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Waren die ersten 10 Jahre schwierig?

 (Seiten aus der Gegenwartsgeschichte )

ERINNERST DU DICH WIE ALLES ANFING ......

Mit einem merkwürdigen Gefühl erinnern wir uns heute an das Jahr 1988. Und doch sind sie gar nicht so lange her, diese zehn Jahre. Aber versucht es mal, erzählt mal den heutigen älteren Schulklassen, daß es vor 10 Jahren bei uns weder Snickers noch Avocados gab - besonders Käse gab es jahrelang nicht in den Geschäften, nach Butter mußte man stundenlang anstehen, für löslichen Kaffee und leidlichen Lippenstift flogen die Leute nach Moskau.... Ich fürchte, das glaubt man mir nicht!

Und was war? O, mehr als das! Die UdSSR, eine unzerstörbare Allianz. Der KGB, das Kontor grundtiefer Bohrungen, mit seiner Horde geheimer Mitarbeiter (= Tscheka, OGPU, NKWD, MGB, KGB). Es gab das Politbüro, das ZK, die Kreis-Komitees, die Gebietskomitees, die Rayonkomitees. Es gab mal 50, mal 70 Tausend Panzer (genau erinnere ich das nicht). Na ja, es gab auch noch die literarischen Wlassow-Anhänger Solschenitzins.

Natürlich nicht bei uns, sondern in Vermont. Aber Sacharow war schon aus der Verbannung befreit.

Und sie hatten schon aufgehört, die Leute wegen des Lesens von "Archipel Gulag" hinter Gitter zu bringen.

Das Eis war in Bewegung geraten. Der Prozeß ging voran, es schlug die Stunde des riesigen Aussterbens des Imperiums. Es rollte unaufhaltsam bergab. Nur wußte niemand, wohin es rollte: nicht etwa in einen Atomraketen-Bürgerkrieg?

GLAWLIT, die Hauptverwaltung für Literatur- und Verlagswesen, gab es natürlich auch, aber das Eis bewegte sich und da, zum Januar 1988 geriet es derart gründlich in Bewegung, daß es dem Journalisten Jurij Tschekotschichin gelang, zur "Litgaseta" (Literatur-Zeitung) durchzustoßen mit einer nur ganz kleinen Notiz/Bemerkung über das Sammeln von Unterschriften zur Errichtung eines Denkmals in Moskau für die Opfer der stalinistischen Repression.

Und sogar nicht bloß ein Denkmal, sondern ein Memorial. Da ist sozusagen ein Mensch, der diese Unterschriften sammelt: Lew Alexandrowitsch Ponomarjow.

Das las ich am späten Abend, und am nächsten Tag stapfte ich zur Fernsprechstelle: zuhause habe ich kein Telefon. Ich telefonierte nach Moskau, in die Redaktion der "Literatur-Zeitung", und konnte bei irgendeinem Versuch Jurij Tschekotschichin ausfindig machen. Und schon hatte ich Lew Alexandro-witsch am Apparat. Falls jemand es nicht weiß oder nicht erinnert: Lew Ponomarjow ist Physiker, Doktor der Naturwissenschaften, im Jahre 1989 einer der Begründer der Bewegung "Demokratisches Rußland", später Abgeordneter des Obersten Sowjet und der 4. Staatsduma.

Ich telefonierte mit Ponomarjow, sagte ihm meine Adresse. Er versprach ein Muster der Unterschriftenliste zu schicken. Er schickte sie dreimal. Der Brief kam auf diese Weise beim dritten Versuch an. Da war es schon Anfang Februar vorbei.

Das Problem der "Vervielfältigungstechnik" löste eine klapprige Maschine namens "Ortex" aus dem Leihhaus, in Verbindung mit einem Stapel Kopierpapier. Nachdem ich 10 Stück gedruckt hatte, brachte ich sie am 5. März - und ich schwöre, das war ein rein zufälliges Zusammentreffen - ins Computerzentrum, wo man auf der faulen Haut lag vor einem automatischen Kontrollsystem, und ging dort durch alle Abteilungen.

Es scheint, daß ich damals so zehn Unterschriften erhielt. Einige Leute waren sehr erschrocken.

Nach dieser "Probeserie" überreichte ich einige Irina Kusnetzowa einige Vordrucke.

Bei ihr funktionierte die Unterschriftensammlung auch. Ich erinnere nicht mehr genau wie, aber innerhalb weniger Tage ermittelten sie und ich Alexej Babij (er war Programmierer, genau wie ich) und wir trafen uns mit ihm im Städtischen Kulturhaus, im Literaturstudio Rukowa. Aleksej machte sich sogleich an die Arbeit.

Übrigens muß ich noch sagen, daß dies gerade die Tage des sog. "kleinen Stillstandes" waren (und hier die Frage an die Kenner: wer weiß noch, was das ist - der Brief von Nina Andreeva?). Aber irgendwie haben wir dem gar keine Beachtung geschenkt, weil wir mit Dingen beschäftigt waren. In diesen Tagen haben wir deutlich gefühlt, daß es mit der Methodologie bei uns ziemlich schwach aussah. Aber schließlich machten wir eine sehr ernste Sache, nichts durfte sie zum Zusammenbrechen bringen (wir durften nicht versagen)! Ich hatte die Telefonnummer von Vladimir Georgjevitch Sirotinin.

