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Memorial schreitet durch den Planeten

Es ist noch nicht lange her, am 19. April, daß sich ein Ereignis vollzog, über dessen Notwendigkeit schon seit drei Jahren Streitgespräche unter den "Memorial"-Aktivisten stattfanden. Die allrussische Gesellschaft, wenn auch eine niemals registrierte, war ein Jahr zuvor "im täglichen Arbeitsprozeß" umbenannt worden in eine"Zwischenrepublikanische" und endlich beim russischen Justizministerium eingetragen. Aber dabei erhielt "Memorial" eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der Poloskovschen KPdSU: sie setzte sich zusammen aus republikanischen Organisationen der Ukraine, Moldawiens, Kasachstans, usw., aber eine russische Organisation existierte dort nicht. Die Notwendigkeit, diese Lücke zu beheben, war offensichtlich: ohne eine russische Organisation ist eine Zusammenarbeit mit den gesetzgebenden Organen und der Exekutivmacht der RF schwierig, die Aufstellung der Kandidaten von "Memorial" zu den bevorstehenden (früher oder später) Wahlen ist unmöglich. Aber viele bei "Memorial", besonders die Moskauer, waren sehr verwirrt darüber, daß die überflüssige Organisationsetage mehr Kraft und Zeit von den Leuten abverlangt und sie ohne sie gezwungen waren sich zu drehen, wie das Eichhörnchen auf dem Rad.

Endlich, am 19. April, wurde der Rubikon überschritten. An diesem Tage wurde die Geschichts-forschungs- und wohltätige Rechtsverteidigungsgesellschaft "Memorial" Wirklichkeit: es wurde ihre Satzung beschlossen und ein ständiges Koordinierungsorgan gewählt - das Arbeitskollegium. Dieses denkwürdige Ereignis geschah zur Stunde der Vorortzugfahrt vom ruhmreichen Petersburg zum Ufer des Finnischen Meerbusens, in den Badeort Repino (früher Kuokkala genannt), wo vom 18-19 April die dritte Konferenz der Gesellschaft "Memorial" stattfand.

Genau dort haben doe Abgeordneten der lokalen russischen Filialen der Gesellschaft ihre Entscheidung gefällt, eine republikanische Organisation ins Leben zu rufen.

Sie beschlossen, das Kollegium der russischen Gesellschaft so kompakt wie möglich zu machen, mit nur sieben Als Resultat der Wahlen waren fünf ihnen Moskauer und zwei Vorsitzende von örtlichen Gesellschaften: Jurij Markowin von der Filiale in Jaroslawsk und Wladimir Sirotinin aus unserer in Krasnojarsk. Als von einem der Delegierten die Frage gestellt wurde, auf welche Weise Sirotinin bei der Arbeit der ständigen Organe mitwirken könnte, antworteten die Moskauer ohne nachzudenken:"Wenn es irgendeine wichtige Frage zu entscheiden gibt, werden wir ihn anrufen und nach seiner Meinung fragen."

Doch auf der Aprilkonferenz in Repino wurde nicht nur die russische "Memorial" ins Leben gerufen. Einen Tag früher, am 18. April, wurde als Ersatz für die interrepublikanische die internationale Gesellschaft gegründet. Alle Delegierten fällten diese Entscheidung: die russischen, die ukrainischen, die estischen, die kasachischen, usw.

Aber ins Arbeitskollegium der Internationalen "Memorial" (hinter den Kulissen wurde sie sofort "interplanetarische" getauft) wurden von dreizehn Leuten elf Moskauer gewählt, Vertreter der armeinschen "Memorial", die auch ständig in Moskau lebten, und wieder der Krasnojarsker Wladimir Sirotinin.

Doch verzeihen mir jene Leser, die nicht diese Zeit nach den politischen Paragraphen absitzen oder die Heimat unter Maschinengewehren in einem Güterwaggon verlassen mußten: die zwei nächsten Absätze in diesem Text werden Sie bestimmt nicht interessieren, aber man kann sie auslassen, ohne Nachteil für das Verständnis des weiteren Textes. Später werde ich die Erzählung über dieses internationale "Memorial" und seine ersten Schritte auf dem Planeten weiterführen.

