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Werd’ nicht zu einem Vogelfederchen

Der Allrussische Wettbewerb historischer Arbeiten von Schülern der höhrern Klassenstufen „Der Mensch in der Geschichte. Rußland – 20. Jahrhundert“, der von der Internationalen „Memorial“-Gesellschaft durchgeführt wird, ist mit keinem anderen Wettstreit vergleichbar. Seine Teilnehmer erfahren die vaterländische Geschichte des vergangenen Jahrhunderts anhand der Schicksale ganz normaler Menschen. Jedenfalls hebt die Jury des Wetbejene Arbeiten besonders hervor, die dem Schicksal des Menschen und seiner kleinen Heimat gewidmet sind. Die Zuverlässigkeit dieser Tendenz bestätigen auch die Ergebnisse des zehnten Allrussischen Wettbewerbs. Die Autoren der vierzig Siegerarbeiten wurden in diesem Jahr zur Siegerehrung nach Moskau eingeladen. Besonders hervorgehoben wurden von der kompetenten Jury auch diejenigen Schülerinnen und Schüler, deren Arbeiten in die zweite und dritte Runde des Auswahlverfahrens kamen. Diese wurden jeweils in den einzelnen Regionen geehrt. So erhielten Schüler der höheren Klassenstufen der Region Krasnojarsk und der Republik Chakassien in Schuschenskoje Ehrenurkunden, Diplome und Bücher.

Die Forschungsarchive verstauben nicht, sie leben

Bei der Eröffnungsrede in Schuschenskoje betonte der Vorsitzende der Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft – Aleksej Babij, sich ursprünglich ein recht hohes und hinreichend utopisches Ziel gesetzt hatte. „Es stellte sich eher als eine Art eigentümlicher Impfung vor dem Totalitarismus da. Wenn der Schüler aufmerksam lernt und forscht, sich in das Schicksal eines ganz normalen, gar nicht unbedingt repressierten Menschen hineinversetzt, dann besteht die Hoffnung, daß er, nachdem er erwachsen und vielleicht Beamter geworden ist, sich irgendeinem von uns gegenüber nicht wie ein funktionierendes Schräubchen der Staatsmaschinerie benimmt“.

Es gibt in diesem Wettbewerb auch ganz bodenständige Ziele. Nachdem die Organisatoren begriffen haben, daß diese Schülerarbeiten auch für andere Leute interessant sein können, stellen sie sie ins Internet. So rief die Veröffentlichung auf der Webseite des Krasnojarsker „Memorial“der Arbeit über das Schicksal der Rußland-Deutschen, die während des Krieges in die Weiten Sibiriens deportiert wurden, ein großes Echo in Deutschland hervor: „Darin ist sogar die rede von unserer Vera Jegorowna Wagner!“ Wie sich herausstellte, wußte die Familie unserer ehemaligen Landsleute sechzig lange Jahre nichts über das Schicksal dieser nahen Verwandten. Und erst jetzt gelang es, die vor langer Zeit zerrissenen Fäden wieder zusammenzufügen.

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Im Maiprogramm „Maximum“ des Senders NTV gab es eine Minisensation – ein Bericht über das Schicksal des repressierten Neffen von Lawrentj Berija. Der TV-Stoff wäre vermutlich überhaupt nicht zustande gekommen, wenn es nicht eine Arbeit von Schülern der Siedlung Kljutschi im Bezirk Atschinsk gegeben hätte. Und es hatte alles damit begonnen, daß sie sich einfach für die Frage interessierten: Warum sind in unserer heimatlichen Siedlung bis heute diese kurzen, vierzeikigen Liedchen über Berija so populär? Die Klärung der Umstände, zu der unter anderem auch mit Hilfe von „Memorial“ eine Anfrage an die GUWD gerichtet wurde, brachte folgende Antwort: in Kljutschi befand sich tatsächlich ein naher Verwandter Berijas in der Verbannung. Die Beschreibung seiner sibirischen Epopoe, die im Internet zu lesen ist. Inspirierte Mitarbeiter von NTV zu einer Dienstreise in die Tiefen Sibiriens und der Vorbereitung dieses ganz ungewöhnlichen Sendethemas.