Als wir zu der Überzeugung gelangt waren, daß wir die Leute nicht wegen unwichtiger Sachen beunruhigen wollten, riefen wir ihn an und vereinbarten ein Treffen. So und so, haben wir gesagt, Erfahrung haben wir nicht, dafür Angst Fehler zu machen, alle Hoffnung liegt - bei Ihnen.

Nochmal, falls jemand es nicht weiß: auf den Schultern von Sirotin lasteten mehr als zweihundert Stunden Verhöre durch den KGB, angefangen Mitte der sechziger Jahre, fast bis zur Mitte der achtziger Jahre hin. Dreimal wollten sie ihn sehr gern hinter Gitter bringen, aber geschafft haben sie es nicht: er arbeitete sehr akkurat, so daß der KGB keine Gewißheit hatte, nur einen Verdacht. Er arbeitete beim Fond Solschenizyn, das heißt einem Fond, der politischen Gefangenen und ihren Familien hilft.

Wie wir auch gehofft hatten, gab es von Seiten Vladimir Georgjevitchs keinerlei Einwände. Bei dem Treffen stellte sich heraus, daß er auch schon im Besitz der Unterschriften-Liste war (die ich erarbeitet hatte) - durch einen günstigen Wind waren sie von den Laternenmasten geweht. Und er beschäftigte sich schon selber mit deren Vervielfältigung.

Bis Anfang März gelang es uns, Ponomarjow so etwa ein halbes Hundert Unterschriften zu schicken. Dann wurde eine Unterschriftensammlung in den Konzerten des Klubs der Laiensänger durchgeführt, und den ganzen Mai hindurch stand ich an den Feiertagen mit den Listen ("beim Sammeln") in der "Tier-Ecke" von Stolby.

Während ich "beim Sammeln" war, bedauerte ich ständig, daß ich kein Psychologe oder Soziologe war. Die Vielfalt der menschlichen Reaktionen beim Anblick der Unterschriftenlisten und Aufklärungsplakate (gezeichnet mit Hilfe von Plastikschablonen) war wahrlich erstaunlich: vom Haß auf den Henker bis zum..........

Haß auf das Opfer. Es gab auch Tränen und zorniges Schimpfen (aber selten), es gab Ungläubigkeit in die Möglichkeit realer Veränderungen.

"Genosse, glaub' mir, die sogenannte Glasnost vergeht wieder, und dann erinnert sich die Staatssicherheit unserer Namen....."

ALLER ANFANG IST SCHWER

Einfache Frage: wozu sammelten wir diese Unterschriften? Einfache Antwort: wir fühlten zutiefst, daß dies gemacht werden mußte und daß es wichtig war. Und genau mit diesen Unterschriften-Listen wandten sich die Moskauer Memorialisten an das ZK der KPdSU, als wäre es ein Aufruf zu einer Parteikonferenz. Dort verschwanden sie auch. Aber noch wesentlicher als der Prozeß des Unterschriften-Sammelns war der Prozeß der Überwindung von verschleppter Angst und stumpfer Gleichgültigkeit bei den Leuten, - die Hauptstützen des kommunistischen Regimes seit jenen Zeiten, als der Massenterror aufhörte.

Natürlich war das Sammeln von Unterschriften eine politische Aktion. Vielleicht, um es genauer zu sagen - eine politisch-aufklärerische. Ein Lichtschimmer, wenn es genehm ist. Was interessant war - ernsthafter Widerstand von Seiten der Mächte wurde während der Unterschriftensammlung nicht beobachtet. In anderen Regionen war es unterschiedlich.

Parallel zur Unterschriftensammlung legten wir auch bei einigen anderen Sachen Hand an. Ich glaube, daß nicht alle die Demonstration am 1. Juni 1988 vergessen haben: die erste freie Demonstration in der Stadt seit 70 Jahren! Und so wurde die Entscheidung, diese Demonstration durchzuführen, vom Beauftragten der Krasnojarsker Unabhängigkeitsorganisationen gefällt....an meinem Geburtstag, in meiner Wohnung, einen Monat vor dem Termin.

Ich erinnere mich nicht mehr an alle Teilnehmer, aber da war Viktor Salato, Jeltschaninow und, natürlich, Ljoscha Babij und Ira Kusnetzova. Alle beunruhigte damals eine Frage: und was wird, wenn sich bei der Demonstration (ich erinnere mich, daß die Losung eine ökologische war, - noch ein "Lichtschimmer"), 20 oder 30 Leute ansammeln? Aber mich beunruhigte eine ganz andere Frage: was sollen wir tun, wenn sich tausend versammeln? Das ist eine unkontrollierbare Masse! Die anderen brachte meine Beunruhigung zum Lachen.

