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Der erste neue GeburtstagDer erste neue Geburtstag

Am 3. November wird der Tag der Gründung des Seehafens von Dudinka begangen. Nach Meinung des Veteranen des Seehafens von Dudinka, Nikolaj Kostezko, der eigene Untersuchungen durchführte, muss man genau dieses Datum als den offiziellen Geburtstag des Unternehmens ansehen.


Der Hafen von Dudinka wurde hauptsächlich mit der
Arbeitskraft von Häftlingen gebaut

Ich erhebe keinen Anspruch auf einen Platz in der Geschichte der Schaffung und Entstehung des Hafens von Dudinka. Mein Hauptziel ist es, das genaue Datum der Gründung des Seehafens von Dudinka zu ermitteln. ZU diesem Zweck musste ich nicht nur alle vorhandenen, spärlichen Archive-Ma5terialien sorgfältig studieren, sondern auch analysieren, meine Vermutungen und Überlegungen aussprechen. Was sehr schwierig war – die Zeitungsablage des „Sowjetischen Taimyr“ aus dem Jahre 1937 wurde von den Organen der Staatssicherheit beschlagnahmt, ebenso wie zahlreiche Materialien und Personalakten der allerersten Erbauer des Hafens. Es ist heute nicht mehr möglich, ihren Verbleib zu ermitteln. Ich wäre allen dankbar, die auf diese Veröffentlichung reagieren und möglicherweise irgendetwas zu den dargelegten Ereignissen beitragen können.

Es gab noch nicht einmal eine Anlegestelle …

„Der Bau des Norilsker Kombinats erhebt enorme Ansprüche an das Wassertransportwesen – die einzige Transport-Arterie, welche die Eisenbahn-Magistrale und das Zentrum der Region mit dem neuen Industriezentrum Norilsk verbindet“, schrieb G.M. Magaril in einem Artikel im „Krasnojarsker Arbeiter“. Dabei „gab es 1935 in Dudinka noch nicht einmal eine einigermaßen vernünftig eingerichtete Anlegestelle“, erwähnt M.J. Waschnow in seinem Buch „Norilsker Versorgung: Menschen und Jahre“.

Die Geburt der 40 Meter langen steinernen Anlegestelle datiert im September; deswegen begann ihre Nutzung auch erst 1936 (als etwa 100.000 Tonnen Fracht dort angeliefert wurden). Um sich auf den erheblich3en Anstieg des Frachtaufkommens in Dudinka und der Siedlung Walek vorzubereiten, beschloss die Bauleitung, die möglichst kurze Be- und Entladefristen ins Auge gefasst hatte, sich unverzüglich an die Einrichtung einer Anlegestelle zu machen und für eine sachgerechtere Organisierung der Bau- und Entladearbeiten in Dudinka eine Seehafen-Behörde einzurichten und in Walek ein Binnenhafen-Amt. Zum Hafen-Kapitän wurde der Häftling F.B. Uskow ernannt, zum Leiter des Binnenhafens – der Gefangene J.J. Scharkowskij. Die allgemeine technische Leitung des Baus der vorübergehenden Anlegestellen oblag dem Ober-Ingeieur A.D. Gudu, die technische Leitung für die Mechanisierung der Be- und Entlade-Arbeiten wurde dem Gefangenen A.A. Fedorow übertragen.

Und die Liste der Posten-Verteilung geht noch weiter. Und ihnen zu Hilfe kamen die Lagerinsassenaus Dudinka und Walek. Zu all den im Befehl genannten Personen gibt es im Hafen-Archiv keine Personalakten. (Möglicherweise wurden sie beschlagnahmt und werden nun in den Archiven des NKWD verwahrt).

An dieser Stelle ist es angebracht, einen Hinweis auf Matwejews Befehl N° 114 vom 4. Februar 1937 bezüglich des Norilskstroi und des Besserungs-/Arbeitslagers des NKWD (Paragraph 1) zu geben:

„Zur Gewährleistung der technischen Leitung der sich in Dudinka in Gang setzenden Arbeiten zum Bau der Hafenanlagen und zur Kontrolle über Qualität und Entsprechung mit den technischen Plänen wird der Posten eines technischen Inspektors der Hafenanlagen eingerichtet, welcher auf Grundlage der jeweils angenommenen Verhältnisse handeln wird“.

Für das Amt des technischen Inspektors der Hafenanlagen wird der in Freiheit lebende Genosse und Ingenieur des Z.S.O.W. (die Abkürzung konnte nicht entschlüsselt werden, möglicherweise waren auch die Buchstaben zu undeutlich . – Aut.) A.D. Guda ernannt. Man muss die äußerst schlechte Qualität der Originaldokumente der Jahre 1935-1936 anmerken.
Es wurde graues Papier benutzt, möglicherweise Zeitungspapier, daher ist der Text schlecht zu entziffern… In dem Befehl gibt es noch eine Reihe von Paragraphen, welche die Pflichten des „Aufsehers“ über den Bau der Hafenanlegestellen definierten. Im Mai 1937 wird die „Vorschrift über die Rechte und Pflichten von Amtspersonen – Mitarbeitern des Dudinkaer Hafens des Norilskstroi und des Besserungs-/Arbeitslagers des NKWD“ bestätigt. Es handelt sich dabei um ein inhaltlich ziemlich umfangreiches Dokument. Festgelegt sind darin die Funktionen des Hafens; außerdem enthält es eine Liste mit dem Personalbestand (insgesamt 31 Personen). IN dieser Zeit sind noch keine konkreten Personen erwähnt, die den einen oder anderen Posten einnehmen.


