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Alle Widrigkeiten des Lebens hat er ertragen

Menschen in Irbej

Leongardt (Leonhardt) – der älteste Einwohner. Haben Sie sich nicht schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum die Alten stärker sind als wie und wieso sie sich durch ein langes Leben auszeichnen? Das ist nur deswegen so, weil sie es verstanden haben, sich an jede beliebige Lebenssituation anzupassen, sich darauf einzustellen. Nachdem sie großes Leid erfahren haben, haben sie immer noch genügend Kraft und Überlebenswillen gefunden. Starker Wille und Fleiß wohnen ihnen auch jetzt noch inne. Nehmen wir einmal den ältesten Einwohner von Stepanowka – Aleksander Iwanowitsch Leonhardt. In diesem Jahr vollendet er sein neunzigstes Lebensjahr. Sie glauben, alles, worum er sich in seinem Leben gesorgt hat, materielle Werte waren? Nein! Für ihn waren die Wahrung von Mut und Unerschrockenheit das allerwichtigste. Gerade diese beiden inneren Seeleneigenschaften halfen ihm, sich mit all den Lebensschwierigkeiten zurechtzufinden, die seinem Schicksal reichlich zuteil wurden.

Aleksander Iwanowitschs Leben beginnt im Gebiet Saratow. Er erzählt: „Damals war das eine autonome Republik. Bis heute kann ich mich and den 28. August 1941 erinnern. Das war der Tag, an dem sie uns nach Sibirien aussiedelten“.

Im Oktober kamen sie in Soljanka an, anschließend gelangten sie mit Pferden bis nach Irbej. Leonhardts Familie kam nach Beresowka. Ihn selbst schickten sie, zusammenmit anderen Männern, zur Trudarmee in die tiefste Taiga. Hier bauten sie eine Winterstraße und Baracken. Erst nach Kriegsende wurde es ihm erlaubt, seine Familie nach Stepanowka zu holen.

Von allen Ereignissen erinnert sich der Vater einer großen Familie an eine nicht ganz ungewöhnliche Sache, die Geburt seiner Drillinge. Damals war er zufuß nach Irbej gegangen, um eine Bescheinigung zu beschaffen, mit dem Kleinkinder 10 m Stoff zugeteilt bekamen. Von Irbej fuhr er nach Kansk, um dort in seinem Kontor Geld für die Unterstützung der Familie zu erhalten. Man gab ihm einen wahren Reichtum – 7200 Rubel. Er kehrte mit einer Kuh nach Hause zurück, die er für viertausend Rubel gekauft hatte. Aber statt eines freudigen Wiedersehens erfuhr er, dass eines der neugeborenen Kinder gestorben war – zwei überlebten. Obwohl ein Jahr später eine Tochter geboren wurde, gab es weitere Verluste in der Familie – die Ehefrau des erwachsenen Sohnes, der als Schuldirektor arbeitete. Nicht nur einmal mußte er diese Empfindung durchmachen, als ob eine kräftige Hand ihm das Herz zusammenpreßte. Aber er ertrug alles, hielt alles aus! Er kann sich auch noch an eine erfreuliche Sache erinnern. Als man nämlich 1968 den Dorfrat gründete und er dessen erster Vorsitzender war. Das heißt, er war in den Augen der Gesellschaft ein geachteter Mann. Aber so, wie man keine vergangenen Jahre wieder zurückholen kann, so kehrt auch flüchtiger Ruhm nicht wieder. Alles ist vorbei. Dafür kamm man jetzt mutig sagen: selbst wenn das Leben mir keine weiteren zehn Jahre schenkt, kann ich doch mit dem Gedanken sterben, dass ich gelebt habe, gelebt, gelebt!

„Irbejsker Wahrheit“, 20.05.1998.


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