Tatsächlich versammelten sich einige Tausend - die Demonstration wuchs aus einem kleinen Kern, wie ein Schneeklumpen! Gott meinte es gut, daß sich keine Provokationen aufbauten: die Folgen wären nicht vorhersehbar gewesen. Offensichtlich glaubten die Mächte auch, daß sich 20 oder 30 Sonderlinge versammelten, und das war alles.

Wir, die Memorialisten, gingen in voller Zusammensetzung zur Demonstration und nicht mit leeren Händen, sondern alle mit Spruchbändern (in der Woche hatten wir sie abends gezeichnet). Aktiv nahm an dieser Demonstration auch das Komitee für den Beistand der Perestroika teil, die erste unabhängige Krasnojarsker Organisation, heute fast vergessen, die aber nach meiner Ansicht in der Geschichte der Stadt bleibende Spuren hinterlasseen hat.

Dann, als vor dem STI (Siberisches Technologie-Institut) eine Kundgebung entstand, rollten wir die Spruchbänder zusammen und gingen zu unserer Hauptaufgabe über, also dem Sammeln der Unterschriften.

Später gab es noch eine Kundgebung. Und sie wurde auch unter unserer Mitwirkung vorbereitet, aber auf eben dieser Kundgebung befaßten wir uns schon grundsätzlich mit unserer Sache.

Das Sammeln der Unterschriften dauerte bis Juli 1988. Wieviele sammelten und übersandten wir nach Moskau? Mehr als zweitausend, etwa zwei Drittel.

Und dann? Dann schritten wir Stück für Stück zur Tat, die sich auch heute noch fortsetzt. Wir untersuchen die Geschichte des kommunistischen Terrors, - des siebzigjährigen Krieges der Leninisten, Stalinisten, usw., usw., gegen die Unterdrückung ihrer Völker, beginnend mit dem russischen und endend mit dem afghanischen.

Von Zeit zu Zeit war es ein Krieg der Vernichtung, - wie in den Jahren 1918-1920, 1929-1933 oder 1937-1938; in anderen Perioden - ein Erschöpfungskrieg. Später, unter Chruschtschow, nahm der Krieg hauptsächlich eine Form des kalten Krieges an, aber der eigentliche Kriegszustand hat nicht aufgehört und es hat immer wieder ein heißes Aufblitzen gegeben: Novotscherkask und andere Städte des russischen Südens, Tbilissi (im Jahre 1977, als die Leute sich zur Verteidigung ihrer Muttersprache erhoben), die Interventionen in Berlin und der Tschechoslowakei, und schon während der "Perstroika" Alma-Ata, Baku und wieder Tbilissi, Vilnius und Riga. Und Moskau: Drei Tage im August. Aber diese drei Tage waren für das Regime die letzten.

Ich habe nicht geglaubt, daß dieser Krieg einen Rückfall erleidet: Gemetzel im Kauskasus in den Jahren 1994-1996. Das verreckte Imperium hatte es geschafft, "aus einer anderen Welt" zu stechen.

FRAGEN MIT UND OHNE ANTWORTEN

Und wer ist das eigentlich - wir? Ich erkläre es: wir - das ist die Krasnojarsker Gesellschaft "Memorial". Und heute gibt es uns - seit 10 Jahren. Wir - die örtliche Filiale der Russischen Geschichtsfor-schungs-, Menschenrechts- und Wohltätigkeits-Gesellschaft "Memorial". Freilich, die Aufgabe von "Memorial" Krasnojarsk - das ist in erster Linie, die Erforschung von Ereignissen, die sich im Krasnojarsker Gebiet abgespielt haben (wir sagen:"in unserer Region").

Und wozu eigentlich? Na ja, wie dem auch sei, um die vaterländische Geschichte kennenzulernen. Zum Beispiel, wenn man einen beliebigen, zufällig Vorbeigehenden fragt, was dieses Buchenwald ist, dann wird er wahrscheinlich irgendetwas Einleuchtendes antworten. Und wenn man ihn zur JENISSEI-STROI (Lager-Hauptverwaltung) befragt oder zum "SIBULON" (sibirischen Lager für Sonderhäftlinge) oder zum Gorlag (Berg-Sonderlager)? Natürlich, über das weit entfernt im Ausland liegende Buchenwald muß man auch Bescheid wissen, aber über sein eigenes Heimatliches und Nahegelegenes um so mehr. Und das ist auch unsere Geschichte! Und daß sie nicht in jeder Beziehung angenehm ist, da kann man nunmal nichts machen: eine andere Geschichte können wir nirgendwo hernehmen. "Ja, ich würde mir auch keine andere Geschichte wünschen", wie mit einem Seufzer ein großer Poet sagte. Wirklich, ich weiß nicht, was er gesagt hätte, wenn er bis zu den Lenin-Feiertagen gelebt hätte.....

Wenn man ernst sprechen will, muß man auch in ausreichendem Maße einen anderen Klassiker zitieren: "Ein Volk, das seine Vergangenheit vergessen hat, riskiert sie noch einmal zu erleben".

