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Unschuldig

Bis zum kalten Winter des Jahres 1954, und wenn man es ganz genau nimmt, von 1929 bis 1958, befanden sich auf dem Gebiet der Region Krasnojarsk annähernd 545.000 Menschen an Haftverbüßungsorten, in lebenslanger oder befristeter Verbannung und in Sonderansiedlungen. Und das ohne Berücksichtigung derer, die im KrasLag einsaßen und in der Trudarmee arbeiten mußten! Tausende und Abertausende durchliefen die grausame Maschinerie der Verfolgung aus politischen, sozialen, nationalen oder religiösen Motiven. Der nicht zur Ruhe kommende Schmerz der Erinnerung, des Gedenkens an die Verwandten, die durch die Hölle des GULAG gegangen sind, sorgten dafür, dass das Telefon der beim „Krasnojarsker Arbeiter“ eingerichteten Hotline nicht eine einzige Minute stillstand.

Auf die Unmenge eingehender Fragen mußten die Leiterin der Abteilung für die Rehabilitation der Opfer politischer Repressionen bei der regionalen Staatlichen Behörde für Inneres – Tatjana Nikolajewna KILINA, die Leiterin der Aufsichtsbehörde für die Durchführung der Gesetze im Hinblick auf föderative Sicherheit und zwischennationale Beziehungen der Regionsstaatsanwaltschaft – Ljudmila Wladimirowna GURSKAJA, die stellvertretende Leiterin der Behörde für Soziales bei der Regionsverwaltung – Irina Julewna MIROSCHNIKOWA, und der Vorsitzende der Krasnojarsker „Memorial“-Organisation für Geschichtsaufklärung, Menschenrechte und Sozialfürsorge – Aleksej Andrejewitsch Babij.

FÜR EINE STABILE WIRTSCHAFT

Zuerst kamen die Briefe, denn es gab nur eine externe Telefonleitung.

Von Wladimir Stepanowitsch Amosow aus Saosjornyj: „ Mein Vater, Stepan Fjodorowitsch Amosow, wurde im Januar 1930 aufgrund seiner Weigerung der Kolchose beizutreten entkulakisiert. Sie nahmen ihm das Vieh, den gesamten Besitz und sein Wohnhaus fort. Seine neunköpfige Familie wurde dadurch in den Ruin getrieben. Vor der Verbannung rettete ihn sein Neffe, er ehemalige Vorsitzende des Kreis-Exekutiv-Komitees. Die Familie irrte umher – von einer Erdhütte in die andere, von einem Badehaus ins andere. Vor dem Krieg gestatteten die Behörden den Bau provisorischer Häuser aus Stangen. Nach dem Krieg, im Jahre 1949, setzte die zweite Welle der stalinistischen Repressionen ein. Als man mit der Inventarisierung der herrenlos gewordenen Wohnhäuser begann, beschloß das Exekutiv-Komitee des Bezirkssowjets dem Vater ein altes Haus zu überlassen. Sein Sohn Viktor arbeitete damals als Sekretär beim Kreis-Exekutiv-Komitee; man entlarvte ihn als Sohn eines Kulaken. Man kündigte ihm den Arbeitsplatz und schloß ihn aus der Partei aus, in die er an der Front eingetreten war. Er erlitt einen Infarkt und starb kurz darauf, aber in der Verordnung des Kreis-Exekutiv-Komitees über die Rückgabe des unrechtmäßig konfiszierten Hauses tauchte eine Formulierung auf, die besagte, dass „S.F. Amosow auf das Haus selber verzichtete, weil er noch ein zweites Haus besaß“ (ein Foto des Hauses, genauer gesagt, einer verkommenen, unansehnlichen Hütte, hatte Wladimir Stepanowitsch seinem Brief beigelegt). Mit dem Niedergang der Sowjetmacht bemühte ich mich Dokumente zu finden, die mit unserer Familientragödie in Zusammenhang standen. Aber die Archive waren dermaßen frisiert, als hätte Stirlitz in ihnen herumgewühlt (politischer Agent in den Romanen von Julian S. Semjonow; Anm. d. Übers.). Ich schrieb an die Kommission für Rehabilitionen. Ich reichte einen Antrag bei Gericht ein. Der Richter lehnte ab – mit der Begründung: „Bedank dich bei deinem Vater, dass er das Haus freiwillig herausgegeben hat, sonst hätte man euch alle zueinem Lageraufenthalt an der Kolyma verdonnert“. Wie kann ich die Gerechtigkeit wiederherstellen? Ich brauche keine Vergünstigungen; ich bekomme bereits Geld wegen meines Dienstes an der Front. Ich möchte gern eine finanzielle Entschädigung erhalten, um dann mit dem Geld bescheidene Gedenksteine auf den Gräbern der Eltern zu errichten“.

L.W. Gurskaja: Lgemäß Artikel 7, Absatz 2, des Gesetzes „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen“ kann im Falle fehlender Dokumente der Tatbestand, dass jemand politisch verfolgt wurde, auch vor Gericht anhand von Zeugenaussagen festgestellt werden. Auf diese Weise ist das Gericht verpflichtet, den Antrag von W.S. Amosow erneut zu prüfen und dann eine Entscheidung zu treffen. Man muß dabei berücksichtigen, dass Absatz 2 des Artikels 7 des oben genannten Gesetzes am 01.01.2006 außer Krft gesetzt wird. Man wird jedoch Tatbestände, die von juristischer Bedeutung sind, vor Gericht feststellen lassen können, so wie es Artikel 264 der Bürgerlichen Prozeßordnung der Rusischen Föderation vorsieht.