Die im Hafen eintreffenden Schiffe wurden ohne Hilfe von Maschinen entladen.

Rundes – rollen, flaches – tragen

An dieser Stelle möchte ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass eine Kontrolle über den Bau des Hafens notwendigerweise von einer Person umgesetzt werden musste, die mit hydrotechnischen Anlagen bewandert war. Doch derartige Anlage sind in einem Hafen nicht so schnell errichtet, wie man es sich wünschen würde. Von nun an werden die gleichzeitige Nutzung und der Bau der Hafenanlagen parallel zueinander durchgeführt, und das verhält sich bis in die Gegenwart so. Natürlich wurde ein bestimmter Teil der technischen und der Lebensmittel-Frachten in Dudinka abgeladen, um diese in der Winterzeit nach Norilsk zu liefern und einen Teil in Dudinka zu belassen. Das Abladen auf Reede erfolgte mit Hilfe von Schuten (Wasserfahrzeuge mit geringem Tiefgang) und der Zulieferung an Uferböschungen, die über tieferes Wasser verfügten. Und weiter ging es dann nach dem altbewährten Schema: rundes – rollen, flaches – tragen.

Aus den Erinnerungen des ehemaligen Norillag-Häftlings (bereits verstorben) A. Slepzow: „Schwergewichtige Lasten entluden wir bei Hochwasser mittels einer bis an Banalität grenzenden primitiven Methode. Das Schiff näherte sich dem Ufer soweit dies möglich war. Das Schiff geriet in eine Schräglage. Und die Frachtstücke wurden ganz einfach ins Wasser geworfen. Mit Rücklauf des Wassers lag die Ware dann „abgetrocknet“ am Ufer. Doch dieser Parameter des Abladens und Güterumschlags liefert noch kein Zeugnis über die Arbeit des Hafens als solcher. Mit dieser Methode werden auch heute Güter in den Siedlungen des Jenisseijsker und Chatangsker Nordens abgeladen. Daher wurde in den Jahren 1934, 1935 und 1936 die Pjassinsker Expedition gegründet – zur Anlieferung von Bau- und technischen Materialien in Walek. Heute fällt es schwer sich vorzustellen, unter welchen schwierigen Bedingungen die Baumaterialien Anfang des vergangenen Jahrhunderts mit Flussschiffen, Lastkähnen, Leichtern in die Jenisseisker Bucht ausliefen. In Begleitung von Eisbrechern durchfuhren sie die Kara-See bis in den Pjassinsker Meerbusen. Anschließend gelangten sie durch die Untiefen der Pjassina und Norilka nach Walek. Es ist ziemlich schwierig, SICH MIT DEN Erinnerungen der Expeditionsteilnehmer und offiziellen Rechenschaftsberichten der Leiter bekannt zu machen. Die optimistischen Artikel in den Zeitungen jener Jahre zu lesen, die die tatsächliche Dramatik der Geschichte nicht klar widerspiegeln, - um so mehr.

Im „Sowjet-Taimyr“ vom 23. November 1935 ist ein Gespräch mit dem Leiter des Norilskstroi, dem Genossen Matwejew, veröffentlicht:

„In Dudinka vollzieht sich die Mechanisierung nach dem letzten Wort der Technik. In diesem Winter beginnen wir mit dem Bau der vorübergehenden Anlege-Vorrichtungen für zwei-drei Schiffe. Im nächsten Jahr werden sie ihren Betrieb aufnehmen. Ende 1936 und Anfang 1937 wird dann der ständi8ge Hafen gebaut.

Die Schwierigkeiten des Hafenbaus bestehen darin, dass es keinerlei wissenschaftliche Angaben zur Unterwassertiefe des Eisgangs gibt; ferner fehlen Informationen zur Kimmlinie des Wassers, und geologische Angaben liegen überhaupt nicht vor“.

Heute verfügt der Hafen über Zeugnisse zu den hydrologischen Fakten des Jenissei seit 1935.
Jedes Jahr werden akribisch Beobachtungen über die unterirdischen Wasserfluten, den Höchststand des Hochwassers, den Beginn des Eisgangs, den Rückgang des Wassers und vieles andere mehr geführt. Und damals fingen sie alle bei null an. Es ist äußerst kompliziert – gleichzeitig Forschung zu betreiben, zu projektieren und den Hafen zu bauen.