Ich schreibe das und denke selbst: das ist für uns der GULAG - die Vergangenheit, und für wen noch? Zum Beispiel für unsere Nachbarn hinterTumangan? Ja, und auch hinter dem Amur, geradeaus gesagt, es gibt Vieles, was man bei uns noch alles in schlechten Träumen sieht. Und womit wird das bei ihnen alles enden? Gebe Gott (sowohl ihnen als auch uns), daß es so endet wie bei uns und nicht so wie in Jugoslawien.......Bei einem Atomraketen-Arsenal...

Ich möchte noch ein paar lustige Beobachtungen aus dem schon fernen Jahr 1988 hinzufügen. Damals stellte man uns oft einige ganz typischen Fragen. Zum ersten, warum wir uns entschieden hatten, uns mit dem Thema "der stalinstischen Repressionen" zu beschäftigen (das war damals die offizielle Terminologie) - es hätten wohl einige aus unserer Nähe darunter gelitten?

Jedesmal mußte man ziemlich lange erklären, daß der Grund keineswegs unbedingt darin lag. Der Terror berührte zum Beispiel die Eltern von Vladimir Georgievitsch nicht (obwohl natürlich unter den entfernten Verwandten Repressionsopfer waren).

Meinen Vater haben sie für 10 Jahre in Gefängnishaft genommen, in einer auswärtigen Sitzung des Kriegsgerichtes des Obersten Sowjetgerichts der UdSSR (uff, bei uns sind Arbeitsabkürzungen üblich - KdOS). Na! Wenn wir uns die Fakten der persönlichen Biographie ansehen, dann muß ich, bis ich in den Sarg komme, den beiden großen Führern Yussef Wissarionowitsch (= Stalin) und Adolf Alois (= Hitler) dankbar sein, weil ich ohne ihre intensiven und beharrlichen Bemühungen gar nicht hätte auf die Welt kommen können. Weil die erste Familie von meinem Vater in Charkow von Nazis umgebracht wurde. Ira Kusnetzova muß auch dem "Genie aller Zeiten" dankbar sein, daß sie jemals auf die Welt gekommen ist: ihr Vater, Pobisk Kusnetzov, wie auch meiner, waren nach dem Lager Norilsk in Krasnojarsk. Einige wichtige Seiten sind ihm gewidmet in einem Buch von Boris Witman "Der Spion, der das Vaterland verriet".

Die zweite typische Frage:" Na, ein, zwei Jahre werden Sie die Repressionsopfer ausfragen; wenn Sie alle befragt haben, was ist dann weiter? Es sind so wenige geblieben.....". Die erste Zeit haben wir uns auch die Maßstäbe des Problems nicht vorgestellt, obwohl ich schon damals gedacht habe, daß es keine Arbeit für ein Jahr ist. Es sind 10 Jahre vergangen und jetzt ist es vollkommen klar, daß es noch Arbeit für mehrere Generationen von Historikern geben wird. Das, was wir machen, scheint uns so etwas wie der "Nullzyklus" zu sein. Im übrigen, warum wundern wir uns? In der Geschichte des Zweiten Weltkrieges gibt es noch viele weiße Flecken, obwohl sie schon seit einem halben Jahrhundert von tausenden von Historikern erforscht wird. Wobei das eine Geschichte von nur sechs Jahren umfaßt und nicht von siebzig.

Es ist auch heute so, daß sich jemand wundert: "Wie, ist es denn möglich, daß sich Repressionsopfer heute noch an Sie wenden?" In dem Fall erkläre ich sehr einfach: ein gleichbleibender Strom von Anträgen ist uns noch für zwanzig Jahre garantiert. Die Sache ist die, daß diejenigen im Jahre 2018 in Rente gehen werde, wenn sie das Rentenalter nicht ändern, die 1958 geboren sind, dem Jahr der Massenbefreiungen aus der Verbannung. Denen, die es noch "geschafft" haben, in der Verbannung zur Welt zu kommen, muß eine Rehabilitation zustehen. Und weil bis zur Rente dieser Status eines Rehabilitierten keinen praktischen Nutzen bringt, deswegen bemühen sich so viele um die Rehabilitation erst dann, wenn sie ins Rentenalter gekommen sind.

Natürlich, Verbannte gab es auch noch nach 1958: zum Beispiel hielten sie einige litauische und lettische Bürger (aus der 1. Deportation, aus dem Jahre 1941) unter der Kommandantur bis 1960 und sogar noch später (wir wissen nicht, weshalb), einige ukrainische Verbannte aus der Deportation des Jahres 1951 wurden erst 1963 freigelassen, und noch gab es ehemalige "25"er (= 25 Jahre Haft)

Häftlinge, deren Lagerhaftzeit sie in Verbannung umgewandelt haben, und die sie in den Jahren 1963-64 freiließen. Aber das waren nicht mehr solche Massenvorfälle.

Und der letzte Massenstrom von Verbannten hat wieder angefangen durch die berühmte chruschtschowsche "Verordnung für Nichtstuer". Heute ist sie hauptsächlich bekannt dank dem großen Brodzki ( = Schriftsteller): gerade durch diese Verordnung wurde auch er verurteilt. Aber vergeblich meinen einige, daß damals vorrangig "Poeten-Musiker-Künstler" litten: Tausende verfolgte man in unserer Region wegen ihres Glaubens - wahrhaft Orthodoxe und "Fünfziger" (protestantische Sekte).

