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Es stand einmal ein Haus…

Das Vergessen der Vergangenheit bringt Mythen und Heldensagen von zweifelhafter Glaubwürdigkeit hervor; man sollte sie mit Nichtachtung strafen – diese abscheulichen historischen Witze zur Verwendung der heutigen politischen Konjunktur. Jetzt ist übrigens ein ungewöhnlich populäres politischer Sensation entstanden, von den Monitoren und Zeitungskolumnen mit der unerlässlichen Stimme des wahnsinnigen Zustellers aus den Romanen von Ilf und Petrow souffliert: „Sensationelle Einzelheiten! Nur bei uns! Zum ersten Mal Genaues über…“ – es macht nichts, dass die „Details“ vollkommen aus den Fingern gesogen sind. Aber Geschichte – das ist kein Handel mit heißen Pastetchen mit Innereien! „Heißes“ und „Innereien“ müssen die gegenwärtigen Plutarche schon an einer anderen Stelle suchen, aber – so sind die Zeiten eben!

Am äußersten Rande der Erde, wo der Himmel ganz klar ist,
Hier geht die Sonne jedes Mal hinter der Absperrung unter.
Am Berg stand ein schreckliches Gebäude –
Das von weitem an die UNO erinnerte. (W.S. Wysozkij)

Gott sei Dank hatte Norilsk in diesem Sinne mehr Glück: nicht so oft und nicht so viele, wie man es sich vielleicht wünschen würde, aber immerhin erscheinen gute Bücher und Publikationen von gewissenhaften und aufrichtigen Forschern, kurz, aber reich an Ereignissen aus der Biographie des Norilsker Industriegebiets, es öffnen sich zuvor unerreichbare Archive und Memoiren – brav, brav … Dadurch gibt es auch gute – wenngleich übrigens nicht immer wissenschaftlich exakte – Erinnerungen, was in ihnen durch das Leben eines einzelnen Menschen die Unwiederholbarkeit der Zeit aufleben lässt: nicht umsonst gestand I. Babel ein, dass er nie etwas Interessanteres gelesen hätte, als fremde Briefe!°

Nachdem er sich daran gemacht hatte, über den – wieder einmal - in Verwünschungen und Ruinen entschwundenen Bau des Museums von Kurejka zu schreiben, hielt Ihr Korrespondent es für notwendig und natürlich, sich auf das vorangegangene Geschreibsel der Kollegen und örtlichen Fährtensucher zu diesem Thema zu beziehen. In erster Linie und lange vor dem aufkeimenden Wunsch etwas NEUES in der Geschichte der Errichtung des Museumspavillons, des Pantheons (wir bewahren die Tradition des Geschreibsels jener Jahre) ausfindig zu machen, machte er sich mit den „Kurejsker Skizzen“ (in den Veröffentlichungen des „Polar-Boten“ unter dem Titel „Kurejka: gestern, heute und morgen“ erschienen) bekannt – Skizzen meines Kameraden Nikolaj Kostezkij, der in den vergangenen Jahren eine Vorliebe für Exkursionen zu „Gedenkstätten“ des Taimyr entwickelte, aus denen er durch eifriges Lesen auch über die Realisierungen des Projekts des Architekten S.W. Chorunschij erfuhr“.

S.W.? Aber in allen Archivmaterialien, welche die Geschichte der Architektur von Norilsk „und seiner Umgebung“ berühren, begegnete man doch vor allem dem Namen Sergej KONSTANTINOWITSCH Chorunschij, einem der talentiertesten Projektleiter der 1940er und 1950er Jahre – woher nimmt Kostezkij dann dieses „S.W“ ? Vielleicht von hier: „Der Autor des Projekts für den Museumspavillon, der selbst in Moskau bestätigt wurde (und das ist ebenfalls ein Fehler – W.M.), war der Norilsker Architekt Sergej WLADIMIROWITSCH Chorunschij“ – zitiere ich anhand der im „Krasnojarkser Komsomolzen“ am 21. Dezember 1989 veröffentlichten Erinnerungen von Pawel Tscheburkin „Das Pantheon des Generalissimus“. Pawel Wladimirowitsch – das ist nicht irgendein Märchenerzähler aus dem Internet, sondern jemand, der von 1943 bis 1952 seine Strafe nach §58 im Norillag verbüßte und als Doktor PERSÖNLICH am Bau des „Museums-Pavillons“ in Kurejka teilnahm. Aber einen „anderen“ Architekten Chorunschij gab es zu jener Zeit in Norilsk nicht! Er hat es vergessen, Pawel Wladimirowitsch, er hat es vergessen … das kann vorkommen!