- Fjodor Michailowitsch aus Krasnojarsk. Meine Eltern wurden 1931 entkulakisiert und zusammen mit den Kindern aus dem Tschitinsker Gebiet in die Region Krasnojarsk vertrieben. Aber wir sind nicht alle als Opfer der Repressionen anerkannt. Warum nicht?

- Natalja Sawelewna Baranowa aus Krasnojarsk. Unsere Großfamilie (sieben Kiner!) wurde als Kulaken aus dem Gebiet Woronesch verschleppt. Wir kamen in das Dorf Pestschanka in der Nähe von Krasnojarsk. Wir fristeten ein elendes Dasein, ertrugen solche Qualen, dass wir uns daran nicht erinnern möchten. Dennoch halte ich mich nicht für eine Verfolgte, obwohl ich 1922 geboren wurde und den gleichen Leidensweg durchmachte wie meine Eltern, „als Kulaken“. Es sind keinerlei Dokumente darüber erhalten geblieben.

- Sinaida Nikolajewna Iwanowa, Kreis Biriljussy. Bis zu welchem Jahr gelten Entkulakisierte als Repressionsopfer?

T.N. Kilina: Unter Sonder-Kommandantur befanden sich Personen, die im Zusamemnhang mit der Entkulakisierung in den 1930er Jahren in die Region Krasnojarsk verschelppt wurden, bis zum Jahr 1947. Auf Anordnung des Ministerrates der UdSSR vom 7. Mai 1947 wurden sie aus der Sonder-Zwangsansiedlung entlassen. Aber es gab auch frühere normative Dokumente, aufgrund derer ehemalige „Entkulakisierte“ aus der Sonderansiedlung freigelassen wurde, insbeondere: die Verordnung des Rates der Volkskomissare der UdSSR vom 22.10.1938, die Verordnung Nr. 1575 des Staatlichen Verteidigungskomitees aus dem Jahre 1942 (im Zusammenhang mit ihrer Einberufung in die Rote Armee wurden „Entkulakisierte“ und ihre Familienmitglieder von der Meldepflicht entbunden). Leider sind uns nicht alle Archiv-Materialien erhalten geblieben. So wurden 1955 insgesamt 11667 archivierte Personenakten vertriebener Kulaken vernichtet, weil man der Meinung war, dass sie weder einen operativen, noch wissenschaftlichen oder historischen Wert darstellten. Wie durch ein Wunder blieben wenigstens 74 solcher Akten von entkulakisierten Personen aus den Jahren 1929-1935 erhalten. Bis zum heutigen Tage wurden auf der Grundlage von Unterlagen aus den Staatsarchiven, Gerichtsentscheiden und anderen Dokumenten, die den Tatbestand von Repressionen bestätigen, 6996 archivierte Personenakten rekonstruiert werden.

Für den Fall, dass es keine dokumentarischen Bestätigungen gibt, kann der Tatbestand politischer Verfolgungen auf dem Verwaltungswege durch ein Gericht festgestellt werden, und zwar basierend auf Zeugenaussagen. Bevor man sich jedoch an ein Gericht wendet, muß man eine offizielle Anfrage an dem Ort stellen, an dem die Reperssionsmaßnahmen stattgefunden haben. Wie zum Beispiel im Fall der Natalia Sawelewna Baranowa – im Gebiet Woronesch. Sofern in unseren Archiven keine Dokumente mehr vorliegen, dann fragen wir bei der Dorfverwaltung nach. Denn das Dorf, aus dem sie vertrieben wurde, existiert, wie sie sagt, noch, und das bedeutet: wenn sich dort auch nur ein einziger Zeuge finden läßt und dessen Aussage vor Gericht überprüft wird, dann besteht auch die Möglichkeit, den Tatbestand der Zwangsansiedlung und die Dauer der Sonderansiedlung festzustellen. Der Fall wird dann weiter durch das Gericht geprüft und entschieden.

- Aleksander Stepanowitsch Schumanowitsch ist besorgt: Mein Großvater, er lebte im Ilansker Kreis, wurde entkulakisiert. Ich, sein Enkel, wurde 1931 geboren. Gehöre ich zu denjenigen, die als Leidtragende politischer Verfolgungen anerkannt werden?

- Wurden denn Ihre Eltern zusammen mit dem Großvater repressiert?

- Nein. Sie wohnten woanders, aber ich lebte bei meinem Großvater.

- In dem Fall findet das Gesetz zur Rehabilitation von Opfern politischer Repressionen auf Sie keine Anwendung.

Was die Rehabilitierung von Kindern angeht, so werden laut Artikel 1.1 des oben genannten Gesetzes Kinder, die aus politischen Gründen repressiert wurden und Anspruch auf Rehabilitation haben dann als solche anerkannt, wenn sie sich zusammen mit ihren aus politischen Motiven verschleppten Eltern oder anderen, an deren Stelle getretenen Personen, an denselben Haftverbüßungsorten wie diese befanden, oder gemeinsam mit ihnen in befristete oder unbefristete Verbannung oder Sonderansiedlung geraten waren; dies gilt ebenfalls für Kinder, in noch minderjährigem Alter ohne Obhut beider Eltern oder auch nur eines Elternteils aufwuchsen, wenn diese oder dieser unbegründet einer Verfolgung aus politischen Motiven ausgesetzt war.