„Diese Forschugsarbeiten der Schüler sind etwas – Lebendiges!“ – sagt Aleksej Babij mit Überzeugung. – Viele Fotos aus den Arbeiten, auf denen unrechtmäßig repressierte Landsleute zu sehen sind, werden von uns im Buch der Erinnerung veröffentlicht. Im nächsten Band, im siebten, werden auch die ernsthaften Forschungsarbeiten zweier Schüler zu sehen sein. Außerdem werden die besten Arbeiten von Schülern der höheren Klassenstufen der Region Krasnojarsk und der Republik Chakassien des Jahres 2008 in einem Sammelband veröffentlicht“.

Das Vorrücken der Nachbarn

Wenn wir schon von den Ergebnissen des Wettbewerbs im Jahr 2009 sprechen, sollten wir auch das Vorrücken der Krasnojarsker anschneiden. Zum ersten Mal nahm eine Vertreterin der mit uns befreundeten Region von einer Schule im Dorf Osernoje, Bezirk Jenisejsk – Antonina Wachruschewa – den zweiten Platz bei der allrussischen Entscheidung über historische Arbeiten ein. Der Wert ihrer Forschungsgarbeit liegt nicht nur darin, daß sie praktisch vollkommen selbständig angefertigt wurde, sondern auch in der Aufrichtigkeit der Autorin. „Meine Faktorei Sym – ein nationales Dorf, - schrieb das Mädchen, die in dieser entlegenen Taigasiedlung geboren wurde und dort seit 16 Jahren einsam und verlassen lebt. – Hier wohnen Ewenken, Keten und Russen, hauptsächlich Altgläubige. Auf diesem kleinen bevölkerten Areal gibt es große Probleme in puncto Dempgrafie, Gesundheitswesen, Migration, vernünftiger Lebensweise, Rechtsordnung und Bildung. Überall ist das Leben irgendwie in Gang und in Ordnung gekommen, aber bei uns ist es erstarrt und läuft nach seinen eigenen, ungeschriebenen Gesetzen ab. Hier sind wir zeitlich in völlige Vergessenheit geraten“. Die umfangreiche Arbeit der Schülerin über die kleine Siedlung liest sich in einem Atemzug, interessiert an allen unbekannten Einzelheiten des Lebensalltags der Bewohner der Faktorei und den ganzen Schmerz ihres Schicksals fühlend. „Vater und Mutter sind vergessen – für das ganze Geschlecht verloren, die eigene Sprache ist verloren gegangen – verloren für das ganze Volk, und die Erde wirst du auch vergessen – denn du wirst zu einem Vogelfederchen werden“. – Ich wünsche mir so sehr, daß diese Worte nicht auf unsere Einwohner zutreffen! Aber das ist bereits vollendete Tatsache!“

Ein ganz unerwartetes Thema wählte sich Tatjana Inosemzewa aus Selenogorsk für ihre Forschungsarbeit aus – „Im Dienste des Totalitarismus. Der Mensch hinter Stacheldraht“. Sie berichtete über das Schicksal eines Mannes, der zu seiner Zeit Leiter der Sonderabteilung des Lagers war, aus dem im Grunde genommen die Stadt Selenogorsk überhaupt erst entstanden ist. „Normalerweise stellt man sich vor, daß im Lagersystem des GULAG ausschließlich wilde Bestien gearbeitet haben. Und es gab dort auch jede Menge Sadisten, - sagte Aleksej Babij bei der Präsentation der Arbeit, die den dritten Preis im allrussischen Wettbewerb bekam. – Inosemzewas Held war auf seine Weise ein anständiger Mensch. Durch den Willen des Schicksals geriet er ins Malwerk des Systems und tat seine Pflicht. Autor und Projektleiter der Arbeit haben versucht, sich in die Seele dieses Menschen hinein zu versetzen, den Mann zu verstehen, der völlig unschuldige Menschen bewachen sollte. Und genau darüber wurde ohne jede Pathetik geschrieben, ohne jegliche Enthüllungen „in die eine oder andere Richtung“. Gerade wegen dieser Objektivität wurde die Arbeit von der Jury so hoch bewertet.