Mit einem gewissen Ehrgeiz machte ich mich an das Sammeln von Material. Ein anderer Memoiren-Schreiber und KURATOR des Baus in Kurejka in den Jahren 1951-1952, der ehemalige Häftling des Norillag Josef Adolfowitsch Schamis („Die unehelich Geborene“, „Polar-Bote“ für den 27. und 30. September 2002, Veröffentlichung vorbereitet von Irina Sorokina) sagt ganz direkt, dass die Initiative für den Bau des „Etuis“ über der „Reliquie – das Häuschen, in dem während des ersten imperialistischen Krieges der verbannte Stalin wohnte“, A.P. Sawenjagin gehörte, welche die winzige Siedlung Kurejka im Sommer 1940 besuchte. So also ….. aber auch wieder nicht, denn er war keineswegs der Erste, der „befahl so etwas wie ein Etui, eine Hülle aus Brettern herzustellen“, und überhaupt hatte der „Befehl“ in einem Ort viel weiter südlich des 69. Breitengrads seinen Ursprung – der Beschluss über den Bau einer „Hülle“ über dem Haus des Genossen Stalin in Kurejka wurde im Regionskomitee der WKP (B) Ende 1935 verabschiedet, woraufhin dann auch der Finanzierungsplan N° 122 vom 17. Juni 1936 auftauchte, sozusagen der Kostenvoranschlag, der vom Mitarbeiter der städtischen Kommunal-Wirtschaft in Igarka Nikitin über eine Summe von 84950 Rubel und 51 Kopeken erstellt wurde.

In dem 12-seitigen Kostenplan wird der stalinistische Asketismus sichtbar – ein zugeschnittenes Brett (32,4 „Kubikmeter“), ein „Stabbrett“, Lack – 49 Kilo und Ockerfarbe – 144 Kilo, Fensterglas – 215 „Quadrate“ …

Bald darauf machte sich das Märchen des Bürokraten deutlich bemerkbar, aber die Sache selbst war nicht so schnell getan . in jenem Jahr wurden weder die geschnittenen Bretter, noch Lack oder Ockerfarbe benötigt…

Im Frühjahr 1937 „meldet sich“ auf Befehl des Leiters des Norilsker Bauprojekts N° 161 „der Kommandant der Verwaltung der Norilsker Arbeits-/Besserungslager beim NKWD, Genosse J.J. Tabatschnikow, ab dem 28. Mai zu einer Dienstreise nach Kurejka ab“.

Hier muss man wohl abbrechen und noch einen weiteren Mythos über den Bau in Kurejka, neben dem sawenjaginschen, erwähnen, der vom Autor der Publikation „Kurejsker Spuren“ – Walerij Jaroslawzew - vollbracht wurde, alles in demselben „Krasnojarsker Komsomolzen“. Darin ging es um die angebliche Unzufriedenheit des „Steuermannes“ der Idee von der Errichtung des Pantheons. Woher diese Beweggründe? Daher, dass Pawel Tscheburkin in seinen Erinnerungen notierte: „Ja, über Kurejka schreiben war damals ein Fehler“. Naturgetreu zu schreiben – ja, aber das Auftragen von historischem Glanz auf den erlittenen Verlust de zaristischen Willkürherrscher und der aus Funken entflammten Revolution des Führers – warum denn nicht? Viele sind vorangekommen … Keinerlei Illegitimität, alle sind, wie wir sehen, Feuer und Flamme. Über die „Geheimnistuerei“ des Baus selbst werden wir noch gesondert sprechen.

Aber kehren wir zunächst zu dem hinsichtlich seiner Deskriptivität so bemerkenswerten, an Matwejew gerichteten, Bericht des Kommandanten der Verwaltung des Norilsker Bauprojekts Jefim Tabatschnikow zurück, welcher ein Jahr nach dem berühmten Kostenvoranschlag, am 14. Juni 1937, verfasst wurde: „ … er begutachtete das Haus, in dem zu Zarenzeiten der Generalsekretär des Zentralkomitees der WKP (B), J.W. Stalin, gelebt hatte, in allen Einzelheiten. Heute wohnt hier Frau Iwanowa, und nur das Zimmer, indem der Genosse Stalin lebte, steht leer – wobei die ehemaligen Möbel aus diesem Zimmer sich versiegelt im Stadtkomitee von Igarka befinden; um das Haus des Genossen Stalin in Kurejka zu restaurieren, ist es unbedingt erforderlich…“. Äh, der konnte sich noch gut ausdrücken, der Kommandant Jefim Jakowlewitsch Tabatschnikow, na gut, meinetwegen! Und für Frau Iwanowa war es unerlässlich in ein zu diesem Zweck fertig gestelltes stattliches Wohnhaus umzusiedeln, das alte Haus – Holzstück für Holzstück – umzusortieren und das Ufer, welches sich durch wütenden Frühlingseisgang an die „Reliquie“ immer weiter herangefressen hatte, zu befestigen.