- Maria Jefimowna, Krasnojarsk: Ich stamme aus einer entkulakisierten litauischen Familie. Kann ich als Opfer politischer Repressionen anerkannt werden?

- Ich rufr im Auftrag meiner Bekannten aus Kosylka an. Sie wurde als Person deutscher Nationalität verfolgt. Gilt ihr Sohn dann auch als Repressionsopfer?

- Oksana Jurewna, Krasnojarsk: Die Eltern meines Mannes wurden nach dem Krieg in der Ukraine politisch verfolgt. Zählt mein Mann, der 1963 geboren wurde, dann auch zu den Repressionsopfern?

T.N. Kilina: Jeden dieser Fälle muß man einzeln untersuchen. Alles hängt ab von der Freilassung der Eltern aus der Zwangsansiedlung. Wenn die Eltern beispielsweise am 22. Januar 1956 entlassen wurden und ihr Kind am 23. Januar desselben Jahres zur Welt kam, dann gilt es bereits nicht mehr als Repressionsopfer. Die Entkulakisierten Litauer befanden sich in unserer Region bis 1959 in der Zwangsansiedlung. Familienmitglieder von Angehörigen der UPA-OUN (Ukrainische Aufständische Armee sowie Mitglieder ukrainischer nationalistischer Organisationen) unterlagen bis in die 1960er Jahre in den Gebieten der Zwangsansiedlung einer Meldepflicht. Die Wolga-Deutschen mußten sich noch bis Januar-Februar 1956 regelmäßik bei der Kommandantur melden und registrieren lassen. Aber ich wiederhole noch einmal, die Zeitpunkte der Freilassung können untrschiedlich sein. Man muß jeden Fall gesondert überprüfen.

Wohin die Suche führt

- Oleg und Nina Sawin aus Krasnojarsk: Wie wir kürzlich erfuhren, war der Großvater mütterlicherseits Finne. Aber unsere Mutter starb sehr früh, und so wissen wir nur wenig über ihre Verwandten. Wir würden gern in Erfahrung bringen, von wo aus Finnen in die Region Krasnojarsk deportiert wurden, wo sie sich befanden, bis zu welcher Zeit sie als Repressionsopfer galten. Wo können wir nach den Spuren des Großvaters suchen?

- Ich bin Studentin an der Fakultät für Geschichtswissenschaften. Ich interesse mich für die geschichte der politischen Verfolgungen in den 1930er und 1940er Jahren. Angehörige welcher repressierten Völker wurden in unsere Region verschleppt?

T.N. Kilina: Personen finnischer Nationalität wurden in den Jahren 1941 und 1942 aus dem Leningrader Gebiet sowie der Stadt Leningrad ausgesiedelt und wurden in der Region Krasnojarsk zwangsangesiedelt. Vor allem im Mansker Bezirk. Unter der Aufsicht der Sonderkommandanturen standen sie April-Mai 1954.

Folgende „repressierte Völker“ wurden in unserer Region zwangsangesiedelt: Wolga-Deutsche, litauische Großbauern, Polen (1939-1940, während der Zeit der Angliederung der West-Ukraine, Litauens und des westlichen Weißrußlands an die UdSSR), Kalmücken, Griechen, Finnen.

- Nikolaj Iwanowitsch aus Krasnojarsk: Mein Großvater war Militärarzt. Er wurde von einer „Trojka“ verurteilt und in Krasnojarsk erschossen. Dieses Thema wurde in unserer Familie nie angesprochen, und so weiß ich nur wenig über diesen Teil unserer Familiengeschichte. Wo kann ich nach den Spuren des Großvaters suchen?

L.W. Gurskaja: Nikolaj Iwanowitsch, Sie müssen sich mit einem offiziellen Antrag an die Abteilung für die Registrierung von Archivbeständen wenden, und zwar bei der Bezirksverwaltung des russischen FSB, die für die Region Krasnojarsk zuständig ist. Die Anschrift lautet: Krasnojarsk, Derzhinskij-Straße 18, oder auch ans regionale Staatsarchiv: Marx-Straße 6.

- Nikolaj Fomitsch Sedelow aus Atschinsk: es würde mich interessieren, wo sich das KarLag befand. Wo kannman nach den Spuren der Häftlinge dieses Lagers suchen? Stimmt es, dass Rokossowskij dort einsaß?

T.N. Kilina: das KrasLag entstand 1938. Die Lagerverwaltung befand sich in der Stadt Kansk und später im Nishneingaschsker Bezirk. Dokumente über ehemalige Gefangene des KrasLag befinden sich im Archiv der Verwaltung für die wirtschaftliche Betriebslenkung unter Sonderbedingungen (die ehemalige Verwaltung Nr. 235), das zur Hauptverwaltung des Föderativen Strafvollzugsdienstes gehört. Anschrift: Nischneingaschsker Bezirk, städtische Siedlung Nischnjaja Pojma, Derschinskij-Straße 6. Angaben über Rokossowskij liegen uns nicht vor. Und, nach den biografischen Angaben Marshall Rokossowskijs zu urteilen, war er auchnie im KrasLag. Ebenso wie die Sängerin Ruslanowa, die ihre Haftstrafe im Gebiet Irkustk verbüßte. Das ist alles nur eine Legende.

