Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Русский

Die Tochter setzte den Schlußstrich unter die Biographie des Vaters

Aus der Geschichte ist bekannt, wie die Bolschewiken nach und nach ihr eigenes Volk vernichteten. Die Repressionsmaßnahmen wurden gegen ganze Nationen und Völker vorgenommen: „Nach zuverlässigen Angaben, welche die Behörden erhalten haben, befinden sich unter der in den Wolga-Gebieten lebenden deutschen Bevölkerung zehntausende Diversanten und Spione …“. Mit diesen Worten beginnt der Ukas über die Liquidierung der Republik der Wolga-Deutschen. Und später, in den Jahren 1943-44, betraf die Aussiedlungsoperation die Völker auf der Krim und im Kauskasus. Am 6. November 1943 wurden 69.000 Karatschewo-Tscherkessen, im Dezember 90.000 Kalmücken, im Februar 1944 beinahe eine halbe Million Tschetschenen und Inguschen verschickt. Am 8. März mußten ihnen weitere 33.000 Balkarier folgen. Und im Mai 1944 begann die allgemeine Aussiedlung der Krim-Tataren. Und es waren unter ihnen auch solche, die bei den Polizeieinheiten und in den Hilfstruppen der Wehrmacht gedient hatten, aber zehntausende (!) waren in den Kämpfen gegen die faschistischen Eindringlinge für die sowjetische Heimat gefallen. Aber man hatte keine Zeit, das genau zu klären; das gesamte Volk sollte dafür verantwortlich zeichnen. Dort, im inneren, „innersowjetischen“ Krieg der Jahre 1941-1944 liegen die Wurzeln für die heutigen zwischennationalen Konflikte im Kauskasus und auf der Krim verborgen.

In diese unbarmherzige Mühlsteine geriet auch der Vater der Norilskerin Rita EDUARDOWNA Smirnowa – Eduard Friedrichowitsch Felsinger, der 1910 geboren wurde und auf der Krim lebte. 1941 kam er ins NorilLag, verbüßte seine Strafe und wurde anschließend in eine Arbeitskolonne des NorilLag mobilisiert. Nach seiner Demobilisierung (das Datam ist nicht ausgewiesen) wurde er als Sondersiedler registriert, du zwar in Übereinstimung mit dem Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28.08.1941 als Person deutscher Natinalität. Die Zeit der Sonderansiedlung verbrachte er in Norilsk. Er wurde am 02.02.1956 auf Grundlage des Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 13.12.1955 freigelassen (Archiv-Bescheinigung).

Es war nicht angebracht, in der Familie darüber zu sprechen. Die Enkelkinder wußten nichts von den erniedrigenden Ukasen, den Verbannungen und Repressionen; und dabei war jeder zweite-dritte Einwohner von Norilsk damals ein politischer Häftling. Bis in die 1990er Jahre lebte die berufstätige Mutter mit den vielen Kindern nicht einmal schlecht (Rita Eduardowna zog ihre neun Kinder ganz allein groß!). Aber die alte „Familiengeschichte“ lag wie ein Stein auf ihrer Seele … Vor einem Jahr bat Rita Eduardowna wegen der Rehabilitierung ihres Vaters um Hilfe, und da – am Vorabend des Tages der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen, wurde ihr die offizielle Bescheinigung ausgehändigt – über Eduard Friedrichowitsch Felsingers Rehabilitation, der aus nationalen Gründen repressiert worden war. … Endlich hatte die Tochter ihre Pflicht vor dem Vater und seinen Enkeln erfüllt.

T. Serebrjakowa
Vorsitzende des Komitees der territorialen Selbstverwaltung – 7
Auf dem Foto: Rita Eduardowna Smirnowa
Foto: W. Barkowa

„Polar-Wahrheit“, 05.11.1999


Zum Seitenanfang