„DAS REGIONSKOMITEE DER PARTEI HAT BESCHLOSSEN, - formuliert der gewissenhafte Kommandant,
- in Kurejka in dem Haus, in dem der Genosse Stalin wohnte, ein Museum aufzubauen und zum Erhalt dieses Hauses eine Hülle zu bauen (…); nachdem ich nach Igarka zurückgekehrt war, machte ich die Skizze für eine derartige Hülle sowie einen Kostenvoranschlag ausfindig (mit dem Kostenplan konnten wir uns bekannt machen, doch die Zeichnung – ich telefonierte deswegen nach Igarka – war nicht aufbewahrt worden)… Die beiden von mir in Kurejka zurückgelassenen Mitarbeiter…. Außenarbeiten auszuführen und um das Haus herum einen Graben auszuheben“.

Eigentlich kann man das Kombinat von diesem Moment an als in den Bau des „Pantheons“ mit einbezogen ansehen. Und sein erster „Konservator“ und einer der zurückgelassenen Mitarbeiter, war aller Wahrscheinlichkeit nach der Pförtner der Kommandantur der Norilsker Bauverwaltung – Pjotr Leibowitsch Popoch, der gemeinsam mit Tabatschnikow in Kurejka das Kommando führte.

Im Jahre 1938 – noch ist es bis zum Sommer 1940 eine lange Zeit - schreibt der an der Spitze des Kombinats stehende Sawenjagin: „Über das Haus in Kurejka. An den Genossen Kulikow, Sekretär des Krasnojarsker Regionskomitees der WKP (B). Ich bin der Ansicht, dass die Konstruktion einer VORÜBERGEHENDEN ÜBERDACHUNG über dem Haus im Hinblick auf den Brandschutz gefährlich und unzweckmäßig ist, denn sie schützt das Haus nicht vor Wind und Schnee. (…) Der kapitale Bau muss während der Saison 1939 realisiert werden. Der durch das Norlisker Bauprojekt auszuführende ÜBERBAU wird zum 30. Dezember desselben Jahres beendet sein.

Das Gebäude ist mit Hilfe eines Metallgestells zu errichten, welches sich unter den Bedingungen des ewigen Frosts als am meisten zuverlässige Konstruktion erweist.

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Das Metallgerüst kann in der Krasnojarsker Maschinenfabrik produziert und im Frühjahr 1939 nach Kurejka transportiert werden. Ich bitte darum, dem regionalen Exekutiv-Komitee Anweisung zu geben, in das BUDGET für 1939 für dieses Projekt 500.000,- Rubel zusätzlich mit EINZUBEZIEHEN. Die Durchführung der Arbeiten KANN das Norilsker Bauprojekt AUF SICH NEHMEN. Was das Aufräumen und die Wiederherrichtung des Hauses selber betrifft, so sind diese unbedingt erforderlich, können jedoch auf den Sommer 1939 verschoben werden“.

Das Dokument lässt weder über die „Initiative“ noch über die Quellen der Finanzierung irgendwelche Zweifel zu, auch nicht über die Urheberschaft der technischen Entscheidung hinsichtlich des „Pantheons“, dass schließlich und endlich zum Sarkophag einer einzelnen entnommenen Seite der Geschichte wurde.

Sie arbeiteten tüchtig, was der Befehl N° 317 vom 29.07.1938 bezeugt: „…. den Architekten der Projekt- und Budget-Abteilung, den freien Angestellten Fjodor Michailowitsch Usow, vom 10. bis 23. Juli dieses Jahres auf Dienstreise zu den Stationen Kurejka und Krasnojarsk zu schicken“.

Interessant, aber kaum zu entziffern, ist noch ein weiteres Dokument, das sich auf eben dieses Jahr 1938 bezieht und im Befehlsbuch gleich hinter der Mitteilung Sawenjagins an das Regionskomitee der Partei abgeheftet ist: „Telegramm. Moskau, Kirow-Straße 3. GULAG, an Archipow. Erbitte schnellstens Mitteilung, ob ein Künstler gefunden und das Projekt abgeschickt wurde? Wie ist man im Hinblick auf seine Fahrt nach Norilsk übereingekommen? Sawenjagin. 22. Oktober 1938“. Nicht wahr? Es gibt Grund zu der Annahme, dass der energiegeladene Sawenjagin, nachdem er die Projektierung und den Bau des Museums mit Hilfe der Norilsker „Bau-Projektler“ vorgeschlagen und dann nicht lange gezögert hatte, die Frage seiner künstlerischen Verwirklichung entscheidet?! Es scheint so ….