Das war eine Verbannung auf bestimmte Zeit.

In der Regel wurden im Rahmen der Verordnung fünf Jahre gegeben. Zur Information: es ist uns schon gelungen, in solchen Fällen Rehabilitationen zu bewirken.

WIR UND UNSERE BESUCHER

 Die Besucher-Sprechstunde in unserem "Memorial" ist allgemein ein besonderes Thema. Am Empfang sitze ich gerade. Ich "sitze" dort fünfmal in der Woche, d.h. außer an den Feiertagen, wenn das Haus der Technik abgeschlossen wird. Im Laufe der Woche gibt es manchmal 15-20 Leute, die sich an uns wenden (jemand kommt mit irgendeiner Frage zu unserer Thematik - das nennen wir "sich wenden an"), manchmal vierzig und mehr - das ist dann schon Überlastung. Aber man kann sich ja (davor) nirgends verstecken. Nun, die Sache liegt nicht in dieser Zahl, aber ein Antrag ist nicht gleich ein Antrag.

Einmal kam ein Mann, um eine Anfrage zu unterschreiben, die ich nach seinem vorherigen Besuch vorbereitet hatte. Das ist Minutensache. Oder er brachte eine Antwort vom UWD, FSB oder sonst woher - Antworten auf Anfragen, die wir mit ihm vorher zu seinem Problem gestellt hatten.

Und der andere - das ist ein neuer Besucher, ein "Erstkontakt". Während ich die "Frage ansehe", d.h. untersuche, welches in seinem Fall die Fakten für die Anwendung von Repressalien waren, welche praktischen Fragen in seiner Angelegenheit gelöst werden müssen und auf welche Weise dies zu Geschehen hat - für all das kann eine halbe Stunde vergehen und sogar mehr. Natürlich, es kommen auch einfache Sachen vor, aber solange man sie nicht durchgesehen hat, weiß man noch nicht, ob es eine einfache Angelegenheit ist oder nicht. Aus diesem Grunde bleibt der Besucher, der das erste Mal kommt bis zum Schluß der Sprechstunde übrig. Manchmal kommt es vor, daß sie anfangen sich zu empören: wir sind doch zuerst gekommen! Dann müssen wir erklären: Sie sind heute zum ersten Mal hier, aber sie dort schon vor einem Monat und er dort bereits vor einem Jahr. Und dann kommt es noch vor, daß sie anfangen zu beweisen: ich habe, sozusagen, auch eine Sache, die nur eine Minute dauert, nur zwei Papiere kopieren! Aha, sage ich: alles klar, wir müssen Ihre Sache untersuchen, und das dauert 40 Minuten. Und selten irre ich mich: das beweist die Praxis.

WAS WIR DEN MENSCHEN GEBEN

Die Arbeit mit unseren Besuchern basiert bei uns auf dem Wiederholungsprinzip, d. h. , wenn ich erst einmal angefangen habe, die Frage zu lösen, dann versuche ich, sie bis zum Ende zu klären. Ich erkläre den Leuten, wohin sie sich wenden und an wen sie die Anfrage richten müssen, oft geschieht das vergeblich: viele sind nicht sonderlich lesekundig. Es ist hoffnungslos und dauert zu lange. Es geht schneller und bei weitem hoffnungsvoller - wenn wir selbst die erforderlichen Anfragen vorbereiten und abschicken.

Einen unglücklichen Umstand gibt es: die offiziellen Organe sind verpflichtet, den Bürgern zu antworten, d.h. in unserem Fall den Repressionsopfern oder ihren Verwandten, aber "Memorial" müssen sie nicht antworten. Und in der Regel antworten sie auch nicht. Deswegen müssen die Anfragen im Namen des Besuchers gestellt werden, und aus diesem Grunde ist es erforderlich, daß sie noch einmal herkommen, um eigenhändig diese Anfrage zu unterschreiben.

Selbst die Lösung einer ganz konkreten Frage kann mehrere Monate dauern. Wenn die Frage darin besteht, daß der Vater des Mannes eingesperrt war, sagen wir, im Kreise Omsk, und er darüber keinerlei Dokumente besitzt, dann muß man zuerst bei der Leitung des FSB im Kreise Omsk anfragen, und innerhalb von zwei Monaten kommt die Antwort. Dann kann man bereits eine Auskunft über die Rehabilitierung des Vaters, sagen wir, beim Omsker Kreisgericht einholen. Das dauert manchmal eineinhalb Monate. Schließlich das Gesuch bei der Staatsanwaltschaft Omsk bezüglich der Anerkennung als Betroffener. Noch eineinhalb Monate, und das Resultat kommt - die Bescheinigung, daß er als Geschädigter anerkannt wird. Dann erkläre ich, womit und zu wem man bei der Sozialversicherung geht und welches die für ihn infrage kommenden Sonderrechte sind. Und weiter, daß, wenn dieses Projekt über die Änderungen und Vervollständigungen des Gesetzes zur Rehabilitation durch die Duma geht, diese Bescheinigung über die Anerkennung als Geschädigter dann eine Bescheinigung für den Anspruch auf Rehabilitation sein wird.