Und so beschäftigte sich diese Konferenz nicht nur mit Organisationsfragen. Die Delegierten haben sehr viel Aufmerksamkeit den Gesetzesakten über die Wiederherstellung der Rechte der Opfer politischer Repressionen gewidmet, die in der Ukraine, der Russischen Föderation und anderen Staaten "des sechsten Teils der Erde" angenommen wurden, und besonders beschäf-tigten sie sich mit der praktischen Anwendung dieser Akten und zahlreichen Probleme, die noch nicht gelöst waren. Außer den Abgeordneten von der lokalen Abteilung äußerten sich zu diesen Fragen A. Roginski und A. Daniel - das waren Mitglieder dieses Arbeitskollegiums, die man übrigens sehr oft in den wöchentlichen Programmen von Rußland-Radio "Wuibor" hören kann. Es wurde eine Mitteilung über die Vorbereitung der Veränderungen und Ergänzungen zu dem russischen Gesetz +ber die Rehabilitation gemacht (sie regeln hauptsächlich die Wiederher-stellung der Besitzrechte von Rehabilitierten, einschließlich Bauern, die das heute existierende Gesetz "vergessen" hat, und ebenso die Erweiterung und genaue Personenaufnahme, die früher als unrechtmäßig verfolgt anerkannt waren). Die Delegierten erfuhren auch, daß die zwischenstaatliche Absprache zwischen der RF, der Ukraine und Weißrußland noch in Bearbeitung ist. Wenn sie abgeschlossen ist, werden die Leute, die nach dem ukrainischen oder weißrussischen Gesetz rehabilitiert waren, auch bei uns alle Rechte und Wiedergutmachungsleistungen bekommen, die im russischen Gesetz vorgesehen sind (außer dem Recht auf eine Kompensierung; die wird von der Ukraine und Weißrußland ausgezahlt). Es gibt die Hoffnung, daß es in den nächsten Monaten passiert.

Die Konferenz wandte sich an die Parlamente und Regierungen aller Länder, die auf dem Gebiet des früheren sowjetischen Imperiums entstanden sind, mit der ausdrücklichen Bitte, in einer gesetzlichen Ordnung die Rechte der Opfer von politisch Unterdrückten zu gewährleisten und dort, wo die Rehabilitationsgesetzt schon angenommen sind, sie durchzuführen, entsprechend den Anforderungen internationalen Rechts. Hier wurde Vieles noch nicht gemacht. Z. B. in Kasachstan wurde bis jetzt das Gesetz nicht verabschiedet, das die Wiedergutmachung für die Haftzeit der Rehabilitierten festlegt. Es ist bekannt, daß so ein Projekt vorbereitet ist, aber - wie ein Vertreter des "Memorial" in Kasachstan erzählt hat, trifft er im Obersten Sowjet auf großen Widerstand.

Jetzt, wie versprochen, kommen wir zurück zu den Angelegenheiten der Internationalen Gesellschaft. Übrigens, nach Repino kam eine Dame aus Nizza, die sich unverzüglich nach der Bekanntgabe des Internationalen "Memorials" zu Wort meldete und erklärte, daß sie sich vorgenommen habe, eine Abteilung dieser Gesellschaft an der Côte d'Azur zu gründen.

Im übrigen, wer weiß - vielleicht gibt es auch dort Arbeit für "Memorial"? Um so mehr, als es auch schon als internationale Gesellschaft die Aufgabe auf sich genommen hat, die Opfer nicht kommunistischer, totalitärer Regimes zu vertreten.

An die Delegierten der Konferenz wendete sich ein Mitarbeiter des tschechischen Konsulats in St. Petersburg. Das Konsulat beschäftigt sich schon seit drei Jahren mit dem Aufspüren des Schicksals von Tschechen und Slowaken, die nach dem 2. Weltkrieg in die UdSSR getrieben worden sind, und hofft, daß "Memorial" ihnen in dieser Frage helfen kann.

An die Adresse der Konferenz kam ein Brief aus einem wissenschaftlichen Verlag des "Karta"-Zentrums, der seit 1982 in Warschau tätig ist (bis 1989 war das selbstverständlich im Untergrund), der auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau eine wunderbare Zeitschrift unter gleichem Namen herausgegeben hat, und auch Bücher über die Geschichte des kommunistischen Regimes in Polen. Es war ein Antrag über die Aufnahme dieses "Karta"-Zentrums in die Gesellschaft "Memorial". Der Leiter dieses Zentrums, Zbigniew Glusa, hat in seinem Brief sein Bedauern ausgedrückt, daß er wegen Ostern selber nicht kommen kann (aus dem gleichen Grund haben wahrscheinlich auch die Vorsitzenden aus Litauen nicht teilgenommen).