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Uns bleibt nur noch zu beklagen, dass vieles von dem aus Sicht der Norilsker Geschichte wertvollen architektonischen Erbe der 1930er und 1950er Jahre in die Zentral-Archive Russlands geschickt wurde und es uns wohl kaum gelingen wird, den Nachnamen des Künstlers herauszufinden. Und ob man ihn damals tatsächlich fand und er dann auch nach Norilsk kam – ist ebenfalls die Frage … Aber schließlich schuf man zu der „Hülle“ auch noch eine Gipsfigur des Führers sowie andere kleine architektonische Formen – mit einem Wort, alles konnte sich auch nach einem solchen Szenario entwickeln: „Über dem Haupteingang, - so lesen wir in den Erinnerungen von I.A. Schamis, - ein ovales Portrait – ein bronzenes Flachrelief, angefertigt von einem Norilsker Bildhauer und Autodidakten“, und „die Tür- und Fenster-Verzierungen von Norilsker Meistern aus Bronze geschaffen, ebenfalls nach Zeichnungen von S.K. Chorunschij“. Nachdem man nun schon bei der Errichtung des pompösen „Pantheons“ so weit gekommen war, da reichte es beim Bau der „Hülle“ im Hinblick auf künstlerisch selbst geschulte Lagerinsassen erst recht. „Autodidakten“, und was für welche! Es gab sie, und bis heute existieren an der Maschinenfabrik Legenden über die Meister der Gießereien und anderer Fachbereiche, die meisterliche Schweißarbeiten zu Wege brachten, - aber wo sind sie – diese Meisterwerke? Man kann sich nur wundern, sogar für die „Hülle“ waren sie von Nutzen….

Übrigens haben wir die Chronologie der Ereignisse der architektonisch-baulichen Entscheidung bezüglich des „Pavillons“ nur deswegen überschritten, weil wir die Version darüber ansprechen wollten, dass ein Teil der „Kunstwerke“ der „Hülle“ vollständig im nachfolgenden Interieur und Exterieur des „Objekts“ hätte genutzt werden können; die „Hülle“ selbst wurde, entgegen den Aufzeichnungen von I.A. Schamis, höchstwahrscheinlich nicht 1940, sondern bereits ein Jahr zuvor, errichtet. In der Archiv-Akte „Statistische Angaben zu den Investitionsbauten der Norilsker Bau-Verwaltung im September 1939 finden wir in der Spalte „Sozio-kultureller (Bau)“ in „zu erwartender Fertigstellung“ das „Bauprojekt in Kurejka“ mit den dafür von Sawenjagin angeforderten 500.000 Rubel. Weder 1940 und erst recht nicht in den darauf folgenden Kriegsjahren ist irgendwo das „Thema Pavillon“ in den Plänen und Dokumenten des Kombinats zu entdecken; und das ist auch verständlich, wenn das ganze Geschreibsel an sich schon so streng reglementiert war und man für ein nachlässig verschwendetes Schalbrett schlicht und ergreifend eine Haftstrafe aufgebrummt bekommen konnte! Das ist keine Behauptung, sondern eine Vermutung, mit der auch sein Urheber selbst nicht ganz in Eintracht lebte, weil das „Objekt“ von Anfang an mit einer düsteren Wolke des Geheimnisvollen umgeben war, die bis zum Beginn der 1950er Jahre nicht verflog.

… Mit dem Siegesseufzer des Landes wird schon im Januar 1945 im Kombinat eine Bilanz des „Wettbewerbs“ um die Ausarbeitung einer Projekt-skizze für das Museumshaus des I.W. Stalin in Kurejka gezogen… Zur Begutachtung wurden etwa 30 (!) Projekte von höchster Güte vorgelegt…

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Ich erteile den Befehl: 1. Den Architekten-Urhebern den Dank auszusprechen … und zu prämieren: W.S. Nepokoitschitzkij – 2000 Rubel, L.W. Moinenko – 2000 Rubel, N.N. Torotzkij – 1000 Rubel, S.K. Chorunschij – 1000 Rubel…..