Das bedeutet, es vergehen etwa 4-5 Monate, und das ist einer von den ganz einfachen Fällen.

"Von Null" bedeutet es, daß der Fall sich in drei Wiederholungen (d. h. nach sechs Besucher-Kontakten) erledigen läßt.

Jemand mag fragen: weshalb gehen diese Leute zu "Memorial" und nicht zur Staatsanwaltschaft oder zm UWD? Ich erkläre es: viele gehen anfangs zu offiziellen Einrichtungen, und schon von dort werden sie zu uns geschoíckt. Aus verschiedenen Gründen: bei einigen betrifft die Frage nicht unsere Region, andere haben unzureichende Dokumente oder irgendwelche anderen Schwierigkeiten....

Und sie machen es richtig: die Staatsanwaltschaft kennt sich nicht aus mit dem Problem der Verbannten, das liegt in der Kompetenz des UWD; der UWD beschäftigt sich nicht mit Fragen der Kompensation für bestimmtes Eigentum, und dergleichen. Aber bei "Memorial" bemühen wir uns, jede Frage in vollem Umfang zu lösen.

Die Besucher kommen und sagen: ich muß dieses hier bekommen. Und ich antworte ihnen: nun, wenn ich Ihre Frage durchgesehen habe, dann sage ich Ihnen, was sie benötigen. Oft kommen Leute mit dem Ziel, eine Auskunft über Anerkennung als Betroffene zu erhalten, und es stellt sich heraus, daß sie auch eine Rehabilitation erhalten müssen: sie waren in der Verbannung.

Es kommt sogar vor, daß sie selbst davon gar nichts wissen (daß sie nämlich verbannt waren), aber ich kann es an den Dokumenten sehen, die sie selbst mitgebracht haben.

WAS UNS DAS GIBT

Natürlich, daß die Hilfe für die Repressionsopfer und Betroffenen, vor allem hinsichtlich der Wiederherstellung ihrer Rechte, so wie es im Gesetz für Rehabilitationen vorgesehen ist, - für uns eine der festgelegten Aufgaben darstellt. Aber wenn man mich in der Sprechstunde fragt, was das Wichtigste in unserer Arbeit ist, dann erkläre ich, daß "Memorial" eine geschichtsaufklärende Gesellschaft" ist, und erst dann fällt der Begriff "rechtsschützend". Für uns ist der Empfang der Besucher immer noch eine unersetzliche Quelle historischer Informationen. Steht doch in den Archiv-Dokumenten nur ein Teil der Wahrheit, um so mehr, wenn man berücksichtigt, von welchen Händen sie geschrieben wurden: häufig mit den Händen der Henker oder ihrer Freunde. Jeder Archivquelle muß man etwas gegenüberstellen, mit irgendetwas muß man die Krümmung ihrer Spiegel messen.

Ich weiß selbst: durch die lange Beschäftigung im Archiv fängt das Gehirn an auszutrocknen, und schon hörst du auf, die Realität der Geschehnisse zu fühlen, die hinter den vor dir liegenden Papieren steckt.

Die Frage liegt nicht darin, wem man glauben soll - den Dokumenten oder den Leuten. Zeugen biegen sich auch manchmal die Unwahrheit zurecht! Aber auch in den Dokumenten pflegen voll die verschiedensten Fehler zu sein, und seien es bloß Flüchtigkeitsfehler bei den Daten oder Nachnamen. Es ist ganz einfach: eine Quelle ist die halbe Quelle, zwei sind schon zuverlässiger, drei - volle Zuverlässigkeit. Sofern diese Quellen voneinander unabhängig sind.

Es ist im allgemeinen das Grundprinzip der Forschungsaktivitäten von "Memorial": das Sammeln und Gegenüberstellen ("Kopplung") von Daten aus allen zugänglichen Quellen. Wir sammeln ein historisches Bild aus Bruchstücken, aus Mosaiken, aber wir haben einen Vorteil: Zeugen und deren lebende, wenn auch vielleicht unvollständige, Erinnerung.

Im Prozeß der Besuchersprechstunde werden bei uns jedoch nicht nur rechtsschützende, sondern ebenso Forschungs- und teilweise auch aufklärende Aufgaben verwirklicht. Oft kommt jemand in der Überzeugung, daß sein Vater aufgrund von "Denunziation" erschossen wurde. Oder er möchte die Archivakte ansehen, um nämlich daraus zu erfahren, "wer die Denunziation unterschrieben hat".

Man muß erklären, daß der Grund überhaupt nicht in der Denunziation lag, selbst wenn eine solche tatsächlich existierte.

Das NKWD (und bis dahin - OGPU, und danach das MGB) ERFÜLLTE einfach DEN PLAN. Ja, es ist möglich, wenn es so eine Denunzierung nicht gegeben hätte, dann hätte man einen anderen erschossen.

