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Der schwankende Führer

Text: Konstantin Kusinskij (Krasnojarsk), Foto: Autor

Am Freitag wurde in Krasnojarsk eine Stalin-Büste aufgestellt. Allerdings verweilte sie nicht länger als drei Stunden auf ihrem Postament – am Vorabend hatten die örtlichen Behörden, die zunächst ihre Erlaubnis dazu erteilt hatten, erklärt, dass es in der Stadt keine Stalinbüste geben soll.

Wie man bei der „Gazete.Ru“ (Zeitung; Anm. d. Übers.) errfahren hat, zahlten die Kommunisten dem Bildhauer für die 350 kg schwere Skulptur 350.000 Rubel. 100.000 davon spendete ein Mitglied der Partei „Vereintes Rußland“.

Am Freitag wurde die Stalinbüste in Krasnojarsk aufgestellt. Der Skandal um sie entbrannte bereits Mitte April, als mit Unterstützung des Regionskomitees der Kommunistischen Partei der RF eine Veteranen-Gruppe mit der Initiative in Erscheinung trat, Josef Stalin in der Stadt ein Denkmal zu setzen. Als Reaktion darauf versandte der Vorsitzende der örtlichen Menschenrechtsorganisation „Memorial“, Aleksej Babij“ ein Protestschreiben an die Masseninformationsmittel, in dem er verkündete, dass die Errichtung eines Denkmals „nicht nur eine tiefe Kränkung für die Opfer poltischer Repressionen bedeutet, sondern auch ein Schritt zum totalitären Regime“. Sowohl der Aufruf der Veteranen als auch der Protestbrief wurden auf einer Sitzung der städtischen öffentlichen Kommission zur Namensgebung und Umbenennung innerstädtischer Objekte geprüft. Die Mehrheit der Stimmen erklärte die Aufstellung eines Stalin-Denkmals für unzweckmäßig. Zu dem Zeitpunkt hielten es die Mitglieder der Kommission für möglich, dass eine Aufstellung der Büsten des Generalissimus Josef Stalin und des Marschalls Georgij Schukow im Gedenk-Kompex des Siegesmemorials in der Schachterow-Straße erfolgen könnte. Am Donnerstag verkündete jedoch der krasnojarsker Bürgermeister, Petr Pimaschkow, nachdem er den umgestalteten Gedenk-Komplex besichtigt hatte, dass die Frage endgültig vom Tisch sei – und auch an diesem Ort, das am 9. Mai eröffnet wird, keine Stalinbüste stehen würde.

Nichtsdestoweniger haben ortsansässige Kommunisten ohne jegliche Erlaubnis seitens der Behörden eine Bronzebüste Stalins vor dem alten Holzhaus Nr. 27 in der Markowskij-traße aufgestellt, in dem „W.I. Lenin im April 1897 arbeitete“ und wo heute das Stadtkomitee der Kommunistischen Partei der RF untergebracht ist.

Zur Einweihung der Büste fanden sich etwa 20 Personen, durchweg Rentner, ein.

Der Vorsitzende des Stadt-Komitees der Kommunistischen Partei der RF – Bedarew – erklärte: „Am Vorabend des Sieges-Feiertages werden wir der Öffentlichkeit extra diese Büstezeigen, damit alle verstehen, dass wir nichts heimlich tun. Die Büste wurde von dem krasnojarsker Skulpteur Wasilij Siwtsew angefertigt. Ich möchte hinzufügen, dass viele Veteranen sich sehr gekränkt fühlen, dass man die Aufstellung zum Siegestag in der Sieges-Gedenkstätte nicht gestattet hat. Dennoch geben wir die Hoffnung nicht auf, dass sie irgendwann einmal in Krasnojarsk stehen wird. Es ist nur eine Frage der Zeit. Die Zahl der Befürworter der Errichtung eines Stalin-Denkmals ist sowieso größer, als die der Gegner“. Und nach den Worten des Abgeordneten des Stadtrates der KPRF, Sergej Maslow, haben die Behörden zweitausend Veteranen betrogen, die das nötige Geld für das Denkmal gesammelt hatten. „Nach seinem Treffen mit veteranen vor einem Monat hat Gouverneur Chloponin versprochen, dass in Krasnojarsk ein Denkmal Stalins aufgestellt wird. Aber nach den Feiertagen kehrte er als ein ganz anderer Mensch aus Moskau zurück und erklärte, dass es keine Büste geben werde“.

Am Vorabend hatte der Gouverneur der Region Krasnojarsk, Aleksander Chloponin, tatsächlich verkündet: „ In der Stadt soll keine Stalin-Büste errichtet werden. Mir gefallen die ganzen Spekulationen zu dieser Angelegenheit nicht. Ich bitte alle Krasnojarsker, die wertlosen Diskussionen zu beenden, und erst recht am Vorabend des Sieges-Feiertages“. Er unterstrich ebenso, dass weder vor, noch nach den Feiertagen eine Stalinbürste aufgestellt würde. Dabei verwies er auf die Entscheidung der Stadtverwaltung in dieser Frage: „Ich bin der Meinung, dass der Genozid in Rußland niemals schrecklicher war, als zur Zeit der Stalin-Herrschaft. Aber die Rolle des Generalissimus im Großen Vaterländischen Krieg dar nicht unterbewertet werden. Wenn hier die Rede von der Verewigung seines Andenkens ist, dann bin ich damit einverstanden, wenn man ihn in einem Atemzug mit ebenso großartigen Heerführern wie Schukow, Rokossowskij und Konew nennt“.