Leiter des Norilsker Kombinats
General-Major A. Panjukow

Man soll ja nicht das Geld in fremden Taschen zählen, aber wir möchten anmerken, dass der Nachname Chorunschij nicht zu den „führenden“ in diesem Wettbewerb gehört. Warum das so ist wird aus dem „Beschluss des Leiters des Norilsker Kombiants N° 2 vom 8. Januar 1946 hinsichtlich der „Bau-Organisation für das Museumshaus des I.W. Stalin in Kurejka“ deutlich. Darin wurde verlangt, bis zum 1. März alle notwendigen ingenieurmäßigen und geologischen Untersuchungen auf dem Baugelände durchzuführen“, den Projektplan zum 1. August 1946 komplett auszuarbeiten und mit dem Bau des Museumshauses das Kontor der städtischen Bauverwaltung zu beauftragen, an dessen Spitze damals Grigorij Petrowitsch Lokschtanow stand.

Und es wurde eine Kostenvoranschlags- und Finanzierungserwägung sogar über 12.167.493 Rubel geboren! Das sind keine 140 kg Ockerfarbe – allein an allen möglichen Farben und Spachtelmassen zur Farbgebung für diesen Palast waren 20.000 Tonnen vorgesehen. All diese Pracht wurde in Granit, Marmor und sogar Porzellan-Kacheln gekleidet; das gesamte Drum und Dran hätte nicht mehr als 8.767.400 Rubel „verschlingen“ müssen, der „Leuchtturm“ mit der Bronzestatue – für 3.116.187 Rubel… Vorgesehen waren übrigens zwei Statuen zu je 300.000 Rubel … mit einem Wort: das, was sich nicht in dem phantasmagorischen Projekt Scheltowskijs im Haus der Sowjets in Moskau verwirklichen ließ, sollte nun am Polarkreis in Bronze, Porzellan und Spiegelglas erstrahlen! Nein, die Magie der Ziffern lässt sich hier nicht verkneifen: die Marmor-Kolonnade (474 Kubikmeter) erhob das Dach des Gebäudes auf eine Höhe von 16 Meter; im gesamten Bereich zwischen den Marmor-Granit-Wände (7362 qm) glänzten Eichen-Parkettböden (2336 qm), und das kalte Licht der Paneele (819 qm) reflektierte matt die „unansehnliche“ Reliquie – was denn? Ist das etwa nicht beeindruckend? Jedenfalls hättet ihr das nicht zu sehen bekommen, wenn ihr in jenem Jahre 1946 in Kurejka ans Ufer getreten währt:

„… am Ufer des Jenisej, - erinnert sich Schamis, - hatten sie angefangen, eine vorübergehende Anlegestelle einzurichten – für Ausflugsschiffe. An der Anlegestelle entstand eine weiße Gipsfigur des Führers, und in dem kleinen Haus – ein Tischchen mit Hocker, einem Handwaschbecken, einer Kerosinlampe sowie Fischernetzen“. Die Gipsfigur hielt später in dem neu organisierten Museum Einzug.

Panjukow, der sich wohl kaum von „fantastischen Erwägungen bezüglich des Kostenvoranschlags und der Finanzierung“ lenken ließ - selbst unter Berücksichtigung der künftigen Geldreform handelte es sich um eine ungeheure Summe -, unterzeichnet den Beschluss N° 148 vom 30. September 1946, in dem unter Punkt 5 vorgesehen ist, „die Kosten für die Arbeiten sind nach dem erstellten Finanzplan zu definieren; es werden also nicht jene unrealistischen Summen sein, nicht jene … Offensichtlich unterscheidet sich Chorunschijs Kostenvoranschlags-Eldorado durch vernünftiges Maßhalten.

Die wichtigsten Arbeiten zur einstweiligen Restaurierung des Hauses sind entsprechend meiner persönlichen Anweisung –Panjukos Anordnung sieht es genauso vor – bis Dezember dieses Jahres durchzuführen 3. die UNMITTELBARE Leitung obliegt dem Ober-Vorarbeiter N.I. Kostin. 4. Der Leiter der Sowchose „Kurejka“, S.J. Trusow, stellt für die Brigade Wohnraum, Verpflegung und jegliche notwendige Hilfeleistung bei der Durchführung der Arbeiten sicher“. Bei Pawel Tscheburkin lesen wir: „Leiter der Lageraußenstelle in Kurejka war Leutnant Kostin“ – das bedeutet: eine Einheit mit zwei Gesichtern - eine ganz gewöhnliche Sache in jenen Jahren.