„Die Dächer von Shanghai“ – so hieß dieser Bezirk von Dudinka

„Tufta“

(Fälschung von Zahlen und Statistiken, um das Plansoll zu erreichen, Normbetrug; Anm. d. Übers.).
Zum Ende des Jahres 1935 befindet sich der Bau des Hafens im Stadium der Projektierung. Doch das Leben zwingt dazu, das Entladen der Schiffe mit primitiven Methoden zu bewerkstelligen. So geht es bis zum Jahr 1937.

Wie Swetlana Barlamowa (Zeitung „Partner-Media“) in ihrem Artikel „Der stählerne Hirsch in Ambarna“ schreibt, tauchten die ersten Erinnerungen über die Norilsker Eisenbahnlinie 1936 auf. Eine Lokomotive wurde mit der ersten Schifffahrtsmöglichkeit angeliefert – auf dem Pjassinsker Wasserweg. Im Sommer arbeiteten auf der Trasse Norilsk – Walek bereits zwei Loks und bis zu 20 Waggons. 1957 setzte auf einer behelfsmäßigen „Schmalspurbahn“ der Zugverkehr von Norilsk nach Dudinka ein. Wenn du nun deiner Einbildungskraft freien Lauf lässt, dann siehst du nicht eine schick angezogene Menge und ein Transparent vor grünem Hintergrund, sondern einen völlig verschneiten Bahndamm, verharscht und vereist, Schubkarren und rollende Bretter oder auch Loren, welche von Menschen in Einheitskleidung und mit gleich grauen, erdfarbenen Gesichtern über die Schienen gerollt werden“.

Nach Zeugenaussagen des Museumsgründers der Norilsker Eisenbahnlinie N. A. Jakuschin wurden während der schiffbaren Zeit des Jahres 1935 über den Pjassinsker Weg zwei Loks nach Walek transportiert (C-159-137 und C-159-138) sowie eine Rangierlok. Bereits im Januar 1936 erging der Befehl über Untersuchungen von Zusammenstöße dieser Lokomotiven, die noch gar nicht im Einsatz waren.

Hieraus ist ersichtlich, dass der Beginn des Schienenverkehrs auf der Norilsker Schmalspurstrecke Vorzeige-Charakter besaß – im Gefangenen-Milieu nannte man das „Tufta“. Es existierte sogar eine Redensart: „Ohne Tufta und Ammonal wäre der Belomor-Kanal (Weißmeer-Kanal; Anm. d. Übers.) nicht gebaut worden“. Nach demselben Prinzip wurde auch der Hafen von Dudinka errichtet.

Sorgfältig studierte ich den Befehl des Noilskstroi und dem Besserungs-/Arbeitslager des NKWD N° 320 vom 3. November 1937. Einer der Punkte darin lautete: „Zum Leiter der Dudinsker Waren-Expedition der TRO ist der Genosse Semjon Anatoljewitsch Antonow zu ernennen. Leiter des Hafens mit den Rechten eines Assistenten des Expeditionsleiters wird der Genosse Fjodor Wawilowitsch Uskow“.

Merkwürdig. Der Häftling Uskow war Staatsbürger, aber noch längst kein Genosse… Leider besteht keine Möglichkeit sich mit der Personalakte und seiner Dienstliste vertraut zu machen. Es ist lediglich bekannt, dass Uskow bei der Flotte kein zufällig ausgewählter Mann war. Die extremen Bedingungen des Nordens, das Fehlen von Spezialisten unbedingt erforderlicher Fachrichtungen sowie besondere Fertigkeiten bei der administrativen Arbeit unter den freien Mitarbeitern machten alle gleich. Nicht bis zur Liebedienerei erfüllten Lagerinsassen und Freie eine gemeinsame Aufgabe – sie bauten den Hafen.

Im Verlauf meiner Untersuchungen entdeckte ich zwei weitere interessante Dokumente. Mit Anordnung N° 22447 L.P. Berijas vom 8. Dezember 1944 und Befehl N° 564 A.P. Sawenjagins vom 30. Dezember 1944, der eine Weiterentwicklung der Anweisung L.P. Berijas darstellte, wird der bereits existierende Hafen (Befehl N° 320 vom 3. November 1937 von W.S. Matwejew) dem neu geschaffenen Wirtschaftsberechnungsamt für die Versorgung des Kombinats „Norilsksnab des NKWD der UdSSR“.

Der Hafen ging aus der Bauphase und der Löschung von Schiffen an den provisorisch eingerichteten Anlegestellen zum regulären Nutzungsbetrieb über. Gleichzeitig mit dem Bau von Anlegern am linken Ufer des Flusses Dudinka entsteht eine Schiffswerft für den Bau und die Reparatur der eigenen Schiffe. Ein Hafenleiter wird ernannt (nicht zu verwechseln mit dem Leiter des Hafenbaus).

Auf diese Weise komme ich zu dem Schluss, dass der Tag der Gründung des Dudinsker Hafens der 3. November 1937 sein muss. 2012 feiert der See-Hafen Dudinka seinen 75. Geburtstag.

Nikolaj Kostezkij

„Polar-Bote“, 03.11.2009


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