- Jewgenij (per e-mail). In dem Artikel “Der Held aus dem Dorf Nikulino” von N. Laktionowa, der Direktorin des Heimatkundemuseumsim Bezirk Biriljussy, wird die Zwangssiedlung Abelsk erwähnt. Genau dorthin wurde die Familie meines Vaters verschleppt (er war damals vier Jahre alt). Ich habe diese Siedlung auf Landkarten gesucht, konnte sie jedoch nicht finden. Ich würde gern wissen, wo sie liegt. Vielleicht kann man sich mit der Museumsdirektorin in Verbindung setzen? Helfen Sie bitte!

A.A. Babij: Die Direktorin des Museums in Biriljussy, Nadeschda Laktionowa, ist tatsächlich eine echte Kämpferin. Vieles hat sie in ihrem Bezirk im Hinblick auf die Rehabilitation von Repressionsopfern getan. Dank ihrer Bemühungen konnte an den Stellen, an denen sich früher Sondersiedlungen befanden, wie beispielsweise in Abelsk, Gedenkkreuze aufgestellt werden. Schreiben sie uns eine e-mail (memorial@maxsoft.ru). Wir werden ihnen behilflich sein, die notwendigen Informationen zu bekommen. Die Telefon-Nummer des Museums in Nowobiriljussy lautet 2-10-76.

- Anna Andrejewna Kowalewa aus Krasnojarsk: Meine Eltern wurden repressiert. Kann ich, und wenn ja wo, Einsicht in ihre Akten nehmen?

- Die Akten der Sonderansiedler (die auf administrativem Wege verschleppt wurden) befinden sich in der Abteilung für Sonder-Aktenbestände und Rehabilitierung der Opfer politischer Repressionen beim Informationszentrum der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten der Region Krasnojarsk. Dort findet täglich von 11 bis 13 Uhr eine Sprechstunde statt. Adresse: Mira, 87. Mit Fragen der eigenen Rehabilitierung, sowie der Rehabilitierung von aufgrund politischer Motive verurteilten Personen, aber auch zu Rechtsverletzungen muß man sich an die Regionsstaatsanwaltschaft wenden. Sprechzeiten: täglich von 9 – 18 Uhr. Adresse: Mira, 32.

- Grigorij Abramowitsch Gerschman (Herschman) aus Krasnojarsk. Ich bin der Sohn politisch verfolgter Eltern, die aus der Ortschaft Anastasino, Kreis Mana, verschleppt wurden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig der Prozeß der Rehabilitation sich gestaltet, habe selbst alle Etappen der Suche nach Dokumenten und der Wiederherstellung der Gerechtigkeit durchlaufen. Ich schlage vor, eine gesellschaftliche Kommission zu eröffnen, die unmittelbar aus rehabilitierten Personen besteht, damit diese den anderen helfen können, die sich in solchen Dingen überhaupt nicht auskennen. Ich bin trotz meines fortgeschrittenen Alters auch selbst bereit, bei dieser Arbeit mitzuwirken. Ich bin jetzt 78. Und noch etwas. Wieviele Menschen sind in der Region schon rehabilitiert worden?

A.A. Babij: Eine solche Sprechstunde gibt es bei der gesellschaftlichen Organisation „Memorial“ unter der Anschrift: Uritskij-Straße 61, und zwar täglich von 15-17 Uhr. Sie wird von Tatjana Lawrentjewna Moisejewa abgehalten. Dank der Hilfe des krasnojarsker „Memorial“erhielten allein im Jahre 2004 82 Personen eine Rehabilitationsbescheinigung, darunter 20 Stattsbürger der Ukraine. Für konfiszierten Besitz bekamen 8 Personen eine Kompensation in Form von Geld. 759 Personen wandten sich 2004 insgesamt an uns, davon 333 zum ersten Mal. Der Strom der Ratsuchenden ist auch in diesem Jahr nicht kleiner geworden.

- Irina Petrowna aus Krasnojarsk. Ich habe ein sehr schmerzliches Problem. Mein Vater war während des Krieges in Gefangenschaft, bei seiner Rückkehr in die Heimat wurde er in den Abansker Kreis verschleppt. Tritt für seinen Fall auch das Rehabilitationsgesetz ein? Kann ich die Akte einsehen?

T.N. Kilina: Die Frage ist tatsächlich sehr kompliziert. Ohne alle damit verbundenen Unterlagen und Einzelheiten zu kennen, ist es unmöglich dazu etwas Verbindliches zu sagen.

Laut Gesetz sind Personen von der Möglichkeit einer Rehabilitation ausgenommen, wenn sie auf dem Verwaltungswege in die Sonderansiedlung geschickt wurden und aus der Zahl der repatriierten Sowjetbürger stammten (Kriegsgefangene und Zivilpersonen), wenn sie in Front- und Sonderformationen der deutschen faschistischen Truppen oder der Polizei dienten, sofern Beweismaterial über ihre Teilnahme an Aufklärungs-, Straf- und Kriegshandlungen gegen die Rote Armee, Partisanen, Armeen aus Ländern der Anti-Hitler-Koalition und der friedlichen Bevölkerung vorliegt. Laut Gesetz ist es nur dem Rehabilitierten selbst gestattet, Einsicht in seine Akten zu nehmen. Angehörige und andere Personen dürfen dies nur dann, wenn der Betroffene bereits verstorben ist oder seine persönliche Einwilligung dazu gegeben hat.

- Anatolij Innokentjewitsch Beresin, Krasnojarsk. Besteht die Möglichkeit, dass die Rehabilitationsakte beim FSB noch einmal überprüft wird?