Und die Pläne waren - die PLÄNE DER PARTEI. Die Partei sagte: das ist ein MUSS. Das ist der ganze Grund. So wurde mit den "Kulaken" Anfang der dreißiger Jahre verfahren, genauso mit den "Vaterlandsveränderern" in den vierziger Jahren. Den wahren Handlangern der Hitleranhänger gelang es fast allen zu verschwinden, und den Plan bezüglich der Verräter mußte man sowieso erfüllen! Und das NKWD - MGB erfüllte: sie sind Militärs, Befehl ist Befehl.

SAGEN UND MYTHEN, ZAHLEN UND FAKTEN

Im allgemeinen wird gesagt, daß es in diesem Bereich viele Sagen gibt. Eine solche besagt, daß ein Untersuchunsgführer den Inhaftierten um jeden Preis dazu zwingen sollte, sein "Geständnis zu unterschreiben" - sozusagen wurde er deswegen dann auch gefoltert. Also, wenn das auch so ist, dann doch nur teilweise: sehr viele unterschrieben nichts ("sie legten kein Schuldgeständnis ab") und wurden trotzdem verurteilt. Mehr noch, es sind Fälle bekannt, in denen sie eine Haftdauer festlegten, ohne ein einziges Verhör! Diese Fälle sind uns durch lebende Menschen bekannt, die ihre Haftzeit gerade eben auf diese Weise aufgebrummt bekamen. Natürlich wissen wir nicht, ob es Erschossene ohne Verhör gab: dazu wird niemend befragt.

Es gibt jene Sage: jeden Tag nannten alle gewissenhaft der Lagerwache ihre Paragraphen und ihre Haftdauer. Nicht immer und nicht überall: Hunderttausende, wenn nicht Millionen, von Gefangenen saßen in den Lagern sowohl ohne Paragraphen, als auch ohne genannte Haftzeit. Das sind jene, über die man in den vierziger Jahren die Haftdauer in einer "Sonderberatung" verhängte. Aber auch im Jahre 1938 geschah so etwas, daß der Arrestantentransport im Lager abgeladen und schon dort, sofort oder später, die Haftdauer bekanntgegeben wurde.

Es wird unklar gesagt, ist jedoch die allgemeine Auffassung, daß die Troika in der Zeit des Großen Terrors (1937-38) ihre Urteile in Abwesenheit nur nach dem Artikel 58 verhängte, d. h. aufgrund "politischer" Beschuldigungen. Die Vorstellung ist fehlerhaft: ein wesentlicher Teil der Akten, die vor allem im Jahre 1937 durch die Hände der Troika liefen, bestanden aus reinen Kriminellen-Akten und hatten zur Politik keinerlei Beziehung. Aber wenigstens war ein Teil dieser Akten - auch fingiert. Das ist Fälschung. Falls jemand es nicht glaubt - wir können Dokumente zeigen.

Viele Mißverständnisse ruft die Zahl 60 Millionen hervor. Eine solche Zahl (und sogar 100 Millionen) nennen Forscher, die den Bevölkerungsrückgang in der UdSSR als Resultat des Massenterrors studiert haben. Aber das ist nicht die Zahl der Umgekommenen, sondern eine errechnete Zahl, einschließlich ungeborener Kinder, das heißt Kinder, die geboren wären, wenn ihre potentiellen Eltern am Leben geblieben wären. Man muß auch diesen Umstand berücksichtigen: die Zahl der Umgekommenen könnte sogar noch höher sein, als die der Verfolgten! Weil die Opfer des "Hungerterrors" der Jahre 1932-33 (in der Ukraine und Kuban, in Kasachstan) formell gar nicht verfolgt waren: sie wurden weder verhaftet noch verbannt, sondern ihnen wurden einfach alle Nahrungsmittel weggenommen. Ein typischer Fall von Mord "ohne Blutvergießen". Viele meinen, daß man die Leningrader Blockade nicht dazurechnen darf: es ist nicht ganz klar, wer dort blockierte - die Wehrmacht oder das NKWD?

Dies alles dazu, daß man zwei verschiedene Begriffe nicht miteinander verwechseln darf: "Verfolgte" und "Opfer des Regimes". Der zweite ist bedeutend breiter gefaßt als der erste.

Gelegentlich kann es vorkommen, daß man die dumme Frage hört: warum gibt es in Kasachstan so wenige Kasachen, weniger als die Hälfte? Und im Norden und Osten gar keine? Deswegen, weil 1933 in Kasachstan nur ein Drittel Kasachen geblieben waren: ein Drittel starb an Hunger, als die Kommunisten dort den Nomaden-Viehzüchtern alles Vieh wegnahmen, um sie zu einer seßhaften Lebensweise zu "führen" (die Viehzüchter unter Kontrolle zu halten war schwieriger), und noch ein Drittel lief mit seinen Herden über die Grenze, ins chinesische Sinzian.

