Im Museumszentrum an der Strelka fand die Präsentation des dritten und vierten Bandes des „Buches der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen in der Region Krasnojarsk“ statt.
Die Herausgabe dieses Buches wird über das regionale Budget finanziert. Es ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit der Archivagentur und der Sozialbehörde bei der Regionsverwaltung, der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, des regionalen föderalen Sicherheitsdienstes, der Staatlichen Verwaltung für Innere Angelegenheiten, der Regionsstaatsanwaltschaft sowie des Verlages „Verlagsprojekte“. Band 3 und 4 enthalten biographische Angaben über repressierte Krasnojarsker, die sich auf dem Territorium der Region Krasnojarsk in Untersuchungshaft befanden und deren Familiennamen mit den Buchstaben „D-K“ anfangen, sowie wissenschaftlich-publizistische Artikel.
Der Leiter der Gruppe, die an diesen Büchern gearbeitet hat, der Vorsitzende der Krasnojarsker Gesellschaft „Memorial“, Aleksej Babij, erinnerte daran, daß in den Jahren der Sowjet-Herrschaft in unserer Region etwa 60.000 Personen aufgrund politischer Anklagepunkte verurteilt wurden. Allein ab August 1937 bis Juli 1938 wurden ungefähr 11.600 Menschen erschossen und ca. 5.440 in Lager geschickt. Mehr als 500.000 Sonderansiedler unterschiedlicher Nationalitäten wurden in das Krasnojarsker Gebiet verschleppt, tausende von Gefangenen fristeten im Kraslag, Norillag und anderen Lagern ein jämmerliches Dasein. Übrigens sind viele Menschen immer noch nicht rehabilitiert worden, obwohl in den vergangenen Jahren mehr als eine halbe Million Rehabilitationsanträge gestellt wurden.
- Das Hauptziel unserer Arbeit besteht darin, daß wir jedes einzelne Repressiertenschicksal rekonstruieren und wiederaufleben lassen, - sagte Aleksej Babij. – Das ist nicht nur für ihre Verwandten notwendig, sondern für uns alle, sofern wir nicht noch einmal zu „Schräubchen“ werden wollen, so, wie es zu Stalins Zeiten der Fall war.
Das Wort ergriff auch Nikolaj Andrejewitsch Kirillow, Sohn eines repressierten Baikal-Kosacken, wobei er seine tiefe Dankbarkeit gegenüber all denen zum Ausdruck brachte, die an dem Buch mitgewirkt haben.
- Viele Materialien kann man nicht ohne Schaudern lesen. Aber über seine Geschichte muß man Bescheid wissen, ganz gleich, wie tragisch sie auch verlaufen sein mag.
Über das schwere Leben der Kinder der Repressierten sprach Lubow Aleksejewna Kuschnir, deren Großvater und Vater samt der ganzen Familie entkulakisiert wurden:
- Wir zn zu wenig für diejenigen, die in den schwierigen jahren des Stalinismus zu Repressionsopfern wurden. Dabei haben viele von ihnen, bzw. auch ihre Kinder, Probleme mit der Rente, der Genehmigung von Kuraufenthalten im Sanatorium, Vergünstigungen für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Einrichtung von Telefon-Anschlüssen.
Nach der Präsentation wurde der Dokumentarfilm „Der Schießbudenmann, oder Sünde ohne Reue“ (des Regisseurs Jurij Afanasjew-Schirokow) gezeigt, in dem es über Repressionen der 1930er Jahre in Minusinsk ging. Im Mittelpunkt des Interesses standen nicht nur die Opfer, sondern auch die keinerlei Reue zeigenden Henker – jene, die irgendwann einmal einen „Volksfeind“ erschossen und bis heute der Meinung sind, daß das rechtmäßig und richtig war. „Denn es gibt keinen Gott, - sagt einer von ihnen, - und das bedeutet, es gibt keine Sünde ...“.
Am 30. Oktober werden die Russen den Gedenktatg an die Opfer politischer Repressionen begehen. Zuvor wird es in Krasnojarsk eine Reihe von Veranstaltungen geben. So wird beispielsweise am 24. Oktober im Museumszentrum an der Strelka eine Lesung zum Thema „Die repressierte krasnojarsker Intelligenz“ abgehalten. Am 30. Oktober findet am Gedenkstein für die Opfer politischer Repressionen die traditionelle Versammlung statt und anschließend die Aktion „Entzünde eine Kerze“, bei der unter anderem Trauerkränze auf den Jenisej herabgelassen werden. An demselben Tag werden im Museumszentrum drei Ausstellungen gleichzeitig eröffnet: „Die repressierte krasnojarsker Intelligenz“, „Politische „Rechtsprechung“ und politische Häftlinge im heutigen Rußland“ (einer der Gegenstände dieser Ausstellung soll der Physiker Danilow sein) und „Unter dem Zeichen OST“ (über junge Häftlinge in faschistischen Konzentrationslagern).
Eduard RUSAKOW
„Krasnojarsker Arbeiter“, 26.10.06