L.W. Gurskaja. In Übereinstimmung mit dem Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen ist eine erneute Überprüfung des Falles nur dann vorgesehen, wenn die Entscheidung über die Angelegenheit vor dem 18.10.1991 gefällt wurde. In einem solchen Fall muß man sich an die Regionsstaatsanwaltschaft wenden.

- Sinaida Sergejewna Plotnikowa, Krasnojarsk. Ich möchte meine große Dankbarkeit gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung für die Rehabilitation von Opfern politischer Repressionen bei der Hauptverwaltung des Innern zum Ausdruck bringen. Sie haben uns dort geholfen, die gerechtigkeit wiederherzustellen und die notwendigen Dokumente für die Rehabilitation zusammen zu bekommen. Schließlich mußte der offizielle Antrag dafür in die Ukraine geschickt werden.

- Familie Sacharow aus Jenisejsk. Unser großer Dank geht an die Mitarbeiter der Rehabilitationsbehörde und ganz persönlich an Tatjana Nikolajewna Kilina – für ihre Aufmerksamkeit, Menschlichkeit und die große Professionalität, mit der sie ihre Arbeit machen.

Dazu gab es auch noch einen Anruf von Olga Brunowna Fjodorowa aus Krasnojarsk, die den Mitarbeitern der Abteilung zum bevorstehenden Berufsfeiertag gratulieren wollte – dem Tag der Miliz. Dem schließen wir uns an!

Zeiten und Schicksale

- Oleg Nikolajew aus Minusinsk. Ich habe gehört, dass der Vater des Schauspielers Sawelij Kramarow politisch verfolgt wurde und seine Haftzeit in unserer Region verbüßte. Wenn es möglich ist, erzählen sie doch etwas genauer über sein Schicksal. Hat der Sohn die Spuren seines vaters gefunden? Haben sie sich nach der Inhaftierung des Vaters wiedergetroffen?

T.N. Kulina: In unserem Archiv besitzen wir tatsächlich die Akte von Viktor Sawjelewitsch Kramarow, der 1900 geboren wurde. Er stammte aus der Stadt Tscherkassy, Gebiet Kiew, beendete 1924 das Kiewer Institut für Volkskunst (nach anders lautenden Dokumenten – die juristische Fakultät an der Universität Kiew). Ab 1917 arbeitete er in verschiedenen sowjetischen Einrichtungen, 1926-1927 bei der Staatsanwaltschaft.Ab 1928 war er im regionalen Moskauer Verteidiger-Kollegium beim Moskauer Gebietsgericht tätig, ab 1931 als juristischer Berater. Er befaßte sich mit der Advokaten-Praxis, wofür er im Grunde genommen auch bezahlt wurde, weil er nämlich einen Helden des Bürgerkrieges verteidigte, der eigentlich zum Volksfeind erklärt worden war. Am 26. Mai 1938 wurde Viktor Kramarow von einer Sondersitzung beim NKWD nach § 58, Absatz 8, dem Paragraphen, der so traurige Berühmtheit erlangte, zu 8 Jahren Lagerhaft verurteilt. Seine Strafe verbüßte er in den Lagern des Dalstroj. Nach Absitzen der Haftzeit (es existieren weder genaue Daten noch die entsprechende Akte) lebte er eine Zeit lang in Bijsk, Altai-Gebiet, arbeitete als Rechtsberater bei der Getreidebeschaffungsstelle. Er besaß nicht das Recht, nach Moskau zurückzukehren, und sah seine Familie nie wieder. 1950 wurde er erneut verhaftet, wieder nach demselben Paragraphen wie beim ersten mal verurteilt und zur Zwangsansiedlung in den Kreis Turuchansk, Region Krasnojarsk geschickt. Am 28. August 1950 traf er in Turuchansk ein. Am 28. März 1951 nahm er sich das Leben. Offenbar hatte ihn die zweite Verhaftung jeglicher Hoffnung auf Freilassung und das Wiedersehen mit seiner Familie beraubt. Seinen Sohn Sawelij hatte er letztmalig am Tage seiner Verhaftung gesehen, als jener gerade erst vier Jahre alt war. Seine Ehefrau Benedikta starb im selben Jahr, nur wenige Monate nach dem Tode ihres Mannes. Von dem Zeitpunkt an wurde Sawelij bei Verwandten aufgezogen. Seinen Vater verleugnete er nie, schrieb ihm sogar Briefe nach Bijsk und Turuchansk. Er ersuchte die „Organe“ auch um Auskünfte darüber, an welchem Ort sein Vater begraben war. Viktor Sawelewitsch Kramarow wurde am 8. Juni 1956 vom Militärtribunal des Moskauer Wehrkreises rehabilitiert. Dem Sohn wurden die dem Vater erhalten gebliebenen Dokumente zugeschickt – eine Fotografie aus der Akte, der Mitgliedsausweis der Gewerkschaft, das Sparbuch mit einem Restguthaben von 5 Rubel und 7 Kopeken sowie verschiedene Bescheinigungen auf insgesamt 53 Blatt Papier.

- Ich meine, daß es langsam an der Zeit ist, den ehrbaren Namen der Kämpfer der 2. Stoßarmee wiederherzustellen, die unter schwierigsten Bedingungen gekämpft haben und nahe Ljuban in der Region Leningrad umgekommen sind. Was macht es schon, daß diese Armee von dem General und Verräter Wlassow kommandiert wurde? Schließlich waren es doch nicht die Soldaten, die ihr Vaterland verraten haben!

