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Ein letzter Zeuge der GULAG-Epoche


Die Lokomotive wurde vor Vandalen versteckt

Im Juli begeht Norilsk den 75. Jahrestag seiner Entstehung. Diese Stadt, mit ihrer wohl kurzen, aber äußerst ungewöhnlichen Geschichte, wurde auf den Knochen von Gefangenen errichtet.

Inoffiziellen Angaben zufolge durchliefen von 1935 bis 1956 etwa 1.017.000 Menschen das Norillag, darunter einige der bekanntesten Vertreter der sowjetischen Wissenschaft und Kultur. Unter ihnen einer der allerersten Entdecker der Norilsker Kupfer-Nickel-Vorkommen – der Wissenschftler und Geologe Nikolaj Urwanzew, der Sohn von Anna Achmatowa – der gelehrte Historiker Lew Gumiljow, der Volkskünstler der UdSSR – Georgij Schschonow, der Poet Osip Mandelstam und viele, viele andere. Aber ungeachtet der Tatsache, dass Norilsk, mit geschichtlichen Maßen gemessen, erst vor gar nicht langer Zeit errichtet wurde, gibt es dort fast keine Gedenkstätten oder Erinnerungsstücke aus jener Zeit. Selbst die Baracke, die man den Touristen immer als GULAG-Baracke zeigt, ist nach den Worten der Heimatkundler Stanislaw und Larisa Strjutschkow erst später entstanden und diente auch mehr der Unterbringung von Straftätern.


Die von Häftlingen gebaute Brücke ist zerstört

Als einziges, mit bloßen Händen geschaffenes Objekt aus der Zeit des Baubeginns der Stadt und des Kombinats, das bis heute erhalten geblieben ist, erweist sich die Schmalspur-Eisenbahnbrücke unweit der Einfahrt in die Stadt. Sobald man mit dem Bau der neuen Zweiglinie begonnen hatte, wurden die alte GULAG-Schmalspurschienen demontiert, wobei man die Brücke als Zeugen der 1930er Jahre stehen ließ. In den 1990er Jahren wurde sie bereits als kulturelles Erbe anerkannt. Bis in die jüngste Zeit stand ganz in der Nähe eine Lokomotive, genauer gesagt – eben jene, die damals über die Brücke dahinzueilen pflegte. Die Norilsker Eisenbahn-Gesellschaft hatte sie aus der Ukraine herangeschafft. Und nun haben sie die Lok, unter dem Vorwand des Schutzes vor Vandalen, auf einen Bahnhof in der Stadt gebracht.

- Aber es geht nicht so sehr um die Lok, als vielmehr um die Brücke. Sie ist das letzte Denk- und Mahnmal für die Handarbeit von Gefangenen, - sagt Larisa Strjutschkowa. – Aber nun ist sie herrenlos.

So lange noch die alte Lok daneben stand, befand sich auch die Brücke unter Aufsicht, wenn gleich die Norilsker Eisenbahn-Gesellschaft ihr gegenüber keine Verantwortung zeigte. Heute ist das in einem baufälligen Zustand befindliche historische Objekt dem Willen der Naturgewalten und Vandalen ausgesetzt. Die Staatlichen Behörden befassen sich nicht mit ihrer Restaurierung, der Norilsker Bahn-Gesellschaft und auch dem Norilsker Nickelkombinat gehört sie nicht. Wenngleich, so meinen zumindest die Stadtbewohner, jene Gelder, die für die Umsetzung der Lokomotive zum Bahnhof ausgegeben wurden, möglicherweise für die Reparatur des historischen Brücken-Objekts gereicht haben dürften.

Larisa REPINA
Foto der Autorin
“Argumente und Fakten am Jenisej“, 7. Juli 2010


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