Der krasnojarsker Bürgermeister Petr Pimaschkow enthält sich jeglicher Kommentare darüber, weshalb die städtischen Behördern so plötzlich ihre Position geändert haben. Sein Stellvertreter Wasilij Kuimow erklärte, dass die Büsteaufgrund ihrer Größe für den Gedenk-Komplex nicht geeignet sei. „Es ist auch noch nicht bekannt, ob der Autor der Büste, im Unterschied zu den Kommunisten, mit der Aufstellung seiner Büste an dieser Stelle einverstanden ist. Und was die Erlaubnis der Stadtverwaltung betrifft, so ist das überhaupt nicht unsere Angelegenheit. Die Kommunisten könnten die Büste in ihrem Büro aufstellen – das kann und wird ihnen auch niemand verbieten. Aber für die Gedenk-Stätte genügt uns allein das dort befindliche Foto Stalins, das schon seit langer Zeit unter den Exponaten zu sehen ist“, - sagte der Beamte.

Die feierliche Einweihung der Büste verlief nicht ohne Skandal. Einige Zeit nach der „Eröffnung“ erschienen dort Vertreter der Gesellschaft „Memorial“.Der stellvertretende Vorsitzende der Organisation, Valerij Khvostenko erklärte zum wiederholten Male, dass die Aktionen der Rentner „eine Schande für die Stadt“ seien. „Die einzige Kompromißmög-lichkeit, die es gibt, ist die Aufstellung der Büste neben einer Grabsäule mit den Namen der Erschossenen und der Repressionsopfer“, - sagte er. Aber die Veteranen machten keine Anstalten ihm ihr Gehör zu schenken, sondern stießenihn zornig fort.

Wie sich übrigens später herausstellte, war die ganze Szenerie gar nicht echt. Der Vorsitzende des Stadtkomitees der KPRF, Wladimir Bedarew, verkündete nach drei Stunden, dass es sich hier lediglich um eine „Präsentation“ gehandelt habe.

Und nach drei Stunden wurde die Büste mit einem Tuch verhüllt, das dicke Seil entfernt, mit dem sie auf dem schwarzen Postament festgehalten wurde, in ein Fahrzeug verladen und – abgefahren.

Wo die Skuilptur nun aufbewahrt werden soll, ließen die Vertreter der KPRF nicht verlautbaren.

Möglicherweise war den Stadtbehörden das Szenario der „Aufstellung bekannt – denn währendessen war merkwürdigerweise kein einziger Militionär in der Markowskij-Straße zu sehen. Eine offizielle Stellungnahme der krasnojarsker Verwaltung gab es bislang nicht. Wenngleich beispielsweise der Vorsitzende des krasnojarsker Stadtrates, Wladimir Tschaschtschin, erklärte, dass die Aktionen der Kommunisten nicht rechtmäßig waren.“Die Entscheidung über die Aufstellung von Denkmälern muß in Übereinstimmung mit der geltenden Ordnung getroffen werden“, meinte er. Aber darüber, dass man die Organisatoren der Aktion nun in irgendeiner Weise bestrafen wolle, sagte er kein einziges Wort.

Wie die Zeitung „Gazeta.Ru“ bereits zu einem früheren Zeitpunkt berichtete, hob die ukrainische Staatsanwaltschaft im April nach Protesten der Öffentlichkeit eine Entscheidung der Deputierten des Liwadijsker Siedlungsrates auf, der die Errichtung eines Denkmals zu Ehren der Teilnehmer der Jalta-Konferenz im Jahre 1945 – Roosevelt, Churchill und Stalin - neben dem Liwadijsker Palast genehmigt hatte. Zuvor war auch die Errichtung eines Denkmals aus den Händen des Skulptuers Surab Zereteli auf dem Gelände des Panorama-Museums „Schlacht um Stalingrad“ in Wolgograd abgelehnt worden. Und in Omsk wies der Stadtrat den Vorschlag von Veteranen zurück, eine der Straßen in der Stadt in Stalin-Straße umzubenennen.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass zum 60. Jahrestag des Sieges eine Stalin-Denkmal auf dem Siegesplatz in der jakutischen Stadt Mirnyj auftauchen wird. Ebenso ist es möglich, dass man eine Skulptur Stalins in Belgorod aufstellt – ein entsprechender Vorschlag wurde durch den Veteranen-Rat der Region eingebracht. Allerdings hat der Gouverneur der Belgrorodsker Region, Jewgenij Sawtschenko, bereits angekündigt, dass man eine Entscheidung darüber, ob as ein Stalin-Denkmal auf dem Platz der Schlacht bei Kursk geben wird oder nicht, in Moskau getroffen werden soll. „Das ist eine Sache von föderaler Bedeutung“, - meinte er.

06. Mai 18:46

Gazeta.ru
HTTPS://www.gazeta.ru/2005/05/06/oa_156917.shtml


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