A.A. Babij: Wir sind der Meinung, daß man zum Gedenken an die bei Ljuban gefallenen Krasnojarsker tatsächlich ein Denkmal errichten muß. Fast drei der krasnojarsker Divisionen wurden bei der Einkesselung niedergemetzelt! Hunderte von Soldaten sind bis heute noch nicht einmal richtig bestattet worden. Gott sei Dank haben noch Ende der 1980er Jahre deutsche und sowjetische Historiker die Legende zunichte gemacht, daß sich, zusammen mit Wlassow, die gesamte Armee in Gefangenschaft begeben hat.

- Tamara Ignatewna, Krasnojarsk. Ist eigentlich bekannt, wie viele Geistliche den Repressionsmaßnahmen zum Opfer gefallen sind?

A.A. Babij: Nach den Angaben, die der Gesellschaft „Memorial“ vorliegen, unterlagen ungefähr hundert Geistliche der Krasnojarsker Eparchie den Verfolgungen. Ihre Vor- und Nachnamen sind im ersten Band der „Bücher der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen“ aufgeführt.

- Walentina Pawlowna Labetskaja aus Krasnojarsk. Babij kennt mich gut, und auch andere Menschen kennen mich. Es ist noch nicht lange her, daß eine TV-Sendung über mich ausgestrahlt wurde. Es ging darum, daß ich meinem politisch verfolgten Mann geholfen habe. Damals war ich gerade erst zwanzig Jahre alt, als es mir mit Hilfe eines betrügerischen Tricks gelang, in Norilsk eine Arbeit zu finden, um ihn zu sehen. Was habe ich nur alles durchgemacht, um meinen Mann zu retten! Zehn lange Jahre hat er abgesessen ; später wurde er rehabilitiert. Ich bin jetzt 87 Jahre alt. Und ich brauche keine Vergünstigungen oder finanziellen Wiedergutmachungen, aber ein Zeichen des Gedenkens vielleicht. Wenn man so einer wie mir wenigstens eine Urkunde ausgestellt hätte. Wieviele solcher Ehefrauen und Mütter gibt es, die, um ihren lieben Angehörigen zu helfen, unvorstellbare Entbehrungen und Verluste ertragen mußten! Und was war das für ein Leben, wenn man mit dem Zeichen gebrandmarkt war, die Ehefrau oder Tochter eines Volksfeindes zu sein?! Und so wenige von uns sind übriggeblieben ...

Für die Erinnerungen an den Vater und die schwerste Zeit im Leben der Familie in den dreißiger Jahren, die in dem Brief von K.N. Perfilew aus Nasarowo zusammenströmen, würden ein Dutzend Seiten nicht ausreichen. Auch ein Anruf ging von ihm ein. Er hat uns keine einfachen Fragen gestellt. Unsere Arbeit anhand der Briefe wird fortgesetzt.

WENN MAN NUR EIN WENIG TROST GESPENDET BEKÄME

- Maria Genrichowna Scheiermann (Scheuermann?), Krasnojarsk. Wir gehören auch zu den Repressionsopfern. Und natürlich auch zu den inzwischen Rehabilitierten. Können wir eigentlich als Kompensation ohne Warteliste eine kostenlose Wohnung bekommen?

. Emilia Sigismundowna Bleiser, Krasnojarsk. Ich bin empört darüber, daß den anerkannten Opfern politischer Repressionen die Vergünstigungen auf föderativer Ebene entzogen wurden und nun lediglich lokalen Ermäßigungen zur Anwendung kommen. Ich habe meinen Vater im Alter von einem Jahr verloren, Mama zog mich am Rande des Elends groß. Aber das Schlimmste war, daß der Vater mir so sehr fehlte! Und für meine unglückliche Kindheit erhielt ich nichts weiter als eine zusätzliche Zahlung von 100 Rubel! Wissen Sie, in mir nagt eine solche Wut über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit! Wir haben im Leben so schon genug gelitten, und mit der Umwandlung der Vergünstigungen in Geldzahlungen haben sie uns praktisch alles genommen.

- Sinaida Abramowna Protsewskaja (Woloschina). Unser Vater wurde erschossen. Als Kinder eines Repressionsopfers bekamen mein Bruder und ich eine zusätzliche Zahlung zur Rente. Aber warum ist sie auf dem gleichen Stand wie früher geblieben? Schließlich ist doch der allgemeine Preisindex gestiegen.

- Aleksander Melnikow, Krasnojarsk. Gibt es Vergünstigungen für Rehabilitierte, die weder Rentner noch Invaliden sind? Welche grundlegenden Bestimmungen gibt es in der Region Krasnojarsk in Bezug auf Rehabilitierte? Wenn die Eltern Repressionsopfer (Entkulakisierte) waren, und der Sohn im Besitz einer Bescheinigung über ihre Rehabilitation ist und ihm im Testament eine Wohnung hinterlassen wurde, erhält er dann eine Ermäßigung auf die Erbschaftssteuer?

- Sergej Iwanowitsch Jelisafenko, Krasnojarsk. Ich bin auch rehabilitiert und Invalide 1. Grades und habe verdienstvoll am Aufbau der UdSSR mitgewirkt. Mit der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 122 wurde ich zum einfachen Rentner, der, wie alle anderen auch, eine Auszahlung von 500 Rubel bekommt. Es ist ganz besonders kränkend, dass es mir nicht rechtzeitig gelungen ist, mir die Vergünstigungen für die Beschaffung meiner Zahnprothesen zunutze zu machen, und jetzt hat man sie für die nichtföderativen Empfänger solcher Vergünstigungen einfach abgeschafft. Ich meine, dass man alle zustehenden Vergünstigungen zusammenrechnen muß, und nicht einfach eine einheitliche Zusatz-Leistung daraus machen darf.