Im gesellschaftlichen Bewußtsein werden die Zahlen als übertrieben angesehen: zum Beispiel, daß durch das Norilsker Lager mehr als eine Million Gefangene gingen. Das ist nicht so: nicht mehr als eine halbe Million, aber eher ca. 400.000. Man rechnet auch diejenigen aus dem alltäglichen Leben mit (von denen sehr viele auch daran nicht schuldig waren) und die echten Kriminellen. Und die politischen Gefangenen waren scheinbar nicht mehr als 300.000.

Es ist möglich, daß sich unter ihnen auch Handlanger der Nazis befanden, die tatsächlich schuld an Kriegsverbrechen waren, aber ganz sicher sehr wenige.

Übrigens, Norillag - das ist nicht allein Norilsk mit Dudinka und Kajerkan: das ist auch die 8. Lager-abteilung in Krasnojarsk, das Lager in Podtjossowo sowie das Dorfkolchosenlager der Aushilfs-wirtschaft in Kurejka und südlicher, bis ganz nach Schuschenskowo.

Es handelt sich nicht nur um die Maßstäbe des Terrors, sondern hauptsächlich darum, daß die Kommunisten die Besten ausgerottet und hinter Stacheldraht gebracht haben: die Fleißigsten und die Könner auf dem Gebiet der Landwirtschaft, die erfahrensten und ausgebildetsten Arbeiter, die rechtschaffendsten und gescheitesten Juristen, Ökonomen, Historiker, die talentiertesten und wahrheitsliebendsten Schriftsteller und Poeten...Usw., usw...

Noch eine Sage, eine wirklich völlig unsinnige, und nichtsdestoweniger auch ziemlich standhafte: als ob im Großen Terror, d.h. in den Jahren 1937-1938, im großen und ganzen, die Mitglieder der AKP/B, Allunionskommunistischen Partei der Bolschewiken, gelitten hätten. Und somit waren in unserer Region unter den Verhafteten in der Zeit des Großen Terrors nicht mehr als 2-3% Kommunisten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Prozentsatz in Moskau höher war. Aber nicht sehr viel!

Ja, mitten in die damaligen Kommunisten gelangten subjektiv redliche Leute, die dem marxistischen Gefasel aufrichtig glaubten. Als diese endlich begriffen, waren sie vom Schicksal gezeichnet. Hier ein Beispiel: die Partisanen von Tassejewsk.

Die heutigen Kommunisten beweisen, daß sie nichts bereuen, soweit man die Parteimitglieder unter Stalin auch eingesperrt und erschossen hat. Sie vergessen nur richtigzustellen, wer sie selber in die Reihen aufgenommen hat - die Erschossenen? Oder die, die geschossen haben?

Im übrigen liegt in diesen Sagen soetwas wie ein Spiegelbild. Umgekehrt, jedoch keineswegs weniger fantastisch: als ob der Große Terror sich hauptsächlich auf die Intelligenz stürzte. In der Tat bildeten die Bauern eine riesige Mehrheit - sowohl unter den Erschossenen, als auch unter den im KZ Umgekommenen (damals waren sie schon umbenannt in ITL (Besserungsarbeitslager)): ob verbannt, ob unter dem Kolchosenjoch vertrieben oder ausgeplünert bis auf die Haut und vom eigenen Land geworfen, in die Waldwirtschaft, in Bergwerke oder verschiedene andere "Bauten des Kommunismus".

Im allgemeinen bin ich mit meiner Unwissenheit leicht in fremde Gemüsegärten hineingekrochen, weil sich bei uns mit der aufklärenden Richtung Wladimir Georgjewitsch Sirotonin befaßt. Er organisiert und veranstaltet Ausstellungen, hält Vorlesungen zu unserer Thematik für Mittelschullehrer und vieles andere. Aber die Arbeit in den Archiven ist bei uns in der letzten Zeit fast zum Stillstand gekommen: die von uns benötigten Dokumente werden aus irgendeinem Grunde nicht mehr herausgegeben. Darüber beklagen sich sogar die Geschichtsprofessoren von der Universität.

Was meinen Bereich betrifft, nämlich Hilfestellung für die Verfolgten, möchte ich daran erinnern, daß die Sprechstunde im Haus der Technik (neben der Stadtverwaltung und dem Haus des Schauspielers) stattfindet, und zwar an Werktagen ab 18.00h.

Telefon im Haus der Technik: 27-93-83 oder 65-13-85. Am Telefon kann für mich eine Nachricht hinterlassen werden, aber es ist nicht einfach, mich zu erreichen.

Wladimir Georgjewitsch hat zuhause Telefon: 21-34-02, und geschäftlich 23-83-22.

Unsere Postanschrift: 660049 Krasnojarsk 49 Prospekt Mira, 3 Gesellschaft "Memorial" aber tatsächlich ist das nur ein Postfach im Hauptpostamt.

Wir haben auch eine e-mail-Adresse: MEMORIAL@MAXSOFT.RU

Und als letztes: kürzlich haben wir unsere Seite im Internet geöffnet und werden dort mit der Zeit alle gesammelten historischen Informationen veröffentlichen. Dort gibt es schon viel Interessantes. Wir laden zu einem Besuch ein: memorial.krsk.ru

März 1998 Wolodja Birger, Krasnojarsker Gesellschaft "Memorial"


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