Mit dem Gefühl der eigenen Würde

Nikolaj Abdin, der Vorsitzende der „Memorial“-Gesellschaft in der Republik Chakassien, der in Schuschenskoje die Arbeiten von Schülern aus unserer Republik vorstellte, betonte, daß sie in den vorangegangenen Jahren aktiver gewesen wären und jeweils 40-50 Arbeiten für den Wettbewerb eingesendet hätten. Im vergangenen Jahr wären lediglich 12 Referate eingegangen.

Inzwischen gibt es in Chakassien nicht wenige Lehrer für Geschichte und Gesellschaftskunde, die daran interessiert sind, am Thema des Wettbewerbs zu arbeiten. Aus ihren Reihen nannte Nikolaj Stepanowitsch: Igor Jakuschkin von der Mittelschule N° 20 in Abakan sowie Lidia Andrianowa von der Kopewsker allgemeinbildenden Dorfschule. Igor Stanislawowitschs Zöglinge stellen regelmäßig ihre Arbeiten auf dem Wettbewerb vor; die thematische Vielfalt läßt sich an den zahlreichen Überschriften ablesen: „Die Herkunft meines Familiennamens“, „Wladimir Wysozkij. Seine Einstellung zu den Machtorganen“, „Das Land – Richter und Besserungslager“. Was Lidia Wasilewna, eine verdienstvolle Lehrkraft in der Republik Chakassien, ausgezeichnete Heimatkundlerin und hervorragende Kennerin von Museumsangelegenheiten betrifft, so nehmen ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur ständig an diesem „Memorial“-Projekt teil – sie erreichen mit ihren Arbeiten auch gute Resultate. Nicht umsonst hat die Jury im Jubiläumsjahr des Wettbewerbs Lidia Andrianowa zur besten Geschichtslehrerin in der Republik Chakassien ernannt.

Diesmal kam die Arbeit von Aleksander Fiskow unter die besten hundert in Rußland, die unter der Leitung von eben dieser Lidia Andrianowa verwirklicht wurde. Das Forschungsthema lautete: „Menschliche Schicksale im Angesicht der sowjetisch-chinesischen Beziehungen“. „Ich habe mich bemüht, dabei auf einen möglichst kurzen geschichtlichen Hintergrund zurückzugreifen. Indem ich über die Schicksale unserer Landsleute berichtet habe, die aus verschiedenen Gründen in die große Politik hineingezogen wurden, - merkte der Absolvent der Kopewsker Dorfschule an. – Ich wollte so gern zeigen, wie die Politik unserer Staaten einfache Leute häufig zu Geiseln und Opfer der gerade herrschenden Umstände macht“. Grundlage der äußerst interessanten Arbeit sind Augenzeugenberichte über die schwierigen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Es handelt sich um Einwohner des Bezirks Ordschonikidse – russische Umsiedler aus Mandschurien, einen ehemaligen Grenzsoldaten, der sich bei der Bewachung der Staatsgrenze zu China im Jahre 1979 hervorgetan hatte, und andere.

