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Blumen bringen Freude

Nach dem Vorgarten der Webers in der Portnjagin-Straße in Suchobusimsk schauen sich im Sommer alle Leute um, die dort vorübergehen. Hier wächst üppiger Phlox in unterschiedlichen Farben und Schattierungen, viele andere schöne Pflanzen und eine ungewöhnlich seltene Palme (Wunderbaum) als Beiwerk. Und wenn sich schon einmal jemand innerhalb der Einfriedung befunden hat, dann hat er auch dort Palmen und Blumen zu sehen bekommen. Und kein einziges Blättchen Unkraut wächst dort. Auf dem Grundstück herrscht eine mustergültige Ordnung – alles dort ist an seinem Platz, gescheit und akkurat nach Bauernart.

Wenn die Passanten, die diese blühende Oase bewundern, wüssten, wie viel Mühe es die nicht mehr jungen Eheleute (beide sind über 70) kostet, diese ganze Pracht zu schaffen, zumal sie kein leichtes Leben hatten (beide wurden verfolgt) und es um ihre Gesundheit auch nicht gerade bestens bestellt ist. Um die Wahrheit zu sagen – jetzt kümmert sich hauptsächlich das Familienoberhaupt, Alexander Viktorowitsch, um die Blumen. Flora Alexandrowna kann sich nach einem Hirnschlag nur mühsam vorwärtsbewegen.

Es ist angenehm diese Eheleute anzuschauen. Ruhig und beherrscht kümmern sie sich sorgsam umeinander. Ihre Liebe und Achtung füreinander haben sie über lange Jahre und durch nicht wenige Schicksalsherausforderungen stets bewahrt.

Beide stammen aus wolgadeutschen Familien. Als Kinder wurden sie 1941 nach Sibirien deportiert. Sie hatten ein schweres Leben. Hungerten. Es gab keine Wohnung, keine Kleidung. Sie lebten in Erdhütten, Pferdeställen. Die Eltern mussten sich jeden Monat zweimal in der Sonder-Kommandantur melden. Wenn du diesen vorgegeben Tag versäumst – dann kannst du im Lager dahin vegetieren. Es war kategorisch verboten sich aus dem Dorf zu entfernen. Wenn man trotzdem den Verbannungsort ohne Genehmigung verließ, dann drohten einem zwanzig Jahre Zwangsarbeit. Flora Alexandrowna erinnert sich mit Tränen in den Augen, wie ihre Mutter die Kinder vor dem Hungertod rettete. Heimlich verließ sie in der Nacht Schoschkino, um ins benachbarte Dorf zu gehen, dort Wolle zu holen und ihre fertigen Strickereien abzugeben, für die sie ein Krüstchen Brot oder einen Eimer Kartoffeln bekam. In jenen Jahren vermehrten sich die Wölfe besonders stark. Die Mutter erstarrte vor Schreck, wenn sie die Bestien in der Ferne heulen hörte, aber sie widerholte trotzdem ihre Gänge bei klirrendem Frost, in stockdunkler Nacht.

Vertrieben aus der vertrauten Heimat hatten die unglücklichen und rechtlosen Menschen panische Angst vor den Behörden. Plötzlich erfahren sie beim NKWD, dass man illegal ins Nachbardorf gegangen ist. Dann geht’s ins Gefängnis! Aber der mütterliche Instinkt war größer als jede noch so große Furcht. Die Mutter strickte Tag und Nacht Pullover, Schals, Socken, Fausthandschuhe, ging immer wieder durch den verschneiten, dunklen Wald, um etwas Essbares zu beschaffen.

Nach der Freilassung aus der Verbannung wurde es den Deutschen nicht gestattet, in ihre Heimatorte an der Wolga zurückzukehren. Kaum eines der Kinder der Sondersiedler erhielt eine Ausbildung. Auf ihr Los entfiel von früher Kindheit an schwerste körperliche Arbeit. Alexander Viktorowitsch arbeitete mehr als 35 Jahre als Mechanisator in der Sowchose „Suchobusimskij“. Für seine jahrelange gewissenhafte Arbeit besitzt er Auszeichnungen. Flora Alexandrowna arbeitete in ihrer Jugend beim Altaier Traktorenwerk – als Fräserin, Arbeiterin, Reinmachefrau. In der Kolchose war sie bei allen möglichen ungelernten Arbeiten tätig, i anderen Organisationen - als Technikerin. Ein Leben lang an schlecht bezahlten, schmutzigen Arbeitsplätzen. Sie haben vier Kinder großgezogen. Vor zwei Jahren feierten sie ihre goldene Hochzeit.

An ihre Verbannungszeit denken sie mit Traurigkeit zurück, aber ohne Zorn: in den vielen Jahren haben sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Heute, am Tag des Gedenkens für die Opfer politischer Repressionen, erinnern sie sich an ihre Verwandten, von denen viele die Rehabilitation nicht mehr erleben, nicht die reuevollen Worte über die vernichteten Schicksale vollkommen unschuldiger Menschen hören konnten.

Foto: die Eheleute Weber
Text und Foto: Olga Wawilenko

Veröffentlicht in der Zeitung „Landleben“
des Suchobusimsker Bezirks,
30.04.2009


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