Der Leutnant und Vorarbeiter Nikolaj Iwanowitsch Kostin ging nach Kurejka, um dort den Brückenkopf über ein historisches Gebäude zu schlagen, und erst „zum Sommer des Jahres 1950, erinnert sich Tscheburkin, - schickte man aus Norilsk eine in Bau-Angelegenheiten erfahrene Häftlingsbrigade aus Norilsk, die nur eine geringe Haftstrafe bekommen hatten; es waren etwa 200 Mann. Die Sanitätsabteilung des NorilLag Schicke auch mich…“. Ein Jahr zuvor, 1949, so bezeugen es Veteranen-Fernmeldetechniker aus Igarka, wurde unter großen Mühen in Kurejka eine Telefonverbindung hergestellt, aber der Führer zeigte keinerlei nostalgische Gefühle und ging deswegen nicht ans Telefon - als ob er beschäftigt wäre. So besagt es die Legende… Sprechen wir schließlich noch über ein Dokument, das letzte von all den offiziellen: „Der Beschluss des Leiters des Norilsker Kombinats N° 82 vom 7. August 1951 „Über die architektonische Gestaltung des Museumspavillons in Kurejka“.

1. Das von der Planungsabteilung vorgestellte PROJEKT und der KOSTEN-VORANSCHLAG über 292.000 Rubel für die architektonische Ausarbeitung des Pavillonmuseums in Kurejka ist gut zu heißen.

2. Für die Vorlage des Architektur-Plans, des Kostenvoranschlags sowie der Ausschmückungsvorlagen für die äußeren Wandflächen beim Krasnojarsker Regionskomitee der WKP (B) zwecks BESTÄTIGUNG ist der Architekt der Projektierungsabteilung, Genosse Chorunschij, abzukommandieren und ihn anschließend nach Kurejka zu entsenden, um dort die Leitung der Arbeiten zur Realisierung des architektonischen Projekts zu übernehmen. (Sergej Konstantinowitsch selbst hinterließ über die „Leitung“ in Kurejka keinerlei Erinnerungen, und die Augenzeugen und Teilnehmer am Bau schreiben über Chorunschij nicht – merkwürdigerweise).

3. Der Leiter des Baukontors N° 1, Genosse Jepischew ist zu verpflichten:
a) alle separaten Außenarbeiten am Gebäude des Pavillon-Museums bis zum 15. September zu erledigen;
b) die Innenausstattung und alle sanitären sowie technischen Arbeiten vollständig zu beenden und den MUSEUMSPAVILLON FÜR DIE ERÖFFNUNG am 21. Dezember 1951 VORZUBEREITEN.
4) Das in Norilsk angefertigte „Modell Kurejka 1916“ nach Kurejka zu schicken….

Der Leiter des Norilsker Kombinats W.S. Swerew.

So dass es also, nach der Vermutung I.A. Schamis‘, trotz Swerews „Dynamik“ nicht ein einziges Gramm an Selbständigkeit und Unabhängigkeit bei der Errichtung des „illegal geborenen“ Pavillons gab“. Und die veranschlagten Termine und Fristen wurden, so sehr man auch dem „Vater der Völker“ dieses Geschenk machen wollte, erneut über den Haufen geworfen. Und genau hier beginnen die unterschiedlichen Meinungen in den Erinnerungen der verehrten AUGENZEUGEN: im April 1950 macht sich I. Schamis zusammen mit dem Topographen M. Sobolew, dem Fotografen A. Sorokin und dem Konstrukteur und Modellbauer P. Sinelnikow auf den Weg nach Kurejka, um für das Objekt eine geeignete Örtlichkeit auszuwählen. Anschließend lesen wir bei ihm: „Anfang Herbst 1951 war das technische Projekt für den Pavillon fertig, in Kurejka begann man mühsam per Hand tiefe Baugruben auszuheben“. Alles ist klar… Und was erzählt Tscherbukin?

„DIE ARBEIT GING MIT HOCHDRUCK VORAN! Unter dem Fundament des Pavillons aus Eisenbeton wurden dicke Lärchenholzpfähle eingeschlagen – zu diesem Zweck hatte man in den Holzfabriken von Jenisejsk und Podtjossowo 200 Stück anfertigen lassen. Da sie nicht faulen konnten, waren sie für eine zweihundertjährige Haltbarkeit auserkoren. Und die zehn Meter hohe Gipsfigur, die Statue des Generalissimus „im weit geöffneten Soldatenmantel und einfachen Stiefeln“, existierte im Nu, wie die Zeitungen damals schrieben (es wäre interessant zu wissen welche), unmittelbar neben dem kleinen MUSEUM, DAS IN DEN 1930-ER JAHREN IN DER HOLZHÜTTE ERÖFFNET WURDE“.