- Ignat Fomitsch Sawenkow, Ujar. Für welche Art von Besitz und in welcher geldlichen Form kann man seinen Verlust zurückgezahlt bzw. erstattet bekommen?

- Irina Fjodorowna Koselzewa, Krasnojarsk. Gibt es auch weiterhin Fahr-Vergünstigungen für die Kinder von Repressionsopfern?

- Anna Prokofjewna Kutschmenko, Krasnojarsk. Ich habe den Status einer politisch Verfolgten und bin auch Arbeitsveteranin. Demzufolge habe ich Anspruch auf Vergünstigungen. Vor allen Dingen für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aber ich kann sie mir praktisch nicht zunutze machen, denn es gibt in Krasnojarsk so wenige städtische Transportmittel, Autobusse und Trolleybusse fahren dermaßen selten ...

I.J. Miroschnikowa: Das Gesetz der Region Krasnojarsk „Über Maßnahmen zur sozialen Unterstützung rehabilitierter Personen sowie Personen, die als Opfer politischer Verfolgungen anerkannt sind“, wurde am 10. Dezember 2004 verabschiedet. Gemäß Absatz 2 besitzen rehabilitierte Personen, die einer Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse bedürfen, das Recht auf vorrangigen Erhalt einer eigenen Wohnung. Aber da das föderale Gesetz Nr. 122 die Zuständigkeitsvollmachten in föderale und örtliche aufgeteilt hat, wurde das Problem der Wohnraumbeschaffung auf die örtlichen, städtischen Selbstverwaltungsorgane übertragen. Sie können sich in die Warteliste eintragen lassen, aber leider gibt es auch andere Kategorien von Vergünstigungsempfängern – und das sind nicht wenige.

Laut dem oben genannten Gesetz existiert in unserer Region für Rehabilitierte und Personen, die politisch verfolgt wurden, eine kostenlose Fahrmöglichkeit mit allen städtischen und Vorstadt-Transportmitteln. Leider erreichen uns und andere Institutionen zahlreiche Beschwerden über die unzureichende Verfügbarkeit von städtischen Transportmitteln, so dass im Grunde genommen alle diesbezüglichen Vergünstigungen wertlos sind. Deshalb wurde ein Gesetzesprojekt der Region Krasnojarsk vorbereitet, das ab dem 01.01.2006 die Maßnahmen zur sozialen Unterstützung für Fahrten mit den betreffenden Transportmitteln in die monatliche Auszahlung einer bestimmten Summe abändern soll. Dies gestattet den Menschen, den Betrag entweder tatsächlich für Busfahrten auszugeben oder nach eigenem Ermessen anderweitig zu verwenden. Allerdings gelten alle Vergünstigungen nur für rehabilitierte Personen, die sich im Rentenalter befinden oder im Invalidenstatus stehen. Ermäßigungen auf die Erbschaftssteuer sind weder in der föderalen, noch in der regionalen Gesetzgebung festgelegt. Angemessen ist die Rückzahlung, Ersatzleistung oder Kompensation von verloren- gegangenem Besitz. Rehabilitierten wird der Wert des konfiszierten Wohnhauses in der Art und Weise und entsprechend der Größenordnung wie sie in Absatz 6 des Gesetzes Nr. 15 der Russischen Föderation „Über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgungen“ vorgesehen sind erstattet. Nicht zurückgezahlt, erstattet oder kompensiert wird verstaatlichter Besitz (darunter auch Wohnhäuser) oder Besitz, der später in Staats- oder Gemeindeeigentum überging, der während des Bürgerkrieges und dem Großen Vaterländischen Krieg vernichtet wurde, sowie Grund und Boden, auf dem infolge von Naturkatastrophen die Ernte nicht eingebracht werden konnte oder Obst- und Beeren-Anpflanzungen vernichtet wurden. Der Besitz wird von staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen zurückgegeben, in dessen Zuständigkeit er sich befindet, allerdings ohne Ersatz für dessen etwaige Abnutzung oder Aufwendungen für dessen Erhalt. Sofern es nicht möglich ist, den Rehabilitierten den erhaltenen gebliebenen Besitz zurückzugeben, wird dessen Wert entsprechend des Schätzwertes in einer festgelegten Verfahrensweise zurückerstattet, beläuft sich jedoch höchstens auf 4.000 Rubel bei Besitz ohne Wohnhaus oder 10.000 Rubel für den Gesamtbesitz einschließlich Wohnhaus. In ebensolchen Größenordnungen wird der Wert nicht erhalten gebliebenen Besitzes entschädigt.

- Jelena Stanislawowna Chudonogowa, Krasnojarsk. Ich gehöre zu den Sonderumsiedlern, habe als Tochter eines politisch Verfolgten alle Entbehrungen durchgemacht und wurde 1991 als eine der ersten rehabilitiert. Aber als ich eine Mietermäßigung (Wohngeld) beantragte, verlangte das Sozialamt zusätzlich zu meiner Rehabilitationsbescheinigung auch noch die entsprechenden Dokumente von meinem Vater. Die waren aber alle vernichtet worden. Und so wurde mein Antrag auf die Gewährung von Vergünstigungen abgelehnt. Ist das gerecht?

