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Die Staße des Todes . Rache und Mystik

Während die Ermittlungen in Sachen der gestohlenen Lokomotiven von der Trasse der ehemaligen Lager-GroßbaustelleNr. 503 laufen, möchte man gern ein paar Worte an denjenigen richten, der diese Zeilen ganz bestimmt nicht durchlesen wird, und falls er es doch tut, wird er sie tunlichst überhören. Trotzdem ... Man muß stets die Chance nutzen, selbst wenn er nur ein einziger unter einer Million Menschen ist.

Wir kennen diejenigen, die zum Schlag gegen die Lokomotiven ausgeholt haben, gegen bedeutsame Museumsstücke und wertvolle Raritäten. Aber ob die Ermittlungen die Geschäftemacher aufdecken werden – das weiß der Teufel. Nichtsdestoweniger mögen einige Manager und hochgestellte Beamte diese Zeilen sehen (auch solche mit Deputierten-Mandaten). Hier gibt es keine Anspielung auf irgendeine „Mittäterschaft“ zum Raub, es geht lediglich darum, dass diese Leute im „Besitz von Informationen“ zu dieser Sache sind, dass sie wissen „woher der Wind weht“. So mögen sie denn auch die nun folgende Information zur Kenntnis nehmen.

Die Zeugin der schweren, unfreiwilligen, todbringenden Zwangsarbeit und der menschlichen Qualen, die unvollendet gebliebene und völlig verwilderte Eisenbahnstrecke, erhielt die Bezeichnung „Straße des Todes“. Die Bezeichnung ist zutreffend. Aber weniger erschreckend als vielmehr – warnend.

Die Gesellschaft hatte genügend Zeit darüber nachzusinnen, wie und warum so etwas im Vaterland überhaupt geschehen konnte, und insbesondere beim Bau der Trasse Salechard – Igarka in den Jahren 1947-1953. Diejenigen, die nicht nur keine Lehre aus jenen Ereignissen gezogen, sondern auch noch versucht haben, diesen Schienenweg zum Objekt des Profit und der Gewinnsucht zu machen, haben selber ihr Schicksal auf den Altar von Gut und Böse gelegt. Fast alle „Unternehmer“, die irgendwelche riesigen Stücke aus den jermakowsker Lagern abtransportiert und versucht haben, damit Geld zu machen, haben durch unterschiedliche, äußerst merkwürdige Umstände kurz darauf diese Welt verlassen.

Hier gibt es keinerlei Mystik. Im Grunde genommen rächt sich die Schienenstraße nicht. Es ist einfach nur so, dass die Gegenstände, die sich verstreut entlang der Trasse befinden, nicht bloß eine vergegenständlichte Erinnerung an die Geschichte darstellen, sondern auch den vergegenständlichten Schmerz, das materialisierte menschliche Leid (und je größer der jeweilige Gegenstand, desto größer die Qualen). Das Nichtverlangen von Opferbereitschaft –diese beunruhigende, mächtige, unkontrollierbare Ausstrahlung eines Häufchens unerfüllter Hoffnungen, stößt auf Verständnis und Mitleid, wird unterdrückt und beruhigt sich, aber wenn sich das dann auf gewinnsüchtiges Verlangen niederschlägt, löst es etwas aus, was man Resonanz nennt, und der Geldliebhaber selbst wird dazu verdammt, die Rolle des Opfers zu spielen. Als nächstes Opfer der „Todesstraße“. Soweit das Eine.

Zweitens. Wahrscheinlich haben nur wenige Menschen, die ihre Lebenserkenntnisse aus den Zeitungen entnehmen, ein seltsames Zusammentreffen bemerkt. Praktisch in eben jenen Tagen, als man in der krasnojarsker Presse und den elektronischen Massen-Informationsmitteln über das Verschwinden der historischen Lokomotiven aus JERMAKI (so heißt Jermakowo in der volkstümlichen Umgangssprache) berichtete, erschien in der zentralen Presse eine Information darüber, dass Präsident Putin höchstpersönlich in der Eigenschaft als Maschinist eine Elektrolok der neuen Generation „JERMAK“ erprobt habe. Und das ist ein interessantes Zeichen. Während das Staatsoberhaupt diesen „Jermak“ vor dem Volk testet, werden andere Lokomotiven klammheimlich geraubt, und man läßt sie den Abhang der Geschichte hinunterrollen. Offensichtlich haben Sie, meine Herren, nicht rechtzeitig genug ihre Hände über Jermakowo und seine ungeschützten Lokomotiven erhoben. Ihr Panzerzug steht nicht auf dem Reservegleis. Er ist für jeden sichtbar entgleist.

Wenngleich man einwenden könnte: im Gegenteil, es ist richtig, dass an einer Stelle die alten Loks, die ihr Jahrhundert hinter sich gebracht haben, verschwunden sind, und an einem anderen Ort neue auftauchen- mit einzigartigen Möglichkeiten. Darin liegt der Liebreiz der Gesetzmäßigkeit. Aber wenn das wirklich so ist, dann geht in unserem Lande in der Tat etwas sehr Ernstzunehmendes vor. Und nicht nur in puncto Erinnerung.

Alexander TOSCHTSCHEW,
„Museum des ewigen Frostes“,
Stadt Igarka,
05.08.05.


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