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Geiseln des kalten Krieges

Der Krieg ist seit mehr als sechzig Jahren zuende, aber nicht für alle. Die Schüsse waren verhallt, aber der unmittelbar nach dem Großen Vaterländischen Krieg einsetzende kalte Krieg forderte auch noch manches Opfer in den verfeindeten Beziehungen des Westens und der UdSSR. Tausende Amerikaner und Engländer, die 1945 aus deutscher Gefangenschaft gekommen waren, gerieten in sowjetische Lager, hunderte wurden in den 1950er und 1960er Jahren als Kriegsgefangene aus Vietnam und Korea an den Sowjetstaat ausgeliefert.

Den Geiseln im politischen Spiel Stalins gegen die ehemaligen Alliierten fiel das gleiche Los zu, wie Millionen sowjetischer Repressionsopfer. Viele von denen, die von der Heimat isoliert wurden, denen man die Möglichkeit nahm, von zuhause Pakete zu erhalten, die von winzigen, erbärmlichen Essensrationen existierten, mit denen das GULAG seine Häftlinge unterhielt, starben elendig und ruhen nun in anonymen Gräbern. Aber nach den Erinnerungen der Augenzeugen, gelang es einigen die Folterkammern zu überleben und nach der Freilassung die russische Staatsbürgerschaft sowie einen russischen Vor- und Nachnamen zu erhalten und sich unweit der Orte niederzulassen, an denen sie ihre ungerechtfertigte Strafe verbüßen mußten. So arbeitete beispielsweise der Amerikaner Ron van Wiz 1959 in der Nähe ses Turinsker Stützpunktes für Kultur- und Aufklärungsarbeit. Er wurde in Kalkan, Muj, Kuskamda und Tschara, Gebiet Witimo-Olinsk, gesehen. Unter welchem Namen er dort lebte, ist nicht bekannt, aber es war auch nicht schwer, den langen Lulatsch von über zwei Metern Größe, der mit Akzent sprach, zu übersehen. Wo befindet er sich heute? Hat er Kinder hinterlassen?

Mit diesen Fragen befassen sich auch die Historiker, die an einem Dokumentarfilm für den deutschen Fernsehkanal ZDF arbeiten. Dirk Pohlmann, der Urheber des Projekts, das den Titel „Verschollen in Erfüllung ...“, richtet sein besonderes Augenmerk nicht nur auf den rechtlichen Standpunkt und die vergangene Politik des Verschweigens von Tatsachen in beiden Lagern während der Zeit der „kalten“ Opposition, sondern auch auf menschliche Faktoren, Einzelschicksale, ganz persönlich erlebte Geschichte.

Die Suche, mit der internationale und gesellschaftliche Organisationen nach der Perestrojka begonnen haben, setzte sich auch heute fort. Gerade dank der staatlichen Politik der Versöhnung und des offenen Dialogs mit den westlichen Ländern ist es gelungen, vom Schicksal einiger Ausländer zu erfahren, die als verschollen galten, sie in der Presse noch einmal aufleben zu lassen und ihren Familien Gewißheit zu verschaffen, selbst wenn dies mit einer bitteren Wahrheit verbunden war.

Archivarbeit beruht stets auf Zeugnissen von Menschen, die in einer bestimmten Epoche gelebt haben, denn ein einzeln herausgegriffener Fall, an den sich vielleicht jemand erinnert, ist auch ein Stück Geschichte, beziehungsweise ihre Widerspiegelung in einem einzigen Schicksal. Aus diesem Grunde wendet sich der Initiator dieses Dokumentarfilms an die Leser der Zeitung „Krasnojarsker Arbeiter“ mit der Bitte, mit der Redaktion Kontakt aufzunehmen, falls jemandem irgendwelche Fakten aus der Biographie des Ron van Wiz in Rußland oder dem Aufenthaltsort seiner Nachfahren in der Region Krasnojarsk bekannt sind. Die Photographie stammt aus dem jahre 1944 und wurde vor seiner Abfahrt an die zweite Front aufgenommen.

Wir haben auch großes Interesse an anderen Tatbeständen, die mit dem Schicksal von Kriegsgefangenen aus den USA und England im Zusammenhang stehen.

Inna Genschow, verantwortliche Mitarbeiterin für Archiv-Forschung. Mainz, Deutschland

Auf dem Photo: der Amerikaner Ron van Wiz
„Krasnojarsker Arbeiter“, 03.11.2006


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