L.W. Gurskaja: Die Sozialbehörde, i diesem Falle der Region Swerdlowsk, wäre verpflichtet gewesen, die Rehabilitationsdokumente, die von der Regionsstaatsanwaltschaft ausgestellt wurden, anzunehmen, Ihnen aufgrund dieser Unterlagen eine entsprechende Bescheinigung auszustellen und Ihnen die Vergünstigungen zu gewähren. Es sind dafür keine weiteren Dokumente erforderlich.

- Ich rufe im Namen und Auftrag meiner Tanten an. Sie, Vera Lukjanowna Potylizyna aus der Ortschaft Ogur und Sinaida Lukjanowna Bakulina aus Primorsk im Balachtinsker Kreis, die als Opfer politischer Repressionen anerkannt wurden. Gemeinsam mit den Eltern wurden sie entkulakisiert. Seltsamerweise fanden sie im Balachtinsker Archiv eine Aufstellung über den von der Familie beschlagnahmten Besitz! Vor vier Jahren erlangten sie unter großen Mühen ihre Rehabilitation. Vor kurzem beantraten sie eine Wiedergutmachungszahlung, aber man hörte ihnen noch nicht einmal zu, sondern sagte ihnen lediglich, dass sie nichts bekommen würden. Inzwischen sind beide schon 80 Jahre alt. Stellen Sie sich doch bitte vor, was das für sie für ein Schlag ins gesicht ist und wie schwer es ihnen fällt, diese ganzen Laufereien und Scherereien zu bewerkstelligen. Warum hat man ihnen die Kompensation verweigert?

L.W. Gurskaja: Das Gesetz der Russischen Föderation über die Rehabilitation der Opfer politischer Verfolgungen wurde am 18. Oktober 1991 verabschiedet. Laut Artikel 16 dieses Gesetzes müssen Anträge auf Rückgabe des Besitzes, Entschädigungen für den verlorenen Wert oder die Zahlung von finanziellen Ersatzleistungen innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des hier vorliegenden Gesetzes eingereicht oder vorgelegt werden und im Falle einer erst später erfolgten Rehabilitation – innerhalb von drei Jahren nach dem Erhalt der Rehabilitationsbescheinigung. In jedem Fall wäre die Kommission zur Wiederherstellung der Rechte von Repressierten bei der Bezirksverwaltung verpflichtet gewesen, die Dokumente zur Überprüfung anzunehmen und die Frage über eine eventuelle Kompensationszahlung oder Ablehnung zu entscheiden. Streitfälle, die in Zusammenhang mit der Rückgabe von Besitz, der Rückerstattung des verlorenen gegangen Besitzwertes oder der Zahlung von Wiedergutmachungsgeldern stehen, werden durch Gerichtsbeschluß entschieden.

- Angelina Jakowlewna Fjodorow aus Krasnojarsk. Meine Mutter lebt in Omsk; sie befand sich als Sonderansiedlerin in der Region Krasnojarsk. Bei den Formalitäten für den Rehabilitationsantrag verlangte man von ihr ein Gutachten, das angeblich die Dauer ihrer Berufstätigkeit bestätigen sollten.

T.N. Kilina: Sie brauchen sich keine Sorgen darüber machen, das ist die übliche Vorgehensweise. Solche Fragen liegen im Kompetenzbereich der Mitarbeiter der Rentenkasse. Die müssen sich nämlich um einem entsprechenden Antrag auf Erstellung eines Gutachtens kümmern, das die Entsprechung mit der Rehabilitationsbescheinigung bestätigt, die Ihre Mutter erhalten hat. Der Antrag muß an dem Ort gestellt werde, an dem die Repressionsmaßnahmen stattgefunden haben. Die Adresse habe ich bereits genannt, aber ich sage sie noch einmal: 660049, Krasnojarsk, Prospekt Mira 87. Abteilung für Sonderzahlungen und Rehabilitationen von Repressionsopfern.

- Rudolf Iwanowitsch Kutscher, Krasnojarsk. Unsere Familie wurde 1942 aus ihrem Haus in Marxstadt (heute die Stadt Marx) im Gebiet Saratow ausgesiedelt. Wer aus unserer Familie besitzt das Recht auf Kompensationszahlungen aufgrund des verlorenen Besitzes? Alle, die vertrieben wurden?

T.N. Kilina: Leider, Rudolf Iwanowitsch, ist das nicht der Fall. Eine Wiedergutmachungszahlung bekommt entweder der unmittelbare Eigentümer des Vermögens oder die Erben ersten Grades. Wenn sie also solche anerkannt sind und noch keiner der Verwandten eine solche Zahlung erhalten hat, dann bekommen Sie sie. Seit 1994 sind für diese Fragen und Probleme in allen Regionen Rußlands Sonder-Kommissionen zur Wiederherstellung der Rechte von Repressierten bei den Regions-, Gebiets- und Bezirks-verwaltungen tätig.

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Die Redaktion dankt dem Pressedienst der GUWD (Hauptverwaltung für Inneres; Anm. d. Übers.) für seine Unterstützung bei der Einrichtung und Verwirklichung der Telefon-Hotline.

Zusammengestellt von Tatjana ALEKSEJEWITSCH.
Foto: Valerij SABOLOTSKOWO.
“Krasnojarskij Rabotschi” 08.11.2005


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