Eigentlich schade. Aber viele von den Delegierten hatten schon die Gelegenheit, Zbigniew kennenzulernen, weil sie einige Tage vor der Konferenz aus Warschau gekommen sind, von der Woche des Gewissens, die vom 6.-12- April im Museum der Unabhängigkeit stattgefunden hat (ehemaliges Lenin-Museum).

Diese Woche, die mit gemeinsamen Bemühungen des "Karta"-Zentrums vorbereitet worden war, das eng verbunden ist mit dem östlichen Archiv und der Gesellschaft "Memorial", ist eigentlich zum ersten großen Schritt für dieses Internationale "Memorial" geworden, obwohl sie auch der formalen Bekanntgabe ein wenig voraus waren.

Die Mannschaft von "Memorial", die nach Warschau gekommen war, bestand aus mehr als fünfzig Leuten: ungefähr zwanzig aus Moskau, - das waren meistens Leute, die sich mit globalen Fragen beschäftigen (z.B. Karte des GULAG, Zentral-Archive, die Struktur und das Funktionieren von GPU, NKWD und MGB, Rechtsfragen, usw.), ungefähr zehn Leute aus Petersburg, einige "Memorial"-Mitglieder aus Komi (Syktyvkar, Uchta, Workuta). Gar nicht schlecht war der Ural vertreten, ein bißchen schlechter Sibirien: nur aus Tomsk, Krasnojarsk, Abakan und Sludjanka am Baikalsee.

Die Ukraine wurde vertreten durch die unersetzliche und unermüdliche Nina Feduschak, Kasachstan durch Viktor Snitkowski. Zum großen Bedauern waren überhaupt keine Vertreter aus Weißrußland und Litauen da. Wir müssen auch noch eine kleine Teilnehmergruppe nennen, die keine Beziehung zum "Memorial" hatte, aber durch ihre Arbeit mit dem Thema der Woche (des Gewissens) eng verbunden waren: das waren Pjotr Romanow aus der Moskauer Gesellschaft der Polen, Genadij Schaworonkow von der Zeitung "Moskauer Nachrichten" und Stepan Rodsjewitsch aus der Hauptkriegs-Staatsanwaltschaft. - er war Mitglied der beiderseitigen Kommission für die Erforschung der Katyn-Erschießungen. An der Woche des Gewissens hat auch ein polnischer Generalkonsul, Michail Schurawski teilgenommen, der aus Moskau angereist war.

"Memorial" brachte die Ausstellung "Kunst des GULAG" mit und eine Auswahl Dokumentarfilme, darunter einige über Solowki, Katyn, über die Nachkriegslager in Ryazan, über Polen - Opfer des Großen Terrors. Das "Karta"-Zentrum brachte Fotoausstellungen über Workuta, über die Eisenbahnlinie Salechard - Igarka. Eine Ausstellung von Verbannungs- und Lagerreliquien, Dokumente, Fotografien, die die Warschauer Filiale zur Woche des Gewissens vorbereitet hatte.

Das Bündnis der Sibirier. Diese Organisation vereint ehemalige Gafangene und Verbannte, in die Tundra, in die Taiga oder die Halbwüste Kasachstans Vertriebene, nach der 4. Teilung Polens 1940-1941 und ebenso 1944-1953.

Der zweite Teil dieser Woche des Gewissens bestand aus einer in dem Rahmen durchgeführten Konferenz, die man als wissenschaftlich-praktisch bezeichnen kann. Mit den Kräften des "Karta"-Zentrums und dem Östlichen Archiv, mit der Beteiligung des militärhistorischen Instituts und anderer akademischer Einrichtungen für die Teilnehmer der Konferenz, wurde ein umfassender Kurs über die Geschichte Polens von 1939-1989 abgehalten, mit zusätzlichen Informationen über die zu dieser Zeit gehörenden Archive in Polen, Groß-Britannien und den USA.

Als die "Memorial"-Aktivisten an der Reihe waren, haben sie eine Zusammenfassung der letzten fünf Jahre ihrer Geschichte und Tätigkeit gegeben, sowie Informationen über die Struktur der Archive, die in der UdSSR verblieben sind, und über die Möglichkeiten, dort Zutritt zu gewinnen, über die Verabschiedung gesetzlicher Akten in der Russischen Föderation und der Ukraine, die die Ordnung von Rehabilitationen und Rechten von Rehabilitierten festlegen.

