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Der Schmerz der Erde von Biriljussy

Am vergangenen Samstag fand in dem Dorf Polewoje die Einweihung eines Denkmals statt, das an der Stelle eines Massengrabes für die Opfer politischer Repressionen errichtet wurde. Und bislang ist es das einzige, das von mehreren Massenfriedhöfen unseres Bezirks, deren Lage man heute nur aus den Erzählungen der Verwandten von Verstorbenen und aus Dokumenten jener Jahre erahnen kann, mit einem Kreuz ausgestattet wurde. Heute sind 72 Jahre seit der Entstehung der Sonderumsiedler-Dörfer Polewoje, Bokowoje, Abolsk und Sopka im Bezirk Biriljussy vergangen!

Die ersten unfreiwilligen Bewohner waren enteignete und entrechtete Großbauern, die im März 1933 aus dem Kubangebiet, der Ukraine, Weißrußland und den mittleren Landstrichen Rußlands ausgesiedelt wurden. Wie wir wissen, wurden bäuerliche Kleineigentümer von der Sowjetmacht mit Zügen nach Sibirien gebracht, wobei man ihnen den gesamten Besitz fortnahm und alle, einschließlich Kinder und alte Menschen, zu schwerem Leid und häufig auch zum Untergang verurteilte. Im ersten Jahr ihrer Ansiedlung kamen diese vom Staat verleumdeten und ausgeplünderten Menschen zu hunderten ums Leben – durch Hunger, Krankheiten und den Klimawechsel, nachdem sie all ihr Hab und Gut bei den Bauern des Dorfes gegen Eßbares eingetauscht hatten. Die verstorbenen Erwachsenen begrub man in der Kleidung, die sie am Leib trugen, Kinder wurden in Birkenrinde gewickelt....

Aber auch unter solchen Bedingungen bewiesen diese Leute, denen man die politischen Rechte entzogen hatte, die man für sozial gefährliche Elemente hielt, die jedoch großes fachliches Geschick besaßen, wahren Mut und eine heroische Arbeitsauffassung: sie fanden für sich eine Unterkunft, angefangen mit Erdhütten, schafften sich nach und nach einen kleinen Haushalt an, schufen landwirtschaftliche Genossenschaften, richteten Schulen und medizinische Versorgungspunkte ein. Allerdings war es damals nicht angebracht, über ihre Verdienste zu sprechen, und es wurde auch in den Zeitungen nichts über sie geschrieben!

Zu Beginn des Krieges waren in den Dörfern Schulen in Betrieb, in Polewoje wurde sogar eine 10-Klassen-Schule eröffnet, es gab ein Bezirkskrankenhaus mit Ambulatorium, einer stationären und chirurgischen Abteilung, und es praktizierten dort Ärzte aus den Reihen der Verbannten. Künstler des „Festungstheaters“ führten regelmäßig klassische Stücke auf, veranstalteten Konzerte von Amateur-Orchestern. Die an keine Satzung gebundenen land-wirtschaftlichen Genossenschaften brachten dem Bezirksfiskus gute Erträge.

Der beginnende Krieg brachte gewisse Korrekturen ins Leben der Siedlungsbewohner. Alle arbeitsfähigen Männer wurden in die Arbeitsarmee mobilisiert. Im Mai 1932 hatte man mit der Einberufung der enteigneten Großbauern an die Arbeitsfront begonnen.

Michej Aleksejewitsch Slabucho, Großbauer aus dem Dorf Pokrowka, Satschulymsker Dorfrat, begleitete beispielsweise zwei Söhne an die Front: später erhielt er die Todesnachricht: ein Sohn war bei er Verteidigung Stalingrads gefallen. Der zweite Sohn, den man 1932 als Sohn eines enteigneten Kulaken mit der Formulierung „kein Recht auf Zugang zu den Hochschulen der UdSSR“ aus der Tomsker Universität ausgeschlossen hatte, kehrte aus dem Krieg im Range eines Leutnants und mit zwei Orden zurück. Er hatte Elnja, Staraja Russa und Moskau verteidigt. Heute ist er der letzte noch lebende Offizier aus dem Großen Vaterländischen Krieg, der im Bezirk Beriljussy wohnt.

Der Sohn des enteigneten Großbauern Pawel Andrejewitsch Ispolinow wurde Panzerfahrer; er starb beim Frontalangriff mit einem „Tiger“ den Heldentod.

Die Initiative für die Verewigung des Gedenkens an die unschuldigen Opfer in unserem Bezirk ist der regionalen „Memorial“-Organisation (Leiter A.A. Babij) und den Mitarbeitern des Bezirksmuseums zuzuschreiben. Und Hilfe bei der Realisierung des Projektes – der Errichtung des fünf Meter hohen Kreuzes aus Zirbelkiefer-Balken erwiesen der Mann an der Spitze des Bezirks, W.I. Jakowlew (dies war auch einer der von den Wählern an ihn gerichteten Aufträge), der Leiter der landwirtschaftlichen Verwaltung von Polewoje – W.S. Pospelow, und der Verfechter der örtlichen Kirche – Vater Sergij. Das riesige Gedenkkreuz wurde von den Nachfahren der Zwangsumsiedler Borow, Pospelow, Kusmenkow und anderen Dorfbewohnern errichtet.

Gerechtigkeit und geistige Stärke müssen auf unserer Erde triumphieren, und dann wird ihre Wiedergeburt beginnen. Davon sprachen in ihrenr Reden, die diesem Ereignis gewidmet waren, der Mann an der Spitze des Bezirks – W.I. Jakowlew, Vater Sergij und die Direktorin des Heimatkundemuseums – N.A. Laktionowa.

Es ist beabsichtigt, weitere Gedenkstellen auch an anderen Orten unseres Territoriums zu realisieren.

W. Wasiljew, Dorf Polewoje
„Neuer Weg“, N° 25 (3265), 22.06.2005


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