Die unlängst veröffentlichten Berichte über die Entlarvung von vier britischen Spione und der nachfolgende „Überfall“ des FSB auf die Menschenrechtsorganisationen haben widersprüchliche Reaktionen bei der Öffentlichkeit hervorgerufen. Als leidenschaftlicher Anhänger der strengen Maßnahmen zur Herstellung der staatlichen Kontrolle über die Aktivitäten aller nichtstaatlichen Organisation (NSO) trat der Leiter des Zentrums für geopolitische Expertisen, Alexander Dugin („Rußland braucht weder Welthandels- noch nichtstaatliche Organisationen“ – „Krasnojarsker Arbeiter. XXI. Jahrhundert“ Nr. 3, 26. Januar d. J.) in Erscheinung.
Ich sehe in all diesem die Gefahr der Einengung und Verletzung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Besonders empörend waren die Angriffe Dugins auf die Stiftung der Soldatenmütter, für die, nach Meinung des großartigen Geopolitikers, „schon allein die Tatsache der Existenz der russischen Armee etwas Böses darsteltt“. So kann man also auch die Soldatenmütter den Spionen und Diversanten zurechnen? Und wenn man es ernst nimmt, dann sollte der Staat vielmehr vor diesen Müttern, die um das Leben ihrer Söhne kämpfen und das tun, was eigentlich dem Staat obliegt, auf Knien liegen.
Und was den Fond „Offene Gesellschaft“ betrifft, ist das alles nicht so einfach. Ich bin nicht auf dem laufenden im Hinblick auf Soros’ tückischen Absichten, aber ich weiß sehr gut, in welch einem bedeutenden Umfang seine Stiftung den russischen Bibliotheken hilft. Aber die Mehrheit unserer „dicken“ Literatur-Zeitschriften, wie zum Beispiel die „Neue Welt“ oder „Das Banner“, hätte ohne seine Unterstützung ganz einfach nicht überlebt. Immerhin geht der Staat seiner Rolle als Sponsor aus dem Weg. Wenngleich der russische Staat selbst als größter Empfänger von Hilfs- und Unterstützungsgeldern in Erscheinung tritt.
„Beinahe alle russischen Reformen wurden mit finanziellen Mitteln ausländischer und internationaler Organisationen erarbeitet, - heißt es in einer gemeinsamen offiziellen Erklärung der Bürgerkammer Perm und des regionalen Permer Bürgerrechtszentrums (veröffentlicht am 27. Januar d. J. auf einer der Internetseiten). – Unter ihnen befinden sich die Weltbank, die US-Agentur für internationale Entwicklung, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und zahlreiche andere ausländische Stiftungen ... Präsident Putin ist sehr wohl bekannt, dass er an der Spitze eines Staates steht, dessen Politik in erheblichem Maße auf Mitteln ausländischer Steuerzahler und internationaler Sponsoren fußt“.
Also muß man möglicherweise die Spione nicht unter den Soldatenmüttern, sondern in den oberen Etagen suchen? Liegt der Grund für all diese Kampagnen gegen die nichtstaatlichen Organisationen vielleicht in der Angst der höheren Machtorgane vor dem Gespenst einer „orangenen Revolution“ in Rußland? Oder ist das alles eine „weise“ Strategie? Die Strategie eine totale „Säuberung“ durchzuführen, die nichtstaatlichen Organisationen einer strengen Kontrolle zu unterstellen, aus ihnen eine Finanzierung herauszuschlagen und sie in Interessen-Gemeinschaften umzuwandeln? Genauso denkt der Leiter der Krasnojarsker Gesellschaft „Memorial“ – Aleksej Babij: „Nach dieser „Säuberung“ wird man allen „richtigen“ nichtstaatlichen Organisationen eine paek („Ration“ für Privilegierte; Anm. d. Übers.) ausgeben, und den „nichtrichtigen“ eine paika (kümmerliche „Ration“, wie sie z.B. Lagerhäftlinge erhielten; Anm. d. Übers.). Das Schema ist altbewährt, stalinistisch. Die Staatsmacht wird mit ihren Verpflichtungen nicht fertig, kann sie nicht bewältigen, und wälzt die Schuld auf die anderen ab, indem sie den „Volksfeind“ sucht. Wohin das führt ist klar. Wenn man also schon darüber spricht, was Rußland braucht, so braucht es vor allen Dingen eine bürgerliche Gesellschaft ...“. Übrigens, die krasnojarsker Gesellschaft“Memorial“ wird in großem Umfang durch westliche Stiftungen, bis hin zu örtlichen Privatfirmen und aus dem Regionsbudget finanziert. So entstanden beispielsweise die „Bücher der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen“ dank der Hilfe der Regionsverwaltung. Und erst kürzlich erhielt man Gelder vom Bildungsministerium für eine gemeinsam mit der Pädagogischen Fachschule Jenisejsk organisierte Expedition. Ach, meine Herren, sucht die Spione doch nicht ausgerechnet dort.
Eduard Rusakov
Krasnojarsker Arbeiter, 02.02.2006