahren eingeleitet worden ist, aber nach Meinung der Mitarbeiter der Bezirksabteilung für innere Angelegenheiten liegen Tatbestände dafür vor. Wenn es trotzdem nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen sollte, dann werden diese sterblichen Übererste in Kürze exhumiert und als nicht identifiziert auf den Friedhof umgebettet.

Und nun zur Herkunft der Überreste. Nach Meinung kompetenter Personen befand sich hier während des Großen Vaterländischen Krieges ein evakuiertes Hospital, und möglicherweise handelte es sich hier um die sterblichen Überreste verstorbener Verwundeter. Aus inoffiziellen Quellen ist uns bekannt, dass dies nicht die erste Bestattung an diesen Stellen ist.

Um auf jeden Fall Unannehmlichkeiten zu umgehen hat die Sanitäts- und Epidemie-Stelle allen, die in diesem Bezirk arbeiten, empfohlen, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Es wurden auch Bodenproben für Untersuchungszwecke entnommen.

Wir vereinbarten mit der Bezirksabteilung für innere Angelegenheiten, dass sich dort tagsüber ein Posten der Miliz aufhält. Während der Nachstunden wird dieser Ort allerdings leider nicht bewacht.

Aleksej BABIJ, „Memorial“-Gesellschaft

- „Memorial“ ist am Bestattungsort gewesen, konnte jedoch bereits keine Knochen mehr entdecken, lediglich Spuren davon. Dies ist bereits die dritte Bestattung im Bezirk des Flugplatzes. Das erste Mal waren wir dort vor etwa zwei Jahren und haben die Arbeit der Staatsanwaltschaft beobachtet. Es gelang damals nicht irgendetwas Kriminelles aufzudecken: die skelettierten Überreste waren überwiegend Frauen und Halbwüchsigen zuzuordnen, Kleiderspuren gab es nicht, und es gab auch keine Anhaltspunkte auf Erschießungen.

„Meine Stimme“, 33. September 1993


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