Die Vorsitzenden der örtlichen "Memorial"-Abteilungen haben erzählt, was sie erreichen konnten bei der Suche nach der geschichtlichen Wahrheit über die sowjetischen Repressionen gegen die Polen und gegen polnische Bürger.

Besonders möchte ich die Ansprache des aus Frankreich angereisten Jacques Rossi, dem Autor des bekannten Nachschlagewerkes über den GULAG hervorheben. Herr Jacques hat über die Entstehungsgeschichte des Buches erzählt. Als Grundlage hat ihm seine reiche Lebenserfahrung und tiefgründiges Wissen in unserer großartigen und mächtigen Sprache gedient, die der Autor in der Mitte der sowjetischen Wirklichkeit gesammelt hat, in den Verbannungslagern von Norilsk.

Genau diese Sprache hat der Gast aus Frankreich auch bei seiner Rede benutzt, und er hat sich so frei geäußert, daß viele Damen ihre Mienen verzogen und sich flüsternd empört haben. Im übrigen, einige Einwände gegenüber dem Vortragenden hatte auch das ganze Auditorium. Er war z.B. irgendwie überzeugt, daß es noch zu Lebzeiten des "Führers aller Völker" in den Sowjet-lagern keine offenen Widerstandsbewegungen gab (und das war überhaupt nicht so).

Im großen und ganzen mußte die Persönlichkeit des Autors des Lexikons und auch seine Ansprache einfach Interesse wecken.

Spezielle Abendsitzungen hat man dazu benutzt, um Erfahrungen auszutauschen zwischen "Memorial" und dem Östlichen Archiv über die Herstellung von Gedenkkarten (d.h. Karten von Lagern und Verbannungsorten) mittels Aufschreiben von Erinnerungen der Repressionsopfer

und der systematischen Erfassung durch IBM-Computer. Wie sich herausstellte, "haben sie" im allgemeinen die gleichen Probleme und Schwierigkeiten, die "auch wir" haben, aber "sie" konnten Dank der guten Finanzierung, auch von staatlicher Seite, weitergehen und haben deswegen Fehler gemacht, die wir noch nicht geschafft haben.

Also, Dank unserer Armut haben wir noch eine Chance, aus den Fehlern der anderen zu lernen.

Selbstverständlich hat man sich von höherer Seite abgesprochen über einen wissenschaftlichen Austausch und Zusammenarbeit. Das Feld für unsere gemeinsame Tätigkeit ist groß: Millionen von sowjetischen Bürgern, die eine polnische Nationalität haben, wurden Opfer von Verhaftungen und Deportationen, ungefähr zwei Millionen polnische Bürger (einschließlich einer Million Polen) wurden verhaftet oder deportiert in den Jahren des 2. Weltkrieges. Dritter Teil dieser Woche des Gewissens waren die Bereitschaftsdienste der lokalen "Memorial"-Vertreter, d. h. die für uns so gewöhnliche Besucher-Sprechstunde. Es waren hauptsächlich Polen, die 1940-1941 in den Norden, nach Sibirien oder Kasachstan vertrieben wurden, aber es sind auch ehemalige Häftlinge unserer Konzentrationslager gekommen. Um Entschädigungen zu erhalten, die durch polnische Gesetzt vorgesehen waren, mußten die Leute Dokumente vorlegen, die den Tatbestand bestätigen, daß sie vertrieben und inhaftiert waren. Eine hatten solche Dokumente nicht mehr, und bei einigen wurden sie von den Behörden nach der Repatriierung nach Polen weggenommen.

Aber unter denen, die uns Unabhängigkeitsmuseum gekommen waren, befanden sich auch jene, die alle notwendigen Dokumente hatten, die einfach erzählen wollten von dem Schicksal ihrer Familien oder ihrem eigenen "auf dieser unmenschlichen Erde". So wird in Polen das Land der Lager und der Verbannungen selbstverständlich nicht Rußland und nicht Sibirien genannt, sondern das, was wir als Archipel GULAG bezeichnen. Sehr, sehr viele von ihnen erinnern sich mit Dank-barkeit und Wärme an jene Sibirier, die sich entsprechend ihren bescheidenen Möglichkeiten bemüht haben, sie vor der Willkür des NKWD zu schützen, sie vor dem moralischen und physischen Untergang zu retten. Ja, es gab auch Menschen auf dieser "unmenschlichen Erde". Leider nicht so viele, daß sie aufgehört hätte unmenschlich zu sein.