Aleksander Aksjutenko, Schüler der achten Klasse an der gleichen Kopewsker Dorfschule, befaßte sich mit dem Thema „Armee-Traditionen und Alltag“. „Ich habe mir einmal das Familienalbum meiner Großeltern angeschaut; dabei stieß ich auf ein altes Foto, auf dem ein junger Offizier abgebildet war. Ich wollte wissen, wer das ist. Also wandte ich mich mit meiner Frage an den Großvater. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, daß diese alte Fotografie der Beginn für meine Nachforschungen sein sollte, daß noch viele weitere Fragen auftauchen würden, für die ich die Antworten in Familienarchiven, im Museum und in Gesprächen mit Landsleuten, die in der Armee gedient hatten, suchen würde. Aber mein Interesse war geweckt, und die anfängliche Neugier verwandelte sich in den Wunsch nach einer spannenden Forschungstätigkeit, die meine ganze Familie schließlich zu einer eifrig schaffenden Arbeitsgruppe vereinte“. Dabei interessierten den künftigen Vaterlandsverteidiger nicht nur die Armeetraditionen, auf die man stolz sein kann, aber auch nicht minder lebhaft in Erscheinung tretende Problem des Kriegsdienstes. „Die Frage der „Dedowschina“, dieses harschen Senioritätsprinzips beim Militär, nagt die ganze Zeit an meinen Gedanken, - gesteht der Schüler. – Einerseits stellte das zur Gewohnheit gewordene, unvorschriftsmäßige Verhalten nach Meinung der alten Staatsdiener und Beamten früher nichts besonders Schlimmes dar, andererseits sehe ich doch, wie sie sich verändert haben und unter den heutigen Bedingungen zu grenzenloser Gesetzlosigkeit und Willkür ausgewachsen sind., unter denen Hohn, Spott und Erniedrigungen nichts außergewöhnliches sind. Und das in einer Zeit, da jeder Mensch in der Gesellschaft fühlte, was die Freiheit der Person bedeutete. Die jungen Leute, die, ausgestattet mit einem ausgeprägten Gefühl für die eigene Würde, ihre Rechte als Mensch und Bürger behaupten und verteidigen, wollen, daß man sich ihnen gegenüber respektvoll verhält. Und so entsteht meiner Meinung nach ein Konflikt, der mitunter zu dieser „Dedowschina“ führt – und zwar mit katastrophalen Folgen“.

Diana Balasowa, , die „die Geschichte des Dörfchens Krasnij Kljutsch“ anhand der Erinnerungen alteingesessener Bewohner verfaßte, kam zur Präsentation zusammen mit ihrer Lehrerin Nina Kysytschakowa nach Schuschenskoje. Nina Fedorowna ergänzte den Auftritt ihrer Schülerin mit folgenden Worten: „Diana ist erst vor zwei Jahren nach Krasnij Kljutsch umgezogen. Sie wächst in einer Adoptivfamilie auf. Sie ist fleißig und lernt sehr gut. Ich wollte Diana ein wenig näher mit unserem Dorf bekanntmachen. Und als Ergebnis hat sie dann die Geschichte von Krasnij Kljutsch aufgeschrieben – von der Entstehung der Kolchose in dieser kleinen Ortschaft bis in die Gegenwart. Leider gibt es sehr viele solcher langsam verschwindenden Dörfer wie das unsere. In unserem Dorf gibt es eine Grundschule, aber kaum noch Schüler, und wer weiß, wie lange das Dorf überhaupt noch existieren wird...“. Übrigens wurde bei der Begegnung in Schuschenskoje die besondere Aktualität dieses Themas betont: verschwindende Dörfer – darüber ist ganz Rußland bekümmert. Auch deswegen ist es so wichtig, den Nachfahren die noch nicht endgültig ausradierte Geschichte der kleinen Heimat zu hinterlassen, und das bedeutet: es ist von äußerstes Wichtigkeit, rechtzeitig die Zeugenberichte von all dem, was die noch Lebenden in ihrem Jahrhundert gesehen und erlebt haben. „Andernfalls können wir uns beim Studium und der Erforschung des 20. Jahrhunderts lediglich auf offizielle Dokumente stützen, und die lügen viel mehr als Menschen“, - merkte Babij an.

Es ist auch wichtig, die Geschichte einer ganz konkreten Person aufzuschreiben, und zwar nicht nur eines ganz gewöhnlichen Menschen, sondern auch eines Menschen, der sich in seinem Leben besonders hervorgetan hat. „Es gibt Leute die durchs Leben gehen, das eine ganze Epoche umfaßt“ – so betitelte Natalia Kitschejewa, Schülerin am Chakassischen nationalen Internatsgymnasium ihre Forschungsarbeit über den Lebesnweg des Augenarztes Nikolaj Odeschkin. „Der Grund, weshalb ich mich für diese Persönlichkeit interessierte? – wiederholte Natasche die an sie gerichtete Frage. – Na ja, weil Nikolaj Maksimowitsch meinen Großvater operiert hat“. Mit ihrer Projektleiterin Anna Beljankina arbeitete sie drei Jahre lang an dem Thema ihrer Wahl. Die Heldentat von Nikolaj Odeschkin und seiner Kollegen bei der Liquidierung des Trachoms in Chakassien beeindruckte die Gymnasiastin dermaßen, daß sie selbst beschloß Ärztin zu werden. „Ich werde an der medizinischen Akademie immatrikulieren, - teilte die Zehntklässlerin ihre Zukunftspläne mit. – Wenn ich erst einmal Augenarzt geworden bin, kann ich mich mit den Problemen der Blindheit und Schwachsichtigkeit befassen. Vielleicht gelingt es mr ja, die Gründe für die Augenkrankheit des Jahrhunderts – das Glaukom – zu finden. Möglicherweise können Stammzellen oder die genetik dabei helfen“.