Mit der Statue ist alles klar, mit dem Fundament des Pavillons hingegen – nicht. Der talentierte Ingenieur Josef Adolfowitsch, der den Bau in Kurejka von Norilsk aus beaufsichtigte, konnte wohl kaum ein so wichtiges Konstruktionsdetail des „Null“-Zyklus (gemeint ist die kürzeste erforderliche Zeitspanne für die Ausführung eines Programms; Anm. d. Übers.) vernachlässigt haben, umso mehr, als er ihm in seine Erinnerungen eine Menge Aufmerksamkeit widmet, indem er über die schwierige Wahl eines möglichst effektiven Fundaments und das Aufeinanderprallen der Meinungen verschiedener Fachleute schreibt: „Endlich sind die Zeichnungen abgeschickt worden – ein mächtiges Eisenbetonband von rechteckigem Schnitt, vollgestopft mit einem dichten Netz von Armaturen. DER BAU des Pavillons HAT BEGONNEN“. Ach, wie schade, dass man die Erzähler nun nicht mehr fragen kann!

Machen wir uns mit der Konstruktion weiter „bekannt“: hier decken sich die Berichte von Schamis und Tscheburkin.- P. Tscheburkin: „Die Wände des Pavillons aus dicken Lärchenholzplatten wurden mit märchenhafter Schnelligkeit errichtet. Von außen wurden sie mit einem speziellen Putz beschichtet – wie roter Granit sah er aus. Ferner wurde ein besonderes Kraftwerk gebaut, damit der Pavillon rund um die Uhr beleuchtet und beheizt werden konnte. Hohe – vom Fußboden bis zur Decke reichende – Fensteröffnungen wurden so konstruiert, dass sie den Eindruck erweckten,. als ob dort niemals jemand frieren könnte, nicht einmal bei grimmigstem Frist. In dem Projekt war der Einbau großer Fenster aus drei Schichten Spiegelglas vorgesehen, zwischen denen ständig warme Luft zirkulierte“.

I. Schamis: „Sein Gebäude (25 x25x16 Meter) kommt einem wegen der hohen Fenster ganz leicht vor. Ein festliches Aussehen verleihen der kleine Schnitt und die Säulen auf der gesamten Fläche, die von aus Lärchenholz geschnitzten Kapitellen gekrönt sind und aussehen wie aufgeblühte Blumen…. Die Säulen, der Architrav, das Sims und der Giebel – all das ist mit einer Schicht farblosen Lacks gestrichen, welcher die erhabene Beschaffenheit der goldfarbenen Blüte, des uralten Eichenholzes betont“.

Die von W. Jaroslawzew geschriebene „Kurejsker Spur“ hat, ohne Frage, das Gebäude „vergrößert“: „…. riesig des „genialen Führers aller Zeiten und Völker“ würdig, vierzig mal fünfzig und in der Höhe etwa 14 Meter; der großzügige Eingangsbereich wird von acht Säulen gestützt. Fünfzig Feuerwehrleute beheizten und bewachten den Taiga-Palast Tag und Nacht… Eine BESONDERE KONSTRUKTION stellen die Belüftungsschächte dar, die das Gebäude auch heute noch zuverlässig vor den Schikanen des ewigen Frostes bewahren“. Jules Verne, und das ist wirklich wahr, Jules Verne, der sich daran gemacht hat, das Reich des Satans zu beschreiben! Warum sind diese Schächte plötzlich eine besondere Konstruktion? Und warum „des großen Führers würdig“? Warum?!

Ich wollte mir diese Worte für das Ende dieses Geschreibsels aufheben, war jedoch gezwungen, sie unverzüglich auszusprechen: warum werden die Bauten – sprich: der „Kurejsker Palast“, von uns auf Biegen und Brechen personifiziert und verkörpern das „Ungute“ historischer Persönlichkeiten, die einst hier wohnten. So verhält es sich übrigens auch mit den architektonischen „Augenzeugen“ anderer Art – Statuen, Obelisken. Was soll‘s? … die „enthüllenden“ und kompromittierenden Bücher brennen!

Weshalb die Gestalt eines Matrosen, der im flammenden Oktober im Winterpalast in eine etruskische Vase pinkelte, so ein Symbol der Standhaftigkeit für die Nation? Wir beschimpfen und verfluchen ihn, aber wir benehmen uns auch nicht besser. Derart primitive Steinhauerei – in der Geschichte mit dem Museum – im eigentlichen Sinne – und das Zerfallen der mageren Vergangenheit zu Asche ist nichts anderes, als der Verlust jeglicher Geschichte des Staates überhaupt und gleicht dem Selbstbetrug. – Es sind nicht die Gebäude, Statuen, Bücher, Vasen, die vernichtet werden müssen – gerade sie sollte man zur Belehrung und Unterweisung aufbewahren und hüten – aber das Böse, welches die Ursachen hervorbringt, das muss vernichtet werden.