Die wunderschöne Kristina Lambert, ehemalige Gefangene in der Ljubljanka, die auch im Tawdalag, Norillag und Oserlag war, und nach den Lagern in die Verbannung nach Turuchansk kam, erinnert sich mit Wärme an die Familie Kamkin, - den Flugzeugmechaniker Nikolai und seine Frau Anna, einer Synoptikerin. Kristina hat auf die kleinen Kinder, Wolodja und Tolja, aufgepaßt. Als sie 1954 Turuchansk verließ, haben die Kinder sie fest an der Hand gehalten und wollten sie nicht loslassen.

Herr Ephraim Ephros, heute wissenschaftlicher Mitarbeiter des akademischen jüdischen Geschichtsinstituts (und das mit seinen 82 Jahren!), seit 1932 Mitglied der kommunistischen Partei, mit der er 1968 endgültig Schluß gemacht hat, erinnert sich an den Arzt Iwan Fjodorowitsch Silianko, der ihm im Kraslag 1938 das Leben gerettet hat. Er erinnert sich an den Philologie-Studenten Nikolai Gerassimowitsch Mordowzew, mit dem er in den Jahren zusammen die Jahrhundert-Kiefern gefällt hat, auf den steilen Bergen des östlichen Sajan. Nach der Befreiung war er bei Mordowzew in Krasnojarsk, der im Lokomotiven-Reparaturwerk arbeitete.

Jadwiga Orlowskaja erinnert sich, wie ihre Familie in den Kriegsjahren im Dorf Schumicha lebte, von wo man jetzt die Exkursionen nach Birjussa leitet. Isabella Kurjabinskaja erinnert sich an ihre Mitschülerinnen Walja Wolinkina und Schura Gosiwa aus der 43. Eisenbahnschule in Atschinsk, wo sie mit ihnen von 1943-46 in eine Klasse ging.

Und Danuta Kowalewskaja, heute Journalisten, wurde im Dorf Oreschnoje, Kreis Mansk, geboren, wohin man 1948 ihre Eltern aus Litauen vertrieben hatte. Hier ging sie zur Schule und hat es sogar geschafft, ein Zeugnis für besondere Leistungen für die erste Klasse zu bekommen.

In den Stunden dieses Dienstes im Museum der Unabhängigkeit entstand immer wieder eine spezifische Schwierigkeit: viele Besucher haben versucht, unbedingt den Diensthabenden irgendwelche Mitbringsel zu übergeben, ganz typisch waren kleine Schokoladentafeln, und ihnen das auszureden war keine ganz leichte Sache. Wahrscheinlich hat man uns für Angereiste aus einem Hungergebiet gehalten, Was eigentlich gar nicht so ohne Grund war.

Wenn wir jetzt schon über Lebensprosa sprechen, will ich einige Worte über "die alltägliche Seite" der Warschauer Woche des Gewissens hinzufügen. Die Teilnehmer wurden mit Mittagessen im Gebäude der Warschauer Staatsanwaltschaft versorgt. Die Sache ist so, daß man in diesem Gebäude Räume zur Verfügung gestellt hat für die Arbeit des Östlichen Archivs, obwohl das eine ganz verkehrte Organisation ist. Die Mitarbeiter sind daran gewöhnt, in der Staatsanwaltschaft Mittag zu essen und haben auch gleichzeitig die Mahlzeiten für die Teilnehmer der Konferenz besprochen. Und das Abendessen haben wir in einem ganz gewöhnlichen Café zu uns genommen, das "Die dicke Katka" hieß.

Vor der Abreise nach Moskau wurden der ganzen Mannschaft Proviant mitgegeben: für jeden eine Stange Räucherwurst, ein Päckchen Butter, zwei große Tafeln Schokolade ein Stangen-weißbrot, drei Bananen, drei Apfelsinen und eine 1,5 l Plastikflasche Limonade.

Und im allgemeinen war die tägliche Versorgung ganz einwandfrei organisiert, dank den aufopfernden Bemühungen einiger Mitarbeiterinnen der "Karta"-Gesellschaft. Es war nicht verwunderlich, daß sie am Ende der Woche völlig erschöpft waren, aber sie haben den Mut nicht verloren und haben am Bahnhof alle "Memorial"-Mitglieder verabschiedet.

Eine Woche später hat die Konferenz in Repino die Gründung der Internationalen Gesellschaft "Memorial" verkündet.

 

Warschau-St. Petersburg-Krasnojarsk, 20. Mai 1992
W.S. Birger, Mitglied der Gesellschaft "Memorial" 


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