Ohne jeden Einzelnen ist das Volk nicht vollständig

Leider waren diesmal unter den Arbeiten der Schüler aus Chakassien und der Region Krasnojarsk nicht so viele tiefgründige und ausführliche Forschungsberichte zum Thema ungesetzlicher politischer Repressionen. Nichtsdestoweniger dankte Ljubow Manyschewa, verantwortliche Sekretärin bei der Kommission zur Wiederherstellung der Rechte von Opfern politischer Verfolgungen bei der chakassischen Regierung, den Teilnehmern an dem „Memorial“-Projekt: „Vielen Dank, daß ihr euch der Namen erinnert und versucht, Namen in der Geschichte zu verewigen, Wurzeln zu finden, sie zu beleuchten und ihnen Kraft zu verleihen“. Sie brachte die Versammelten auch dazu, einmal darüber nachzudenken, warum sich die rehabilitierten Menschen mit ihren Problemen so selten an die Organe der Staatsmacht wenden – „es sind Leute von ungewöhnlicher Bescheidenheit, die ihrer Heimat alle Ehre und Würde verschaffen, die das totalitäre Regime jedoch leider zu „Volksfeinden“ machte.

***

Anstelle eines Nachwortes möchte ich gern die Beobachtungen der Organisatorin des Wettbewerbs – Irina Schtscherbakowa – aufgreifen. „Zehn Jahre sind nicht wie ein einzige Tag verflogen. Von Wettbewerb zu Wettbewerb haben sich die Situationen im Lande verändert, und dnicht nur das. Die allerersten Arbeiten wurden noch mit der Schreibmaschine geschrieben, einige gingen sogar handschriftlich ein. Einer dieser Arbeiten war ein Brief beigelegt: „Entschuldigen Sie bitte das verspätete Einreichen der Arbeit. Es liegt daran, daß die Druckmaschine sich im Nachbardorf befindet und der Weg dorthin vom Schnee völlig zugeweht war; daher konnten wir unsere Arbeit erst mit zehntägiger Verspätung drucken“. Jetzt werden alle Arbeiten per Computer in Empfang genommen, und das ist nur eine der grundlegenden Veränderungen, die sich vollzogen haben. Viel tiefgründigere Veränderungen betreffen den Zeitrahmen der von uns benannten Themenkreise. Vom nächsten Jahr an werden wir sie wohl ändern müssen. Das 20. Jahrhundert klingt aus, und wenn ganz zu Beginn ders Wettbewerbs noch Zeitzeugen der 1930er Jahre am Leben waren, so sind die Großeltern unserer heutigen Autoren Kinder der 1940er Jahre. Die Geschichte entfernt sich immer mehr, wird zunehmend zur Mythologie, und wir fühlen das sehrwohl... Und trotzdem, wie sehr auch immer versucht wird, die Geschichte und sogar die Lehrbücher umzuschreiben, so beweist unser Wettbewerb doch, daß das menschliche Gedächtnis lebt, daß es – Gott sei Dank – noch nicht abhanden gekommen ist. Dreißigtausend Arbeiten, die in diesen zehn Jahren an uns eingesandt wurden, - das sind nicht nur dreißigtausend Namen, sondern dutzende Male mehr, und ich würde sagen, daß sie in ihrer Gesamtheit sogar „für ganz Rußland stehen“. Um mit den Worten Andrej Platonows zu sprechen: ohne jeden einzelnen von ihnen ist das Volk nicht vollständig“.

Vera SAMRINA
Abakan – Schuschenskoje – Abakan

„Chakassien“, 14.07.2009


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