Wenn man weiterüberlegt, dann müsste man auch die ägyptischen Pyramiden zerstören und verfluchen, nur weil die Pharaonen sie bewohnt haben!

Im Herbst des vergangenen Jahres stellte der Krasnojarsker Unternehmer Michail Ponomarew eine Million Rubel zur Wiedererrichtung des „Pantheons“ zur Verfügung. Es begann damit, dass er die ganz erheblich beschädigte Figur Stalins auf einen Sockel heben ließ. – Man hatte ihn umgestürzt… Genauso wie im Jahre 1961, heimlich, mitten in der Nacht, wie damals. Wissen Sie, sogar die Eingeboren der Osterinseln, die manchmal ordentlich wütend werden und sich gegenseitig bekriegen, haben ihre Aku-Aku ( polynesisch: Geister, Seelen, Gespenster) nicht gestürzt. In EINEM Punkt stimme ich mit dem Autor der „Kurejsker Spur“ überein: „Die Öffentlichkeit hat sich bereits zu Breschnjews Zeiten für ein Museum (in Kurejka – W.M.) der verbannten Revolutionäre des Jenisejsker Nordens ausgesprochen… Es gab auch Dekabristen, Mitglieder der Vereinigung „Volkswille“ und Sozial-Demokraten…“, und auch schon „Volksfeinde“ – man konnte sie manchmal gar nicht zählen! Warum sollte man das Gedenken an sie denn nicht mit einer „Kurejsker Spur“ in der Geschichte verewigen? – Die Barbaren plünderten, und der Krasnojarsker Unternehmer geriet unter die notorisch ewig Gestrigen. Wie sehr lieben sie es doch bei uns Etiketten anzukleben!

Aber wir sind vom Thema abgekommen… „Zum Sommer (des Jahres 1952 – W.M.) wurde der Bau abgeschlossen, - beendet P. Tscheburkin seine Erinnerungen, - man feierte die Eröffnung des Museums und schrie „hurra“. Unter dem 12 (16, 14, jetzt 12) Meter hohen Gewölbe des Pavillons IMITIERTE eine helle Beleuchtung DAS NORDLICHT, wobei die kunstvoll bemalte Kuppel, die mit Samt beschlagenen Wände mit Bildern der heroischen Biographie des Führers erstrahlten. Im Inneren der Räumlichkeit wurde über die gesamte Fläche ein Parkettweg angelegt. Vor dem Gebäude entstanden eine Grünanlage, Gewächshäuser und Blumenbeete (…). Im Sommer 1952 wurden die Bauarbeiter abtransportiert, ich konnte mich auf den Heimweg machen“.

So viel in Kürze über die CHRONOLOGIE DES MUSEUMSBAUS in Kurejka (wer noch etwas hinzufügt, dem werden wir dankbar sein), der leider durch den Willen der Unwissenheit in einen Sarkophag unserer Beziehung zur Geschichte verwandelte.

… Und über den schwermütigen Ruinen, als wenn sie aus dem Bann der Verwilderung und Dummheit herausgerissen worden wären, streben die schlanken, himmelblauen Fichten in die Höhe, welche die barbarische Hand noch nicht berührt hat.

EPILOG

Das Schreiben ähnliche Materialien – ist vergleichbar mit Kreisen im Wasser, weiter und immer weiter breiten sie sich auf der Fläche aus. Anruf beim Museum in Igarka: womit können wir helfen? Und wissen Sie, sagt Maria Mischetschkina, die Direktorin des Museums, und gibt mir damit einen Wink, dass in den Archiven der Norilsker Bauprojekt-Verwaltung lange und sehr erfolgreich der Krasnojarsker Architekt Aleksander Slabucha gearbeitet und später eine ganze Reihe interessanter Publikationen über den Kurejsker Bau veröffentlicht hat. Hat er? Ob es sich dann wohl lohnt zu fragen, Slabucha anzurufen? Und was wird er mir antworten? Aber das, wie es so schön heißt, kommt noch. Fortsetzung folgt…

Der Autor äußert seine Dankbarkeit gegenüber den Mitarbeitern der Archive in Norilsk, Dudinka und Igarka, der Museen in Norilsk und Igarka, der zentralen Stadt- sowie der wissenschaftlich-technischen Bibliothek.

Die in den Dokumenten angeführten Materialien werden unter Beibehaltung der orthographischen Besonderheiten veröffentlicht. Das Foto stammt aus den Archiven des Museums der Geschichte und Entwicklung des Norilsker Industriegebiets.

Viktor Maskin

„Polar-Wahrheit“ N° 16, 28.03.2007

 


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