Bis heute wissen die Angehörigen der in den Repressionsjahren Erschossen nicht,
wo man sich vor den sterblichen Überresten derer, die unter dem stalinistischen
Terror zu leiden hatten, verneigen kann. Ich habe gehört, daß man vor vielen
Jahren im Bezirk des Krasnojarsker Aluminiumwerks einen Begräbnisplatz entdeckt
hat. Aber die Behörden haben das geheim gehalten.
I. Sidrow, Krasnojarsk
KOMMENTAR des Vorsitzenden der Krasnojarsker Gesellschaft „Memorial“ – Aleksej Babij:
- ES GIBT IN DER TAT die Vermutung, daß Erschossene in Krasnojarsk im Bezirk des Krasnojarsker Aluminiumwerks begraben wurden, das damals noch weit hinter der Stadt lag.
Auf jeden Fall berichteten die Alteingesessenen aus Korkino, daß des Nachts ständig Fahrzeuge angefahren kamen und gegen Morgen plötzlich frische Grabhügel zu sehen waren. Nach Aussagen zahlreicher Augenzeugen wurde die Grabstätte zu Beginn der 1960er Jahre, als sie mit dem Bau der Fabrik begannen, als Baugrube ausgehoben. Der Ort wurde damals sofort von Miliz umstellt, man schaffte in aller Eile einen Kipplader heran und lud die verbliebenen Knochen mit dem Bagger auf einen Lastwagen. Ich befürchte, daß man sie einfach nur zum Schuttabladeplatz gebracht und dort etwas tiefer vergraben hat.
Wir haben versucht in den Archiven des Föderalen Sicherheitsdienstes, der Staatlichen Verwaltung für innere Angelegenheiten Spuren zu finden, aber die Suche verlief ergebnislos. Ich gehe davon aus, daß die Dokumente über den genauen Begräbnisort tatsächlich vernichtet wurden. Allerdings muß der Staatsanwalt nach geltendem Recht, falls die Grabstätte geheimgehalten wird, einen Strafprozeß anstrengen und ein Gutachten erstellen lassen. Warum sollte die Geheimhaltung für Materialien über diese Sache nicht aufgehoben werden?
Man braucht doch keine Einzelheiten – man braucht nur die Anerkennung des Tatbestandes, daß hier Menschen begraben wurden, damit wir einen Gedenkstein oder ein Kreuz zur Erinnerung aufstellen können. Genau 70 Jahre nach dem „Großen Terrors“ wäre das doch eine äußerst angebrachte Aktion.
Argumente und Fakten am Jenisej, 08.08.2007