Heute gedenkt man in Russland der Opfer der politischen Repressionen. Die tragischen Seiten in der Geschichte der UdSSR der 1920er bis 1950er Jahre rufen bis heute Entrüstung und innere Ablehnung über die in jener Epoche geschehene Gesetzlosigkeit und grenzenlose Willkür hervor. Damals waren tausende Menschen völlig unbegründet Verbrechen beschuldigt, in Besserungs-/Arbeitslager, in die Verbannung und zur Sonderansiedlung geschickt worden. In Folge des Terrors und der erlogenen Anklagen kamen Millionen Menschen ums Leben.
In Schelesnogorsk leben heute offiziell mehr als 370 Menschen aus der Zahl derer, die unter dem Staatsterror jener Jahre zu leiden hatten. Es handelt sich entweder um Repressierte selbst oder um ihre Kinder, die in Folge der verwandtschaftlichen Beziehung den Stempel der Mittäterschaft aufgedrückt bekommen haben. Aber e gibt mehr Familien, in denen Großväter, Großmütter, Tanten und Onkel Opfer des Terrors waren. Nach Angaben einer soziologischen Umfrage, die am Gymnasium N° 96 unter Schülern und dem Kollektiv durchgeführt wurde, waren die Familien von 23% der Befragten von Repressionen betroffen. In der Stadt können diese Ziffern auch höher liegen.
Das Thema der politischen Repressionen in seinen unterschiedlichen Aspekten war schon lange Gegenstand aufmerksamer Studien am W. Astajjew-Gymnasium. Es wird in den Unterrichtsstunden und am runden Tisch diskutiert, man schreibt darüber Forschungsarbeiten. Der erste Antriebspunkt in diese Richtung war der offene runde Tisch im Februar 2007, der sich „Geschichte der politischen Repressionen und des Widerstands gegen die Unfreiheit in der UdSSR“ nannte. Seine Teilnehmer – Vertreter von Schulen, pädagogischen Universitäten, Gymnasiasten, Repressionsopfer – versuchten das Wesen dieses historischen Prozesses, seine Maßstäbe und Folgen zu verstehen sowie die Gründe für die Ergebenheit des Volkes zu klären. Die vorliegende Bearbeitung der methodischen Vereinigung von Geschichtslehrern im vergangenen Jahr wurde beim interregionalen Wettbewerb hervorgehoben, nach dessen Ergebnissen sie im Sammelwerk des Museums und des gesellschaftlichen Andrej-Sacharow-Zentrums veröffentlicht wurde.
Danach wurde das Thema in den Forschungsarbeiten der Schüler fortgeführt. Unter anderem auch bei der Anknüpfung an unsere Stadt. So war die Arbeit der von Olga Panko, Schülerin der 11. Klasse, die bei der wissenschaftlich-praktischen Konferenz den Sieg errang, der Klärung der Frage gewidmet: waren es Repressierte, die Schelesnogorsk erbauten oder nicht? Basierend auf dem Studium von Publizistik- und Archiv-Materialien, kam die Schülerin zu dem Schluss, dass auf dem Bau die Zahl der nach §58 Verschleppten äußerst unbedeutend war. Gemäß der Politik der Sowjetunion konnten „Volksfeinde“ überhaupt nicht zu geheimen Objekten zugelassen werden.
In diesem Jahr wurden zum ersten Mal zu Ehren der unschuldigen Opfer des Terrors im Gymnasium N° 96 Gedenk-Veranstaltungen vorbereitet. Es wurde beschlossen, die Begegnung, die heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressionen, stattfindet, „Einfach Menschen“ zu nennen. Zur Teilnahme waren an die 70 Leute aus den Reihen der einst Repressierten eingeladen. Für die Gäste bereiteten die Geschichtspädagogen Informationen zu den Ereignissen vor, die mit diesem Datum in Bezug stehen. Der Tag der Repressierten wurde in Russland erstmalig 1991 begangen – zum Gedenken an den Hungerstreik der Häftlinge in den Lagern Mordwiniens , der am 30. Oktober 1974 begann. Und seit der Zeit kann man den Tag zu Recht als Tag der Volkstrauer ansehen. Nach den Plänen der Organisatoren sind die heutigen Veranstaltungen vor allen Dingen ein Tribut der Ehrerbietung und Unterstützung dessen, dass die nationale Tragödie jener Jahre von der jungen Generation nicht vergessen wird. Und beim Ausruhen, Sich-Entspannen und Nachdenken über die angenehmen Gäste helfen Konzertnummern, die von Schülern des Gymnasiums vorbereitet wurden. Die Begegnung geht mit einem Teetrinken zu Ende, wo in häuslicher, gemütlicher Atmosphäre die Geladenen ihre Erinnerungen miteinander teilen können…
Rosa Pidstrela
„Stadt und Städter“ (Sosnowoborsk), 30.10.2008